Titel: | Ueber die bei der Verbindung des Siliciums mit dem Chlor und dem Sauerstoff sich entwickelnde Wärme (nebst Bemerkungen über das Verhalten des siliciumhaltigen Roheisens beim Bessemerfrischen); von L. Troost und P. Hautefeuille. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XII., S. 55 |
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XII.
Ueber die bei der Verbindung des Siliciums mit
dem Chlor und dem Sauerstoff sich entwickelnde Wärme (nebst Bemerkungen über das
Verhalten des siliciumhaltigen Roheisens beim Bessemerfrischen); von L. Troost und P. Hautefeuille.
Aus den Comptes rendus, t. LXX p. 252; Februar
1870.
Troost etc., über die Verbindungswärme des Siliciums mit
Sauerstoff.
I. Die bei der Verbindung des amorphen Siliciums mit Chlor sich
entwickelnde Wärme. – Um die Einwirkung von Chlor auf amorphes
Silicium in der Muffel des Calorimeters zu vermitteln, mengten wir dem Silicium ein
Zehntel seines Gewichtes amorphes Bor bei. Die bei dem Versuche entwickelte und
mittelst des Calorimeters gemessene Wärme rührt her: zunächst von der Wärme welche
durch die Verbindung des Bors mit dem Chlor und die Reaction des gebildeten
Chlorbors auf das Wasser erzeugt wird; dann von der Wärme welche bei der Verbindung
des Siliciums mit dem Chlor und bei der Reaction des gebildeten Chlorsiliciums auf
das Wasser entwickelt wird. Die Wärmemenge welche von der Dazwischenkunft des Bors
herrührt, wird dadurch eliminirt, daß man von dem Gesammtresultat die Anzahl von
Wärmeeinheiten abzieht, welche in Folge der Einwirkung des Bors allein entwickelt
worden wären.Die Verfasser haben die bei der Verbindung des amorphen Siliciums mit Bor sich entwickelnde Wärme bestimmt und in einer
vorhergehenden Abhandlung der (französischen) Akademie mitgetheilt. Um dann die nur von der Verbindung des Chlors mit dem Silicium herrührende
Wärmemenge zu erhalten, muß man von demselben Gesammtresultat die bei der Reaction
des Chlorsiliciums auf das Wasser entwickelte Wärme abziehen. Den Werth dieser
letzteren Correction bestimmten wir, indem wir Chlorsilicium und Wasser in denselben
Quantitäten auf einander einwirken ließen, wie sie bei der vorhergehenden Operation
angewendet worden waren. Wir constatirten in dieser Weise, daß 1 Aequivalent
Chlorsilicium, wenn es auf seine 140fache Gewichtsmenge Wasser reagirt, 40825
Wärmeeinheiten entwickelt. Die Berechnung unserer Resultate ergab als Mittel
mehrerer übereinstimmender Bestimmungen für die Wärme welche sich bei der Verbindung
von 1 Grm. amorphem Silicium mit Chlor (zu Chlorsilicium) entwickelt, die Anzahl von
5630 Calorien.
II. Die bei der Verbindung des amorphen Siliciums
mit Sauerstoff sich entwickelnde Wärme. – Durch
Behandlung von amorphem Silicium mit Chlor und Einwirkenlassen des gebildeten
Chlorsiliciums auf Wasser erhielten wir als Producte sehr verdünnte
Chlorwasserstoffsäure und Kieselsäure. Indem wir von der bei dieser zweifachen
Reaction entwickelten und aus den Resultaten des (oben angeführten) ersten Versuches
abgeleiteten Wärmemenge, die bei der Bildung der verdünnten
Chlorwasserstoffsäurelösung entwickelte Wärme (wie dieß im Falle des Bors geschah)
abziehen, eliminiren wir die in Folge der Dazwischenkunft des Chlors bei der
Reaction entwickelte Wärme und erhalten die bei der Bildung des Kieselsäurehydrats
entwickelte Wärmemenge. Um nun aus dieser Wärmemenge diejenige zu erhalten, welche
das Silicium beim Verbrennen zu wasserfreier Kieselsäure gegeben haben würde,
bestimmten wir die Wärmemenge welche dem Kieselsäurehydrat entzogen werden muß, um
dasselbe in den Zustand von geglühter Kieselsäure überzuführen. Den Werth dieser
Correction ermittelten wir, indem wir mit den beiderlei Kieselsäuren dieselbe
Verbindung, nämlich Kieselfluorwasserstoffsäure darstellten und die bei diesen
Reactionen frei werdenden Wärmemengen verglichen.
