Titel: | Ueber Naphtylamin-Violett; von Dr. A. Kielmeyer. |
Autor: | A. Kielmeyer |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XVII., S. 68 |
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XVII.
Ueber Naphtylamin-Violett; von Dr.
A. Kielmeyer.
Kielmeyer, über Naphtylamin-Violett.
Seit dem Jahre 1863, in welchem Lightfoot das Anilinschwarz in den Kattundruck einführte, hat dasselbe
nach verschiedenen Verbesserungen sich vollständig in den Druckereien eingebürgert,
wenn auch seiner Anwendung immer noch Beschränkungen auferlegt sind.
Die Lösung eines Anilinsalzes wird verdickt unter Zusatz von chlorsaurem Kali,
Salmiak und einem Metallsalz. Mit dieser Mischung wird die Baumwolle bedruckt.
– Das Metallsalz ist, wenn auch in kleiner Quantität zugesetzt, ein ebenso
unerläßlicher Bestandtheil der Farbe, wie das chlorsaure Kali, und zwar scheinen die
Salze solcher Metalle, welche die Metamorphosen in Oxyd- und Oxydulsalz ab
und zu am leichtesten durchmachen, für die Entwickelung des Schwarz auf der
Baumwolle die geeignetsten zu seyn; wenigstens gelingt es nicht, mit einem Zinksalz
ein volles Schwarz zu erhalten. Anfänglich wurde Eisenvitriol, Kupfervitriol oder
Kupferchlorid angewandt, immer mit dem Nachtheil, daß die Farbe nach einigen Tagen
unbrauchbar wurde. Das lösliche Metallsalz reagirte schon bei gewöhnlicher
Temperatur in der vorräthigen Farbe, sie druckte sich schwarz auf, nach dem Waschen der
fertigen Stücke blieb aber nur ein Grau auf der Baumwolle zurück. Das vor dem Druck
schon fertig gebildete unlösliche Schwarz konnte sich auf der Baumwolle nicht
fixiren, der unzersetzt gebliebene Theil der Druckfarbe reichte nur noch für ein
mattes Grau aus. Die löslichen Kupfersalze hatten überdieß für den Walzendruck den
bekannten Uebelstand, die Stahlrakeln bedeutend anzugreifen. Erst seitdem nach Lauth's Vorschlag das unlösliche Schwefelkupfer allgemeine Anwendung findet,In der letzten Zeit ist auch Anilinschwarz mit wolframsaurem Chromoxyd
anstatt Schwefelkupfer dargestellt worden; man s. polytechn. Journal Bd CLXXXIX S. 258. kann man sagen, daß mit dem Anilinschwarz sicher gearbeitet wird. Unter
gleichzeitiger Einwirkung von Luft, Feuchtigkeit und Wärme wird beim Verhängen der
Stücke so viel Schwefelkupfer in lösliches Kupfersalz übergeführt, als für die
Entwicklung des Schwarz erforderlich ist. Nach dem Verhängen hat das Schwarz einen
grünen Ton in Folge der freien Salzsäure und Schwefelsäure, welche demselben
anhängen; erst nach der Sodapassage zeigt sich das volle, fertige Schwarz. –
Ohne Zweifel spielt sich auf der Baumwolle innerhalb der Farbe ein langsamer
Chlorirungsproceß ab, indem sich zunächst die verschiedenen Chloranilinsalze bilden;
aber welchen weiteren Weg derselbe einschlägt, mit welchem Product er endet, welche
Rolle das Metallsalz spielt, darüber existiren nur Vermuthungen. Je mehr Chlor in
das Anilin eingeführt wird, desto mehr verliert es seine basischen Eigenschaften,
und wenn man nun annimmt, das Metallsalz habe die Function, auf den Gang der
Chlorirung in der Weise bestimmend einzuwirken, daß seine Anwesenheit die
vorübergehende Entstehung eines Körpers von wirklich saurer Eigenschaft veranlasse,
aus welchem erst bei weiterer Einwirkung des Chlors das Schwarz sich bilden würde:
so hat diese Ansicht als Vermuthung dieselbe Berechtigung wie die Annahme, das
Schwefelkupfer fungire als indirectes Oxydationsmittel zur Unterstützung des
reichlich zugefügten chlorsauren Kalis. – Sicher ist, daß der schwarze
unlösliche Körper, im Laboratorium dargestellt, kein Metall enthält. Wird derselbe
sorgfältig mit Wasser ausgewaschen und trocken in einem Glas aufbewahrt, so tritt in
dem Glas nach einiger Seit ein starker Salzsäuregeruch auf; wird nach dem Waschen
noch mit Kalilauge behandelt, so bemerkt man diesen Geruch nicht. Vielleicht ist es
noch erinnerlich, daß in der ersten Zeit die anilinschwarzen Stücke auf dem Lager
grün wurden; diese Erscheinung erklärt sich durch jene nachträgliche
Salzsäure-Entwickelung und war nur möglich, wenn die Sodapassage zu schwach genommen
wurde. Für den schwarzen Körper aber geht hervor, daß er als Resultat der Chlorirung
nicht eine bloße Kohle, sondern eine chlorhaltige Substanz darstellt, aus welcher
bei längerem Stehen oder rascher beim Behandeln mit Kalilauge Salzsäure
austritt.
