Titel: | Ueber die Bedeutung eines neuen Zucker-Deckapparates; mitgetheilt von Dr. Otakar Cech, Docent am Polytechnicum zu Prag. |
Autor: | Carl Otokar Cech [GND] |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XLVI., S. 153 |
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XLVI.
Ueber die Bedeutung eines neuen
Zucker-Deckapparates; mitgetheilt von Dr. Otakar Cech, Docent am Polytechnicum zu
Prag.
Cech, über einen neuen Zucker-Deckapparat.
In der heurigen Campagne hatte ich Gelegenheit einen Zucker-Deckapparat im
fabrikmäßigen Gebrauche arbeiten zu sehen und da eine derartige Einrichtung
vorzüglich für neu zu errichtende Fabriken von besonderer Bedeutung ist, beeile ich
mich Fachinteressenten auf dieselbe aufmerksam zu machen.
Wohl hat der Verein ostböhmischer Zuckerfabrikanten in lobenswerther Weise die
Initiative ergriffen und durch seinen Delegirten Hrn. August Engl, technischen Assistenten der Zuckerfabrik Podebrad einen officiellen,
fleißig zusammengestellten Bericht unter den Zuckerfabrikanten Böhmens, Mährens,
Ungarns und selbst Deutschlands verbreitet; um einer heimischen Erfindung die
größtmöglichste Verbreitung zu verschaffen und um dem gebräuchlichen Deckverfahren ein neues,
besseres entgegenstellen zu können, wird es aber wiederholter Bemühungen
bedürfen.
Der Erfinder des Apparates, Herr Joseph Kodl, Director der
Zuckerfabrik Ronov (Loucin), ließ denselben zuvörderst in Oesterreich und Frankreich
patentiren und da eine für die weitesten Kreise bestimmte französische Brochüre über
die Leistungsfähigkeit des Apparates demnächst erscheinen wird, so dürften diese
Zeilen wenigstens die Aufmerksamkeit der Zuckerfabrikanten auf eine Neuerung lenken,
welche für lange wohl das Beste leistet, was man von einem Deckapparat verlangen
kann.
Die ersten Versuche mit dem Apparate erfolgten in der Campagne 1868 – 69 und
nach vielen mißlungenen Experimenten wurde es endlich im December 1869 möglich, eine
vollkommene Deckmaschine herzustellen, welche nun ohne Unterbrechung in der Ronover
Zuckerfabrik im Betriebe ist.
Das Princip des Verfahrens beruht in dem Drucke, welchen
eine Flüssigkeitssäule oder eine in einem geschlossenen Raume comprimirte
Luftschicht auf irgend einen Körper ausübt. Eine Wassersäule von 32 Fuß Höhe übt
bekanntlich einen Druck von einer Atmosphäre oder 12,75 Pfd. per 1 Quadratzoll aus. Je höher die Säule, desto größer ist der Druck. Ist
der Körper, auf welchen die Flüssigkeitssäule wirkt, ein beweglicher, so bewegt er
sich in der Richtung des wirkenden Druckes. Denken wir uns nun anstatt der
Wassersäule eine Säule von Zucker-Klärsel von einer gewissen Höhe auf eine
mit Füllmasse gefüllte Form wirkend. Die Form ist mit weißen Zuckerkrystallen
ausgefüllt, zwischen welchen sich der Syrup in flüssigem Zustande vertheilt
befindet. Der Druck der auf dem Boden des Brodes ruhenden Klärsel-Säule
vertheilt sich gleichmäßig auf alle Theile, übt aber auf den tropfbar flüssigen
Syrup zunächst seine bewegende Wirkung aus, und schiebt denselben stets in der
Richtung der thätigen Kraft, welche mit der Achse der Form in eine Linie
zusammenfällt, nach der in der Spitze der Form befindlichen Oeffnung. Den Raum des
verdrängten Syrups zwischen den einzelnen Zuckerkrystallen nehmen nun Theile des
Klärsels ein. Der Syrup wird um so schneller aus dem Brode gedrückt, je kräftiger
der Druck der Klärsel-Säule ist, und wenn dieser Druck continuirlich wirkt,
muß auch der aus dem Zuckerbrode tropfende Syrup in einem continuirlichen Strahle
seinen Weg in die Räume nehmen. Denselben Wirkungen unterliegt das die Stelle des
Syrups einnehmende Klärsel.
