Titel: | Ueber die Alkoholgährung; von Justus v. Liebig. |
Fundstelle: | Band 195, Jahrgang 1870, Nr. CLII., S. 537 |
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CLII.
Ueber die Alkoholgährung; von Justus v. Liebig.Im Auszuge aus des Verfassers Abhandlung „über die Gährung und die Quelle
der Muskelkraft“ in den Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. CLIII
S. 1 (durch das polytechnische Centralblatt, 1870 S. 346).
Liebig, über die Alkoholgährung.
Aus einer Reihe von Versuchen über das Verhalten der Hefe in der Alkoholgährung hat
Pasteur vor neun Jahren (Annales de Chimie et de Physique, 3me
série, t. LVIII p.
323) den Schluß gezogen, daß die von dem Verf. aufgestellte Erklärung der Wirkung
der Hefe auf den Zucker einer jeden Grundlage ermangele. Der Verf. hatte angenommen,
daß das Zerfallen der gährungsfähigen Materie in einfachere Verbindungen auf einen
Spaltungsproceß zurückgeführt werden müsse, welcher im Ferment bestehe, und daß die
Wirkung des Gährungserregers auf die gährungsfähige Substanz fortdauere oder ihr
Ende finde mit der Dauer oder der Beendigung des im Fermente bestehenden
Umsetzungsprocesses. Die Umlagerung der Zuckeratome im Zuckermolecul sey demnach
eine Folge der Zersetzung oder Umlagerung eines oder einiger Bestandtheile des
Fermentes.
Die Ansicht Pasteur's über die
Gährung ist folgende: „Der chemische Vorgang der Gährung ist wesentlich
eine die Lebensacte der Hefe begleitende Erscheinung; sie fängt damit an und
endigt damit; eine Alkoholgährung ohne gleichzeitige Organisation, Entwickelung
und Vermehrung, d.h. ohne fortgesetztes Leben, findet niemals statt.“
Pasteur betrachtet also die Gährung als einen chemischen
Proceß, welcher einen physiologischen begleite und davon abhängig sey; die
Lebensacte des Fermentes bedingen nach ihm das Zerfallen des Zuckeratomes. Diese
Ansicht hatte schon vor 20 Jahren ihre Vertreter gefunden, wie der Verfasser in
seinen chemischen Briefen weitläufig auseinander gesetzt hat; die Natur der Hefe war
ihm zur Zeit, in welcher er seine Ansicht über die Gährung entwickelte, wohl
bekannt, aber der physiologische Proceß berührte nicht sein Gebiet; was er
versuchte, war, den chemischen Vorgang der Zersetzung des Zuckers auf einen
einfachen, alle ähnliche Processe umfassenden Ausdruck zurückzuführen.
Auf das, was der Verf. zu erklären versuchte, nämlich die Spaltung der
gährungsfähigen Substanz in Berührung mit der Hefenzelle, ist Pasteur nicht eingegangen, und indem er uns mit einem
„Lebensacte“ als dem Grunde der Gährung abfindet, setzt er
an die Stelle einer Erklärung eine Thatsache, welche für sich der Erklärung
bedarf.
Von dem chemischen Standpunkte aus, welchen der Verf. nicht aufgeben möchte, ist ein
„Lebensact“ ein „Bewegungszustand,“
und in diesem Sinne genommen steht die Ansicht Pasteur's nicht im Widerspruch mit derjenigen
des Verf. und ist keine Widerlegung derselben. Man beobachtet, so sagte der Verf.,
daß die Hefe beim einfachen Aufbewahren unter Wasser sich verändert und zuletzt wie
ein thierischer Stoff in Fäulniß übergeht; dieser Vorgang hat einen Anfang, eine
gewisse Dauer und ein Ende; dieß setzt voraus, daß die Theile der Hefe sich in einem
Zustande der Umlagerung, des Ortswechsels, das ist in einer Bewegung befinden, deren
Ende ein Zerfallen in andere, einfachere Verbindungen ist, welche sich beim Abschluß
der Luft nicht weiter ändern; in diesem Falle, wo die eingetretene Bewegung aufhört,
tritt ein Gleichgewichtszustand ein.
Dieser Bewegungszustand ist ganz unabhängig von der Mitwirkung anderer Körper; man
beobachtet ferner, daß eine ganze Anzahl von Substanzen, wenn sie in Berührung mit
Hefe gebracht werden, eine Aenderung in der Anordnung ihrer Atome erleiden, welche
darin besteht, daß sich neue Producte daraus bilden. Zucker z.B. verhält sich damit
genau so, wie wenn er ein Theil oder Bestandtheil der Hefenzelle wäre; es findet
eine Umlagerung oder Verschiebung der Zuckeratome statt.
Die Entwickelung einer Pflanze, die Bildung und Vermehrung der Hefenpilze ist
abhängig von der Gegenwart und Aufnahme von Nährstoffen, welche im Inneren zu
Theilen des lebenden Organismus werden; aber in dem Processe der Gährung findet, man
kann so sagen, eine Wirkung nach außen hin statt auf Stoffe, welche in Producte
zerfallen, die von dem
lebenden Organismus nicht verwendbar sind. Der vitale Vorgang und die chemische
Wirkung sind offenbar zwei Erscheinungen, welche in der Erklärung auseinander
gehalten werden müssen.
Es könnte seyn, daß der physiologische Proceß in keiner anderen Beziehung zu dem
Gährungsproceß steht, als daß durch ihn in der lebenden Zelle der Stoff erzeugt
wird, welcher durch eine ihm eigene Wirkung, ähnlich der des Emulsins auf Salicin
und Amygdalin, das Zerfallen des Zuckers und anderer organischer Atome herbeiführt;
der physiologische Proceß würde in diesem Falle nothwendig seyn, um diesen Stoff zu
erzeugen; aber mit der Gährung an sich würde er in keiner weiteren Verbindung
stehen.