Ich habe diese Bemerkungen über das Anilinschwarz vorausgeschickt, weil dasselbe der
Ausgangspunkt für die nachfolgenden Versuche ist. Der Gedanke, das Naphtylamin in gleicher Weise wie das Phenylamin für den Calicodruck zu verwenden, lag sehr
nahe. Ich stellte mir hierzu ganz reines, nur schwach gefärbtes Naphtylamin dar;
später arbeitete ich mit käuflichem Naphtylamin, welches aber vor dem Gebrauch durch
Umkrystallisiren des schwefelsauren Salzes u.s.w. einer gründlichen Reinigung
unterworfen werden mußte, weil nur reines Naphtylamin ein reines Violett
liefert.
Das Naphtylamin wurde zuerst einfach statt dem Anilinöl in die Vorschrift für
Anilinschwarz eingesetzt, damit die Baumwolle bedruckt und genau wie Anilinschwarz
behandelt. Das Resultat war eine röthliche Modefarbe. Erst nach bedeutender
Reducirung des chlorsauren Kalis wurde ein wirkliches Violett erhalten, besonders
nachdem der Salmiak gänzlich aus der Vorschrift ausgeworfen worden. Man ersieht
hieraus für das Anilinschwarz, daß der Salmiak in Begleitung des Schwefelkupfers den
Chlorirungsproceß unterstützt, indem er eine größere Menge löslichen Kupfersalzes in
Action bringt; ohne die Begleitung des Schwefelkupfers erweist sich derselbe, wie
ich mich durch directe Versuche überzeugt habe, eher hemmend als fördernd auf die
Wirkung des chlorsauren Kalis. Es zeigt sich nämlich im weiteren Verlauf der Arbeit
die überraschende Thatsache, daß für die Entwickelung des Violett das Kupfersalz
entbehrlich ist; gleichviel ob man die Farbe mit der Kupferwalze oder mit dem
Holzmodel aufdruckt, das Violett bildet sich doch.
Die Vorschrift, mit welcher ich nach diesen Vorarbeiten einige Probestücke ausführte,
ist:
4561,1
Grm.Liter
Stärke,Wasser;
1181,579
Grm.LiterGrm.
trockenes Naphtylamin,Wasser,reine Salzsäure von 1,12 spec.
Gew.
Alles zusammenkochen, kalt dazu
13,50,3
Grm.Liter
chlorsaures Kali,Wasser.
Nach dem Drucken wurde drei Tage im Local für Anilinschwarz verhängt; die aufgedruckte
Zeichnung hatte eine graue Farbe in Folge von freigewordener Salzsäure. Um diese zu
entfernen, wurden die Stücke durch Sodalösung genommen. Die Sodapassage mußte schon
deßhalb beibehalten werden, um diesem Violett den großen Vortheil vor einem
Eisenviolett zu verschaffen, daß man es unmittelbar neben Anilinschwarz drucken
kann. Letzteres hält bekanntlich mit einem Eisenviolett sehr schlechte
Nachbarschaft, worin eben eine der Beschränkungen in seiner Anwendung besteht. Nach
der Sodapassage wurde noch ein Seifenbad gegeben, in welchem erst die reine
Violettnüance sich entwickelt.
