Titel: | Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg. |
Autor: | E. Richters |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XCIV., S. 318 |
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XCIV.
Ueber die Veränderungen welche die Steinkohlen
beim Lagern an der Luft erleiden; von Dr. E. Richters, an der Bergschule zu Waldenburg.
(Schluß von Bd. CXCV S. 458.)
Richters, über die Veränderungen der Steinkohlen an der
Luft.
III. Die sogenannte Verwitterung der
Steinkohlen.
Steinkohlen, welche durch längere Lagerung an der Luft sich in gewisser chemischer
und physikalischer Beziehung verändert und dabei an Heizkraft, Verkohkungs-
und Vergasungswerth, Backfähigkeit u.s.w. eingebüßt haben, nennt man verwittert.
I. Die Verwitterung ist die Folge einer Aufnahme von
Sauerstoffgas, welches einestheils einen Theil des Kohlenstoffes und
Wasserstoffes der Steinkohlen zu Kohlensäure und Wasser oxydirt, anderntheils
direct in die Zusammensetzung der Kohle eintritt.
Mit diesem Satze führe ich erstens die sämmtlichen, oben kurz charakterisirten Folgen der Verwitterung
auf die in der chemischen Zusammensetzung der Kohle eingetretenen substantiellen Veränderungen zurück, erkläre zweitens
diese lediglich aus der Einwirkung des atmosphärischen
Sauerstoffes, und nehme drittens an, daß sich der
sogenannte Verwitterungsproceß in keiner Weise von dem gewöhnlichen
Oxydationsproceß unterscheide, welchem die Kohlen unter den verschiedensten
Verhältnissen unterliegen und den ich zum Gegenstand eingehender, im Früheren
mitgetheilter Versuche gemacht habe.In diesem Journal Bd. CXC S. 398,
Bd. CXCIII S. 51, Bd. CXCV S. 315. Zur Begründung des Gesagten verweise ich auf Folgendes:
1) Die Verwitterung wird nicht selten ganz oder theilweise auf eine sogen. Zersetzung der Kohlen zurückgeführt, wobei man wenigstens
in der Regel an eine bloße moleculare Umlagerung der Elementarbestandtheile ohne
gleichzeitige substantielle Aenderung der Zusammensetzung denkt. Nur in dem Falle
würde diese Annahme eine thatsächliche Berechtigung haben, wenn es nicht möglich
wäre die sämmtlichen neuen Eigenschaften der verwitterten Kohle aus der veränderten
Zusammensetzung empyrisch zu erklären (man vergl. Abschnitt V dieser Abhandlung),
und wenn bestimmte Thatsachen zeigten daß eine Kohle bei unverändert gebliebener
Zusammensetzung während des Lagerns neue, von ihren früheren verschiedene
Eigenschaften erhalten habe. Solche Beobachtungen liegen aber bis jetzt nicht
vor.
2) Die Aenderungen welche während des Lagerns in der chemischen Zusammensetzung der
Kohle eintreten, sind schlechterdings nur durch den Einfluß des atmosphärischen
Sauerstoffes zu erklären. Der eigentliche unter dem Ausschluß
des letzteren verlaufende Vermoderungsproceß, welcher, sich durch
unermeßliche Zeiträume fortsetzend, die Substanz vorweltlicher Hölzer endlich in
Steinkohle umwandelte, vollzieht sich so langsam, daß sich sein Einfluß innerhalb
der wenigen Jahre in denen die Verwitterungserscheinungen auftreten, kaum zu
erkennen geben kann und daher für die Beurtheilung der letzteren ganz außer Betracht
fällt.
3) Wenn wir also den Sauerstoff zum mindesten als den wesentlichsten, wenn nicht
einzigen Factor der Verwitterung anzusehen haben, gibt es dann irgend einen Grund
anzunehmen, daß bei dieser der Oxydationsproceß anders verlaufe, einen anderen Gang
annehme als bei den Versuchen die wir hauptsächlich zum Zwecke der Gewinnung
allgemeinerer Gesichtspunkte für die Beurtheilung der Verwitterungserscheinungen im Laboratorium
ausführten? Ich glaube nicht; man müßte denn zeigen, daß die Resultate jener
Versuche in keiner Weise für die Erklärung der Verwitterungserscheinungen
ausreichend seyen. Nun können wir aber diese letzteren sämmtlich im Kleinen mit
größerer oder geringerer Intensität künstlich hervorrufen, wenn wir den
Oxydationsproceß unter Anwendung von Wärme mehr oder weniger beschleunigen;Man vergl. z.B. das Verhalten der Kohle beim Erhitzen, in diesem Journal Bd. CXC S. 398 und Bd. CXCV S. 325 u. f. es treten dann dieselben Veränderungen auf, wie in den verschiedenen Stadien
der Verwitterung. Mit der obigen Annahme würden wir also den sicheren Boden
thatsächlicher Beobachtung verlassen und uns ohne zwingenden Grund auf das Gebiet
der Hypothese begeben.
Eine Erklärung der Verwitterungserscheinungen kann sich daher nur auf die Kenntniß
der mehrfach erwähnten Oxydationsprocesse und der sie bedingenden Momente gründen.
Da ich diese im Anschluß an frühere Veröffentlichungen im ersten Theil der
vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt habe, so werde ich mich, auf jene Arbeiten verweisend, hier ziemlich kurz fassen
können. An die Spitze der folgenden Abschnitte stelle ich der größeren
Uebersichtlichkeit halber den jedesmaligen Fundamentalsatz, zu dessen Annahme ich
mich nach meinen bisherigen Untersuchungen und Beobachtungen berechtigt halte.
II. Der Verwitterungsproceß beginnt mit einer Absorption von
Sauerstoffgas. Erwärmen sich in Folge dieses oder eines anderen Vorganges die
Kohlen während der Lagerung, so tritt nach Maaßgabe der Temperaturerhöhung eine
mehr oder weniger energische chemische Reaction des Sauerstoffes auf die
verbrennliche Substanz der Kohlen ein (die ich ihrem
Verlauf und ihren Grenzen nach im ersten Theile der Arbeit charakterisirt
habe), andernfalls verläuft der
Oxydations- (Verwitterungs-) Proceß so langsam, daß sich in der Mehrzahl der Fälle die
innerhalb Jahresfrist eintretenden Veränderungen technisch wie analytisch kaum
mit Sicherheit feststellen lassen.
Ich mache somit den mehr oder weniger raschen Verlauf der Verwitterung, resp. die Verschlechterung der Kohlen ganz wesentlich von dem
Umstande abhängig, ob während der Lagerung eine Erwärmung
eintritt oder nicht. Zur Begründung diene Folgendes:
1) Die bei gewöhnlicher Temperatur rasch und energisch erfolgende
Sauerstoffabsorption und folglich auch die Oxydation der Steinkohlen nimmt mit der
Zeit mehr und mehr ab, bis sie endlich auf ein Minimum zurückgegangen ist.Man vergl. in diesem Journal Bd. CXCV S.