Der Verf. hat in der Richtung dieser Fragen einige Versuche angestellt, welche dazu
beitragen dürften, diesen Vorgang aufzuhellen.
Ueber die Natur der Bier- und Weinhefe besteht kein Zweifel; sie ist eine
Entwickelungsform verschiedener Pilzarten und besteht nach den mikroskopischen
Untersuchungen von Dr. Lermer
Polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXXI S. 223. im ausgewachsenen Zustande aus der Zellenwand, dem der Zellenwand
anliegenden Primordialschlauch, ferner aus einer körnig-schleimigen Substanz,
dem Protoplasma und einer wässerigen Zellflüssigkeit, welche in mehr oder minder
großen Tropfen, Vacuolen, im Protoplasma liegt.
Lermer hat aus seinen Beobachtungen geschlossen, daß bei
der Einwirkung von Wasser auf Hefe der Gehalt derselben an Eiweißkörpern bedeutend
verringert werde. Der Verf. ist in Zweifel darüber, ob die durch Wasser der Hefe
entziehbare Substanz ein Eiweißkörper ist. Wenn 1 Liter frische, breiartige Bierhefe
etwa vier Mal nacheinander mit ihrem 6- bis 8fachen Volumen Wasser durch
Decantiren ausgewaschen wird, und man sie dann zum fünften Male in 4 Liter Wasser
vertheilt, so nimmt dieses Wasser in 3 bis 4 Stunden nur geringe Mengen organischer
Materie daraus auf, 1 Liter Wasser nicht über 350 Milligrm., und die
gährungerregende Eigenschaft dieser ausgewaschenen Hefe scheint kaum geschwächt zu
seyn. Läßt man die ausgewaschene Hefe längere Zeit mit ihrem gleichen Volumen Wasser
in Berührung, so vermehrt sich die organische Materie in dem Wasser, so zwar, daß
nach einigen Tagen das Wasser zehn Mal mehr als das letzte Waschwasser enthält; 20
Kubikcentimeter dieses Wassers lieferten nach dem Abdampfen 78 Milligrm. Rückstand =
in 1 Liter 3,9 Grm. Die organische Substanz, welche das Wasser allmählich aus der
Hefe aufnimmt, scheint ein Product der Zersetzung eines ihrer Bestandtheile zu seyn; sie ertheilt
dem Wasser sehr bemerkenswerthe Eigenschaften.
Löst man Rohrzucker darin auf, so verwandelt sich derselbe rasch in Traubenzucker. 25
Grm. Rohrzucker in 100 Kubikcentimeter des Hefenwassers, welche 0,39 Grm. organische
Substanz enthielten, aufgelöst, waren nach 24 Stunden vollständig in Traubenzucker
übergegangen. Die nämliche Flüssigkeit hätte wahrscheinlich noch viel mehr
Rohrzucker in Traubenzucker umwandeln können.
Das Hefenwasser hat eine sehr schwach saure Reaction, ist farb- und
geschmacklos und gibt mit Bleiessig und Gerbsäure eine schwache, milchige Trübung.
Die Flüssigkeit verliert an Durchsichtigkeit, wenn sie mehrere Tage an der Luft
steht, unter Bildung eines weißen, flockigen Niederschlages. Wenn man sie zum Sieden
erhitzt, so verliert sie ihre Wirkung auf den Rohrzucker vollständig.
Ueber die Ursache der Wirkung des Hefenwassers kann wohl kein Zweifel seyn; es
enthält, wie sein Verhalten an der Luft und in der Siedehitze beweist, eine Materie
im Zustande der Umsetzung, und es muß von diesem Zustande der Bewegung die
Umwandlung des Rohrzuckers in Traubenzucker bedingt werden. Die Rohrzuckertheilchen
verhalten sich, wie wenn sie Theile oder Bestandtheile der sich umsetzenden
stickstoffhaltigen Materie wären: sie gehen in eine neue Lagerung über. Es findet
hier eine ähnliche Wirkung statt, wie bei der Diastase, dem Emulsin, dem Pepsin
etc.
Die Wirkung der Substanz im Hefenwasser auf den Zucker ist offenbar von der der Hefe
selbst verschieden.
Von allen Chemikern, welche sich mit der chemischen Untersuchung der Hefe beschäftigt
haben, hat keiner die nämlichen Zahlen in der Analyse erhalten; Mitscherlich erhielt 47 Proc., Schloßberger bis 50 Proc. Kohlenstoff; der erstere fand 10 Proc., der
andere bis 12 1/2 Proc. Stickstoff.
In Versuchen, welche im Laboratorium des Verf. ausgeführt wurden, erhielt Dr. Reichenbach in vier
Bestimmungen in bei 100° C. getrockneter Hefe 34,57 Proc. Kohlenstoff und
7,41 Proc. Stickstoff; die analysirte Hefe war im feuchten Zustande sehr
wirksam.
Die Zusammensetzung der Hefe wechselt, man kann sagen, von einem Tage zum anderen,
und dieß ist wohl ein sicheres Merkzeichen der Veränderungen, welche unausgesetzt in
ihrer Substanz vor sich gehen.
Die Hefe enthält Schwefel als constanten Bestandtheil; sie entwickelt beim Faulen
Schwefelwasserstoff; Mitscherlich fand in ihr 0,6 Proc.
Schwefel. Nach Bestimmungen im Laboratorium des Verf. enthielt eine untersuchte trockene Hefe 0,685
Proc., eine andere Hefe 0,568 Proc. (Reichenbach), eine
dritte 0,387 Proc. Schwefel (Dempwolff).