Auf diesem Principe beruht das neue Deckverfahren und die Construction des hierzu
verwendeten Apparates. Derselbe besteht
1) aus den Stellagen;
2) den Reservoirs für Deck-Klärsel;
3) den Reservoirs für die abfließenden Syrupe;
4) dem Luft-Montejus.
Die Stellagen sind für 303 Formen berechnet.
Die Reservoirs für Deckklärsel und Decksyrup dienen zum
Ansammeln von Klärsel, Nachlauf und Decksyrup. Sie hängen mit dem
Klärsel-Local, mit dem Abflußsyrup-Reservoir und dem
Luft-Montejus zusammen.
Die Reservoirs für die Abflußsyrupe sind für Grünsyrup,
Decksyrup und Nachlauf bestimmt.
Das Luft-Montejus ist der eigentliche Motor des
Apparates, die sinnreiche Benutzung desselben zur Ausdeckung der Brode beruht bloß
auf der richtigen Verwendung des Luftdruckes.
Die Manipulation mit dem Deckapparate umfaßt folgende
Operationen:
1) das Einstellen der Melisformen;
2) das Anschrauben derselben auf den Stellagen;
3) das Probiren auf den hermetischen Schluß der Batterie;
4) das eigentliche Decken, und
5) das Ausblasen.
Hierauf werden die Formen mit den ausgedeckten Broden in die gewöhnlichen Stellagen
eingestellt, die Böden und Spitzen der Brode abgedreht und das Trocknen in der
Trockenstube beendet.
Bei dem Decken fließt aus den Spitzen der Formen ein
continuirlicher Strahl von grünem Syrup, welcher in dem dazu bestimmten Reservoir
gesammelt wird. Nach einiger Zeit zeigt der abfließende Syrup eine immer heller und
klarer werdende Färbung, bis er nach 1 1/4 Stunden in das Decksyrup-Reservoir
übergewechselt werden kann. In dieses läßt man den Syrup eine Stunde lang fließen;
er zeigt dann eine helle, gelbe Färbung und wird in das Nachlauf-Reservoir
gewechselt. Der Nachlauf fließt bloß etwa 20 Minuten, wornach er die Färbung eines
fast ganz reinen Deckklärsels zeigt, und womit das eigentliche Decken beendet
ist.
Bei einer am 16. December 1869 vorgenommenen Deckprobe wurde zum Ausdecken von 239
Broden à 30,6666 Pfd., somit
239 × 30,6666 = 7329,32 Pfd. Füllmasse
an Deckklärsel verbraucht: 110 Kubikfuß per 73,5 Pfd., somit
110 × 73,5 = 8085 Pfd. = 80 Ctr. 85 Pfd.
Hierbei hatte das angewendete Deckklärsel 67 1/2 Proc.
Saccharom. bei 21°R., wobei zu erwägen ist, daß die Fabrik noch keinen
hinlänglichen Vorrath an Decksyrup und Nachlauf besaß, die Anwendung von reinem Deckklärsel also zur Nothwendigkeit wurde. Die
erhaltene Menge Grünsyrup ergab 39 Kubikfuß per 75,5 Pfd. oder 39
× 75,5 = 2944,5 Pfd., welches auf das Gewicht der Füllmasse bezogen, 41,16
Proc. Grünsyrup anzeigt. Der Decksyrup ergab 42 Kubikfuß per 74,00 Pfd. oder 42 × 74 = 3108 Pfd.; während der Nachlauf 34,5
Kubikfuß per 73,5 oder 34,5 × 73,5 = 2535,75 Pfd.
erwies.
Die für die Manipulation nothwendige Zeit vertheilt sich
folgendermaßen:
1)
das Tragen der Brode aus dem Füllhause indie Stellagen
30
Min.
2)
das Armiren der Formen
45
„
3)
das Probiren der Batterie
1
St.
45
„
4)
das Fliehen des Grünsyrups
1
„
15
„
5)
das Fließen des Decksyrups
1
„
–
„
6)
das Fließen des Nachlaufes
–
„
21
„
7)
das Ausblasen
–
„
33
„
8)
das Abstellen der Batterie
–
„
44
„
––––––––––––––
Summa
6
St.