322 und 452. Die in der ersten Periode aufgenommenen Sauerstoffmengen sind aber nicht so
bedeutend, daß sie die Zusammensetzung der Kohle und folglich auch deren
Eigenschaften erheblich verändern könnten.
2) Wir kennen, wenn wir hier von der als ziemlich irrelevant erscheinenden Einwirkung
der EisensalzeMan s. in diesem Journal Bd. CXCIII S.
57. absehen, kein anderes Mittel den Oxydationsproceß zu beschleunigen,
beziehungsweise in seiner anfänglichen Stärke zu unterhalten, als die Wärme.
3) Befindet sich der obige Satz ebensowohl mit den im Großen gewonnenen Erfahrungen,
wie mit den Resultaten der Laboratoriumsversuche in vollkommenster
Uebereinstimmung.
Zunächst theile ich hier meine eigenen Versuche über die Verwitterung der Kohlen mit,
denen ich dann kurz die Ergebnisse der Beobachtungen Reder's Zeitung des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen. und Grundmann's Preußische Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen. anschließe. Da Reder mit mir seine Aufmerksamkeit
den etwaigen während des Lagerns eingetretenen Gewichtsveränderungen zuwandte, so
füge ich die bezüglichen Notizen gleichfalls bei, um in einem der folgenden
Abschnitte kurz darauf verweisen zu können.
I. Am 20. Juni 1869 wurden auf dem Julius schachte bei
Waidenburg 670,95 Ctr. frisch geförderte Kleinkohlen = 639,91 Ctr. trockene Kohlen
(bei 100° C.) zu einer etwa 15 Fuß langen und breiten und 5–6 Fuß
hohen Halde aufgeschüttet; dieselbe blieb bis zum 27. März d. J. im Freien liegen;
eine bemerkbare Temperaturerhöhung trat weder bei diesem noch bei einem der
folgenden Versuche ein. Nach 9 monatlicher Lagerung ergab sich das Gewicht der
Kohlen zu 670,7 Ctr. = 636,9 Ctr. trocken. Gewichtsverlust mithin 0,47 Proc., der
zum größten Theil auf Fehler beim Verwiegen zurückzuführen seyn dürfte. Wie die
nachfolgende Tabelle (S. 321) zeigt, hatten weder die chemische Zusammensetzung noch
die in technischer Beziehung wichtigsten Eigenschaften der Kohle während der
Lagerung eine nennenswerthe Veränderung resp. Einbuße erlitten.
Tabelle.
Textabbildung Bd. 196, S. 321
Bezeichnung der Kohlen;
Zusammensetzung der aschenhaltigen Kohle; Zusammensetzung der aschenfreien
Substanz; Auf 1000 Kohlenstoff sind enthalten Wasserstoff; Heizwerth der
aschenfreien Substanz in Calorien pro Pfund; Abnahme (–) resp. Zunahme
(+) des Heizwerthes. Proc.; 100 Gewichtstheile trockene aschenfreie Substanz
geben; Backfähigkeit der Kohlen; Specifisches Gewicht der trocknen
aschenhaltigen Kohle; disponibel; gebunden; Summa; Gewichtstheile aschenfreie
Kohks; Gewichtstheile flüchtige Bestandtheile; Frisch geförderte; Kohle Nr. I
vom Juliusschacht; Dieselbe Kohle nach 9 monatlicher Lagerung im Freien; Frisch
geförderte Kohle Nr. II vom Juliusschacht; Dieselbe Kohle nach 9 monatlicher
Lagerung im Zimmer; Frisch geförderte Kohle von der Glückhülfgrube; Dieselbe
nach 9 monatl. Lagerung; im Freien. Obere Schicht aus den Körben; Dieselbe nach
9 monatl. Lager im Freien; Durchschnittsprobe; Dieselbe nach 9 monatlicher
Lagerung im Zimmer; Frisch geförderte Kohle von der Seegen Gottes Grube;
Dieselbe nach 10 monatl. Lagerung im Freien. Obere Schicht der Halde; Dieselbe
nach 10 monatl. Lager. im Freien; Durchschnittsprobe; Dieselbe nach 10 monatl.
Lagerung im Zimmer
II. In die vorerwähnte Halde wurden zwei Doppelkörbe bis an den Rand eingesetzt,
welche mit nußgroßen Stücken melirter Kohle von der Glückhülfgrube gefüllt waren.
Nettogewicht der Kohle in Korb
I
121 Pfd. feucht
= 117,54 Pfd. trocken
„
„ „
„ „
II
109
„ „
= 106,1
„ „
nach 9 monatlicher Lagerung am
27. März 1870:
Nettogewicht der Kohle in Korb
I
124,5 feucht
= 119,7 Pfd. trocken
(= 2,16 Pfd. +)
„
„
„ „
„
II
111,5 „
= 106,3
„ „
(= 0,16 Pfd. +)
Da die obere Schicht ein außerordentlich verwittertes Aussehen besaß und mit einer
dünnen, erdigen Kruste bedeckt war, so wurde sie von der übrigen Masse gesondert
untersucht. Wie die Tabelle zeigt, hatten sich die Kohlen weder in technischer noch
chemischer Beziehung nennenswerth verändert, trotzdem sie über 9 Monate lang
ununterbrochen den Einflüssen der Atmosphärilien ausgesetzt waren.
III. Am 18. Juni 1869 wurden auf der Seegen Gottes Grube bei Altwasser 299,80 Ctr. frisch geförderte Steinkohlen = 271,70 Ctr. trocken,
zu einer circa 30 Fuß langen, 6 Fuß breiten und 2,5 Fuß
hohen Halde aufgefahren. Am 10. April 1870, also nach fast 10 monatlicher Lagerung
im Freien wurde das Gewicht der Kohle wieder bestimmt; dasselbe betrug 305,51 Ctr. =
271,50 trocken; Gewichtsabnahme mithin 0,07 Proc. Hinsichtlich des Uebrigen sehe man
die Tabelle.Einzelne Anomalien in derselben, wie der geringere Wasserstoffgehalt resp.
der größere Sauerstoffgehalt der frisch geförderten Kohlen vom Juliusschacht
Nr. II beziehentlich Seegen Gottes-Grube sind auf kleine
Bestimmungsfehler zurückzuführen. Wie aus dieser hervorgeht, ist mit einzelnen Ausnahmen während der Lagerung
eine sehr geringe Abnahme sowohl der Wasserstoffmenge überhaupt, wie auch des sogen, disponiblen Wasserstoffes, ferner der Backfähigkeit und des Heizeffectes eingetreten; dagegen zeigt die Kohksmenge eine kleine
Zunahme, die Gewichtsmenge der flüchtigen Bestandtheile hat sich also entsprechend
vermindert. Für die Praxis aber fallen alle diese Erscheinungen, weil quantitativ zu
gering, so wenig in's Gewicht, daß die betreffenden Kohlen als völlig unverändert
geblieben gelten können. Diesen Versuchen schließen sich die nachfolgenden
Beobachtungen Reder's an:
161 Ctr. Schaumburger Schmiedekohlen erlitten während fast einjähriger Lagerung weder
am Gewichte noch am Heizwerthe Einbuße. Aehnlich verhielten sich Probekohlen von der
Zeche Courl (Westphalen), welche während derselben Zeit nichts an Gewicht und nur
ein so Unbedeutendes an Heizwerth verloren, daß die bemerkte Differenz innerhalb der
Grenzen der Beobachtungsfehler fällt.