Der Gehalt an unverbrennlichen Bestandtheilen wechselt in der Hefe in eben dem Grade,
wie ihre verbrennlichen; man erhält von trockener Hefe durchschnittlich 7 bis 8
Proc. Asche, welche sehr reich an phosphorsaurem Kali ist. Dieses Salz ist offenbar
in der Hefe in einer chemischen Verbindung, wie etwa in den Getreidesamen,
enthalten, da es sich durch Auswaschen nicht entziehen läßt.
Zwei Hefenaschen gaben folgende Zusammensetzung:
I.
II.
Mitscherlich
Phosphorsäure
44,76
48,53
59,3
Kali
29,07
30,58
28,3
Natron
2,46
–
–
KalkMagnesia
2,39 4,09
2,104,16
12,5
Kieselsäure
14,36
–
–
Chlor, KohlensäureEisenoxyd
2,12
–
–
–––––
99,25
Die Hefe enthält in ihrer Asche die nämlichen Bestandtheile und sehr nahe in
demselben Verhältnisse wie der Roggen- und Weizensamen, und nach Abzug der
Kieselsäure wie die Gerste.
Die Veränderlichkeit der Hefe beim Aufbewahren ist bekannt genug. Wenn sie im
breiartigen Zustande mit Wasser bedeckt an einem kühlen Orte steht, so bemerkt man
eine Gasentwickelung; das Gas ist kohlensaures Gas, frei von Stickgas. Wenn man die
Temperatur der feuchten Hefe erhöht, so wird die Gasentwickelung deutlicher; es
entsteht ein Schaum auf der Oberfläche der Flüssigkeit. Bei 30 bis 35° C.
tritt eine wahre, beinahe stürmische Gährung ein, genau so wie in einer
Zuckerlösung, welche man mit einer genügenden Menge frischer Hefe versetzt hat.
Als Product dieser Hefengährung tritt nicht bloß Kohlensäure, sondern auch Alkohol
auf. Beide sind bereits von Béchamp und Pasteur im Wasser, welches mit Hefe in Berührung war,
beobachtet worden. Auch hat Pasteur gefunden, daß, wenn
man sehr wenig Zucker mit viel Hefe gähren läßt, man mehr Alkohol erhält, als der
zugesetzten Zuckermenge entspricht, und er schloß daraus, daß der Alkohol nothwendig
von der Hefe geliefert worden seyn müsse.
Pasteur meint, daß in der Hefengährung die Cellulose der
alten oder Mutterzellen in Zucker übergehe, von welchem ein Theil zur Bildung der
Zellenwand der sich entwickelnden Sprossen verwendet werde, ein anderer in Alkohol,
Kohlensäure, Bernsteinsäure etc. zerfallen müsse. Diese Ansicht ließ sich leicht durch
Bestimmung der Cellulose und des Alkohols einer Prüfung unterwerfen.
Der Verfasser hat die Cellulose aus der Hefe nach Schloßberger's Methode (s. Annalen der Chemie
und Pharmacie, Bd. LI S. 205) dargestellt, sie aber nicht ganz stickstofffrei
bekommen können. Durch abwechselnde Behandlung mit schwacher Salzsäure, um die
eingebetteten erdigen Phosphate aufzulösen, dann mit Kalilauge in der Wärme wurden
die im Wasser vertheilten Hefenzellen beinahe durchscheinend; unter dem Mikroskop
zeigten sie aber stets einen körnigen Inhalt; auf dem Filter sahen sie wie ein
dicker, trüber Schleim aus, welcher nach dem Trocknen grau, faserig wie Papiermasse
war. Der Verf. überzeugte sich, daß die Hauptmasse aus Cellulose bestand; sie löste
sich in concentrirter Schwefelsäure ohne Schwärzung, und in dieser Lösung ließ sich,
wenn sie mit Wasser verdünnt eine Zeit lang im Sieden erhalten worden war, leicht
die Gegenwart von Traubenzucker erkennen. Auf 100 trockene Hefe berechnet, erhielt
der Verf. nicht über 17 Proc. Cellulose von der oben bezeichneten Beschaffenheit,
meistens weniger. Pasteur fand in drei Versuchen 17,77,
19,29 und 19,21, im Mittel 18,76 Proc. Cellulose. Die von dem Verf. dargestellte
Hefencellulose löste sich nicht in Kupferoxyd-Ammoniak.
Zur Bestimmung des bei der Gährung der Hefe gebildeten Alkohols verwendete der Verf.,
wie zu allen seinen Versuchen, Münchener Unterhefe. Dieselbe wurde in Wasser
vertheilt, sodann mittelst eines sehr feinen Siebes von den mechanisch beigemengten
Bier- und Hopfenresten befreit und darauf mit stets erneuertem reinem Wasser
durch Decantation so lange ausgewaschen, bis das überstehende Wasser keine Färbung
mehr zeigte.
I. 1500 Kubikcentimeter feuchte, mit Wasser sorgfältig vertheilte Hefe, nach zwei
übereinstimmenden Proben = 147 Grm. trockene Hefe, lieferte, nach 18 Stunden der
Destillation unterworfen, 14,792 wasserhaltigen Alkohol von 0,8472 spec. Gew. =
11,981 Alkohol.
II. 1200 Kubikcentimeter = 48,88 Grm. trockene Hefe, lieferte, nach 36 Stunden
destillirt, 6,188 Alkohol.
III. 1200 Kubikcentimeter = 91,5 Grm. trockene Hefe, lieferte nach 24 Stunden 8,23
Alkohol.
IV. 1000 Kubikcentimeter = 79,22 Grm. trockene Hefe, lieferte nach 18 Stunden 6,66
Alkohol.
V. 1000 Kubikcentimeter = 100,58 Grm. trockene Hefe, lieferte nach 36 Stunden 13,9
Alkohol.
