Titel: | Pyrotechnische Rundschau; von E. Schinz. |
Autor: | C. Schinz |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. X., S. 39 |
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X.
Pyrotechnische Rundschau; von E. Schinz.
(Fortsetzung von Bd. CLXXXIX S. 42.)
Schinz, über die Untersuchungen von Scheurer und Meunier, der
Heizeffect der Steinkohlen bei Dampfkesselfeuerungen betreffend.
XVIII. Untersuchungen über die
Verbrennung der Steinkohlen, von A. Scheurer-Kestner und C.
Meunier.
Durch diese, auf einen Zeitraum von zwei Jahren sich erstreckende und im Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse auf 266 Seiten veröffentlichte Arbeit, haben die Verfasser unsere
Kenntniß des Gegenstandes ihrer Untersuchung, wie sie selbst zugeben, keineswegs
bereichert.
Die Absicht der Verfasser war, durch zahlreiche Analysen der Verbrennungsproducte der
Steinkohlen die größere oder geringere Vollkommenheit der Verbrennung zu constatiren
und aus denselben zu folgern, bei welcher Luftmenge das vortheilhafteste Resultat
erhalten wird.
Gewiß ist es richtig, daß die zu analysirenden Verbrennungsproducte nicht bloß ihrer
momentanen Qualität nach, sondern auch auf eine längere Zeit vertheilt, ein Mittel
repräsentiren müssen. Diesem Erfordernisse haben die Verfasser zu entsprechen
gesucht, indem sie eine lange Platinröhre durch den ganzen Querschnitt des Canales
durchgehen ließen und dann durch einen Heber Gas aspirirten, von dem nur ein kleiner
Theil in einen mit Quecksilber gefüllten Aspirator gelangte, aus welchem dann das
Gas zur Analyse entnommen wurde. Es ist anzuerkennen, daß diese Vorrichtung eine
sinnreiche war, aber den Zweck konnte sie nicht erreichen, denn nur bei Feuerungen
für sehr hohe Temperaturen ist das Volumen der Verbrennungsproducte hinlänglich
groß, um die Querschnitte der Räume, welche sie durchströmen, völlig einzunehmen und
auszufüllen. Im vorliegenden Falle konnte aber eine solche Ausfüllung nicht
stattfinden; die gasförmigen Producte sind keineswegs innig gemischt und namentlich
in der Nähe von Umbiegungen, welche dieselben durchlaufen müssen, sind die den Strom
bildenden elementaren Fäden stets in einem Theile des Querschnittes
zusammengedrängt, während dieß im übrigen Theile nicht der Fall ist. Es ist also
dabei ganz dem Zufalle überlassen, ob diese Aspirations-Röhre wirklich in den
eigentlichen Strom hineinrage oder ganz oder theilweise in die stagnirenden Gase.
Auch ist ohne vorhergehende gewaltsame Mischung der Gase nicht die mindeste Garantie
geboten, daß dieselben wirklich in jedem Theile des Querschnittes und selbst des
Stromes ein Mittel ihrer Zusammensetzung darbieten.
Die erhaltenen Resultate der Analyse selbst zeigen auch, wie wenig gesetzmäßig die
verfolgten Erscheinungen und Wirkungen sind.
Folgendes sind die Resultate von 14 Analysen der Verbrennungsproducte desselben
Brennstoffes, aber bei verschiedenen Luftquantitäten:
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
In den Gasen als CO und CHx
enthaltener C, Proc.
5,85
4,97
6,19
12,4
3,21
7,65
0,90
als freier H oder CHx
enthaltener H, Proc.
–
–
–
20,70
17,70
21,70
18,10
Luftmenge per 1 Kil. Brennstoff, aus d.
Analyseberechnet, K. M.
9,525
16,182
8,728
9,638
15,313
9,993
16,086
VIII.
IX.
X.
XI.
XII.
XIII.
XIV.
In den Gasen als CO und CHx
enthaltener C, Proc.
6,64
12,90
3,10
18,55
18,80
6,80
6,30
als freier H oder CHx
enthaltener H, Proc.