In den bisher mitgetheilten Fällen war eine Erwärmung der
im Freien der Einwirkung der Atmosphärilien ausgesetzten Kohlen nicht eingetreten. Reder spricht sich zwar über diesen
Punkt nicht direct aus, doch läßt sich der Schluß aus den kleinen Quantitäten
ziehen, die er zu den betreffenden Versuchen anwandte. Ganz anders stellt sich die
Sache bei den nachfolgenden, theils von Grundmann, theils
von Reder ausgeführten Versuchen, bei denen sich die
Kohlen während des Lagerns erwärmten.
Reder brachte, um jederzeit genaue Gewichtsermittelungen
mit Leichtigkeit anstellen zu können, die für die Versuche ausgewählten Kohlen zu
etwa 30–40 Pfd. in irdene Töpfe, welche bis an den Rand in eine größere, im
Freien gelagerte Halde Ibbenbürener Kohlen eingesetzt wurden. Von letzteren wird a.
a. O. bemerkt, daß sie sich beim Lagern stark, unter Umständen bis zur
Selbstentzündung zu erhitzen pflegen; auch wurde festgestellt, daß durch die
Topfwand die Wärme nicht abgehalten wurde, die in den Töpfen befindlichen Kohlen
mithin dieselbe Temperatur besaßen wie die in der Halde; das Ergebniß war
folgendes:
1) Oberschlesische Kohlen vom Sattelflötz nahmen bei 9 monatlichem Lagern um 1,57 Proc., während 12 monatlichen Lagerns um 0,35 Proc. an Gewicht zu. Die Backfähigkeit ging während dieser Zeit
vollständig verloren, die Kohksmenge nahm um 3,7 Proc. ab.
2) Kohlen von Borglohe. Das Trockengewicht vermehrte sich
bei 9 monatlicher Lagerung um 0,47, bei 12 monatlicher um
1,33 Proc. Die Kohksmenge stieg um ein sehr Geringes (0,9
Proc.). Die Backfähigkeit veränderte sich nicht bemerkbar.
3) Englische Kohlen (Brancepeth); das Trockengewicht
hatte sich während der ersten 9 Monate nicht verändert, nach 12 Monaten dagegen um 3,38 Proc. zugenommen. Die Kohksmenge verminderte sich während
dieser Zeit um 3,65 Proc. Die Backfähigkeit nahm nicht bemerkbar ab.
Die chemische Zusammensetzung und der Heizeffect sind zwar von Reder nicht festgestellt worden, doch läßt sich aus der beobachteten
Gewichtszunahme, resp. der Abnahme der Verkohkbarkeit schließen, daß auch erstere
nicht unverändert geblieben sind.
Von besonderem Interesse sind die Untersuchungen Grundmann's, weil sie einen Einblick in die
fortschreitenden Veränderungen gewähren, welche die Zusammensetzung der
verbrennlichen Substanz der Kohlen erleidet, wenn sich diese in den Halden erhitzen;
es tritt dann ebenso wie bei den betreffenden Laboratoriumsversuchen eine
verhältnißmäßig bedeutende Zunahme des Sauerstoffgehaltes bei gleichzeitiger Abnahme
von Kohlenstoff und
Wasserstoff ein. Wenn wir hier aus Gründen die sich aus Späterem ergeben werden,
zunächst nur die Veränderungen in der Zusammensetzung der aschenfreien Substanz berücksichtigen, so gibt uns die kurze nachfolgende
Zusammenstellung ein Bild derselben.
Kleinkohle von Gottes Seegen
Grube.frisch gefördert – 1 Jahr gelagert
Kleinkohle von
Wolfgang-Grube.frisch gefördert – 1 Jahr gelagert
86,374 C
80,455 C
84,832 C
80,383 C
6,001 H
5,137 H
5,462 H
5,382 H
7,625 O +
N
14,408
O + N
9,706 O +
N
14,235 O + N
Calorien pro Pfd. 7948
7061
7638
6880
Verlust an Heizwerth
11,2
Proc.
9,9
Proc.
Kleinkohle Königin Louise-Grube
frisch gefördert – 3/4 Jahr alt
87,132 C
82,805 C
5,771 H
5,012 H
7,097 O +
N
12,183
O + N
Calorien pro Pfd.
7966
7286
Verlust an
Heizwerth
8,5 Proc.
Es unterliegt keinem Zweifel daß, mit den Resultaten meiner Versuche verglichen, hier
die fortgeschrittenere Oxydation resp. Verwitterung lediglich die Folge der
Temperaturerhöhung ist. In der That sind auch die während des Lagerns eingetretenen
Veränderungen ganz ähnlich denjenigenMan s. dieses Journal Bd. CXCV S. 325
u. f.
welche stattfinden wenn bei den im kleinen Maaßstab
angestellten Versuchen die Kohlen schwach erhitzt werden, woraus wir wohl
schließen dürfen, daß hier wie dort der Oxydationsproceß einen gleichen Verlauf
genommen habe.
Im zweiten Theile der Arbeit habe ich mich mit den Ursachen beschäftigt, von denen
die bei der Lagerung eintretende, nicht selten bis zur Selbstentzündung steigende
Temperaturerhöhung bedingt wird. Der Rolle zufolge welche ich der letzteren hier
zugewiesen habe, dürfte es kaum zweifelhaft seyn, daß im Allgemeinen die zur
Selbstentzündung neigenden Kohlen auch diejenigen sind, welche der Verwitterung am
wenigsten zu widerstehen vermögen; ich darf wohl kaum hinzufügen, daß diese Annahme
eben nur im Allgemeinen, nicht aber für den speciellen Fall
gültig ist, da ja das rasche Fortschreiten der Verwitterung nicht mit der
bloßen Neigung der Kohlen sich zu erwärmen, sondern mit
dem factischen Eintreten der Erwärmung coincidirt. Lagern
daher zwei Kohlen, von denen sich die eine leicht, die andere aber nur schwierig
erwärmt, unter Verhältnissen welche die Möglichkeit einer Temperaturerhöhung überhaupt ausschließen,
so werden beide wahrscheinlich in gleichem Maaße der Verwitterung Widerstand
leisten, während entgegengesetzten Falles die erste viel rascher verwittern wird,
als die zweite.