Wenn man den in diesen fünf Versuchen erhaltenen, Alkohol rückwärts in Cellulose berechnet und mit
der Cellulose vergleicht, welche in der Hefe enthalten ist, so ergibt sich (bei
Annahme des von Pasteur gefundenen Cellulosegehaltes von
18,76 Proc.) Folgendes:
In dem Versuch I wurden 147 Grm. Hefe der Gährung unterworfen; sie enthielt nach Pasteur 27,57 Cellulose, die, in Zucker umgewandelt, 15,7
Grm. Alkohol liefern könnten; sie hat wirklich geliefert 11,98 Grm. Alkohol,
entsprechend 76 Proc. von dem Gewichte der Cellulose in der Hefe.
Hefe
Cellulose
sollte liefern Alkohol
hat geliefertAlkohol
Procente derCellulose
I.
147,0
27,57
15,7
11,98
76 Proc.
II.
48,8
9,16
5,2
6,18
118 „
III.
91,5
17,16
9,7
8,23
87 „
IV.
79,22
13,85
7,8
6,66
85 „
V.
100,58
18,86
11,26
13,90
120 „
Man bemerkt, daß mit der Dauer der Gährung die gebildete Menge Alkohol zunahm; in den
Versuchen II und V, in welchen die Gährung 12, resp. 18 Stunden länger dauerte,
wurde im Verhältniß mehr Alkohol erhalten, als in den drei anderen, und es ist
wahrscheinlich, daß, wenn man diese längere Zeit in der geeigneten Temperatur der
Gährung überlassen hätte, auch bei diesen mehr Alkohol erzeugt worden wäre. Das
Resultat dieser Versuche bleibt darum nicht minder entscheidend.
Wenn der Alkohol von der Cellulose der Zellenwände der Hefe geliefert würde, so
müßten in den Versuchen II und V nach der Gährung alle Zellen vollständig
verschwunden seyn; der Augenschein zeigt aber, daß die Zellen in der Hefengährung
nicht vermindert werden und nicht verschwinden. Der Verf. hat überdieß im Absatz vom
Versuch V die Cellulose bestimmt; derselbe wurde abwechselnd mit schwacher Kalilauge
und verdünnter Salzsäure behandelt und durch häufige Decantation ausgewaschen, wobei
ein Verlust nicht vermieden werden konnte; es blieben im Ganzen 11,750 Grm.
Cellulose zurück.
Nach der mikroskopischen Untersuchung von Prof. Dr. Nägeli
„gleichen die Zellen der Hefe, welche ohne Zucker gegohren haben, in
Gestalt und Größe genau den Zellen der gewöhnlichen Hefe; sie unterscheiden sich
von denselben dadurch, daß sie 1) nicht mehr sprossen' 2) durch die derbere und
dickere Zellenmembrane und 3) durch den körnigen und verminderten
Plasma-Inhalt.“ Es sind abgestorbene Hefenzellen, und der
Vorgang der Hefengährung ist eine Zersetzung des Zellen-Inhaltes; bei dieser
Gährung beobachtet man nicht den geringsten Fäulnißgeruch.
Die über der gegohrenen Hefe stehende und durch Auswaschen des Rückstandes erhaltene
Flüssigkeit gibt beim Erhitzen zum Sieden ein weißes Gerinnsel, welches ganz das
Ansehen von geronnenem Eiweiß hat. Barytwasser bringt darin einen weißen
Niederschlag von phosphorsaurem Baryt hervor. Wird sie mit Alkohol vermischt, so
lange sie noch davon getrübt wird, so scheidet sich eine syrupartige Masse ab, und
die darüber stehende klare, gelbliche Flüssigkeit setzt nach der Entfernung des
Alkohols kleine Krystalle ab, welche, gereinigt, weiche, perlmutterglänzende
Blättchen darstellen; es ist gewöhnliches Leucin.
Die durch Alkohol fällbare Substanz ist reich an Stickstoff und enthält eine gewisse
Menge Schwefel; nach dem Kochen mit starker Kalilauge bringt Zusatz von Säuren eine
Entwickelung von Schwefelwasserstoff hervor. Der Rückstand von der Gährung der Hefe,
welcher aus den abgestorbenen Zellen besteht, ausgewaschen und getrocknet, stellt
eine braune, zähe Masse dar, in welcher der Stickstoff und Schwefel bestimmt wurden.
Vier Bestimmungen ergaben 5,65, 5,79, 5,85, 5,48, im Mittel 5,64 Proc. Stickstoff
und 0,603, 0,489 und 0,493 Proc. Schwefel. Die frische Hefe enthält 7,4 Proc.
Stickstoff, die gegohrene also 1,76 Proc. weniger. Es ist klar, daß in der Gährung
der Hefe der stickstoffhaltige Bestandtheil derselben eine Zersetzung erfährt; ein
großer Theil davon wird löslich, ein kleinerer bleibt in den Hefenzellen. Aus
letzterem läßt sich durch schwache Kalilauge ein dem Käsestoff ähnlicher Stoff
ausziehen, welcher aus der alkoholischen Lösung durch Säuren in dicken Flocken
gefällt wird; die Analyse ergab aber weniger Stickstoff, als der reine Käsestoff
enthält, nämlich nur 11,39 Proc. Stickstoff.
Es ist klar, daß, wenn nicht die Cellulose der Hefenzelle es ist, welche das Material
zur Alkohol- und Kohlensäure-Bildung lieferte, dieses von einem dem
Zucker identischen oder ähnlich zusammengesetzten Stoffe stammen muß, welcher einen
Bestandtheil des Zellen-Inhaltes ausmacht; und da dieser Stoff durch
Auswaschen der Hefe nicht zu entziehen ist, so muß er nothwendig in Form einer
festen Verbindung mit einem anderen Körper in der Zelle enthalten seyn, welcher
reich an Stickstoff und schwefelhaltig ist.
