Titel: | Ueber die Oxydation des Eisens; von Prof. F. C. Calvert. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XL., S. 129 |
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XL.
Ueber die Oxydation des Eisens; von Prof.
F. C.
Calvert.
Aus den Comptes rendus, t. LXX p. 453; Februar
1870.
Calvert, über die Oxydation des Eisens.
Die Untersuchungen, welche ich der (französischen) Akademie im Nachstehenden
mittheile, wurden durch die von Sir Charles Fox (dem
Ingenieur des Krystallpalastes für die Welt Ausstellung von 1851) an mich gerichtete
Frage veranlaßt: „Welche Zusammensetzung hat der Eisenrost?“ Um
hierauf antworten zu können, analysirte ich Rost, welcher fern von jedem
Mittelpunkte industrieller Thätigkeit gesammelt war, und das Resultat war, daß seine
Zusammensetzung complicirter ist als in den Werken über Chemie angegeben wird.
Die Analyse einer von Fox an den äußeren Wänden der über
den Conway führenden Röhrenbrücke genommenen Rostprobe und die einer zu Slangollen
gesammelten Probe ergab folgende Resultate:
Conwaybrücke
Slangollen
Eisenoxyd
93,094
92,900
Eisenoxydul
5,810
6,177
kohlensaures Eisenoxydul
0,900
0,617
Kieselsäure
0,196
0,121
Ammoniak
Spur
Spur
kohlensaurer Kalk
–
0,295
–––––––
–––––––
100,000
100,110
Diese Zusammensetzung erregte bei mir den Wunsch zu erfahren, welcher Bestandtheil
der Luft die bestimmende Ursache des Rostens oder der Oxydation des Eisens ist. Ist
es der Sauerstoff, der Wasserdampf oder die Kohlensäure? Um hierüber in's Klare zu
kommen, führte ich nachstehende Versuche aus:
Vollständig abgebeizte Platten von Eisen- und Stahlblech wurden in Röhren
gebracht, welche reines Quecksilber enthielten und in einer Quecksilberwanne
umgestülpt aufgestellt wurden. Hierauf führte ich beziehungsweise vollkommen reinen
Sauerstoff, feuchten Sauerstoff und endlich dieselben Gase, aber mit einigen
Tausendteln Kohlensäure gemischt, in diese Röhren ein. Um die Berührung der
Metallbleche mit dem Quecksilber zu verhüten, war jedes Plättchen an seinem unteren
Ende mit einem Knopfe von Gutta-percha versehen.
Als ich nach einigen Tagen bemerkte, daß die Oxydation in sehr unregelmäßiger Weise
stattfand, untersuchte ich mittelst der Loupe und entdeckte, daß jeder Punkt, um
welchen herum das Metall sich oxydirt zeigte, von einem Quecksilberkügelchen
herrührte. Zur Vermeidung dieser Fehlerquelle brachte ich die Eisen- und
Stahlbleche in Probirröhren und ersetzte die atmosphärische Luft durch einen
Gasstrom, welcher während mehrerer Stunden unterhalten wurde. Ich erhielt
nachstehende Resultate:
In reinem Sauerstoff oxydirten sich die
Blechstreifen nicht.
In feuchtem Sauerstoff zeigte sich nur
bei einem von drei Versuchen eine schwache Oxydation.
In trockener Kohlensäure fand keine
Oxydation statt.
In feuchter Kohlensäure bildete sich
auf den Blechen eine schwache, weißlich gefärbte Kruste; von sechs Versuchen gaben
zwei dieses Resultat nicht.
In feuchter, mit Sauerstoff gemischter
Kohlensäure erfolgte sehr rasch Oxydation.
In trockenem, Ammoniakgas enthaltendem
Sauerstoff fand keine Oxydation statt.
Diese Thatsachen führten mich zu dem Schlusse, daß die Oxydirung des Eisens durch den
Kohlensäuregehalt der Atmosphäre, nicht aber durch
den in derselben enthaltenen Sauerstoff oder Wasserdampf veranlaßt wird.
Ich untersuchte auch die Wirkung von trockenem sowie von feuchtem Sauerstoff, von
reiner und mit anderen Gasen gemischter Kohlensäure auf Streifen von Eisen-
und Stahlblech, deren eine Hälfte in einer Gasatmosphäre sich befand, während die
andere in destillirtes Wasser getaucht war. Dabei erhielt ich nachstehende
Resultate:
Die Eisen- und Stahlplättchen zeigten sich nach
einmonatlicher Berührung mit reinem Sauerstoff kaum
oxydirt, dagegen war der in Wasser befindliche Theil mit einem reichlichen Absatze
von Eisenoxydhydrat bedeckt, dessen Bildung von einer Zersetzung des Wassers
herrührte, was durch die Gegenwart von Wasserstoff im oberen Theile des Probirrohres
bewiesen wurde.