Es ist eine bekannte Sache, daß Stückkohlen der
Verwitterung weniger unterworfen sind als Kleinkohlen;
gewöhnlich will man die Ursache unmittelbar in der
größeren Oberfläche welche letztere den Atmosphärilien darbieten und in dem
hierdurch bedingten energischere Oxydationsproceß finden. So betrachtet ist dieß
entschieden unrichtig. Die frisch geförderte Kleinkohle absorbirt das Sauerstoffgas
nicht in größerer Menge als die Stückkohle, wohl aber bei ihrer größeren Zertheilung
mit anfänglich viel bedeutenderer Lebhaftigkeit. Jene wird sich daher auch bei der
Lagerung im Allgemeinen stärker erwärmen und folglich auch rascher verwittern, als
diese. Tritt aber in Folge günstiger natürlicher
Verhältnisse
Man vergleiche den zweiten Theil der Arbeit „über die Ursachen der
Selbstentzündung der Steinkohlen“ in diesem Journal Bd. CXCV S. 449.
oder der Anwendung zweckmäßiger Mittel keine Erwärmung ein, so
wird die Kleinkohle kaum minder gut und lang der Verwitterung widerstehen als
die Stückkohle. Es ergibt sich einerseits dieser Schluß a priori aus dem bekannten Verhalten der Kohle zum
Sauerstoff, andererseits erhält derselbe durch die mitgetheilten Daten seine
factische Bestätigung. In unverkennbarster Beziehung zu dem Gesagten steht auch die
Beobachtung, daß Kohlen welche entweder schon längere Zeit der Luft ausgesetzt
gewesen sind ohne warm geworden zu seyn, wie solche welche die ersten Phasen der
Verwitterung durchlaufen und sich dann entweder von selbst abgekühlt oder durch
Umlagerung ihre Wärme verloren haben, fortan nur noch wenigen Veränderungen
unterworfen sind. Diese und manche andere eigenthümliche Erscheinung, deren
specielle Berücksichtigung mich hier zu weit führen würde, erklärt sich auf das
Befriedigendste aus dem Verhalten der Kohle zum Sauerstoff, resp. den in Früherem
bereits beschriebenen Absorptionsverhältnissen und deren Einfluß auf das Eintreten
der Erwärmung beziehungsweise der Verwitterung.
Noch einen Umstand möchte ich hier hervorheben: schon von anderen Seiten ist früher
auf den Einfluß einer Temperaturerhöhung auf den raschen Verlauf des
Oxydations-Varrentrapp. resp. VerwitterungsprocessesGrundmann a. a. O. aufmerksam gemacht worden. In diesem Falle dachte man sich aber, wie ich glaube, die
eintretende Verschlechterung der Kohlen, z.B. die Abnahme des Brennwerthes,
wesentlich bedingt durch den mit einer Gewichtsabnahme Hand in Hand gehenden
absoluten Verlust an Kohlenstoff (und Wasserstoff), während nach meiner Auffassung,
die sich auf das bekannte Verhalten der Kohlen beim Erhitzen stützt, jene
Substanzverluste von verhältnißmäßig geringerer Bedeutung erscheinen.
III. Die Feuchtigkeit als solche hat direct keinen
begünstigenden Einfluß auf die Verwitterung. Gegentheilige Beobachtungen werden
sich immer auf den Umstand zurückführen lassen, daß manche, besonders an leicht
zersetzbarem Schwefelkies reiche, oder in Berührung mit Wasser bald zerfallende
Kohlen sich unter gleichen Verhältnissen im feuchten Zustande ausnahmsweise
rascher erhitzen als im trockenen.
Ich stütze diesen Satz auf folgende Thatsachen und Beobachtungen:
1) Bei den im kleinen Maaßstabe ausgeführten Versuchen ließ sich ein nachhaltiger
Man s. dieses Journal Bd. CXCV S.
326. günstiger Einfluß der Feuchtigkeit auf die bei gewöhnlicher Temperatur
verlaufende Oxydation (Verwitterung) nicht nachweisen.
2) Bei höherer Temperatur oxydirt sich die lufttrockene Kohle mindestens ebenso rasch
wie die feuchte.Ebendaselbst.
3) Die während eines Jahres oder 9 Monaten in der Halde
gelagerten, den atmosphärischen Niederschlägen ununterbrochen ausgesetzt
gewesenen, aber nicht warm gewordenen Kohlen hatten sich nachweisbar nicht mehr
verändert als die an einem lufttrockenen Orte aufbewahrten. (Ich ließ
Proben derselben Kohlen – nur die vom Juliusschachte sind verschieden
– welche im Freien der Verwitterung ausgesetzt waren, im Zimmer auf einem
Bogen Papier ausgebreitet liegen; betreffs der Resultate sehe man die Tabelle.)
4) Daß auch die lufttrockenen Kohlen bei gewöhnlicher Temperatur ganz ähnlichen
Veränderungen unterworfen sind, Wie beim Erhitzen, daß also die Gegenwart von
überschüssigem Wasser keine nothwendige Bedingung für die Oxydation ist, beweisen
überdieß die Beobachtungen Fleck's über die Veränderungen sächsischer Steinkohlen während 9
jähriger Aufbewahrung in einem lufttrockenen Raume.Die Steinkohlen Deutschlands etc., Bd. II S. 221 u. f.
Ich mache mit obigem Satz den Einfluß der Feuchtigkeit auf die Verwitterung
ausschließlich von dem Umstande abhängig, ob dieselbe zur Erwärmung der Kohlen
beiträgt oder nicht; nicht die feuchten Kohlen als solche
verwittern rascher als die trockenen, sondern nur die unter dem Einflusse der
Feuchtigkeit warm gewordenen. Der letztere ist daher ein lediglich
secundärer, von bestimmten Bedingungen abhängiger.
ThompsonIm Auszug in diesem Journal Bd. CLXXVIII S.
