Titel: | Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium zu Braunschweig. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. XCVII., S. 343 |
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XCVII.
Mittheilungen aus dem chemisch-technischen
Laboratorium zu Braunschweig.
(Fortsetzung von Bd. CXCII S. 494.)
Wolter, über Kalk und (Luft)-Mörtel.
VI. Kalk und (Luft-) Mörtel; von W. Wolters.
Die bekannte Thatsache, daß ein Gemenge von gelöschtem Kalk, Sand und Wasser, in den
Verhältnissen wie sie im Bauwesen gebräuchlich sind, an der Luft zu einer steinigen
Masse erhärtet, ist vielfach Gegenstand chemischer Untersuchung gewesen, aber noch
immer nicht in allen Punkten völlig aufgeklärt. Der Grund liegt wohl darin, daß man
sich bis dahin immer darauf beschränkt hat, Mörtel von verschiedenem Alter und
Ursprung auf seinen chemischen Bestand zu untersuchen und daraus, mit Zuziehung der
praktischen Erfahrungen, Schlüsse auf den Vorgang der Erhärtung zu ziehen. Dagegen
hat man, soweit dem Verf. bekannt, die Erhärtung des Mörtels niemals in ihrer
Entwicklungsgeschichte, d.h. den Einfluß der atmosphärischen Luft und der
Kohlensäure auf den Mörtel im Laufe der Zeit verfolgt.
Die vorhandenen Untersuchungen von Mörtel lehren nun: daß die Erhärtung an kein
bestimmtes Gewichtsverhältniß zwischen Kalk und Sand gebunden ist; daß mit der
Erhärtung eine Aufnahme von Kohlensäure Hand in Hand geht; daß die aufgenommene
Kohlensäure in erhärteten Mörteln sehr oft (so in den Analysen von Bauer, Wallace, A. Vogel) der
Menge entspricht, welche Kalk und Bittererde als Neutralsalze verlangen; daß in
anderen Fällen (so in den Analysen von Schrötter und Latzko) die Kohlensäure um 20 Proc., ja um 70 Proc. gegen
die Berechnung zurückbleibt; jene Untersuchungen lehren endlich, daß mit der
Erhärtung öfter eine Zunahme an löslicher Kieselerde im Mörtel stattfindet. Diese
Zunahme steht immer im umgekehrten Verhältniß mit der aufgenommenen Kohlensäure; sie
beträgt in den damit gesättigten Mörteln meist nur Bruchtheile von Procenten, in den
Mörteln welche noch viel caustischen Kalk enthalten 4 bis 7, selbst 10 Proc.
Insofern die Erfahrung lehrt, daß Mörtel mit Kalksand, zerriebener Kreide u.s.f.
ebenso gut erhärten, als mit Quarzsand, kann das Auftreten der löslichen Kieselerde
(d.h. die Aufschließung des Quarzsandes durch andauernde Einwirkung des Aetzkalkes)
für die Erhärtung nur von untergeordnetem Werthe seyn. Endlich ist an die Thatsache
zu erinnern, daß der Uebergang von festem Mörtel zu einer steinfesten Masse sehr
allmählich und stets in zwei Stadien erfolgt. Das erste Stadium, „Binden oder Anziehen,“ ist das bloße Gestehen, die Verwandlung der breiigen
Masse in eine feste, aber sehr weiche und zerreibliche; das zweite Stadium ist die
steinartige Erhärtung der zerreiblichen Masse.
Man hat den Proceß der Erhärtung, wie es scheint, immer zu ausschließlich chemisch
aufgefaßt, während doch die Erscheinung im Ganzen sehr deutlich darauf hinweist, daß
auch mechanische Momente bedingend eingreifen. Dieser Gesichtspunkt ist für die
folgende Untersuchung ein wesentlich leitender gewesen. Was das Material anbelangt,
so war dieß bis zur völligen Entfernung der Kohlensäure gebrannter carrarischer
Marmor und mit Wasser und Salzsäure gewaschener Quarzsand. In der Maurerkunst ist
das an den meisten Orten übliche Verhältniß 1 Raumtheil breiiger, eingesumpfter,
gelöschter Kalk und 2 Raumtheile Sand. Der eingesumpfte Kalk enthält etwa 70 Proc.
