Titel: | Ueber die Betriebskraft von Nähmaschinen, nach Prof. Dr. H. Meidinger. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. LXIV., S. 196 |
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LXIV.
Ueber die Betriebskraft von Nähmaschinen, nach
Prof. Dr. H.
Meidinger.
Meidinger, über die Betriebskraft von Nähmaschinen.
In einer ausführlichen Besprechung der verschiedenen Nähmaschinen-Systeme
erörtert Prof. Dr. H.
Meidinger in der von ihm redigirten „badischen
Gewerbezeitung für Haus und Familie“ auch die Arbeitskraft, welche
zum Betrieb der Nähmaschinen erfordert wird. Diese Arbeit mißt man, indem man eine
Schnur um die Haupttriebwelle wickelt und an das freie Ende ein Gewicht hängt,
welches die Maschine, indem es niedersinkt, in gleichmäßigen langsamen Gang bringt.
Das Gewicht mal dem Wege, den es bei einem Nadelspiel zurücklegt (gewöhnlich gleich
dem Umfange der Haupttriebwelle), gibt die für einen Stich erforderliche Arbeit. Die
Messung läßt sich nun für zwei Fälle vornehmen: einmal indem man die Haupttriebwelle
außer Verbindung mit dem durch Fuß oder Hand bewegten Schwungrad setzt, und zweitens
indem man diese Verbindung bestehen läßt, die Maschine also ganz in dem Zustande
untersucht, in welchem sie sich beim Arbeiten befindet. Die erstere Messung ist in mehr
theoretischer Hinsicht von Wichtigkeit, indem sie gestattet die Systeme an sich
hinsichtlich ihrer Widerstände mit einander zu vergleichen. Durch die Verbindung mit
dem Schwungrade und Angriffspunkt der Kraft wird die zur Ueberwindung dieser
Widerstände aufzuwendende Arbeit in ungleicher Weise gesteigert, je nachdem die
Maschine für Hand- oder Fußbetrieb eingerichtet ist; für den Handbetrieb im
Mittel um ein Drittel, für den Fußbetrieb etwa um die Hälfte. Bei zwei Systemen, und
zwar Raymond und Journaux-Leblond, sitzt auf der Haupttriebwelle zugleich Schwungrad
und Angriffspunkt der Kraft, so daß man durch einen Versuch unmittelbar die
Widerstände der Maschine an sich und die im praktischen Betrieb zu überwindenden
erfährt. – Der Widerstand der Maschinen ist verschieden nach der Dicke und
Festigkeit des Zeuges, nach der Stärke, Glätte und Spannung des Fadens. Liegt kein
Zeug unter dem Stoffdrücker, wird also nicht genäht, so bewegt sich die Maschine im
Mittel um ein Viertel leichter. Beim Vergleich verschiedener Maschinen muß man
dieselben nähen lassen, und zwar den gleichen Stoff und mit gleichem Garn.
In nachstehender Tabelle (man s. Seite 199) sind nun die Ergebnisse der mit einer
Anzahl Maschinen angestellten Versuche mitgetheilt. Die Zahlen bezeichnen die
Widerstände der Maschinen an sich ohne Verbindung mit Schwungrad; vergrößert man
dieselben um 1/3, resp. 1/2 und multiplicirt mit dem Uebersetzungsverhältnisse der
von den Treibriemen umschlungenen Radscheiben, so erhält man die für eine
Handdrehung oder einen Fußtritt aufzuwendende Arbeit. Zu bemerken ist nur noch, daß
das Geräusch und die Abnutzung unter einander durch Gradzahlen verglichen sind,
welche in der Weise von 1 bis 5 gehen, daß die niedrigeren Zahlen einem geringeren
Grad von Geräusch und Abnutzung entsprechen.
Als Gewichtseinheit beim Ingangsetzen der Maschine wurde der Gramm angenommen, die
zurückgelegte Wegstrecke wurde in Meter berechnet, das Product
„Metergramme“ gibt die zur Ueberwindung der Widerstände der
Maschine erforderliche Arbeit an. Wie man sieht, ist dieselbe für die Raymond'sche Maschine am kleinsten, und zwar sehr klein,
es folgt dann Grover und Baker
Kettenstich, Willcox und Gibs,
Wheeler und Wilson, Singer, Taylor,
Journaux-Leblond, Grover und Baker Schiffchen, Howe. Für
die Hauptsysteme Grover und Baker Kettenstich, Willcox und Gibs, Wheeler und Wilson,
sowie Singer ist der Unterschied nicht sehr groß. Der
leichtere Gang der Grover und Baker Maschine, welcher bei der Arbeit sehr wohl empfunden wird, rührt
daher, daß eine Excenterbewegung wie sie bei Willcox und Gibs, sowie Wheeler und Wilson vorkommt, größeren Widerstand verursacht, als der
Druck eines Zapfens gegen einen Rahmen; außerdem sucht der Nadelhebel in letzterem
Falle beim Niedergang als sinkendes Gewicht sich selbst und die übrigen
Maschinentheile zu treiben, was bei Verbindung mit einem Excenter nicht geschieht.