161. in seinem Berichte über die Verwitterung der New-Castler Kohlen
unterscheidet eine Trockenfäule und Naßfäule, und scheint damit anzudeuten, daß in
beiden Fällen der Verwitterungsproceß einen verschiedenen Verlauf nehme. Dieß ist
aber keineswegs der Fall; mindestens ließ sich ein solcher weder bei meinen
Versuchen erkennen, noch aus den Beobachtungen Anderer constatiren. Dagegen scheint
in der That aus dem Auszuge der Abhandlung Thompson's hervorzugehen, daß die
New-Castler Kohlen zu denjenigen gehören, welche sich unter dem Einflusse der
Feuchtigkeit rascher erwärmen als ohne dieselbe,Wenn nicht der größere Einfluß der „Naßfäule“ vielleicht
einzig auf den Umstand Muckzuführen ist, daß, wie es den Anschein hat, die
betreffenden im Freien gelagerten Halden
voluminöser waren und deßhalb wärmer wurden als
die doch wahrscheinlich in bedeckten Räumen lagernden „trocken
faulen.“ Leider stand mir die Originalabhandlung nicht zur
Verfügung. denn es heißt an der citirten Stelle: „Als Naßfäule bezeichnet Th.
denjenigen Vorgang, wenn in großen Haufen oder Massen
gelagerte Kohle feucht wird und sich in Folge davon erhitzt“
u.s.w. und ferner „Ist die Kohle feucht, so steigt dieser Verlust (an
Heizkraft) unter sonst gleichen Umständen weit höher, außerdem ist derselbe auch viel beträchtlicher, wenn die lagernde Kohle
sehr große voluminöse Haufen bildet.“ Dieß ist unzweifelhaft
richtig, aber gewiß nur deßhalb, weil in großen voluminösen Halden sich die Wärme
viel mehr anhäuft wie in kleinen. „In diesem Falle,“ fährt Th.
fort, „scheint sich die Kohle nach und nach in bloßen Lignit zu
verwandeln, indem sie fast die Hälfte ihrer Heizkraft einbüßt.“ Es
ist bekannt, daß genau diese Erscheinungen der sogen. Naßfäule eintreten, wenn die
Kohlen trocken einige Tage lang bis auf
150–200° C. erhitzt werden; dieselben erhalten dann in der That die
Zusammensetzung des Lignits (mit überschüssigem Kohlenstoff) und verlieren dabei ohne am Gewichte einzubüßen 25–30 Proc. an Brennwerth, die sich wegen der gleichzeitig
eintretenden Schwerentzündlichkeit für viele Fälle der Praxis Wohl auf 50 Proc., wie
Th. angibt, steigern wögen.
Daß nicht alle Kohlen sich unter dem Einflusse der Feuchtigkeit mit gleicher
Intensität erwärmen, habe ich bereits im zweiten Theile der Arbeit über die
Selbstentzündung erwähnt; nach den betreffenden Ausführungen ergibt sich vielmehr,
daß die Feuchtigkeit im Allgemeinen die Wärmeentwickelung
eher hemmen als befördern wird, da diese in der Regel von
Vorgängen abhängt, welche durch die Feuchtigkeit nur verzögert werden können. Ohne
genaue Kenntniß der Eigenthümlichkeit der Kohle (Cohäsionsverhältnisse,
Flächenanziehung resp. Absorptionsvermögen, Schwefelkiesgehalt) wird sich daher auch
der Einfluß der Feuchtigkeit im Voraus nicht bestimmen lassen; wohl aber berechtigen
alle die Oxydation resp. Verwitterung beeinflussenden Momente zu dem Schluß, daß im
Allgemeinen die Mehrzahl der Kohlen unter sonst gleichen Umständen im lufttrockenen
Zustande rascher verwittern wird, als bei Anwesenheit des Wassers.
IV. So lange die Temperaturerhöhung gewisse Grenzen
(170–190°) nicht übersteigt, treten bei der
Verwitterung bemerkenswerthe Gewichtsverluste nicht ein; das bekannte Verhalten
der Kohle zum Sauerstoff läßt vielmehr geringe Gewichtszunahmen, wie sie von
Reder mit Sicherheit constatirt worden sind, annehmbar erscheinen.
Die Begründung und Klarstellung dieser Thatsache ist von weittragendster praktischer
Bedeutung, wie die von den verschiedensten Seiten unternommenen Untersuchungen
zeigen, welche sich gerade mit diesem Theile der Verwitterungsfrage beschäftigen. Im
Jahre 1863 veröffentlichte Grundmann seine erste
Abhandlung über die Verwitterung oberschlesischer Steinkohlen. Die der Arbeit zu
Grunde liegenden Versuche wurden im Jahre 1861–62 mit Steinkohlen des
Sattelflötzes der Königsgrube in Königshütte ausgeführt. Dieselben ergaben, daß die
in Folge einer längeren Lagerung im Freien eingetretene Verwitterung keinen Einfluß
auf das specifische Gewicht der Kohlen und deren Gehalt an Wasser gehabt hatte.
Hingegen steigerte sich der Aschengehalt, welcher bei Beginn der Versuche 4,5 Proc.
betrug nach zweimonatlicher Lagerung auf 6,2 Proc., nach fünfmonatlicher Lagerung
auf 10,4 Proc., und nach neunmonatlicher Lagerung auf 10,8 Proc. Da nun die absolute
Menge der Aschenbestandtheile unverändert dieselbe bleibt, so schloß Grundmann aus deren relativer Zunahme auf eine
entsprechende Abnahme der verbrennlichen Substanz der Kohle; dieselbe würde bei
einem Steigen des Aschengehaltes von 4,5 auf 10,8 Proc. 58,21 Proc. betragen, so daß von ursprünglich vorhandenen 100 Ctr. Kohlen nach Ablauf von 9 Monaten nur 41,8 Ctr. übrig geblieben wären.
Begreiflicherweise mußten diese Berechnungen unter den Kohlenconsumenten sowohl wie
Producenten die größte Aufmerksamkeit erregen. Die Verwaltung der vormaligen
hannoverschen Staatsbahn veranlaßte in gerechter Würdigung der praktischen Bedeutung
des Gegenstandes die Ausführung controlirender Versuche, welche zum größten Theil
vom Eisenbahnbetriebsdirector Reder, damals zu Osnabrück,
jetzt in Berlin, ausgeführt wurden. Betreffs der Gewichtsveränderungen hatten die
bereits mitgetheilten Versuche folgendes Resultat: in drei Fällen (und zwar, wie
sich aus den Angaben Reder's
folgern läßt) in welchen die Kohlen sich nicht erwärmt hatten, war das Gewicht
constant geblieben; in drei anderen Fällen, in welchen die betreffenden Notizen auf
eine eingetretene Erwärmung schließen lassen, hatte sich das
Gewicht statt abzunehmen vermehrt, wie es die auf das Verhalten der Kohle
zum Sauerstoff gegründete Verwitterungstheorie verlangt. Reder, dem letztere selbstverständlich damals nicht bekannt seyn konnte,
und der sich daher die Erscheinung nicht zu erklären vermochte, theilt diese zwar
mit, glaubte sie aber trotz ihres, unter den genannten Bedingungen constanten
Auftretens auf einen Beobachtungsfehler zurückführen zu müssen.