Wasser; man hat mit dem Sand gewöhnlich noch etwas weniges Wasser (3–5 Pfd.
auf 1 Kubikfuß rhein.) zuzusetzen. Dieses entspricht in Gewichten und runden Zahlen
einem Gemenge von 1 G.-Th. gebranntem Kalk, 3 G.-Th. Wasser und 6
G.-Th. trockenem Sand. Unter „Mörtel“ ist in den
folgenden Versuchen stets dieses Gemenge verstanden. – Eben diese Versuche
führten vielfach auf die Eigenschaften des Kalkes selbst zurück, von denen die
wichtigsten, so weit sie neu beobachtet sind, in einem besonderen Abschnitt
vorausgehen mögen.
Löschen des Kalkes.
Der aus Marmor gebrannte kohlensäurefreie Kalk besitzt ein deutlich körniges
Gefüge, entsprechend dem körnig-krystallinischen Gefüge des Marmors; er
läßt sich leicht zwischen den Fingern zu einem sandigen Pulver zerdrücken, wovon
jedes Korn einem Krystall im Marmor entspricht. Auch beim öfteren Gebrauch der
Flasche, worin der gebrannte Kalk aufbewahrt ist, bildet sich viel von diesem
sandigen Pulver. Läßt man ein Stück dieses gebrannten Kalkes in Wasser fallen,
so löscht es sich unter lebhaftem Zischen, wie eine glühende Kohle,
augenblicklich. Löscht man 1 Th. Kalk mit 3 Th. Wasser unter Umrühren, so
entsteht nach einigen Minuten ein mäßig steifer Brei, der kaum noch beim
Umwenden des Gefäßes ausfließt und von etwas geringerer Consistenz ist, als der
eingesumpfte Kalk der Maurer.
Bringt man Stücke jenes gebrannten Kalkes in ein Glasrohr, und leitet einen Strom
von Wasserdampf hindurch, so treten keine für das Auge bemerkbare Veränderungen
des Kalkes ein, selbst nach anderthalb-stündiger Einwirkung des Dampfes
nicht; nur größere Kaltstücke ziehen einen oder zwei wenig auffallende Risse.
Dabei ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß man das Rohr etwas erwärmt und
auf einer Temperatur erhält, bei der kein Wasserdampf sich verdichten kann. Nach
dem Herausnehmen zerfällt der Kalk gern sandartig zu groben Körnern, von denen
jedes einem Krystallkorn des Marmors entspricht. In Wasserdampf löscht sich der
Kalk demnach nicht, wenigstens nicht nach dem Begriff den der Maurer mit dem
Wort zu verbinden pflegt. Demungeachtet ist er vollkommen in Kalkhydrat
übergegangen.Zwei Versuche, bei denen die Kohlensäure nicht ausdrücklich abgehalten
war, ergaben 22,35 und 22,41 Proc. Hydratwasser (nach Abzug der
Kohlensäure). Zwei andere Versuche mit frisch gebranntem Marmor bei
Ausschließung der Kohlensäure, ergaben einen Glühverlust von 27,79 und
26,72 Proc. Die Theorie verlangt 24,32 Proc. Es fehlt zum Begriff des Löschens lediglich die Erscheinung des Wachsens
oder Gedeihens. Diese Erscheinung ist aber für den Mörtel und seine Anwendung
ganz ebenso wichtig, wie die Aufnahme von Hydratwasser; dieß beweist folgende
Erfahrung.
Bereitet man den Mörtel, wie üblich, durch Löschen des Kalkes in seinem
dreifachen Gewicht Wasser und rührt dann die sechs Theile Sand unter, so zeigt
das Gemenge die bekannte Beschaffenheit; wenn man auch die Sandkörner als kleine
Erhabenheiten sieht, so sind sie doch allseitig mit dem feinzertheilten Kalkbrei
überzogen; die Masse ist milchweiß von der Farbe des Kalkes, nicht graubraun wie
der Sand, dabei dicklich, rahmig und seimig. Zerreibt man den gebrannten Kalk
dagegen trocken mit dem Sand und setzt dem innigen Gemenge beider zuletzt das
Wasser zu, Alles in denselben Gewichtsverhältnissen, so erhält man ein gänzlich
verschiedenes Product, welches kein Maurer als Mörtel ansprechen würde und auch
nicht als solchen zu gebrauchen vermöchte. Zuvörderst vermißt man beim Zusatz
von Wasser die sonst ungemein lebhafte Wärmeentwickelung, welche sich auf eine
sehr mäßige Temperaturzunahme beschränkt, ebenso das Zischen und das Ausquellen,
kurz die ganze Lebhaftigkeit der Reaction beim Löschen desselben Kalkes nach
gewöhnlicher Art. Das Gemisch bleibt wässerig, kurz, mit Ausschluß jeder
rahmigen Beschaffenheit, gelbbraun von der Farbe des Sandes und verhält sich
kaum anders wie bloßer Sand mit Wasser angemacht.