Wenn man den im Versuche V erhaltenen Alkohol rückwärts in Zucker berechnet, so
entsprechen 13,9 Grm. Alkohol 27 Grm. Zucker (C12H12O12); fügt man diesem Zucker die Cellulose in 100 Hefe zu, nach Pasteur 18,75, nach des Verf. Bestimmung 16,5 Cellulose,
so erhält man im Ganzen 45,6 oder 43,5 Proc. stickstofffreie Bestandtheile der Hefe;
es würden demnach übrig bleiben 54,4 oder 56,5 Proc. stickstoffhaltige
Bestandtheile, worin 7,41 Stickstoff; dieß gibt für diese Substanz 13 bis 13 1/2 Proc. Stickstoff,
etwa 1 1/2 bis 2 Proc. weniger, als die Albummate enthalten. Zieht man in Betracht,
daß die Hefe weniger als 16 1/2 Proc. Cellulose im reinen Zustande enthalten muß,
und daß sie eine gewisse Menge festes und flüssiges Fett und einen bitteren,
harzartigen Stoff, wahrscheinlich vom Hopfen (Schloßberger a. a. O. S. 198), an Alkohol abgibt, so wird man keinen
Fehler begehen, wenn man annimmt, daß der stickstoff- und schwefelhaltige
Körper in der Hefe entweder ein Albuminat selbst oder ein den Albuminaten sehr nahe
stehender Körper ist. Daß er von einem Albuminate stammt, darüber kann kein Zweifel
bestehen.
Ueber das Verhalten der Hefe in der Bierwürze besteht, wie der Verf. glaubt, keine
Meinungsverschiedenheit; sobald sich vollkommene Hefenzellen gebildet haben, beginnt
die Zersetzung des Zuckers, neben welcher unausgesetzt, und bis aller Zucker
zersetzt ist, die Hefenzellen-Bildung fortdauert.
Der Verf. hat erwähnt, daß die Spaltung des Zuckers von einer Zersetzung des
Zellen-Inhaltes begleitet ist, von welchem ein stickstoffhaltiger
Bestandtheil löslich wird und in die gährende Flüssigkeit übergeht; die letztere
verliert an stickstoffhaltigen Bestandtheilen, wenn diese zu Bestandtheilen der
Zellen werden, und gewinnt wieder einen Theil davon durch die Zersetzung des
Zellen-Inhaltes.
Bereits im Jahr 1853 haben Graham, A. W. Hofmann und Redwood in ihren
Untersuchungen über die Gährung des Bieres mit Rücksicht auf Steuerverhältnisse (Chem. Soc. Qu. Journal. vol. V p. 229) ermittelt, daß eine gehopfte Würze von hellem Malz vor der Gährung
0,217 Proc. Stickstoff, nach der Gährung 0,134 Proc. Stickstoff gab; es blieben
demnach nur 0,083 Proc. des ganzen Stickstoffgehaltes der Würze in der Hefe; der
Rest ging wieder in die gährende Flüssigkeit über oder blieb in derselben. Die
zahlreichen Stickstoffbestimmungen des Bieres von Feichtinger (Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXX S. 227) ergaben in
den bayerischen Bieren einen konstanten und durchschnittlich einen noch größeren
Stickstoffgehalt.
Nach den Erfahrungen in der Bierbrauerei vermehrt sich die der Würze zur Einleitung
der Gährung zugesetzte Hefe um das 18- bis 20fache, d.h. für 100 Hefe im
breiartigen Zustande erhält man 1800 bis 2000 Hefe von derselben Beschaffenheit.
Bei der Gährung des Zuckers mit Hefe kann selbstverständlich keine Vermehrung der
Hefe stattfinden; denn im reinen Zuckerwasser fehlt es an dem zur Ernährung der
Hefenzellen nothwendigen schwefel- und stickstoffhaltigen Bestandtheile.
In einer zuckerhaltigen Flüssigkeit, welche einen zur Ernährung des Hefenpilzes
geeigneten stickstoff- und schwefelhaltigen Körper enthält, vermehrt sich die
Anzahl der wirksamen Hefenzellen unter Umständen um das Tausend- und
Mehrfache, und der Gehalt an stickstoffhaltiger Materie nimmt in der Flüssigkeit ab.
In einer mit Hefe versetzten Zuckerlösung empfängt die Flüssigkeit während der
Gährung von der Hefe eine gewisse Menge stickstoffhaltiger Substanz; die Hefe nimmt
dadurch an Wirksamkeit ab; sie zersetzt, zum zweiten Male mit Zuckerwasser in
Berührung gebracht, weniger Zucker. Der Verf. hat gefunden, daß, wenn die nach der
Gährung des Zuckerwassers übrig bleibende Hefe jedesmal mit Wasser ausgewaschen
wird, nach ihrer dritten Verwendung neues Zuckerwasser nicht mehr davon in Gährung
versetzt wird. Unausgewaschen brachte sie, zum fünften Male verwendet, noch eine
sehr schwache Gährung hervor; sie war aber alsdann völlig erschöpft.
Der Verlauf der Gährung von Zuckerwasser mit Hefe und der von Zuckerlösungen, welche
stickstoffhaltige, zur Ernährung des Hefenpilzes geeignete Materien enthalten, ist
demnach in Beziehung auf die Bildung und Vermehrung von Hefenzellen verschieden, und
die Behauptung Pasteur's, daß sich in beiden Fällen
gleich viel Hefe bilde, ja, im ersteren Falle, der Gährung von reinem Zuckerwasser,
eher mehr, als in dem anderen, entbehrt jeder tatsächlichen Begründung.