53
Min.
Hiervon entfallen auf das eigentliche Decken nur 2 Stunden 36
Minuten. Die Brode sind bis an die Spitze nett ausgedeckt, ganz mit Klärsel
durchtränkt und die Böden fest, nicht porös, dabei für die Hand undurchdringlich.
Faßt man die ganze Dauer des Deckens in's Auge und bedenkt man daß sicher gewisse
Operationen bei gehöriger Ablichtung der Arbeiter in einer viel kürzeren Zeit
verrichtet werden können, ferner daß es nicht nothwendig ist das Decken weiter zu
treiben, bis selbst die Spitzen der Brode ganz weiß sind, indem man getrost das
Ausdecken etwaiger gelber Spitzen dem nachtropfenden Deckklärsel auf den
gewöhnlichen Stellagen überlassen kann, so findet man die Möglichkeit: im Verlaufe von 24 Stunden mit dem Deckapparate dreimal decken
zu können. Eine Fabrik welche täglich 6 Sude kocht, kann daher mit den
neuen Stellagen für 2 Sude ganz gut ausreichen, und in 24 Stunden mit einer
Operation fertig werden, zu welcher sie bei dem gewöhnlichen Verfahren mehrere Tage
braucht.
Den auf dem Deckapparat ausgedeckten Broden gibt man keine Decke mehr, sondern stellt
sie auf die gewöhnlichen Stellagen und läßt das Klärsel abtropfen.
Das durch das Ausnutschen der Brode erlangte Klärsel wurde mit jenem aus den
Stellagen vermischt und ergab im Ganzen: 23,75 Kubikfuß per 73,5 Pfd.;
23,75 × 73,5 = 1745,62 Pfd.
Aus dem Manipulationsprotokolle ersehen wir Folgendes:
Die Brode waren gekocht am 16. December Nachmittags;
auf den Deckapparat kamen sie am 17. December Nachmittags;
auf die gewöhnlichen Stellagen kamen sie am 17. December
Abends;
gestempelt wurden sie am 19. December Abends;
genutscht wurden sie am 20. December Abends;
gelöscht wurden sie am 21. December Vormittags;
in die Trockenstube kamen sie am 21. December Nachmittags.
Die Brode waren demnach in 4 1/2 Tagen so weit fertig, daß sie in die Trockenstube
gebracht werden konnten. Beide Sude, welche zum Ausdecken kamen, waren absichtlich
sehr fest gekocht, so daß man sie auf die gewöhnliche Art nur mit Schwierigkeit
ausdecken konnte. Beim Löschen zeigten sich nur 4 unausgedeckte Brode; es waren dieß
jene, deren Formen fehlerhaft in der Batterie eingestellt waren. Die übrigen Brode
waren nett.
Das Gewicht
der auszudeckenden Füllmasse betrug
7329,32
Pfd.
„ „
an Deck-Klärsel
8085,00
„
––––––––––––
Summe zur Verwendung
15414,32
Pfd.
Wiedererhalten
an Grünsyrup
2944,50
„
„
an Decksyrup
3108,00
„
„
an Nachlauf
2535,75
„
„
an Deck-Nachlauf auf den
gewöhnlichenStellagen
441,50
„
„
an Deck Klärsel durch das Ausnutschen
1745,62
„
„
an Abdrehzucker von den Böden
336,00
„
„
„ „ von
den Spitzen
40,50
„
„
an Ausschüssen
68,00
„
„
an gebrochenen Broden
446,25
„
––––––––––––
Rückempfang
11666,11
Pfd.
Dieß abgezogen von den in Verwendung genommenen 15414,32 Pfd., verbleibt als Gewicht
für die in die Trockenstube gegebenen 210 Stück Brode (bei 25 Broden brachen durch
Ungeschicklichkeit der Arbeiter die Spitzen ab) = 3748,20 Pfd. oder per 1 Brod = 17,84 Pfd. Diese 210 Stück Brode wogen als
sie die Trockenstube verließen, im Ganzen 3618 Pfd., daher per 1 Brod 17,22 Pfd. Durch das Trocknen verloren die 210 Brode 130,20
Pfd. Feuchtigkeit oder per 1 Brod = 0,62 Pfd. Wasser.