Die Aufnahme von Wasser und das sogen. „Gedeihen“ des
gebrannten Kalkes sind offenbar zwei für sich bestehende Erscheinungen, welche
sich nicht nothwendig einander bedingen. Bringt man ein Stück gebrannten Kalk
mit Wasser zusammen, so ist das Erste, daß er bei seiner bedeutenden Saugkraft
sich damit tränkt; das Zweite ist die chemische Bindung des Wassers mit
entsprechender starker Entwickelung von Wärme, welche sich in der Masse des
befeuchteten Kalkes nicht sofort nach außen zerstreuen kann; die rasch und in
Menge frei gewordene Wärme verwandelt das überschüssige nicht gebundene Wasser
sofort und auf allen Punkten in Dampf, der die Masse so zu sagen in Molecüle
auseinander treibt. Das „Gedeihen“ ist eine secundäre
Erscheinung durch augenblickliche Dampfentwickelung. Bei der Behandlung des
gebrannten Kalkes im Dampfstrom fällt mit der Ursache auch das Gedeihen weg.
Nicht weniger, wenn man den Kalk vor dem Zusatz von Wasser mit dem Sande
zerreibt; in diesem Falle werden die staubfreien Theilchen des gebrannten Kalkes
von dem Sande auseinandergehalten und die durch die Bindung des Wassers frei
werdende Wärme, welche sich nicht sammeln kann, wird in der Masse des Sandes und
nicht gebundenen Wassers zerstreut. Diese Masse ist aber sehr beträchtlich; denn
von den 3 Th. Wasser bindet der Kalk nur 0,45 G.-Th., so daß noch 2,55
G.-Th. ungebundenes Wasser und 6 Th. Sand, zusammen 8,55 G.-Th.
auf 1 G.-Th. Kalk bleiben.
Zu einem guten Mörtel ist die bloße Aufnahme von Hydratwasser keineswegs
genügend, das Gedeihen ist eine ebenso unerläßliche Bedingung. Löscht man den
Kalk mit sehr wenig Wasser, so nimmt das Product die Beschaffenheit an, welche
man „verbrannt“ zu nennen pflegt, es ist bloßer
hydratisirter nicht zum Gedeihen gekommener Kalk.
Es ist lange bekannt, daß weder trockener Kalk (CaO) noch trockenes Kalkhydrat
(CaO, HO) Kohlensäure aufnehmen. Die Wiederholung des Versuches mit dem
letzteren ergab beim Darüberleiten von Kohlensäure eine Stunde lang, zwar eine
Gewichtszunahme, die aber 1 Proc. nicht überstieg. Die Thatsache, daß absolut
trockenes Kalkhydrat keine Kohlensäure aufnimmt, steht daher richtig. Aber nicht
bloß die Gegenwart von Wasser, sondern auch der Aggregatzustand desselben ist
entscheidend. Nur tropfbar flüssiges (nicht dampfförmiges) Wasser ist geeignet
die Verbindung der Kohlensäure mit dem Kalkhydrat zu vermitteln. Folgender
Versuch legt diese Thatsache klar.
In einer Trockenröhre wurde Kalkhydrat bei 140° C. in einem
kohlensäurefreien Luftstrome getrocknet, bis zum Gleichbleiben des Gewichtes.
Man senkte nun die Röhre mit dem trockenen Kalkhydrat wieder in dasselbe Bad bei
einer Temperatur wobei sich kein Wasser verdichten konnte, und leitete einen
Strom von Kohlensäure darüber, der vorher durch Wasser hindurchging, welches
dicht beim Siedepunkt erhalten wurde. Nach fünf Viertelstunden hatte der Strom
dieser mit Feuchtigkeit gesättigten Kohlensäure keine Gewichtsvermehrung
hervorgebracht.
Kalkmörtel.