Der Verf. hat, wie Pasteur, gefunden, daß, wenn man zu
1000 Kubikcentimetern Zuckerwasser, welches 10 Proc. Zucker enthält, 15 bis 20
Kubikcentimeter feuchte Hefe setzt, worin 3 1/2 bis 5 Grm. Trockensubstanz, in
diesem Falle nach der Gährung das Gewicht der zurückbleibenden Hefe kleiner ist, als
das der verwendeten Hefe im frischen Zustande. Die Mischung geht bei diesem
Verhältnisse in eine rasch verlaufende, oft stürmische Gährung über; nach 3 bis 4
Tagen schon klärt sich die Flüssigkeit.
Die Versuche des Verf. bestätigten ferner die von Pasteur
festgestellte Thatsache, daß, wenn man weniger Hefe zum Zuckerwasser als das oben
angeführte Verhältniß setzt, in diesem Falle das Gewicht der Hefe nach der Gährung
nicht ab-, sondern um 5, oft um 12 Proc. zunimmt. Der Grund dieser
Gewichtszunahme ist von Pasteur betont worden, und der
Verf. glaubt, jetzt ganz bestimmte Beweise dafür liefern zu können; die
Gewichtszunahme beruht auf dem merkwürdigen Verhalten der stickstoffhaltigen
Materie, welche die Hefe während der Gährung verliert, als Nährstoff zur Bildung
neuer Hefenzellen dienen zu können.
Man versteht jetzt leicht, wie und in welcher Weise die Hefe an Gewicht zunimmt. Beim
Beginn und einer gewissen Dauer der Gährung tritt ein Theil des stickstoffhaltigen Bestandtheiles des
Hefenzellen-Inhaltes an die Flüssigkeit, welche noch reich an Zucker ist, und
die restirende lebende Hefe verhält sich jetzt zu dieser Flüssigkeit wie frische
Hefe, welche man zu Bierwürze gesetzt hat; sie sproßt, und es bilden sich neue
Zellen, welche die aufgelöste stickstoffhaltige Materie zur Wiederherstellung des
ursprünglichen activen Zellen-Inhaltes verwenden; indem diese neuen Zellen
auf den Zucker wirken, tritt wieder stickstoffhaltige Materie aus, und dieß kann
Monate lang so fortgehen.
Mit der Erzeugung frischer Zellen geht die Bildung neuer Zellenwände parallel, und da
diese aus Cellulose bestehen, so vermehrt sich das Gewicht der Hefe um das Gewicht
der hinzu gekommenen Cellulose. Das Gewicht der Hefe nimmt zu, aber ihr relativer
Stickstoffgehalt nimmt stetig ab.
Der eben beschriebene Vorgang läßt sich in folgender Weise versinnlichen: Wenn man 1
Liter 10procentiges Zuckerwasser mit 15 Kubikcentimeter feuchtem Hefenbrei
vollständig vergähren läßt, und man filtrirt die über der restirenden Hefe stehende
klare Flüssigkeit zwei bis drei Mal durch doppelte Filter, so ist darin keine Spur
einer organisirten Substanz ( nachweisbar. Wenn jetzt diese Flüssigkeit zur
Entfernung des Alkohols zum Sieden erhitzt und eine Stunde lang im Sieden erhalten
wird, so bleiben etwa 450 bis 500 Kubikcentimeter Flüssigkeit, worin, wie erwähnt,
der stickstoffhaltige Körper ist, welchen die Hefe in der vorangegangenen Gährung
abgegeben hat. Löst man in dieser Flüssigkeit 30 bis 40 Grm. Zucker auf, setzt, wenn
sie bis auf etwa 20° C. erkaltet ist, eine Spur Hefe zu,Der Verf. nimmt dazu Hefenbrei von der Größe eines Stecknadelknopfes, den er
in 100 Kubikcentimeter Wasser vertheilt; hiervon nimmt er 1
Kubikcentimeter. und überläßt sie dann in einer kleinen Flasche (welche mit einer
Kautschukkapsel verschlossen und mit einer Gasleitungsröhre versehen ist, welche in
Wasser taucht) sich selbst, so bemerkt man nach 10 Stunden eine deutliche
Gasentwickelung und am Boden einen sichtbaren Absatz von Hefe. Die Gasentwickelung
nimmt fortwährend zu und nach 3 bis 4 Tagen beträgt die erzeugte Hefe im feuchten,
breiartigen Zustande 450 bis 600 Milligrm. Nach 8–10 Tagen ist der Zucker
vollständig verschwunden. Verfährt man mit dieser Flüssigkeit, welche zum zweiten
Male gedient hat, wie mit der ersten, d.h. filtrirt man sie von der abgesetzten Hefe
ab, dampft wieder zur Hälfte ein, setzt wieder Zucker und eine Spur Hefe zu, so
wiederholt sich dieser Vorgang; es tritt wieder Gährung unter Bildung neuer Hefe
ein.
In dieser Weise ist es dem Verf. gelungen, in einer und derselben Flüssigkeit vier Mal nach
einander Hefe von voller Wirksamkeit zu erzeugen, welche sich also zu Zuckerwasser
verhielt wie frische Hefe.
Die einzige Vorsicht, welche man gebrauchen muß, um des Gelingens sicher zu seyn, ist
die, daß man nach der Vollendung der ersten und der folgenden Gährungen die
abfiltrirte und eingedampfte Flüssigkeit mit kohlensaurem Kali genau neutralisirt.
Die gegohrenen Flüssigkeiten sind immer sauer und die vorhandene Säure vermehrt sich
absolut in jeder der auf einander folgenden Gährungen und relativ durch die in Folge
des Abdampfens wachsende Concentration der Flüssigkeit.
Die Dauer der Gährung bei geringen Hefenmengen oder die sogenannte Nachgährung beruht
also darauf, daß der in Folge des Umsatzes in der Hefenzelle an die Flüssigkeit
getretene stickstoff- und schwefelhaltige Bestandtheil derselben, welcher für
sich das Vermögen nicht hat, den Zucker in Kohlensäure und Alkohol zu spalten,
dieses Vermögen wieder gewinnt; und dieß geschieht dadurch, daß er als Nährstoff zur
Erzeugung neuer Hefenzellen dient und in der Zelle selbst die Form der Verbindung
wieder gewinnt, in welcher er die Zersetzung des Zuckers hervorbringt.