Das erhaltene Violett ist vollkommen ächt, wie Anilinschwarz. Wird es mit
concentrirter Salzsäure befeuchtet, so nimmt es eine graue Farbe an, wie
Anilinschwarz eine grüne. Saures chromsaures Kali verunreinigt die Nüance, ebenso
ein Ueberschuß von chlorsaurem Kali oder freiem Chlor. Will man hellere oder
dunklere Töne hervorbringen, so bleibt die Quantität chlorsaures Kali per Liter dieselbe.
Bis hierher spricht Alles für die Verwendbarkeit des Naphtylamin-Violett und
berechtigt sogar neben dem wissenschaftlichen Interesse zu großen Hoffnungen für die
Praxis. Der geringe Gehalt der Druckfarbe an chlorsaurem Kali beseitigt jede Gefahr
für den Baumwollfaden, die Abwesenheit des Kupfersalzes verhütet große
Unannehmlichkeiten für den Walzendruck, die Einfachheit der Fabrication rückt den
Zeitpunkt näher, in welchem die umfangreichen Färbereianlagen den Druckereien
erspart werden, Preis und Aechtheit lassen Nichts zu wünschen übrig. Auch die
Nüance, für sich allein betrachtet, macht einen freundlichen Eindruck und es wäre
unbillig, von einer so ächten Farbe zu verlangen, daß sie dazu noch so feurig seyn
solle wie ein Anilinviolett. Aber leider erträgt sie auch nicht die Concurrenz mit
einem Eisenviolett, das in Krappblumen, commerciellem oder künstlichem Alizarin
gefärbt ist, so wenig wie mit dem Dampfviolett, welches mit Krappextract oder
künstlichem Alizarin aufgedruckt wird. Am nächsten steht die Nüance einem in
Garancin gefärbten Eisenviolett, und auch diesem steht sie an Glanz und Leben nach.
Die Anwendung wäre somit eine sehr beschränkte. Dazu kommt, daß das fertige Violett,
ob mit oder ohne Kupferfalz hergestellt, auch nicht einmal ein schwaches Chloren
erträgt, ohne den fatalen Stich in die Modenüance zu erhalten, wodurch die
Verwendung neben Roth, Braun, Catechu, überhaupt neben allen Farben welche in der
Färberei hervorgebracht werden, ausgeschlossen ist. Das Violett erträgt auch nicht
das Dämpfen und sein Verhalten gegen saures chromsaures Kali verbietet die Anwendung
neben Bleiorange. Neben Anilinschwarz zweifarbig gedruckt, bildet sich zwischen dem
Schwarz und dem eigentlichen Violett eine dunkle modefarbige Grenze, indem das Schwarz von
seinem großen Gehalt an chlorsaurem Kali den Nächstliegenden Theilen des Violett
mittheilt. Ist ferner die Temperatur der Trockenplatten, des Hitzkastens, des
Verhänglocales eine wechselnde, so daß die Reaction auf der Baumwolle langsamer oder
rascher vor sich geht, so wird die Farbe entsprechend heller oder dunkler, reiner
oder unreiner. Endlich verändert sich dieselbe mit jedem Tag des Verhängens. Eine
Probe welche sechs Tage verhängt war, hat ein anderes Aussehen als eine solche
welche nur drei oder eine solche welche neun Tage im Oxydirraum war; sogar noch wenn
das fertige Stück über die heißen Trockencylinder geht, verdüstert sich die Farbe,
was für sich allein schon erklärt, warum ein Fleck immer schöner ausfällt als ein
Stück von 50 Metern.Der Verfasser hat der Redaction Proben sämmtlicher in seiner Mittheilung
besprochenen Versuche vorgelegt. Offenbar bezeichnet das Naphtylamin-Violett nicht wie das
Anilinschwarz, das Ende eines chemischen Processes, sondern nur die Uebergangsstufe
eines solchen, welche jede Gelegenheit benutzt, sich dem eigentlichen Endpunkt der
Reaction zu nähern, ein Umstand welcher so viele Unsicherheiten, so viele
Unzuträglichkeiten mit sich bringt, daß er die praktische Ausführung im Großen
bedenklich in Frage stellt.