I. Das Anziehen (Abbinden).
Proben von frisch angemachtem Mörtel in Glasröhren eingeschmolzen veränderten
sich auch nach längerer Zeit nicht, blieben halbflüssig, breiig, konnten
durch Klopfen leicht von einer Wand zur anderen bewegt werden: sie zogen
schlechterdings nicht an. Dieß geschah jedoch im Vacuum, oder unter einer
Glocke mit Schwefelsäure in kohlensäurefreier Luft. Das Anziehen des Mörtels
ist demnach lediglich eine Folge des Austrocknens, es ist nichts als der
Zusammenhang welchen alle feinzertheilten brei- oder schlammartigen
Massen, wie Thon, verschiedene Niederschläge etc. annehmen, wenn sie
allmählich ihr Wasser verlieren. Bei dem Mörtel ist es wesentlich der durch
Löschen überaus fein zertheilte Kalk, die Adhäsion seiner kleinsten
Theilchen unter sich, wodurch das Anziehen erfolgt.
Diese Adhäsion ist so groß, daß sie auch durch die Einmischung des Sandes und
zwar des 6 fachen Gewichtes vom Kalk (CaO) noch nicht aufgehoben wird.
Bringt man den Mörtel auf eine saugende Unterlage, z.B. einen gebrannten
Backstein, so erfolgt das Anziehen bei weitem rascher als an der Luft.
Gelöschter Kalk ohne Sand verhält sich genau ebenso wie Mörtel und zieht
ebenso an. Mörtel durch Zusammenreiben von trockenem gebrannten Kalk mit
Sand und nachträglichen Zusatz von Wasser dargestellt, gewinnt mit dem
Trocknen so gut wie keinen Zusammenhang, er zieht in Ermangelung der feinen
Zertheilung des Kalkhydrates nicht an und ist schon aus diesem Grund zum
Mauern geradezu unbrauchbar.
II. Verhalten zu
Kohlensäure.
Proben von frischem Mörtel, im Gewicht von etwa 2 Grm., auf Glasscherben
gestrichen, wurden in einer geräumigen Flasche mit Kohlensäure aufgehängt
und von Zeit zu Zeit eine Probe gezogen zur Untersuchung. Zum Füllen der
Flasche diente die Kohlensäure einfach wie sie der Entwickelungsapparat
lieferte, und zwar ungetrocknet. Es war zugleich beim Verschluß der Flasche
Vorsorge getroffen, daß durch etwaige Absorption des Gases keine
Luftverdünnung in der Flasche entstehen konnte.
Die gezogenen Proben wurden in Chlorwasserstoffsäure gelöst, die Kohlensäure
im Kalikugelapparat aufgefangen, der Sand von der Lösung abfiltrirt,
ausgewaschen, getrocknet und gewogen, der Kalk in der Lösung als oxalsaurer
Kalk bestimmt; das Wasser wurde aus dem Gewichtsunterschied berechnet, so
daß die angegebenen Werthe die Summe des gebundenen und des freien Wassers
ausdrücken. Man erhielt so:
1.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk
(CaO):
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
3 Tage
2,211
1,45
528,7
175,3
3 „
1,834
2,34
563,6
191,1
11 „
1,905
2,87
609,1
199,5
11 „
1,762
2,78
588,9
198,2
Als Parallelversuch war eine andere Reihe von gleichnamigen Proben in einem
vor Staub, Säuredämpfen und sonstigen Gasen geschützten Zimmer der
gewöhnlichen atmosphärischen Luft ausgesetzt. Diese ergaben bei gleicher
Behandlung:
2.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
2 Tage
1,745
5,45
653,6
34,1
2 „
1,435
6,88
613,2
39,1
6 „
1,710
21,60
653,5
27,7
6 „
1,315
24,04
616,4
32,8
12 „
1,436
43,48
618,5
18,5
12 „
1,604
41,55
574,0
16,9
Nach diesen Versuchen ist die Aufnahme von Kohlensäure aus der
atmosphärischen Luft, welche nur ein Zehntausendtel jenes Gases enthält,
ohne Vergleich bedeutender als in reiner Kohlensäure. In 11 bis 12 Tagen war
in der atmosphärischen Luft über die Hälfte, in der Kohlensäure 1/27 des
Kalkes gesättigt. An der Luft ist die Aufnahme stetig und fortschreitend, in
reiner Kohlensäure nach 3 Tagen so gut wie abgeschlossen. An der Luft nahm
der Wassergehalt des Mörtels natürlich mit der Dauer der Einwirkung ab, in
der Flasche mit Kohlensäure nicht. Dieser Umstand gab Veranlassung zu einem
dritten Versuch, wobei Alles vorgerichtet war wie bei Versuch 1, nur hatte
man auf den Boden der Flasche mit Kohlensäure einige Linien hoch
concentrirte Schwefelsäure gegossen. Das Ergebniß war folgendes:
3.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
1 Tag
2,025
22,71
580,9
103,2
1 „
2,068
23,82
587,1
96,9
2 Tage
2,120
39,29
610,5
7,3
2 „
2,154
41,58
621,2
9,3
3 „
2,625
68,31
632,3
7,1
3 „
2,547
70,22
622,9
5,3
5 „
2,391
68,24
579,2
4,4
5 „
2,175
75,53
592,5
3,2
Der Kalk ist also nach 5 Tagen so gut wie gesättigt, wozu nach der Rechnung
78,5 Proc. Kohlensäure gehören. Als man umgekehrt in die Flasche mit
Kohlensäure, anstatt Schwefelsäure einige Linien hoch Wasser eingoß, um die
Kohlensäure mit dem Dampfe des Wassers zu sättigen, anstatt sie
auszutrocknen, so erhielt man:
4.