Während der Gährung tritt in den Hefenzellen eine Theilung des stickstoffhaltigen
Zellen-Inhaltes ein; ein Theil desselben bleibt in der unwirksam gewordenen
Zelle im unlöslichen Zustande stets zurück, und dieß ist der Grund, warum die
Wirkung der Hefe zuletzt eine Grenze hat. Wenn alle stickstoffhaltigen Bestandtheile
austreten würden und die Fähigkeit behielten, immer wieder auf's Neue zur Erzeugung
von Hefe zu dienen, so würde der Vorgang der Gährung ein wahres Perpetuum mobile darstellen, einer arbeitenden Maschine
gleich, welche in sich selbst die Kraft zur Arbeit stets wieder erzeugt.
In den beschriebenen Fällen der Gährung des Zuckerwassers mit ausgewaschener Bierhefe
hat man so ziemlich ein Bild aller ähnlichen Gährungen. Bei einem gewissen
Verhältniß Bierhefe verläuft die Gährung rasch, und die Hefe nimmt an Gewicht ab;
bei sehr wenig Hefe kann, wie in der Nachgährung der Weine, die Gährung Monate oder
Jahre lang dauern; in diesem Falle nimmt die Hefe an Gewicht zu.
Man kann sich denken, daß der Vorgang in beiden Fällen gleich sey, und daß nur die
Menge der Hefe den Unterschied mache; wäre aber die fortdauernde Zellenbildung eine
nothwendige Bedingung der rasch verlaufenden Gährungen, so müßte die Anzahl der
Zellenbälge und damit das Gewicht der Cellulose in einem ähnlichen Verhältnisse wie
bei der langsamen Gährung zunehmen; aber das Gewicht der zurückbleibenden Hefe nimmt
in der rasch verlaufenden Gährung ab.
Wenn man von bloßen Meinungen absieht, so beschränkt sich unsere thatsächliche
Kenntniß von der Hefe und ihren Wirkungen auf Folgendes: Die Hefe besteht aus
Pflanzenzellen, die sich in einer Flüssigkeit entwickeln und vermehren, welche
Zucker und ein Albuminat oder einen von einem Albuminate stammenden Körper enthält;
die Hauptmasse des Zellen-Inhaltes besteht aus einer Verbindung von einem
stickstoff- und schwefelhaltigen Körper mit einem Kohlehydrat oder Zucker. In
der Hefe tritt von dem Momente an, wo sie sich fertig gebildet hat und im reinen
Wasser sich selbst überlassen wird, eine moleculare Bewegung ein, welche sich in der
Umsetzung der Bestandtheile des Zellen-Inhaltes äußert. Das in derselben
enthaltene Kohlehydrat (oder Zucker) zerfällt in Kohlensäure und Alkohol, und ein
kleiner Theil seines schwefel- und stickstoffhaltigen Bestandtheiles wird
löslich und behält die in ihm eingetretene moleculare Bewegung in der Flüssigkeit
bei; in Folge derselben hat dieser Stoff das Vermögen, Rohrzucker in Traubenzucker
überzuführen. An diesem Vorgange nimmt kein Körper von außen außer Wasser Antheil.
Wenn einer Mischung von Hefe und Wasser Rohrzucker zugesetzt wird, so tritt zunächst
dessen Umwandlung in Traubenzucker ein, und die durch die Zellenwände der Hefe
eindringenden Zuckertheilchen verhalten sich in der Zelle selbst wie der Zucker oder
das Kohlehydrat, welches ein Bestandtheil des Zellen-Inhaltes ist; sie
zerfallen in Folge der auf sie einwirkenden Thätigkeit in Alkohol und Kohlensäure
(oder Bernsteinsäure, Glycerin und Kohlensäure); es tritt, wie man alsdann sagt, die
Gährung des Zuckers ein.
Es ist bis jetzt kein wohl erwiesener Fall bekannt, in welchem sich Hefe ohne Zucker
gebildet hat oder in welchem Zucker in Kohlensäure und Alkohol zerfallen ist ohne
Gegenwart und Mitwirkung von Hefenzellen.Es soll damit nicht gesagt seyn, daß es außer dem organisirten Hefenferment
kein anderes geben könne, welches Zucker in Alkohol und Kohlensäure zu
spalten vermöge. Der Verf. glaubt in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit auf
die höchst merkwürdigen Eigenschaften des von Ed. Schunck entdeckten Krappfermentes (Journal für praktische Chemie,
Bd. LXIII S. 222) lenken zu sollen.