– Der Unterschied zwischen Singer und den übrigen
Schiffchenmaschinen ist ganz beträchtlich. Der schwere Gang der letzteren rührt ohne
Zweifel von der Anordnung her, die Bewegungen von Schiffchen und Nadel durch Gleiten
eines Stiftes in einem um einen Cylinder gewundenen Canal zu bewerkstelligen, was
viel Reibungswiderstand verursacht. Da Taylor bloß einen
dergleichen Leitungscanal besitzt, ist der Widerstand kleiner als bei den anderen
Maschinen, die deren zwei haben; Grover und Baker bewegt sich wieder etwas leichter als Howe, da bei letzterer Maschine die Cylinder einen
größeren Durchmesser und die Canäle dadurch eine größere Länge besitzen. Die große
Verbreitung, welche die Singer-Maschine in den
letzten Jahren erlangt hat, ist gewiß dem Umstande zuzuschreiben, daß sie von allen
Schiffchennähmaschinen den leichtesten Gang besitzt, und ihr eben eine so große
Geschwindigkeit ertheilt werden kann als der Wheeler und
Wilson; allerdings ist bei raschem Arbeiten ihr
Geräusch ein sehr heftiges, wie bei allen Schiffchenmaschinen, während man die
Greifermaschine kaum hört.
Hand-Nähmaschinen.
Textabbildung Bd. 196, S. 199
System; Stichart; Charakter;
Gewicht in Pfdn.; Freie Oeffnung in Qdtcentimeter; Stichzahl bei 1 Umdrehung;
Geräusch; Abnutzung; Metergramme Arbeit für; 1 Stich; 1 Umdrehung; Stiche pro
Minute; Preis in Gulden südd. W.; 1. Raymond; Einfadenkettenstich; Schwingender
Haken Zahnradmechanismus; 2. Willcox u. Gibs (bloß deutlich); a.
Origin-Construct.; Couronne Silencieuse; modific. Constrct.; Queen Guhl
u. H.; Rotirender Haken; a. Excenter und Hebel; Zahnradmechanismus; 3.
Journaux-Leblond; Zweifadenkettenstich; Schwingender Haken; 4. Wheeler u.
Wilson modific.; a. Non plus ultra, deutsch; b. Imperial deutsch; c. Expreß
englisch; d. Polland, Schmidt u. Co.; Doppelsteppstich; Rotirender Kreiser; a.
b. im Willcox- und Gibsmanier; mit schweren Fuß; rechtsgehender Greiser;
5. Lincoln, englisch; Schiffchen im Bogen Schwerer Fuß; 6. Taylor, englisch;
Schiffchen in senkrechter Ellipsenbewegung, schwer Fuß
Tischchen-(Tret-)
Nähmaschinen.
Textabbildung Bd. 196, S. 200
System; Stichart; Charakter;
Gewicht in Pfdn.; Freie Oeffnung in Qdtcentimeter; Stichzahl bei 1 Umdrehung;
Geräusch; Abnutzung; Metergramme Arbeit für; 1 Stich; 1 Umdrehung; Stiche pro
Minute; Preis in Gulden südd.; 7. Willcox und Gibs; Einfadenkettenstich;
Rotirender Haken, Excenter und Hebelmechanismus; 8. Grover u. Baker
(Damenkleidermaschine); Zweifadenkettenstich; Kreisförmig schwingende
Zirkelnadel; 9. Wheeler u. Wilson (Weißzeugmaschine); Doppelsteppstich;
Rotirender Greiser; Zeug von rechts nach links gehend; Singer; Schiffchen von
hinten nach vorn und umgekehrt, gerade; Schiffchen von hinten nach vorn und
umgekehrt, im Bogen
Nähgeschwindigkeit bei dauernder Arbeit. – Die als
Arbeit für einen Nadelstich gefundenen Zahlen geben keineswegs auch das Verhältniß
der Nähgeschwindigkeit der einzelnen Maschinen an, wenn man arbeitet. Hand und Fuß
können, auch wenn sie keinen Druck zu überwinden haben, nicht über eine gewisse
Geschwindigkeit hinaus eine hin- und hergehende Bewegung machen; auf ganz
kurze Zeit etwa vier Schwingungen die Secunde, auf längere Dauer von mehreren
Minuten kaum drei, etwa 140 die Minute, Hand wie Fuß in gleicher Weise. Sobald ein
andauernder Druck zu überwinden ist, kann die Zahl 140 nicht mehr erreicht werden.