Grundmann wiederholte später seine Untersuchungen nach
dem früheren Verfahren, d.h. er bestimmte aus der Zunahme des Aschengehaltes die
Gewichtsabnahme der Kohlen, und kam dabei zu einem ähnlichen Resultat wie
1862–63. Eine besondere Stütze fanden die Berechnungen Grundmann's in den Versuchen Varrentrapp's, welche vermuthen
ließen, daß wenn man 3 Monate lang bei einer Temperatur von 140° C. über
Steinkohlen atmosphärische Luft leite, sämmtlicher Kohlenstoff der angewandten
Kohlen sich als Kohlensäure verflüchtigt haben könne.
Die Wahrscheinlichkeit der von Grundmann angegebenen
großen Gewichtsverluste läßt sich von einem doppelten Gesichtspunkte betrachten und
beurtheilen; einerseits legt sich uns die Frage vor, ob bei dem bekannten Verhalten
der Kohle zum Sauerstoff solche Gewichtsverluste überhaupt möglich erscheinen, und
andererseits, ob dieselben in den praktischen Erfahrungen der Kohlenconsumenten und
Producenten ihre Bestätigung finden. Bei aller freudigen Anerkennung der vielfachen
Verdienste Grundmann's um die
Kenntniß der Verwitterungserscheinungen glaube ich diese Fragen dennoch bestimmt
verneinen zu sollen. Beim Erhitzen der Kohle wird Kohlensäure und Wasser gebildet,
und Sauerstoff aufgenommen; das Gewicht nimmt hierbei nicht ab, sondern zu. –
Diese Thatsache erklärt die Beobachtungen Varrentrapp's, sie läßt die von
Grundmann constatirten Veränderungen der Kohle durch die Verwitterung verständlich und mit den Resultaten der im Kleinen erhaltenen
Versuche vollkommen übereinstimmend erscheinen und bestätigt endlich die
Beobachtungen Reder's, daß die
Kohle trotz der Abnahme des Heiz- und Verkohkungswerthes nicht leichter, sondern schwerer wird, vollkommen.
– Daß auch bei fortgesetztem Erhitzen das Gewicht der Kohle sich nicht
vermindert, vielmehr nach beendeter Sauerstoffaufnahme so gut wie constant bleibt,
habe ich bereits im ersten Theile der ArbeitIn diesem Journal Bd. CXCV S.
317. weiter ausgeführt. Dieß sind die theoretischen
Gründe, welche gegen eine Gewichtsabnahme sprechen; ich werde jetzt die übrigen kurz
andeuten:
Zunächst stimmt die Annahme eines irgendwie beachtenswerthen Gewichtsverlustes mit
den Erfahrungen der Praxis durchaus nicht überein. Verlieren die Steinkohlen bei 9
monatlicher Lagerung 40–60 Proc. an Gewicht, dann müßten, wie Reder ganz richtig bemerkt, „die bisherigen
Kohlenbezugsverhältnisse und somit auch der Betrieb der Kohlenzechen einer
wesentlichen Aenderung unterliegen,“ von deren Nothwendigkeit man
sich aber noch an keinem Orte überzeugt hat. – Es ist ferner eine Thatsache,
die auch von Grundmann anerkannt wird, daß das Volumen
einer verwitternden und warm gewordenen Kohlenhalde innerhalb Jahresfrist nicht
wesentlich abnimmt; auch das specifische Gewicht bleibt ziemlich unverändert. Wollte
man nun annehmen, eine solche Halde habe die Hälfte ihrer Substanz verloren, so
müßte die zurückgebliebene Kohle als Ausfüllungsmasse eines einheitlichen
Maaßraumes, in welchen das Wasser nicht eindringen kann, auch um die Hälfte leichter
geworden seyn. Ein Eisenbahnwagen z.B., welcher von der lufttrockenen frischen Kohle
200 Ctr. faßt, würde von der verwitterten nur etwa 100 Ctr. aufnehmen können; dieß
widerspricht aber allen Erfahrungen. Während des hiesigen Strike's gelangten auf
verschiedenen Gruben in Folge des Kohlenmangels verwitterte Halden, die sich
notorisch stark erwärmt hatten, zur Abfuhr, aber das Volumengewicht hatte sich
nirgends bemerkbar verändert. Auch das häufig geltend gemachte erdige Aussehen der
verwitterten Kohlen beruht nicht auf einem Substanzverluste. Jedes einzelne
Kohlenstück sowohl wie die ganze Halde verhält sich wie ein poröser, mit einer
verdünnten Salzlösung getränkter Körper; in dem Maaße wie das Wasser verdunstet,
wandert das Salz zur Oberfläche und überzieht diese endlich gänzlich. Nach meinen
Beobachtungen bestanden bei den hiesigen Kohlen jene erdigen Ueberzüge hauptsächlich aus
schwefelsaurem Kalk, der sich durch die Einwirkung der bei der Oxydation der
Schwefelkiese entstandenen freien Schwefelsäure auf den in fast allen Kohlen in
kleiner Quantität enthaltenen kohlensauren Kalk bildete. Enthielt ferner die Kohle
leicht aufquellenden Schieferthon, so suspendirt sich dieser zum Theil im Wasser und
setzt sich später auf der Oberfläche der Kohle ab.
Die abweichenden Resultate Reder's und Grundmann's beruhen sicherlich nur auf der Verschiedenartigkeit der
angewandten Methoden. Nichts ist leichter, als in einer gegebenen Kohlenprobe den
Aschengehalt genau zu bestimmen, aber nichts ist andererseits schwieriger und mit
größerer Unsicherheit verknüpft, als von einem mehrere 100 oder 1000 Tonnen
betragenden Kohlenquantum Proben zu entnehmen, welche den durchschnittlichen
Aschengehalt der ganzen Masse besitzen. Die aus dieser Unsicherheit hervorgehenden
Fehler fallen natürlich um so mehr in's Gewicht, je kleiner der Aschengehalt
überhaupt ist. Betrüge derselbe z.B. durchschnittlich 4 Proc. und würden bei der
ersten Bestimmung 3 Proc., bei der zweiten, nach einigen Monaten vorgenommenen 5
Proc. gefunden, ohne daß sich der Aschengehalt wirklich verändert hätte – und
solche Differenzen sind factisch bei großen Kohlenhalden sehr leicht möglich
– so würde sich hieraus eine Gewichtsabnahme von 40 Proc. berechnen. Ich darf
hier übrigens nicht unerwähnt lassen, daß Grundmann sich
der vielen Unsicherheiten und Fehlerquellen seiner Methode der Gewichtsbestimmung
wohl bewußt war. Da er aber von der Ansicht ausging, das; der Verwitterungsproceß
bei größeren Kohlenmassen anders verlaufe als bei kleinen Quantitäten, eine öftere
Verwiegung jener aber zu den praktisch geradezu unausführbaren Aufgaben gehört, so
blieb er nicht ohne Grund bei seinem Verfahren stehen; wir wissen jetzt freilich,
daß wir dieselben Verwitterungserscheinungen an jeder beliebigen kleinen
Kohlenquantität hervorrufen können, wenn wir sie derselben Temperatur aussetzen die
sich in den Halden entwickelt. Hierdurch besitzen wir ein Mittel die
Verwitterungsvorgänge ohne Schwierigkeit genau zu studiren, welches Grundmann damals entbehrte. Angesichts aller dieser
Thatsachen erscheint daher seine (wie ich glaube) Täuschung bezüglich der
behaupteten bedeutenden Gewichtsabnahme sehr leicht begreiflich und erklärlich.