Dauer desVersuches.
Gewicht der Probe.Grm.
Auf 100 G.-Th.
Kalk:Kohlensäure.
4 Tage
1,761
0,34
5 „
1,413
0,35
5 „
2,378
0,38
Es ist daher klar, daß frischer Mörtel (d.h. Mörtel welcher von den 30 Proc.
Wasser mit denen er angemacht worden, 3,2 im gebundenen und 26,8 im freien
Znstande enthält) im Grunde gar keine Kohlensäure absorbirt.
Diese Erscheinungen sind von dem Sande des Mörtels nicht abhängig, sie treten
gerade so ein im bloßen Kalkbrei ohne Sand, wie nachstehende Versuchsreihe
mit Brei aus frisch gelöschtem Kalke beweist:
5.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 G.-Th. Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Wasser.
2
Tage 2
„ 12
„ 12 „
1,1371,2560,7150,771
7,46 8,0450,1951,69
25,28 30,3124,1108,8
In atmosphärischerLuft.
3
„ 3
„ 11
„ 11 „
1,9132,0451,5531,605
1,06 0,84 0,82 1,25
187,5 186,4 110,5 113,6
In ungetrockneterKohlensäure.
1
„ 1
„ 2
„ 2
„ 3
„ 3
„
2,0281,8681,2891,8171,7231,576
34,3634,3554,0645,1474,7075,48
14,9 15,9 14,7 9,9 2,2 2,6
In Kohlensäureüber
concentrirterSchwefelsäuregetrocknet.
In sämmtlichen Versuchen mit Mörtel, die bis dahin mitgetheilt wurden, findet
die Aufnahme von Kohlensäure durch den Mörtel nur im Zustande des Trocknens
statt. Es lag daher nahe, den Mörtel ähnlichen Versuchen zu unterwerfen,
nachdem er angezogen, d.h. bis auf einen gewissen Grad Wasser verloren hat.
Im frischen Mörtel sind auf 100 G.-Th. Kalk 300 G.-Th. Wasser
vorhanden. Als man ihn auf einen saugenden Backstein legte, waren davon nach
1 Stunde noch 210 G.-Th., am anderen Tage noch 180 G.-Th.,
also 3/5 des anfänglichen Wassergehaltes übrig. Die folgenden Versuche sind
mit solchem auf Backstein zum Anziehen gebrachten Mörtel angestellt:
6.
Dauer desVersuches
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
2
Tage 2
„ 6
„ 6
„ 12
„ 12 „
1,8191,6552,2651,7812,0912,260
20,4519,4624,7523,6533,3330,93
600,4604,1612,0590,0613,9599,0
23,5
25,3 20,7
25,3 48,0 46,7
In atmosphärischerLuft.
3
Tage 3
„ 11
„ 11 „
4,3982,1891,9791,868
1,55 1,60 2,15 2,31
608,9624,9613,8618,0
148,6 152,6 137,1 144,5
In ungetrockneterKohlensäure.
1
„ 1
„ 2
„ 2
„ 3
„ 3
„
2,0902,3012,3442,0832,1382,359
27,0525,2137,6241,9776,5175,72
589,9570,1593,0602,6577,9593,8
79,2
72,9 13,5
15,7
2,8 2,9
In
KohlensäureüberSchwefelsäuregetrocknet.