Der grüne Syrup wurde noch am Tage des Ausdeckens im Syrup Vacuum verkocht. Der
Decksyrup und Nachlauf wurden zum Ausdecken der nächstfolgenden Sude verwendet, und
zwar der Decksyrup als erste Decke, der Nachlauf als zweite Decke. Werden Decksyrup und Nachlauf als
Decken für weitere Sude benutzt, so reducirt sich der Verbrauch an reinem
Deckklärsel auf ein Minimum, welches bei einer bereits eingeschulten Manipulation
mit dem Deckapparate unter 30 Proc. der zum Ausdecken nothwendigen Menge sinken
dürfte. Auf diese Art gelangt der Decksyrup beim nächsten Ausdecken in den
Grünsyrup, der Nachlauf in den Decksyrup und das Deckklärsel nach dreimaligem
Durchgehen durch die Brode endlich in den Grünsyrup.
Vortheile des Verfahrens.
1) Der mittelst dieses Verfahrens ausgedeckte Zucker ist tadellos. Man erzielt
2) eine Ersparniß an Arbeitszeit und
3) eine Ersparniß an Arbeitskraft, wenigstens um die Hälfte der bisher verwendeten
Arbeiterzahl;
4) eine Vereinfachung und leichtere Ueberwachung der Bodenmanipulation. Die
Deckarbeit kann in einem bedeutend kleineren Raume vorgenommen und wenigeren, aber
verläßlichen Arbeitern anvertraut werden. Geschieht beim Kochen im Vacuum ein
Fehler, so wird er in 24 Stunden ersichtlich, während bei dem jetzt gebräuchlichen
Deckverfahren oft mehrere Tage vergehen, ehe man dem Fehler auf die Spur kommt,
während welcher Zeit tausende mit demselben Fehler behaftete Brode auf die Böden
gelangen können. Sude, welche fehlerhaft gekocht nach dem alten Verfahren nicht
ausgedeckt werden konnten, können mit dem neuen Verfahren nett ausgedeckt werden.
Die Einrichtung der Stellagen ermöglicht nicht nur die Controlle jedes einzelnen
Sudes, sondern auch die schärfste Trennung der reinen Syrupe von den
schlechteren.
5) Rasche Verkochung der Syrupe in die Nachproducten-Reservoirs, und damit die
Hand in Hand gehende geringere Möglichkeit des Verderbens, da der Grünsyrup
längstens binnen 24 Stunden zum Verkochen gelangt.
6) Bei neu zu errichtenden Fabriken Ersparniß an Anlagecapital für die Einrichtung
der Böden, um wenigstens die Hälfte des bisherigen Erfordernisses, sowie durch
Verminderung der Stellagen und Formen.
7) Als nothwendige Folge Ersparniß an Brennmaterial, weil kleinere Böden und
Localitäten zu heizen sind und die Bodenmanipulation rascher vor sich geht.
8) Gestattet diese Methode das Ausdecken größerer Quantitäten von Füllmasse, als es
in den jetzt gebräuchlichen Formen möglich ist; so wurden in
Ronov 25 Ctr. Füllmasse in einem Reservoir,
welches mit einem Siebboden versehen wurde, auf einmal
vollständig ausgedeckt.
9) Ist der Betrieb dieses Apparates einmal vollständig in Gang gesetzt und geregelt,
so kann auch eine Ersparniß an Deckklärsel erzielt werden. Im Anfange, wenn noch
kein hinlänglicher Vorrath an Decksyrup und Nachlauf vorhanden ist, wird an
Deckklärsel etwas mehr verbraucht.
Den patentirten Apparat selbst anbelangend, mag sich jeder Fabrikant der für den
Gegenstand begründetes Interesse hat, an die Direktion der Zuckerfabrik Ronov
wenden. Das; es endlich gelungen ist, an der Hand einfacher physikalischer Gesetze
das Decken der Zuckerbrode mit möglichster Beschleunigung und einer seltenen
Genauigkeit auszuführen, ist jedenfalls für die Zuckerfabrication von großer
Bedeutung, und etwaige Mängel in der Construction des Apparates werden wohl auch
baldigst ihren Meister finden.
Prag, im März 1870.