Die Bedeutung des pflanzlichen Organismus für die Erscheinung der Gährung scheint
hiernach klar zu seyn, insofern nur durch dessen Vermittelung ein Albuminat und
Zucker in der Flüssigkeit, worin sich der Hefenpilz entwickelt, zu der
eigenthümlichen Verbindung, oder, wenn man will, in der losen Form vorübergehend
zusammen treten können, in welcher allein sie als Bestandtheil des Pilzes eine
Wirkung auf den Zucker äußern. Wenn der Pilz nicht mehr wächst, so löst sich das
Band, welches die
Bestandtheile des Zellen-Inhaltes zusammenhält, und es ist die in demselben
eingetretene Bewegung, wodurch die Hefenzellen eine Verschiebung oder Spaltung der
Elemente des Zuckers und anderer organischen Molecule bewirken. Wir kennen eine
ganze Anzahl von organischen Verbindungen, in welchen bei Gegenwart von Wasser eine
Veränderung und Umsetzung beginnt, welche eine gewisse Dauer hat und mit Fäulniß
endigt, und wissen, daß andere organische Stoffe, welche für sich einer ähnlichen
Umsetzung nicht fähig sind, mit diesen in Berührung, eine ganz ähnliche Verschiebung
oder Spaltung in ihren Moleculen erleiden, wie der Zucker in Berührung mit Hefe,
ohne Mitwirkung einer vitalen Thätigkeit. Wenn die Moleculararbeit oder der Umsatz
des Zellen-Inhaltes aufgehoben wird, so hört damit auch die Wirkung auf den
Zucker auf, und so kann z.B. in schwachem Kreosotwasser oder einer schwachen Lösung
von Carbolsäure oder auch in Flüssigkeiten, welche, wie Wein, eine gewisse Menge
Alkohol und Säure enthalten, die Hefe viele Monate lang ihre volle Wirksamkeit
behalten. Man versteht, daß die Producte, welche sich in der Gährung der Hefe für
sich und in Berührung mit Zucker aus dem stickstoff- und schwefelhaltigen
Bestandtheil derselben bilden, nicht identisch seyn können, da dem Zucker, welcher
in die Zelle eindringt, eine Gegenwirkung zugeschrieben werden muß, durch welche die
Richtung der Lagerung der Theilchen des stickstoffhaltigen Körpers eine andere wird.
Die Flüssigkeit, welche von frisch gegohrener Hefe abfiltrirt wird und reich an
stickstoffhaltigen Substanzen ist, ist übrigens zur Zellenbildung sehr geeignet.
Wenn die Hefe einer Temperatur von 60° C. ausgesetzt wird, so verliert sie ihr
Vermögen, von selbst in Gährung überzugehen. In gleicher Weise verhält sich eine in
voller Gährung befindliche zuckerhaltige Flüssigkeit; wird sie in einem Wasserbade
bis auf 60° erwärmt, so ist die Gährung unterdrückt, und sie stellt sich beim
Erkalten nicht wieder ein. Das vortreffliche Verfahren Pasteur's, den Wein haltbar zu machen, indem man
ihn bis auf 60° erwärmt, scheint mit diesem Verhalten der Wärme zur Hefe in
Verbindung zu stehen. Während des Faulens behält die Hefe lange Zeit hindurch das
Vermögen, in Zuckerlösungen Gährung hervorzubringen.
In Beziehung auf die Bildung und Entwickelung des Hefenpilzes hat Pasteur eine Beobachtung gemacht, welche den bisherigen
Ansicht eine neue Richtung gegeben hat. Man glaubte bisher, daß der Hefenpilz sich
wie andere Pilze entwickele, welche als Schmarotzer ihre Hauptbestandtheile von
Pflanzentheilen oder Thierüberresten empfangen, im Besonderen, daß zu dessen
Fortpflanzung und Vermehrung neben den Phosphaten ein Albuminat oder ein davon
abgeleiteter Stoff nothwendig sey. Pasteur glaubt nun
gefunden zu haben, daß die Hefe sich fortzupflanzen vermag in Mischungen, welche
weinsaures Ammoniak, Zucker und die Aschenbestandtheile der Bierhefe enthalten.
Diese Beobachtung würde, wenn sie sich bestätigte, höchst wichtig seyn. Der Verf.
weist aber in unserer Quelle nach, daß Pasteur's Behauptung durch dessen Versuche keineswegs bewiesen
wird.
Die Frage, was aus dem Stickstoff der Hefe in der Gährung wird, hat Pasteur ebenfalls beschäftigt; er sagt: „In der
Alkoholgährung bildet sich auf Kosten der Hefe nicht die kleinste Menge
Ammoniak.“ Damit steht allerdings im Widerspruche, wenn er auf der
Seite vorher angibt, daß 1 Liter Wasser, welches die löslichen Bestandtheile der
Hefe enthielt, ihm 0,038 Grm. Ammoniak geliefert habe. Der Verf. findet, daß alle
gegohrenen Flüssigkeiten Ammoniak enthalten, aber allerdings nur eine sehr geringe
Menge; es scheint, daß der Stickstoff in einer anderen Form, zum Theil in der von
organischen Basen austritt; Leucin konnte der Verf. in den gegohrenen Rückständen
nicht nachweisen, wahrscheinlich weil dessen Menge zu gering war. Trimethylamin ist
von Ludwig in allen von ihm untersuchten Weinsorten
nachgewiesen worden, und ebenso hat Oser als konstantes
Product der Gährung des Zuckers mit Hefe eine sehr merkwürdige sauerstofffreie und
stickstoffreiche Basis beschrieben; nach seinen Versuchen scheint diese Base ein
constantes Product der Gährung des Rohrzuckers zu seyn.
In den Weingegenden Frankreichs, wo Tausende von Hektolitern Wein zur
Branntwein-Fabrication der Destillation unterworfen werden, dürften die
Rückstände derselben ein reiches Material zur Untersuchung der nicht flüchtigen
Gährungsproducte und eine Quelle interessanter Entdeckungen darbieten, und wenn nach
Pasteur auf 1 Liter Alkohol über 50 Grm. Glycerin in
der Gährung gebildet werden, so ließe sich vielleicht aus diesen Rückständen
Glycerin nicht ohne Vortheil darstellen.
Die Erzeugung der Bernsteinsäure und des Glycerins scheint auf eine Gährung zu
deuten, welche neben der Alkoholgährung vor sich geht. Sie ist offenbar analog mit
dem Gährungsprocesse, in welchem aus Zucker Milchsäure und aus dieser Mannit und
unter Umständen Buttersäure gebildet wird. Der Nachweis einer kleinen
Wasserstoffgasmenge in der sich entwickelnden Kohlensäure könnte zur näheren
Erklärung führen. Mannit und Glycerin unterscheiden sich nur im
Wasserstoffgehalte.