Die Berechnung unserer Versuche gibt für die Verbrennungswärme von 1 Grm. Silicium
bei dessen Uebergang in den Zustand von geglühter Kieselsäure, 7830 Calorien.
III. Die bei der Umwandlung des amorphen Siliciums in
krystallinisches oder in geschmolzenes Silicium sich entwickelnde Wärme.
– Die bei der Umwandlung in die isomeren Zustände sich entwickelnde Wärme
bestimmten wir durch Auflösen der verschiedenen Varietäten des Siliciums in
Nitrofluorwasserstoffsäure. Indem wir gleiche Mengen dieser Säure auf gleiche
Gewichtsmengen von amorphem und von krystallinischem Silicium einwirken ließen,
konnten wir aus den Resultaten die Differenz der Wärmemengen berechnen, welche sich
die bei der Einwirkung der gedachten Säure auf diese beiden Körper entwickeln, und
daher auch die Differenz der durch ihre Oxydation entwickelten Wärmemengen. Wir
fanden auf diese Weise, daß 1 Grm. amorphes Silicium bei
seiner Umwandlung in krystallisirtes Silicium 290
Wärmeeinheiten entwickelt.
Das geschmolzene Silicium entwickelt bei der Behandlung
mit Nitrofluorwasserstoffsäure dieselbe Wärmemenge wie das krystallinische Silicium.
Diese Uebereinstimmung konnte uns nicht überraschen, da wir durch Versuche gefunden
hatten, daß das Silicium in beiden Zuständen gleiche Dichtigkeit besitzt. Uebrigens
ist durch H. Sainte-Claire Deville und Wöhler nachgewiesen worden, daß geschmolzenes Silicium
beim Erstarren
krystallisirt und daß die hierbei gebildeten Krystalle genau dieselbe Form haben wie
das aus seiner Auflösung in Aluminium krystallisirte Silicium.
Die von uns erhaltenen neuen Resultate sind in nachstehender Tabelle
zusammengestellt:
Amorphes Silicium.
PerGrm.:
PerAequivalent:
Si = 14
Si = 21
Entwickelte Wärme bei der Verbindung
mit Sauerstoff
7830 W. E.
109620 W. E.
164430 W. E.
Entwickelte Wärme bei der Verbindung
mit Chlor
5630 W. E.
78820 W. E.
118230 W. E.
Entwickelte Wärme bei der Reaction
des Chlorsiliciums auf seine
140fache Gewichtsmenge Wasser
2915 W. E.
40820 W. E.
61220 W. E.
Entwickelte Wärme bei der
Umwandlung in das isomere
krystallinische Silicium
290 W. E.
4060 W. E.
6090 W. E.
Aus den Ziffern in dieser Tabelle ergibt sich, daß ein Aequivalent Silicium mehr als doppelt so viel Wärme entwickelt als
ein Aequivalent Kohlenstoff, indem es sich mit derselben
Sauerstoffmenge (zu Kohlensäure) verbindet. Wenn der Kohlenstoff nur in Kohlenoxyd
übergeht, wie dieß in vielen für metallurgische Zwecke bestimmten Feuerungen der
Fall ist, so entwickelt er ungefähr dreimal weniger Wärme als die gleiche
Gewichtsmenge Silicium, welche zu Kieselsäure verbrennt.