V. Für die Erklärung der Abnahme des Brennwerthes, des
Verkohkungswerthes (bezüglich der Quantität),
der Backfähigkeit und des Vergasungswerthes, welche die
Kohlen durch die Verwitterung erleiden, bedarf es nicht der von mehreren Seiten
unterstellten Annahme einer
„neuen Gruppirung der Atome.“
Vielmehr erklären sich die angedeuteten Verschlechterungen
hinreichend aus der absoluten und relativen Abnahme des Kohlenstoffes und
Wasserstoffes, und der absoluten Zunahme des Sauerstoffes die in Folge der
Verwitterung eintritt.
Die Abnahme des Brennwerthes aus den angedeuteten Ursachen
bedarf keiner weiteren Begründung.
Hin und wieder begegnet man in den technischen Zeitschriften Notizen welche besagen,
daß in verhältnißmäßig kurzer Zeit eine Kohle ganz beträchtliche Verluste ihres
Heizwerthes erlitten habe. Man vergleiche z.B. die deutsche Industriezeitung von
1869 Nr. 39, wo es heißt: „Neuerdings wird auch in den Vereinigten Staaten
(im Journal of the Franklin Institute) auf diese
„merkwürdige, noch nicht genügend erklärte Thatsache“
aufmerksam gemacht. Es wurde nämlich beobachtet daß Kohle, welche 5–6
Monate lang in offenen Haufen gelagert hatten, beim Verdampfen von Wasser eine
um 13–15 Proc. verminderte Leistung gab“ etc.
Eine solche Verminderung des Brennwerthes hat nichts Auffallendes; sie kann in der
angegebenen Zeit sehr wohl eintreten, wenn die Kohlen sich bei der Lagerung bis auf
70–80° erwärmen; es genügt aber unter Umständen auch eine viel kürzere
Zeit, denn sie kann selbst in wenigen Tagen jene Höhe erreichen, wenn die Temperatur
bis auf circa 180 bis 190° steigt und die Luft
genügenden Zutritt hat. So verloren z.B. die Kohlen d, e
und f,In diesem Journal Bd. CXC S. 401
Tabelle. nachdem sie etwa 20 Stunden lang bis auf 190° erhitzt worden waren,
23–25 Proc. von ihrem Brennwerthe, ohne auch nur im
Geringsten an Gewicht einzubüßen.
Hier, wie bei den übrigen Verwitterungserscheinungen kommt es ganz wesentlich auf die
Temperatur an, die sich in den Kohlenhalden entwickelt; übersteigt dieselbe nicht
das gewöhnliche Mittel, so wird der Brennwerth in Jahresfrist kaum um einige
Procente abnehmen, hält sich dieselbe dagegen nur wenige Wochen lang auf circa. 70–80°, so kann der Verlust in
dieser Zeit die gleiche Höhe erreichen;Man vergl. z.B. die Tabelle mit den Zahlen in Bd. CXCV S. 325 u. 329. in wenigen Tagen, selbst Stunden kann derselbe eintreten, wenn sich die
Temperatur bis wenig über 100°, resp. über 150° erhöht.
Die Backfähigkeit einer Kohle hängt, wenn auch nicht
allein und ausschließlich, so doch hauptsächlich von ihrem Gehalt an disponiblem
Wasserstoff ab, wie Fleck a. a. O. ausführlich entwickelt
hat. Dieser Satz kann zwar nicht den Werth eines Gesetzes, wohl aber den einer nicht zu ausnahmsvollen Regel
in Anspruch nehmen. Im Allgemeinen wenigstens darf man behaupten, und läßt sich durch das Experiment zeigen, daß die
Backfähigkeit einer Kohle fortwährend abnimmt, wenn man ihre Wasserstoffmenge
vermindert und gleichzeitig ihren Sauerstoffgehalt erhöht. Man hat zu diesem Zwecke
nur nöthig, eine kleine Quantität Steinkohle bis auf circa 105° zu erhitzen und die Backfähigkeit nach dem jüngst von
mir angegebenen Verfahren von Zeit zu Zeit zu bestimmen;In diesem Journal Bd. CXCV S. 71. man wird finden, daß dieselbe immer geringer wird und endlich ganz
verschwindet. Untersucht man nun gleichzeitig die Kohle, so zeigt sich, daß mit
dieser Abnahme ein Zurücktreten des disponiblen Wasserstoffes Hand in Hand geht. Da
nun die bekannten, beim Erhitzen vor sich gehenden Processe weder in ihrem Verlauf
noch in ihren Resultaten sich wesentlich von der Verwitterung unterscheiden, so ist
klar, daß auch bei dieser letzteren die Backfähigkeit fortwährend, wenn auch bei
gewöhnlicher Temperatur sehr allmählich abnehmen muß.
Es ist möglich, daß bei zwei Kohlen, welche unter ganz gleichen Verhältnissen der
Verwitterung ausgesetzt sind, die Backfähigkeit in sehr ungleichem Maaße abnimmt
oder doch abzunehmen scheint (man vergl. Reder über das
Verhalten der schwachbackenden oberschlesischen Kohle gegenüber der englischen und
Borgloher). Die Abnahme wird sich, wie leicht einzusehen, bei derjenigen Kohle am
ehesten und deutlichsten bemerkbar machen, welche überhaupt nur schwachbackende
Eigenschaften besitzt, während sie entgegengesetzten Falles weniger in die Augen
springt. Wäre z.B. die Backfähigkeit zweier Kohlen = 1 resp. 2,8 und nähme dieselbe
nach der bekannten Scala gleichmäßig um 3 Grade ab, so hätte nach Früherem hierdurch
die erste Kohle ihre backende Eigenschaft vollständig verloren, während die zweite
noch immer zu den vorzüglichsten Backkohlen zählte, an der man die Abnahme der
Verkohkbarkeit kaum bemerken würde.