Bei Bewegung der so leicht gehenden Raymond Maschine
konnte während einer Viertelstunde (ohne Pause) nur eine Geschwindigkeit von 123
Umdrehungen erzielt werden, oder 246 Nadelstichen in der Minute. Wenn die Hand sich
langsamer bewegt, so gewinnt sie in zunehmendem Grad an nach außen verwendbarer
Arbeit. Die Bassermann'sche Couronne (System Willcox und Gibs), obschon sie
dreimal so schwer geht, als die Raymond, konnte auf die
Dauer mit einer Geschwindigkeit von 110 Drehungen oder 220 Stichen pro Minute bewegt werden; die Taylor-Maschine mit 76 Umdrehungen oder 190 Stichen pro Minute. Man empfand allerdings in letzterem Fall
eine größere Ermüdung durch den ganzen Arm, gleichwohl konnte man unausgesetzt mit
obiger Geschwindigkeit nähen. – Weit größer zeigten sich die Unterschiede bei
den Tretmaschinen. Grover und Baker Kettenstich erlaubte 140 Tritte oder 630 Stiche pro Minute: Wheeler und Wilson, sowie Singer
gleichmäßig 104 Tritte oder 520 Stiche, Howe 84 Tritte
oder rund 300 Stiche, Grover und Baker Schiffchen 96 Tritte oder 290 Stiche. Auch hier ist übrigens die
Ermüdung bei den schwerer gehenden Schiffchenmaschinen bedeutend größer als bei den
anderen Maschinen; Grover und Baker Kettenstich insbesondere geht geradezu spielend, ohne irgendwie das
Gefühl der Anstrengung zu erzeugen. – Sehr bemerkenswerth ist der Unterschied
in der Nähgeschwindigkeit zwischen Hand- und Fußbewegung. Die Verhältnisse
der Handmaschinen erlauben allerdings kein größeres Uebersetzungsverhältniß vom
Schwungrad auf das Haupttriebrad; es befindet sich jedoch auch die Hand, resp. der
Arm, in viel ungünstigerer Lage bei der Drehung als der Fuß, resp. das Bein beim
Treten. Das Bein ist gestützt, der Arm muß aber waagrecht in die Höhe gehalten
werden, dieß allein ermüdet rasch; eine Stütze an der Drehkurbel findet der Arm so
gut wie nicht, da sein Gewicht immer viel größer ist als der Widerstand den die
Maschine der Bewegung entgegensetzt. Nur bei Eingriff der Hand in ein großes
schweres Schwungrad würden sich die Verhältnisse günstiger gestalten; solches läßt sich aber an
Handmaschinen nicht anbringen. – Die Tretmaschinen stehen noch in einer
anderen Hinsicht den Handmaschinen günstig gegenüber; man tritt nämlich abwechselnd
mit dem rechten und mit dem linken Fuß, und läßt dadurch den einen Fuß ruhen,
während der andere arbeitet. Auf diese Weise kann man den ganzen Tag über die
Maschine im Gang erhalten, ohne sich zu ermüden. Bei den Handmaschinen ist dieß
unmöglich. Wo andauernd viel zu arbeiten und deßhalb eine rasche Arbeit bedingt ist,
sind bloß Tretmaschinen am Platz; man kann mindestens dreimal so viel mit denselben
leisten, wie mit den Handmaschinen.
Einfluß der Nähmaschinenarbeit auf die Gesundheit.