In einem Gemisch von Sauerstoff und Kohlensäure bedeckte sich der in demselben befindliche
Theil der Bleche in einigen Stunden mit einer grünlichbraunen Schicht, welche von
der Bildung eines Gemenges von Oxyd und kohlensaurem Oxydul herrührte; der unter
Wasser befindliche Theil der Blechstreifen behielt fast einen Monat lang seinen
Glanz, weil das auf diesem Theile entstandene kohlensaure Oxydul in dem
Kohlensäureüberschusse sich auflöste; dich beweist die Thatsache, daß die
Flüssigkeit allmählich trübe wurde, dadurch daß sich von einer an der Oberfläche
derselben gebildeten grünlichbraunen, nach der Analyse aus einem Gemenge von
kohlensaurem Eisenoxydul und Eisenoxydhydrat bestehenden Schicht Theilchen von
Eisenoxydhydrat ablösten.
Diese Versuche beweisen auch den Einfluß der Kohlensäure bei der Oxydation des
Eisens, weil die Metallbleche schon wenige Stunden nach ihrem Einführen in das
Gasgemisch angegriffen waren.
Ein zur Hälfte in Kohlensäuregas, zur
anderen Hälfte in destillirtem Wasser befindlicher Blechstreifen zeigte sich nach
einigen Tagen angegriffen und bedeckte sich bald mit einer grünlichbraunen Schicht;
der in Wasser eingetauchte Theil blieb glänzend; an der Berührungsstelle zwischen
Wasser und Gas zeigte sich eine weiße Masse, welche aus kohlensaurem Eisenoxydul
bestand.
Wirkung des Wassers auf Eisen. – Eisen- und
Stahlstreifen wurden in destillirtes, von beigemischten Gasen möglichst gereinigtes
Wasser getaucht; mehrere Wochen lang behielten sie ihren Glanz; nach und nach aber
zeigte sich an einzelnen Punkten Oxydbildung; ich glaube daß dieselbe von den dem
Metalle beigemischten fremdartigen Substanzen herrührt, welche galvanische Ströme
erzeugt und dadurch die Oxydation des Eisens veranlaßt haben, welche man verzögern
oder beschleunigen kann, indem man etwa ein Hundertel der Oberfläche des Metalles
mit Zink oder Platin bedeckt. Ich glaube annehmen zu können, daß reines Eisen in Wasser nicht rosten würde.
Ich habe auch die Wirkung der Alkalien auf das Eisen
untersucht. Es war schon lange bekannt, daß die ätzenden Alkalien das Rosten des
Eisens verhindern; ich habe aber die merkwürdige Thatsache beobachtet, daß, wenn man
einen Eisenblechstreifen zur Hälfte in eine schwache caustische Alkalilösung taucht,
nicht allein diese Hälfte mehrere Monate hindurch nicht angegriffen wird, sondern
auch die andere, im Sauerstoff befindliche Hälfte ebenso glänzend bleibt. Diese
Thatsache gewinnt noch dadurch an Interesse, daß die kohlensauren und
zweifach-kohlensauren Alkalien in derselben Weise wirken. Ich stellte
zahlreiche Versuche an, um eine Erklärung für dieses Verhalten zu finden, was mir
aber nicht gelang.
––––––––––
Bezüglich vorstehender Untersuchungen Calvert's über die
Zusammensetzung des Eisenrostes erinnerte Chevreul in der
(französischen) Akademie an folgende Thatsachen:
1) Die Bildung von Ammoniak (sal volatile) in Folge der
Einwirkung lufthaltigen Wassers auf Stahl wurde zuerst im Jahre 1683 von Claude Bourdelin beobachtet.
2) Im Jahre 1720 beobachtete Et. Fr. Geoffroy, daß das an
feuchter Luft gerostete Eisen Ammoniak enthält.
3) Proust erkannte die Gegenwart von Ammoniak in
Eisenfeilicht, welches an der Luft gerostet war.
4) Vauquelin fand Ammoniak in den Rostflecken eines
Beiles, von welchem man vermuthete, daß es zu einem Morde verwendet wurde.
5) Die Gegenwart von Ammoniak in eisenhaltigem Thon – eine für die Agricultur
wichtige Thatsache – ist schon längst erkannt worden.
6) Calvert ist der Ansicht, daß reines Eisen bei gewöhnlicher Temperatur (und wahrscheinlich bei
Lichtabschluß) das Wasser nicht zersetzt. Dieß wäre um so interessanter, da Chevreul nachgewiesen hat, daß das Wasser vom weißen
Eisenoxydulhydrat zersetzt wird.
Chevreul erwähnt diese Thatsachen, ohne sich über den
Ursprung des Ammoniaks im Eisenroste auszusprechen. Zur Entscheidung dieser Frage
müßte ermittelt werden ob nicht verschiedene, aufeinander folgende Wirkungen
stattfinden: ob z.B. wenn der Rost sich an der Luft bildet, nicht atmosphärisches,
durch den Regen condensirtes Ammoniak sich mit dem bereits gebildeten Eisenoxyd
verbindet, wie dieß in vielen Fällen stattfindet; so findet man Ammoniak mit dem
Thon verbunden.