Die Kohksmenge wird durch die Verwitterung nicht selten
geringer, zuweilen nimmt dieselbe aber auch zu. Ob das Eine oder das Andere
eintritt, scheint wesentlich davon abzuhängen, ob die Wasserstoffverminderung die
Sauerstoffzunahme überwiegt oder umgekehrt. Man hat die Kohksmenge bald von dem
Gehalt an Wasserstoff, bald von dem an Sauerstoff abhängig machen wollen; Thatsache
ist, daß beide von Einfluß sind, daß aber das Aequivalent des
Wasserstoffes für die Menge der flüchtigen Bestandtheile welche sich bei der
Verkohkung bilden, d.h. also für die Menge der Kohks im umgekehrten Sinne,
ein viel größeres ist als das des Sauerstoffes.
Um dieß experimentell zu beweisen, kann man ähnlich wie vorhin angegeben verfahren,
indem man, sey es durch gelindes Erhitzen, sey es durch Behandlung mit
Oxydationsmitteln (z.B. sehr verdünnter Salpetersäure) der Steinkohle Wasserstoff
entzieht und Sauerstoff zuführt, und dann die Menge der Kohks der so veränderten
Kohle mit derjenigen der unveränderten vergleicht. So z.B. gab eine Kohle, welcher
durch Behandlung mit verdünnter Salpetersäure 0,44 Proc. Wasserstoff entzogen,
dagegen 3,50 Proc. Sauerstoff zugeführt worden waren, 2 Proc. Kohks mehr als vorher,
während bei einer zweiten, welcher auf dieselbe Weise 0,43 Proc. Wasserstoff
entzogen und 3,37 Proc. Sauerstoff zugeführt worden waren, die Kohksmenge sich nicht
verändert hatte.In diesem Journal Bd. CXCIII S. 57
und 58 Nr. 8 u. 9 resp. 18 u.
19. Hier hatte also die Zufuhr der circa 8 fachen
Sauerstoffmenge vom Verlust an Wasserstoff diesen bezüglich seines Einflusses auf
das Gewicht der Kohks compensirt.
Die Kohlen e und f
In diesem Journal Bd. CXC S. 401. verloren durch 20stündiges Erhitzen bis auf 190° C. 1,82 Proc. resp.
2,11 Proc. Wasserstoff; die procentische Sauerstoffmenge stieg dagegen um 9,87 resp.
10,75 Proc., also um das 5–5 1/2 fache, dabei hatte
sich die Kohksmenge um 3,8 resp. 1,1 Proc.
vermehrt; hier hatte also die 5 mal größere Sauerstoffmenge den Verlust an
Wasserstoff nicht gedeckt.
Hiernach versteht man leicht, daß die Kohksmenge durch die Verwitterung sowohl
zu- wie abnehmen kann. Vermehrt sich die Sauerstoffmenge, ohne daß eine dem
obigen Verhältniß adäquate Verminderung des Wasserstoffes eintritt (und dieß scheint
nach meinen bisherigen Versuchen hauptsächlich dann der Fall zu seyn, wenn die
Oxydation bei einer 100° wenig übersteigenden Temperatur erfolgt), so wird
die verwitterte Kohle eine geringere Menge Kohks geben, als die frisch geförderte;
entgegengesetzten Falles, wenn die Wasserstoffabnahme die Zunahme an Sauerstoff
verhältnißmäßig überwiegt, was besonders bei hohen, weit über 100° steigenden
Temperaturen der Fall zu seyn scheint, wird die Menge der Kohks zunehmen.
Betreffs der Thatsache, daß verwitterte Kohlen sich für die Gasfabrication weniger eignen als frisch geförderte, möchte ich Folgendes
bemerken: Wie bekannt, macht Fleck die größere oder
geringere Tauglichkeit einer Kohle für den angeführten Zweck wesentlich von der
Menge gebundenen Wasserstoffes abhängig und bezeichnet
als „Gaskohle“ im engeren Sinne diejenige, welche auf 1000
Gewichtstheile Kohlenstoff mindestens 20 Gewichtstheile gebundenen Wasserstoff
enthält. Da nun im Allgemeinen bei der Verwitterung der Steinkohle eine Vermehrung
des (an Sauerstoff) gebundenen Wasserstoffes auf Kosten des disponiblen eintritt, so
müßte man nach Fleck's Annahme
die verwitterte Kohle zur Gasfabrication tauglicher halten als die frisch
geförderte.
Die theoretischen Betrachtungen welche Fleck zu der obigen
Annahme führten, haben eine nicht zu bestreitende Berechtigung, sie stützen sich auf
die Voraussetzung daß die Vergasungstemperatur hoch genug liege um die Bildung der
einfachsten Gasverbindungen zu ermöglichen. Es fragt sich nun, ob diese Bedingung
bei der Mehrzahl der Gasfabriken wenigstens in dem Grade zutrifft, um die von Fleck hervorgehobenen Gesichtspunkte für die Praxis
maaßgebend erscheinen zu lassen. Nach den im hiesigen Revier gesammelten Erfahrungen
kann ich diese Frage nicht unbedingt bejahen. Es ist eine feststehende Thatsache,
daß in dem Absatzgebiete des Waldenburger Kohlenbeckens die Kohlen mit dem größten
Gehalt an disponiblem Wasserstoff als Gaskohlen am meisten gesucht und geschätzt
sind. Ob diese Thatsache ihre Begründung in den speciellen technischen Verhältnissen
der betreffenden Gasanstalten findet, und ob nicht etwa die Gasfabriken anderer
Bezirke, deren Kohlen sich durch einen bedeutenden Gehalt an Sauerstoff resp.
gebundenem Wasserstoff auszeichnen, diese (nach Fleck)
vortheilhafter vergasen, weil sie ihre Einrichtungen den gegebenen Bedingungen
besser angepaßt haben, kann hier nicht zur Entscheidung gebracht werden. Die
praktischen Erfahrungen dürften im Allgemeinen für die Annahme sprechen, daß die
Vergasung einer an disponiblem Wasserstoff reichen Kohle
mit unvollkommeneren, den Voraussetzungen Fleck's wenig entsprechenden Apparaten leichter und vortheilhafter
erfolgt, als die einer anderen durch einen bedeutenden Gehalt an gebundenem Wasserstoff ausgezeichneten, welche unter
solchen Umständen eine größere Menge Kohlensäure und Wasser gibt.
Daß ferner die Leuchtkraft des Gases unter gleichen
Vergasungsverhältnissen wesentlich abhängt von dem Gehalt der Kohlen an disponiblem
Wasserstoff, und daß manche Gasanstalten durch bestimmte Contracte veranlaßt noch
mehr auf die Qualität als die Quantität des Gases zu sehen haben, ist bekannt. Von
diesem Gesichtspunkte betrachtet mag vorläufig die Thatsache erklärlich erscheinen,
daß eine große Anzahl Gasfabriken eine frische, an disponiblem Wasserstoff reiche
Kohle einer verwitterten vorzieht, deren Gehalt an gebundenem Wasserstoff sich auf
Kosten des disponiblen, und nicht selten auch bei gleichzeitiger Verminderung der
Gesammtmenge, vermehrt hat.