– Man begegnet nicht selten der Ansicht, daß das Arbeiten an der Nähmaschine
den Körper angreife und gesundheitsschädlich wirke. Der Grund dafür läßt sich nicht
gut einsetzen. Mäßige Bewegungen, resp. Muskelanstrengungen sind dem Körper immer
zuträglich, auch wenn sie sich auf längere Zeit fortsetzen. Es ist allerdings
möglich, ja gewiß, daß der Trieb recht viel zu fertigen und zu verdienen manche
Personen über die Kräfte sich anstrengen läßt, und solches muß den Körper, wie
Uebermaaß in anderen Dingen auch, im Lauf der Zeit gewiß stark mitnehmen und kann
chronische Leiden erzeugen. Die für den Betrieb einer Nähmaschine aufzuwendende
Arbeit ist an sich sehr gering, noch nicht 1/10 von derjenigen die einem Erwachsenen
dauernd zur Verfügung steht. Die von einem gesunden Mann mittlerer Stärke täglich 8
Stunden hindurch zu leistende Arbeit beträgt 12000 Metergramme (12 Meterkilogramme)
pro Secunde. Der Betrieb der Grover-Baker-Kettenstich-Maschine erfordert nur 525, der Betrieb der
Wheeler und Wilson, sowie
die Singer-Maschine 600, der Betrieb der Howe-Maschine 900 Metergramme. Diese Zahlen
verschwinden fast insgesammt gegen 12000, selbst wenn man letzteren Werth für ein
weibliches Individuum um 1/3 vermindern sollte. Bei der Bewegung der Nähmaschinen
werden allerdings nur wenige und durchaus nicht die kräftigsten Muskeln des Körpers
in Function gebracht, und diese werden auf ihre volle Leistungsfähigkeit in Anspruch
genommen. Sobald die letztere jedoch nicht überschritten wird, d.h. so lange nicht
mit dem Gefühle der Uebermüdung gearbeitet wird, dürfte doch wohl eine Einwirkung
schädlicher Art auf die betreffenden Muskeln wie auf den ganzen Organismus
ausgeschlossen seyn. Durch die Einführung der Nähmaschinen sind die Leiden der
Menschheit eher vermindert als vermehrt worden; denn die Arbeiterin kommt aus der
gekrümmten, die Brust einengenden Lage in eine gerade, und sie vertauscht das ruhige, den Körper
erschlaffende Sitzen mit einer animirten den Herzschlag befördernden Bewegung.
Maschinen zum Betrieb der Nähmaschinen. – Ist in
einer Fabrik eine größere Anzahl Nähmaschinen dauernd in Betrieb, so ist es
vortheilhafter, dieselben durch einen Motor treiben zu lassen, als durch die
Arbeiter selbst, da dann eine weit größere Nähgeschwindigkeit erzielt werden kann,
bei Grover und Baker und Wheeler und Wilson (auch Willcox und Gibs) bis an 1500
Stichen die Minute, bei Singer etwa halb so viel. Ja es
muß sogar zweckmäßig erscheinen, eine kleinere Zahl Maschinen durch einen Arbeiter
gemeinsam treiben zu lassen, der eine mit großem Schwungrad verbundene Welle dreht,
woran die Nähmaschinen hängen. Derselbe kann sicher 6–8 Grover und Baker oder Wheeler und Wilson-Maschinen mit einer
Geschwindigkeit von 1500 Nadelstichen oder 12 Singer-Maschinen bei 800 Stichen die Minute in Bewegung erhalten.
Dadurch können denn die Maschinen sowohl, wie die daran beschäftigten Arbeiter in
ganz beträchtlichem Grad besser ausgenutzt werden. Theils um größere
Geschwindigkeiten zu erzielen, theils um den vorgeblichen gesundheitsnachtheiligen
Wirkungen beim Betrieb der Nähmaschinen vorzubeugen, versuchte man zu wiederholten
Malen, auch einzelne Maschinen für sich durch mechanische Mittel in Bewegung zu
bringen. Es wurden kleine elektromagnetische Kraftmaschinen, sowie Uhrwerke als
Triebmittel vorgeschlagen. Daß der Zweck hierdurch befriedigend zu erreichen ist und
erreicht worden ist, unterliegt keinem Zweifel. Es handelt sich nur um die
praktische Bedeutung des Erfolges. Eine elektromagnetische Kraftmaschine mit den
erforderlichen Batterien läßt sich nicht unter 200–300 fl. südd. W.
