Titel: | Versuche über Siedverzüge; von G. Krebs. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XXIV., S. 101 |
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XXIV.
Versuche über Siedverzüge; von G. Krebs.
Krebs, über Siedverzüge.
Donny (1846) und Henson (1842)
haben zuerst auf die Möglichkeit von Dampfkesselexplosionen in Folge von Siedverzügen hingewiesen. Neuerdings
sind dieser Ansicht durch die Versuche von Dufour
Dufour, über das Sieden des Wassers und über die
Dampfkesselexplosionen, im polytechn. Journal, 1864, Bd. CLXXIII S. 266. neue Stützen verliehen worden. Dieser erniedrigte vermittelst einer
Luftpumpe den Druck allmählich und vermochte solches weit über denjenigen Punkt hinaus
fortzusetzen, bei welchem das Wasser nach dem Dalton'schen Gesetze eigentlich hätte sieden müssen. Durch plötzliche
Erschütterung, Einleiten von Gas, plötzlich noch weiter gehende Druckverminderung
oder Erhitzung tritt dann explosives Sieden ein. Hiernach
kann, worauf schon Arago hingewiesen, ein Kessel
vorzugsweise leicht explodiren, wenn er einige Zeit außer Betrieb gesetzt ist und
dann wieder in Gang gebracht wird. Dufour erklärt dieß,
indem er zeigt, daß beim ruhigen Stehen eines soeben noch in Betrieb gewesenen
Kessels der Dampf im oberen Raume sich allmählich condensire; während dessen kocht
das Wasser noch eine Zeit lang fort, kommt indeß bereits bei einem Punkte zur Ruhe,
bei welchem es eigentlich noch weiter sieden müßte. So kann ein beträchtlicher
Siedverzug entstehen und es genügt dann eine Erschütterung, z.B. durch einen
vorüberfahrenden Wagen, um das Wasser mit seiner überschüssigen Hitze zum explosiven
Sieden zu bringen. Eine gleiche Wirkung kann das Wiederanfachen des Feuers unter
einem einige Zeit lang in Ruhe gewesenen Kessel erzeugen.
Wie beträchtlich Siedverzüge dieser Art werden können, hat der Verfasser durch eine
Reihe von Versuchen direct bewiesen. Er verband zwei glattwandige, von Blasen und
Unebenheiten freie böhmische Kochflaschen derart mit einander, daß von der ersten
A ein Glasrohr, welches dicht unter dem
Gummipfropfen derselben endigte, durch den Gummipfropf der zweiten B bis fast auf den Boden derselben reichte. Durch den
Gummipfropf von A war überdieß ein Thermometer geführt
und von B ging ein dicht unter dem Korke beginnendes, 3
Fuß langes, senkrecht nach unten umgebogenes Glasrohr ab. In A wurde Wasser zum Sieden erhitzt, bis Dampf durch das nach unten führende
Ableitungsrohr der zweiten Flasche austrat, dann letzteres in ein Gefäß mit
Quecksilber getaucht und der Apparat eine Zeit lang sich selbst überlassen. Bei
mehreren Versuchen trat schon, ohne daß man etwas Weiteres vorzunehmen brauchte,
nach einiger Zeit Explosion ein. Einmal zeigte das Wasser in A 74° Cels., während B in Stücke
sprang; ein anderes Mal 81° Cels. Absichtlich hervorgerufen wurde die
Explosion, indem man B in einen Topf stellte und mit
Eiswasser übergoß. In der Regel begann in A das Wasser
explosiv zu sieden, wobei in vielen Fällen die Flasche zertrümmert wurde.
Diese Art des Siedens beschreibt der Verfasser wie folgt: „Ich will noch
die Bemerkung hinzufügen, daß heftiges Aufkochen und explosives Sieden zwei sehr
deutlich von einander verschiedene Dinge sind. Selbst das dünnwandigste Kölbchen
springt nicht, wenn das Wasser in dicken Blasen aufkocht und noch so gewaltige
Wellen schlägt. Das explosive Sieden dagegen erfolgt äußerlich viel ruhiger und so
schnell, daß man es kaum beobachten kann. Ich gestehe, in mindestens der Hälfte
der Fälle, wo Explosion eintrat, nur ein Zischen gehört zu haben; in den anderen
bemerkte ich nur eine Trübung des Wassers und ein Aufspringen eines
Wasserstrahles in der Mitte, es kocht dann plötzlich durch die ganze Masse.