22,30
10,50
6,30
18,50
23,70
19,50
21,60
Luftmenge per 1 Kit. Brennstoff, aus d.
Analyseberechnet, K. M.
11,072
8,550
13,195
8,393
8,389
9,920
9,919
Stellen wir diese Resultate in der Reihenfolge zusammen, die sich aus der
durchgezogenen Luftmenge ergibt, so haben wir:
Luft per 1
Kil.Brennstoff, Kub. Met.
Kohlenstoff inden Producten.
Wasserstoff inden Producten.
Nr. XII.
8,389
18,80
23,70
XI.
8,393
18,55
18,50
IX.
8,550
12,90
10,50
III.
8,728
6,19
0
I.
9,525
5,85
0
IV.
9,638
12,40
20,70
XIV.
9,919
6,30
21,60
XIII.
9,920
6,80
19,50
VI.
9,993
7,65
21,70
VIII.
11,072
6,64
22,30
X.
13,195
3,10
6,30
V.
15,313
3,21
17,70
VII.
16,086
0,90
18,10
II.
16,182
4,97
0
Die Verfasser sind zu loben, daß sie wenigstens so ehrlich waren, die wirklich
erhaltenen Resultate mitzutheilen, obgleich, wie man sieht, dieselben auch nicht zur
mindesten Deduction berechtigen und daher ganz werthlos sind.
Diese Ergebnisse wurden der Société industrielle
de Mulhouse am 26. Februar 1868 mitgetheilt. Am 31. Mai 1869 wurde dann auf
Grundlage dieser Experimente als Endresultat angegeben, daß wenn die per 1 Kil. Brennstoff (sämmtlicher Steinkohlen, welche
im oberen Elsaß auf den Markt kommen) – Asche- und Wassergehalt
abgerechnet (obgleich die Versuche nur mit einer einzigen Steinkohlensorte
angestellt sind) – zugeführte Luftmenge 9–14 Kubikmeter betrage, die
in den Verbrennungsproducten auftretenden und für den Heizeffect verlorenen Mengen
von Kohlenstoff und Wasserstoff folgende sind:
DurchgegangeneLuftmengen inKub. Met.
Kohlegehalt derVerbrennungsproducteper 100 C. verbranntenSteinkohle
Wasserstoff in denVerbrennungsproductenper 100 0 in derverbrannt.
Steinkohle.
9
18
20
10
12
18
12
8
15
13
6
10
14
3
7
Es sind wohl kaum jemals Ergebnisse von Experimenten mit größerer Willkür und
größerem Leichtsinn zur Induction benutzt worden, als in diesem Falle, wo die
Experimentatoren durch weitläufige Beschreibung der umständlichsten
Vorsichtsmaßregeln sich den Anschein geben, als hätten sie alle früheren
Untersuchungen derselben Art im höchsten Maaße übertroffen.
Im zweiten Abschnitte dieser Arbeit werden sämmtliche Steinkohlen (12 an Zahl) im
Calorimeter auf ihre calorische Wirkung geprüft und die Verfasser bemerken, daß nur
auf diese Weise der wahre Heizwerth der Kohle erkannt werden könne, während eine
Berechnung desselben aus den elementaren Bestandtheilen unzuverlässig sey. Aber ihre
Bestimmungen sind mit einem Fehler behaftet, welcher dieselben werthlos macht.
Selbst in einer an Sauerstoff sehr reichen Atmosphäre verbrennen die Steinkohlen
keineswegs ganz zu CO² und H²O, sondern es bilden sich nicht ganz
unbeträchtliche Mengen von CO und HOx, und diese
müssen natürlich bestimmt werden. Bei dieser Bestimmung müssen die
Verbrennungsproducte welche die Wärme producirt haben, zuerst entfernt werden, damit
die entführten brennbaren Gase für sich bestimmt werden können und dann zu den
ersteren addirt als Controlle für das Ganze dienen. Nun haben aber unsere sonst so
umsichtigen Experimentatoren dieß unterlassen und die mit Wasserdämpfen gesättigten
Gase direct in den Liebig'schen Kali-Apparat
geführt, worin sich wenigstens ein Theil des gebildeten Wassers mit der Kohlensäure
verdichtet hat, wodurch es nicht einmal möglich wurde, die durch Verbrennung
gebildete CO² zu bestimmen. Welches Vertrauen verdienen aber solche rein
wissenschaftliche Bestimmungen, wenn die so leicht ausführbare Controlle derselben
vernachlässigt ist?