herstellen. Dieser Preis ist schon ein schweres Bedenken gegen die Anschaffung eines
solchen Hülfsapparates; denn gerade die Näherin, die davon Gebrauch machen soll,
wird schwerlich in der Lage seyn, ein solches Capital aufzubringen, das den Preis
der Nähmaschine selbst um mehr als das Doppelte übertrifft. Die Unterhaltungskosten
der Batterie betragen pro Tag mindestens 18 kr. (5 Sgr.), können aber bei
mangelhafter Bedienung recht gut um die Hälfte, ja das Doppelte steigen. Dieß ließe
sich noch acceptiren, wenn die Leistung der Nähmaschine um das 2- bis
3-fache gesteigert werden kann. Dazu kommt aber dann der Uebelstand, daß die
Bedienung der Batterie an sich ein sehr schwieriges und unsauberes Geschäft ist,
welches viel Erfahrung verlangt, und welches zu erlernen einer Näherin kaum gelingen
dürfte. Mit größeren Mengen concentrirter Säuren, wie Schwefelsäure und
Salpetersäure, im Hause umgehen, ist ferner eine bedenkliche Sache, zudem stoßen
dieselben in der Batterie widerwärtige, unathembare Dämpfe aus, so daß man gezwungen ist, die Batterie an
entferntem Orte außerhalb aufzustellen. Es ist darnach der Elektromagnetismus
jedenfalls eine ungeeignete Triebkraft für Nähmaschinen. Eine höhere Beachtung
verdienen die Versuche, die Nähmaschine durch ein Uhrwerk zu treiben. So erzeugen
z.B. Garcin und Adam in Colmar
die Triebkraft vermittelst eines Werkes von sechs starken ineinandergreifenden
Federn, das unter dem Tische angebracht ist. Eine derartige Vorrichtung in
Verbindung mit einer Wheeler und Wilson-Maschine functionirte auf der Ausstellung in Altona recht
hübsch. Zum Aufziehen des Werkes soll eine Zeit von 1 1/2 Minuten erforderlich seyn
und dann zwei Stunden hindurch gearbeitet werden können. Diesen Angaben muß jedoch
ein Zweifel entgegengesetzt werden. Zum Betrieb der Wheeler und Wilson-Maschine ist eine
Arbeit von 600 Metergrammen aufzuwenden (bei 520 Stichen pro Minute) oder 1/20 der Menschenleistung. Arbeitet ein Mann mit voller
Anstrengung seiner kräftigen Muskeln, so kann er 20mal so viel Kraft in einem
Triebwerk anspeichern, als eine Nähmaschine beim gewöhnlichen Betrieb in der
gleichen Zeit consumirt. Ein unausgesetzter zweistündiger Gang der Nähmaschine wird
somit ein 6 Minuten langes Aufziehen des Triebwerkes seitens eines Mannes
beanspruchen; nimmt man an, daß ein Drittel der Arbeit an der Nähmaschine durch das
Ordnen des Zeuges in Anspruch genommen wird, während welcher Zeit die Maschine in
Ruhe sich befindet, so wären 4 Minuten Aufziehens des Werkes für zweistündige Arbeit
erforderlich. Soll aber die Nähmaschine doppelt so viel Stiche machen, als es beim
Treten möglich ist, so würde ein 4 Minuten langes Aufziehen des Werkes nur 1 Stunde
hindurch die Maschine im Gang erhalten können. Man könnte sich damit übrigens
zufrieden geben, wenn solches wirklich durch ein compendiöses, nicht zu
kostspieliges Werk zu erreichen ist. Ob soviel das oben genannte Werk leistet,
darüber liegen Prof. Meidinger
keine zuverlässigen Angaben vor, jedenfalls wird der geforderte hohe Preis von 400
Frcs. ein großes Hinderniß seiner Verbreitung bleiben.Man s. Babcock's Versuche zur Bestimmung der für
den Betrieb einer Nähmaschine während einer gewissen Zeit nöthigen
Federkraft, im polytechn. Journal Bd. CXCV
S. 471. – Auf eine einfache und billige Weise ließe sich vermittelst eines
aufgewundenen Gewichtes der gleiche Zweck erreichen. Hebt man 100 Kilogrm. 3 Meter
(die mittlere Stubenhöhe) hoch, so wird beim Niedersinken eine Arbeit von 300
Mtrklgrm. oder 300000 Mtrgrm. geleistet. Dividirt man letztere Zahl durch 600, so
erhält man in 500
Secunden oder 8 Minuten die Zeit, während welcher die Wheeler und Wilson-Maschine getrieben
werden könnte; sollten doppelt so viel Stiche wie beim Treten gemacht werden, so
würde übrigens das Gewicht schon in 4 Minuten niedersinken. Ist diese Zeit sehr
kurz, so nimmt dafür das Aufwinden des Gewichtes auch nur 1/5 Minute in Anspruch. Es
gibt dieses Beispiel übrigens einen guten Begriff von der ungeheuren Kraft, welche
in den Federn des genannten Uhrwerkes angespeichert seyn muß, wenn dasselbe einen
stundenlangen Gang wirklich ermöglicht. In der That repräsentirt dann jede einzelne
der 6 aufgezogenen Federn ein Gewicht von 4 Ctr. aufgehoben zu 10 Fuß Höhe. Man
denke sich ein solches Gewicht durch Reißen des Seiles von oben herunterfallen und
man wird sich die Wirkung einer platzenden Feder vorstellen können. Es ist darum
unumgänglich geboten, daß das Federwerk in einem sehr massiven Gehäuse
eingeschlossen ist. (Deutsche Industriezeitung, 1870, Nr. 7.)