Diese Resultate geben uns werthvolle Anhaltspunkte zur Erklärung einiger bei der metallurgischen Verarbeitung von siliciumhaltigem
Roheisen auftretenden Erscheinungen. Das noch immer vielseitig als eine
Verunreinigung des Roheisens betrachtete Silicium hat jetzt unter den
unentbehrlichen Bestandtheilen der zum raschen Verfrischen (nach dem Bessemerprocesse) auf Gußstahl bestimmten Roheisensorten eine
Stelle eingenommen. Der Hüttenmann nennt derartige siliciumhaltige Sorten hitziges Roheisen, eine um so charakteristischere
Bezeichnung, als sie von keiner vorgefaßten Ansicht ausgeht. Der hitzigere Gang des
Converters, die höhere Steigerung der Temperatur in demselben, scheint durch einen
größeren Siliciumgehalt des Roheisens bedingt zu seyn. Das Silicium entwickelt bei
seiner Verbrennung im Converter dreimal so viel Wärme als dieselbe Gewichtsmenge
Kohle bei ihrer Umwandlung in Kohlenoxydgas. Die Temperatursteigerung im Converter
ist um so größer, da bei der Verbrennung des Siliciums Kieselsäure, also ein
feuerbeständiger Körper entsteht, welcher im Apparate zurückbleibt, während die
Verbrennung der Kohle ein gasförmiges Product gibt das bei seinem Entweichen einen
Theil der entwickelten Wärme aus dem Bessemerofen entführt. Die Rechtfertigung der
Bezeichnung „hitziges Roheisen“ liegt aber mehr noch in
besonderen Eigenschaften der siliciumreichen Roheisensorten; dieselben können
nämlich während des Verfrischens lange Zeit hindurch einer höheren Temperatur
ausgesetzt werden als gewöhnliche Roheisensorten.
Durch die elegante Frischmethode mit Sauerstoffgas, welche H. Sainte-Claire
Deville in seinen Vorlesungen schon seit längerer
Zeit anwendet, konnten wir constatiren daß das siliciumreiche Roheisen bei hoher
Temperatur in Gegenwart von oxydirend oder reducirend wirkenden Gasen, wie solche im
Bessemer'schen Converter vorhanden sind, ein ganz anderes Verhalten zeigt als das
gewöhnliche Roheisen.Wir benutzten zu diesen Versuchen verschiedene von uns selbst dargestellte
siliciumhaltige Roheisensorten, sowie ein Roheisen mit 7 bis 8 Proc.
Silicium, welches wir Hrn. Jordan verdanken. Siliciumhaltiges Roheisen bildet, wenn es mittelst der Flamme des mit
Leuchtgas und Sauerstoffgas gespeisten Löthrohres in einem Tiegel aus gebranntem
Kalk zum Schmelzen gebracht worden, ein Bad, welches sich sogar in Gegenwart eines
bedeutenden Ueberschusses von Sauerstoffgas ruhig oxydirt. Das durch den Gasstrom
beständig in Bewegung erhaltene Metall bedeckt sich mit einem irisirenden Häutchen,
welches an die Ränder des flüssigen Bades tritt und sich wie beim Kupelliren des
Silbers beständig von Neuem bildet. Man kann, ohne den Verlauf der Erscheinung zu
ändern, weit über die Schmelztemperatur erhitzen. Wird hingegen kohlenstoffreiches
Roheisen unter gleichen Verhältnissen erhitzt, so frischt es nur mit Erzeugung
lebhafter und glänzender Funken und läßt sich nicht so stark erhitzen, ohne daß das
Eisen rasch verbrennt und weißglühende Kügelchen von sich wirft. Die Funkenbildung
ist, wie es H. Sainte-Claire Deville alljährlich
in seinen Vorträgen erklärt, der Auflösung des Kohlenoxydgases in dem flüssigen