Die Aufnahme von Kohlensäure ist darnach in gleichen Zeiträumen viel
bedeutender, etwa das Vierfache, wenn der Mörtel vorher angezogen hat und
weiter austrocknen kann. Ist ihm diese Möglichkeit abgeschnitten, so ist die
theilweise vorläufige Entfernung des Wassers völlig wirkungslos, der Mörtel
verhält sich genau wie frischer.
Scharf ausgetrockneter frischer Mörtel mit Wasser getränkt bis er davon
vollgesogen, nimmt etwa 90 Theile Wasser auf 10 Th. Kalk auf. In diesem
Zustand dem Versuche unterworfen ergab er:
7.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
2
Tage 2
„ 12
„ 12 „
1,8081,3401,5071,346
31,1533,1539,8842,68
591,4637,0689,6637,8
18,425,441,640,2
In atmosphärischerLuft.
3
„ 3
„ 11
„ 11 „
2,4602,2871,6762,263
28,8531,1231,4033,45
606,2605,6588,9603,9
71,562,989,468,0
In ungetrockneterKohlensäure.
Die Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft ist daher wie bei frischem Mörtel,
in der Flasche mit Kohlensäure dagegen ungleich kräftiger.
Vollkommen trockenes Kalkhydrat und völlig trockene Kohlensäure reagiren
bekanntlich nicht aufeinander. Bringt man dagegen scharf getrockneten Mörtel
in atmosphärische Luft, oder in ungetrocknete Kohlensäure, so findet eine
sehr rasche Aufnahme von Kohlensäure statt, nicht viel weniger rasch, als
bei Anwendung von Schwefelsäure. Mit der Aufnahme der Kohlensäure geht aber
gleichzeitig eine Aufnahme von Wasser Hand in Hand, wie aus nachstehenden
Versuchen mit scharfgetrocknetem Mörtel ersichtlich:
8.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 Gewichtstheile Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Sand.
Wasser.
2
Tage 2
„ 6
„ 6
„ 12
„ 12 „
2,4901,9791,3961,8561,0441,247
26,6930,1327,2731,1039,7038,07
622,1510,6599,5588,2684,3600,6
15,014,619,811,422,925,6
In atmosphärischerLuft.
3
„ 3
„ 11 „
1,9451,8811,714
57,4956,9962,98
610,5618,6627,9
19,421,433,2
In ungetrockneterKohlensäure.
Ganz ähnlich verhält sich scharfgetrockneter Kalkbrei, nur daß derselbe in
Kohlensäure bedeutend schwächer, in der Luft aber stärker reagirt als
Mörtel:
9.
Dauer desVersuches.
Gewicht derProbe.
Auf 100 G.-Th. Kalk:
Grm.
Kohlensäure.
Wasser.
2
Tage 2
„ 12
„ 12 „
1,0741,0920,6390,867
18,8020,1756,3853,72
30,7833,8570,2154,19
In atmosphärischerLuft.
3
„ 3
„ 11
„ 11 „
0,8951,1641,1540,975
13,5813,7010,7016,69
22,3922,6026,5226,02
In ungetrockneterKohlensäure.
Es verdient zum Schluß erwähnt zu werden, daß Proben von Mörtel in eine
ziemlich concentrirte Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingesenkt, breiförmig
blieben, wenn sie mit vollem Wassergehalt, aber erhärteten, wenn sie vorher
getrocknet dem Versuch unterworfen wurden.
Die im Vorstehenden über die Aufnahme der Kohlensäure beigebrachten
Thatsachen lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen:
Frisch angemachter Mörtel, wie er bei den Versuchen gebraucht worden, enthält
auf 100 G.-Th. Kalk 268 G.-Th. ungebundenes Wasser und bedarf
nach der Rechnung 78,6 G.-Th. Kohlensäure zur Bildung von
einfach-kohlensaurem Kalk. Ein solcher Mörtel nimmt mit seinem vollen
Wassergehalt nur Spuren von Kohlensäure auf, welche nicht über 1/3 Proc.