Jedes Wassertröpfchen geht theilweise in Dampf über und die Explosion ist
erfolgt, ehe man noch Zeit gehabt hat, das Detail in der Sache zu
übersehen.“
In anderen Fällen wurde der Apparat verschiedentlich modificirt, doch immer so, daß
er gestattete in der einen oder anderen Weise eine plötzliche Druckverminderung
durch Abkühlung zu erzeugen. Bei der einen Modification stellte der Verfasser die
Flasche B verkehrt mit der Oeffnung nach unten und umgab
dieselbe mit einem doppelten Blechmantel. In den äußeren Mantel wurde heißes Wasser
gegossen, um die Abkühlung und dadurch die Druckverminderung möglichst langsam von
statten gehen zu lassen. In diesem Falle nämlich wird der Siedverzug in der Regel
viel bedeutender als bei rascher Abkühlung, weßhalb auch in der Winterkälte seltener
Explosionen eintreten als in der warmen Jahreszeit, namentlich wenn die Sonne den
Apparat bescheint. In den inneren Blechmantel wird dann, nachdem das Quecksilber in
der Dampfableitungsröhre eine genügende Höhe erreicht hat, Eiswasser gegossen.
– Um die Druckverminderung behufs Eintritt des explosiven Siedens noch
plötzlicher bewirken zu können, verband der Verfasser bei einer anderen Modification
seines Apparates die Flasche B mittelst des nach unten
gehenden Ableitungsrohres (welches in diesem Falle aus Messing war) mit einem
allseitig geschlossenen Blechkasten, der nahe am Boden einen Hahn hatte; auch in dem
Messingrohre befand sich ein solcher. Der Blechkasten war mit einem Blechmantel
umgeben. Die Flasche stand wie bei der vorigen Modification verkehrt. Es wurde nun
das Wasser in A bei geöffneten Hähnen zum Sieden
erhitzt, bis reichlich Dampf aus dem untersten Hahne ausströmte. Dann wurden beide
Hähne geschlossen und Eiswasser in den Mantel gegossen, bis man sicher seyn konnte,
daß durch Condensation des Dampfes im Inneren des Blechkastens ein vollständiges
Vacuum eingetreten war. Endlich öffnete man den Hahn des Messingrohres. Es entstand
meist in A ein heftiges Aufkochen, mitunter eine
Explosion. Einige Male wurde A, andere Male B zertrümmert. Indeß glaubt der Verfasser behaupten zu
können, daß der Erfolg nicht schlechter war, wenn man den Hahn des Messingrohres
während der Abkühlung des Gefäßes offen ließ. Ja es scheint sogar, daß eine mehr
allmähliche Abkühlung der Explosion günstiger sey.
Durch diese Versuche ist also positiv dargethan, daß durch allmähliche
Druckverminderung leicht sehr bedeutende Siedverzüge eintreten können, und daß dann
durch verschiedene Veranlassungen, oft auch scheinbar ohne alle Veranlassung, das
Wasser in den eigenthümlichen Siedzustand geräth, welcher meist nothwendig eine
Explosion zur Folge hat. Namentlich sind diejenigen von des Verfassers Versuchen,
bei welchen eine Explosion eintrat, ohne daß durch Aufgießen von Eiswasser eine
nochmalige Druckverminderung veranlaßt wurde, sehr lehrreich. Es dürfte sich hieraus
ergeben, daß Dampfkessel stets der Gefahr des Zerspringens ausgesetzt sind, wenn sie
zeitweilig außer Betrieb gesetzt werden. (Aus Poggendorff's Annalen durch das chemische Centralblatt, 1870 S. 94.)