Der Endzweck dieser Untersuchung war, den Betrag der Wärme-Verluste
a) durch Evacuation in den Kamin,
b) durch Entführung von CO u. CHx in den Producten,
c) durch Ruhbildung, und
d) durch Transmission der Ofenwände
zu bestimmen. Dieses ist der Gegenstand des dritten
Abschnittes dieser Untersuchungen.
Statt nun wie im ersten Abschnitte die Analyse der Verbrennungsproducte jeder der 12
Steinkohlensorten auszuführen, wurde angenommen, daß alle Steinkohlensorten
gleichviel brennbare Gase in die Producte überführen je nach ihrem Gehalte an C und H und je nach der zur
Anwendung gekommenen Luftmenge, und dazu wurde die obige rein imaginäre Tabelle
benutzt. Wären aber auch die Werthe dieser Tabelle für die ihr zu Grunde liegende
Kohlensorte auf die sicherste Basis gestützt, so würde sie dennoch für andere
Steinkohlensorten nicht anwendbar seyn, weil die Constitution dieser nothwendig
einen bedeutenden Einfluß auf den Verbrennungsproceß hat.
Ebenso wenig werden selbstverständlich alle Kohlensorten gleichviel Ruß in die
gasförmigen Producte bringen.
Um aber jene falsche Tabelle benutzen zu können, mußte nun nothwendig noch ermittelt
werden, welche Luftquantitäten in jedem einzelnen Falle zur Verbrennung dienten.
Dazu haben unsere Experimentatoren ausfindig gemacht, was die Engländer einen short cut nennen, eine Methode welche die möglich
kleinste Summe von Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit und Arbeit erfordert; aber diese
Methode ist unter vielen, welche hätten angewendet werden können, gerade diejenige,
welche sicherlich die Ungenauesten Resultate gibt.
Die Verbrennungsproducte wurden ebenfalls in der ganzen Breite des Querschnittes des
Rauchcanales, aber nicht mehr durch eine Platinröhre, sondern durch eine Kupferröhre
aspirirt. Diese Röhre, von H. Sainte-Claire Deville vorgeschlagen und empfohlen, ist im kurzen Bogen zu zwei Schenkeln
getheilt und diese Schenkel kommen im Canal senkrecht über einander zu liegen; der
untere derselben ist nach oben mit feinen, mit einer Säge gemachten Einschnitten
versehen, durch welche die Gase eindringen; man läßt nun einen Wasserstrahl von oben
nach unten durch die Röhre fließen, wodurch natürlich das Gas angesogen und mit und
neben dem Wasser weiter geführt wird, bis beide unten in den Gasbehälter gelangen,
wo dann das Wasser allein abfließt und die Gase nach und nach diesen füllen.
Das so gewonnene Gas wurde dann durch einen Assistenten auf seinen Sauerstoffgehalt
analysirt, indem die CO² durch Kalilauge entfernt und dann durch Zusatz eines
gemessenen Volumens Stickstoffoxyd der Sauerstoff durch das verschwundene Volumen
bestimmt wurde.
Wenn wir nicht sehr irren, so ist es gerade eine solche mit Wasser bethätigte
Aspirationsröhre, welche H. Sainte-Claire Deville
zu der ebenso interessanten als wichtigen Entdeckung der Dissociation der elastisch
flüssigen Verbindungen geführt hat, und gerade diese Entdeckung liefert den Beweis,
daß solche Röhren zur Analyse gasförmiger Producte durchaus unbrauchbar sind. Würde
aber auch die Dissociation der Gase nicht hindernd in den Weg treten, so würde diese
Methode auch sonst wenig geeignet seyn, zuverlässige analytische Resultate zu geben,
weil ja die geringste Temperaturänderung des Wassers (welches hier durch den Ofen
strömen muß) dessen Absorptionsfähigkeit für die Gase ändert; es wäre also selbst,
in diesem Falle unstatthaft, ein für alle Mal den Betrag der absorbirten Gasmenge zu
bestimmen.