betragen. Erst wenn dem Mörtel durch Trocknen Wasser entzogen wird, findet
die Aufnahme von Kohlensäure statt und zwar langsam und allmählich, wenn die
Trocknung langsam erfolgt (an der Luft), rasch wenn sie rasch erfolgt (über
Schwefelsäure). Auch wenn man den Mörtel so weit entwässert, daß er anzieht
(Absaugen des überschüssigen Wassers auf einem gebrannten Stein), also noch
etwa 5/9 des anfänglichen Wassergehaltes oder 150 G.-Th. Wasser
enthält, nimmt die Reaction auf Kohlensäure, obwohl zu Anfang viel stärker,
doch nach einiger Zeit ebenso langsam zu wie bei frischem Mörtel. Die
Aufnahme der Kohlensäure nimmt nicht in dem Verhältniß des Verlustes an
Feuchtigkeit durch Trocknen, sondern in viel rascherem Verhältniß zu. Bei
dem Versuch mit Kohlensäure bei Trocknung mit Schwefelsäure verlor der
Mörtel vom ersten auf den zweiten Tag 92 G.-Th. Wasser, vom zweiten
auf den dritten Tag nur etwas über 2 G.-Th. Wasser. Die
Kohlensäureaufnahme der ersten Periode war 17 G. Th., der zweiten 29
G.-Th. – Die Aufnahme der Kohlensäure durch den Mörtel ist
ganz wesentlich von seinem Wassergehalt bestimmt; der Reichthum der
umgebenden Atmosphäre an Kohlensäure ist dagegen von ganz untergeordnetem
Einfluß.
Das Verhalten des scharf getrockneten Mörtels führt auf dem umgekehrten Weg
zu denselben Schlüssen. Er reagirt nicht auf trockene Kohlensäure. Bringt
man ihn aber in feuchte Kohlensäure oder überläßt man ihn einfach der
atmosphärischen Luft, so zieht er alsbald etwas hygroskopische Feuchtigkeit
an, bis etwa 3 Proc. in 11 Tagen, und die Aufnahme von Kohlensäure tritt
energisch ein, so daß der Kalk in der Luft (nach 11 Tagen) zur Hälfte, in
Kohlensäure (nach 12 Tagen) zu 4/5 gesättigt war.
Brei von gelöschtem Kalk ohne Sand verhält sich in allen wesentlichen Stücken
wie Mörtel.
Die Thatsache, daß frischer Mörtel die Kohlensäure nur in so äußerst kleinen
Beträgen aufnimmt, erscheint befremdend, wenn man in Erwägung zieht, daß
solcher Mörtel nur ein Gemenge von Sand, Kalkhydrat und Kalkwasser ist, das
Kalkwasser aber bekanntlich Kohlensäure sehr rasch und kräftig anzieht. Die
Ursache dieses verschiedenen Verhaltens ist wohl nur darin zu suchen, daß
das Kalkwasser in dem breiigen Mörtel nicht so beweglich ist. Der frische
Mörtel überzieht sich in Berührung mit Kohlensäure sofort mit einer Haut von
kohlensaurem Kalk, welche eine zwar dünne, aber dichte und unbewegliche
ringsum anschließende Hülle bildet, durch welche keine weitere Kohlensäure
vordringen kann. Auf der Oberfläche des Kalkwassers aber bildet die
Kohlensäure einen. Niederschlag der fortwährend untersinkt und einer
erneuerten Oberfläche Platz macht.
Man ist berechtigt auszusprechen, daß das Kalkhydrat keine gasförmige,
sondern nur verdichtete (in Wasser gelöste) Kohlensäure aufnimmt; dadurch
erklärt sich, in wiefern das Wasser nicht als Dampf, sondern nur im tropfbar
flüssigen Aggregatzustand wirksam ist. Dabei ist der Betrag des Wassers von
so großem Einfluß, und muß auf einen gewissen und zwar sehr kleinen Betrag
von ungebundenem Wasser im Mörtel eingeschränkt seyn, weil nur alsdann die
Kalktheilchen zwar allseitig mit Wasser überzogen sind, aber zugleich die
Zwischenräume zwischen denselben dem Zugang der Kohlensäure möglichst offen
bleiben. Nach den angeführten Versuchen spielt der günstigste Wassergehalt,
bei welchem die Kohlensäure mit größter Energie aufgenommen wird, um den
Betrag von etwa 1 Proc. des Mörtels. Dieser Betrag ist natürlich nur der für
den Anfang der Reaction geltende Werth, denn mit fortschreitender Aufnahme
der Kohlensäure wird mehr und mehr Wasser aus dem Kalkhydrat frei (im Ganzen
3 Proc. des Mörtels), welches zum großen Theil mitwirkt. Jener günstigste
Wassergehalt von etwa 1 Proc. ergibt sich bestimmter aus folgenden, in
diesem Sinn angestellten Versuchsreihen Mörtel (immer in dem Eingangs
gegebenen Verhältniß von Kalk und Sand) wurde in einem Strom
kohlensäurefreier Luft im Wasserbad getrocknet und gegen Ende der Trocknung,
mit abnehmendem jedesmal festgestellten Wassergehalt nacheinander 13
verschiedene Proben gezogen. Diese Proben, vom Gewicht wie Col. I, denen die
Wassergehalte in Columne II entsprechen, absorbirten in einer graduirten mit
Quecksilber gesperrten Röhre die Quantitäten Kohlensäure der Columne III. In
der Columne IV sind die absorbirten Mengen Kohlensäure auf gleiche Gewichte
(10 Grm.) Mörtel berechnet. Bei der ersten Probe dauerte die Absorption 1
Stunde, bei der letzten eine halbe Stunde; bei allen übrigen Proben nur 3
Minuten. Die Aufnahme der Kohlensäure, bis dahin mehr oder weniger rasch,
ging nach 3 Minuten langsam, schleichend, und betrug in einer halben
Stunde nur 2 bis 8 Kub. Centim. Die Aufgabe war lediglich, die
verhältnißmäßige Raschheit der Aufnahme zu ermitteln.