Roheisenbade zuzuschreiben; indem sich dieses Gas in den am stärksten erhitzten
Theilen auflöst, veranlaßt es in den weniger heißen Partien ein mit Funkenwerfen
verbundenes Aufschäumen. Während nun sehr kohlenstoffhaltiges Roheisen große Mengen
von Kohlenoxyd auflöst, kann dieses Gas von sehr siliciumreichem Roheisen nicht
aufgelöst werden, weil es, wie Caron nachgewiesen hat,
durch das Silicium zersetzt wird. Dieser Umstand erklärt das von uns oben
bezeichnete verschiedene Verhalten der kohlenstoffhaltigen und der siliciumreichen
Roheisensorten beim Frischen. Wir konnten, nachdem wir siliciumreiches Eisen bei
einer sehr hohen Temperatur lange Zeit in ruhigem Flusse erhalten hatten, in
demselben eine lebhafte Funkenbildung dadurch hervorrufen, daß wir dem Bade eine geeignete Menge
manganreichen Roheisens zusetzten, welches das Silicium eliminirt. Wir reproduciren
auf diese Weise eine der glänzendsten Erscheinungen beim Bessemerfrischen.
––––––––––
H. Sainte-Claire Deville machte zu vorstehender
Mittheilung in der (französischen) Akademie folgende Bemerkungen.
Durch Erhitzen von gewöhnlichem Roheisen mittelst des mit Leuchtgas und Sauerstoffgas
gespeisten Löthrohres in einem Kalktiegel bewirkt Deville
das Frischen nach Belieben mit geringer Funkenbildung oder mit einem wahrhaften
Brillantfeuer. Hierzu braucht er nur das Gasgemisch der Löthrohrflamme stark
oxydirend oder stark reducirend zu machen. Im letzteren Falle bilden sich während
des Frischens sehr zahlreiche Funken und das Metall schäumt während des Erkaltens
unter Entwickelung von Kohlenoxyd auf.
Deville erklärt diese beiden Erscheinungen – das
Aufschäumen und das lebhafte Funkenwerfen – aus derselben Ursache, nämlich
aus dem Auflösen des KohlenoxydesFür den Wasserstoff ist dieß durch die Versuche und Analysen von Caron gleichfalls nachgewiesen; man s. polytechn.
Journal Bd. CLXXXIII S. 384. in dem flüssigen Metalle. Dieses Gas, welches durch die beim Frischen
stattfindende Oxydirung des im Roheisen enthaltenen Kohlenstoffes erzeugt wird, löst
sich in den heißesten Theilen des Roheisens in immer größerer Menge auf, wird aber
in den weniger heißen Partien wieder frei und wirft dabei weißglühende Tröpfchen des
Metalles aus. Diese Tröpfchen oxydiren sich in der Atmosphäre, lösen dadurch von
Neuem Kohlenoxyd auf, schäumen hierbei auf (sie „spratzen“) und
zertheilen sich in noch kleinere Tröpfchen. Diese oxydiren sich neuerdings, beladen
sich in Folge dessen mit Kohlenoxyd und veranlassen im Augenblicke des Erkaltens ein
neues Spratzen; daher die Lichtstreifen, die zahlreichen Funken und das diese Funken
begleitende knisternde Geräusch.
Die Funken, welche geschmolzenes Platin wirft, erklären sich auf analoge Weise durch
den Wasserstoff welchen dieses Metall auflöst.
Diese von Deville gegebene Erklärung gilt auch für die
Erscheinungen bei der Holzkohle, welche in dem Augenblicke wo sie angezündet wird,
nur dann knistert oder knackt, wenn sie vorher Feuchtigkeit aufgenommen hatte. Der
in den Poren enthaltene Wasserdampf spielt hier dieselbe Rolle wie das in den
geschmolzenen Metallen aufgelöste Kohlenoxydgas.