Wären die Verfasser gute Beobachter gewesen, so hätten sie folglich bei diesem
Anlasse zum zweiten Male die Entdeckung Deville's machen
müssen, denn nach
ihren eigenen Versuchen zeigte das über Quecksilber durch die Platinröhre aspirirte
Gas einen Sauerstoffgehalt von 7,67 Proc., während das durch die Deville'sche Röhre aspirirte und unter Wasser
aufgefangene Gas 9,90 Proc. Sauerstoff zeigte. Und wie in aller Welt konnte man
daraus schließen, daß die zwischen 7,3 bis 12,4 gefundenen Sauerstoffgehalte ohne
Fehler einfach um die Differenz 2,23 vermindert werden können?
Der Gehalt an Sauerstoff fiel natürlich um so höher aus, als die Temperatur an der
Stelle wo die Aspiration stattfand, höher war, und diese mußte in ziemlich weiten
Grenzen wechseln, ist aber unbestimmt geblieben.
Dieß würde denn auch aus den gewonnenen Endresultaten hervorgehen, wenn dieselben
irgend welches Vertrauen verdienen sollen, denn die durch Transmission verlorene
Wärme hatte bei den verschiedenen Versuchen mit ein und demselben Apparate zwischen
21,4 und 27,1 Proc. der totalen Wärmemenge gewechselt und es bedarf schon eines sehr
bedeutenden Temperatur-Unterschiedes, damit die Transmission um 5,7 Proc.
differirt.
Die Autoren dieser Untersuchung glauben nun zu dem Schlusse berechtigt zu seyn, daß
Alles was zur Erzielung eines besseren Nutzeffectes noch geschehen könne, darin
bestehe, die Transmission der Ofenwände zu beschränken, da nach dem Patente von Thierry (man s. dieses Journal, 1864, Bd. CLXXIII S. 273)
zwar eine bessere Verbrennung erzielt werde, aber man einer größeren Dampfmenge
bedürfe als der erreichte Vortheil rechtfertige, und die vorhergehende Umwandlung
der Brennstoffe in brennbare Gase, welche theoretisch so viel verspreche, sich für
die Kesselheizung auch nicht bewährt habe. Das heißt aber das Kind mit dem Bade
ausschütten, denn wenn von Thierry die Theorie seiner
Erfindung und von Beaufumé noch weniger die der
seinigen verstanden wurde, so folgt daraus noch lange nicht, daß diese Systeme nicht
die glücklichsten Resultate geben können, wenn man sich nur ernstlich bemüht, die
Gesetze aufzufinden denen sie folgen und dieselben richtig anzuwenden.
Außerdem ist aber das Thema, welches Scheurer und Meunier zum Gegenstande ihrer Arbeit gewählt haben, noch
lange nicht erschöpft; denn von Größe der Brennstoffstücke, von Schichthöhe des
Brennstoffes auf dem Roste, von dem Einflusse der Anfangstemperatur auf den
Verbrennungsproceß selbst und auf die Transmission an das Wasser im Kessel, ist in
dieser Arbeit gar nicht die Rede.
Das einzige nützliche Resultat dieser Arbeit ist das, daß
sie endlich zu der
Einsicht geführt hat, daß der Elsasser Dampfkessel mit drei Siederohren (und
Vorwärmern) der schlechteste seiner Art ist, und in der That findet man diese
Construction nur noch bei den im Elsaß fabricirten Kesseln.
Eine von aller Kritik absehende Anerkennung ihrer Arbeit seitens der Société industrielle, sowie französischer
und deutscher technischer Zeitschriften, haben zwar die Verfasser erlangt, aber den
größeren Lohn – die Ueberzeugung, durch ernstliches Suchen der Wahrheit diese
gefördert zu haben – werden sie nimmer finden.