10.
Gewicht
Wassergehalt
Kohlensäure absorbirt
der Probe.
von derProbe.
von 10 Grm.Mörtel.
Grm.
Proc.
Kub. Centm.
K. C.
4,321
0,14
3
7
4,893
0,41
20
41
5,106
0,68
134
262
2,071
1,23
38
188
2,461
2,18
42
171
2,344
2,57
44
188
2,273
3,14
39
172
2,595
4,51
40
154
1,987
5,19
32
161
2,156
6,83
12
56
2,250
8,20
6
27
2,497
10,93
2
8
2,743
13,70
6
22
Darnach wäre der für energische Aufnahme der Kohlensäure günstigste
Wassergehalt noch unter 1 Proc., bei etwa 2/3 Proc. Es versteht sich von
selbst, daß dieser Wassergehalt nur der für die Einleitung der Absorption
günstigste ist, denn er wird sich alsbald durch Freiwerden von Hydratwasser
vergrößern.
III. Schlußfolgerungen über das
Erhärten des Mörtels.
Die Vorgänge beim Erhärten des der Luft ausgesetzten Mörtels sind nach den
vorstehenden Beobachtungen ohne Schwierigkeit zu übersehen. Zu Anfang findet
nur Trocknung des Mörtels statt, welche alsbald so weit vorschreitet, daß
die Kalktheilchen, in die Sphäre ihrer Adhäsion gerückt, dadurch aneinander
haften; der Mörtel hat angezogen. In diesem Zeitpunkt beginnt die Aufnahme
von Kohlensäure, welche bis dahin nur unbedeutend und oberflächlich war,
lebhafter und eindringlicher zu werden; in gleichem Schritt mehrt sich die
Festigkeit und Härte (Ritzbarkeit). Das letzte Stadium des Austrocknens ist
zugleich dasjenige der eigentlichen Kohlensäuerung und steinigen Härte. Bei
dieser steinigen Erhärtung wirkt die Kohlensäure lediglich in der Art, daß
sie die noch getrennten aber aneinander adhärirenden und in unmittelbarer
Berührung befindlichen Theilchen des Kalkhydrates zu einer einzigen
zusammenhängenden Masse von kohlensaurem Kalk verschmilzt. Dazu tritt die
starke
Adhäsion des kohlensauren Kalkes an andere Gesteine, also auch an die
Sandtheile und Mauersteine als ein weiteres bedingendes Moment hinzu. Die
Aufnahme der Kohlensäure an sich gibt dem Mörtel keinen Zusammenhang, aber
wenn der Mörtel vorher einen gewissen Zusammenhang (durch Abtrocknen)
gewonnen hat, so verbindet sie die Kalktheilchen zu einer einzigen festen,
harten Masse von kohlensaurem Kalk, welche, an den Sand und die Steine
innigst anhaftend, auch diese noch verkittet. Das Anziehen des Mörtels ist
die unerläßliche Vorbedingung der Erhärtung zu Stein; Zufuhr von Kohlensäure
vor dem Anziehen (z.B. durch Anmachen des Mörtels mit Lösung von
kohlensaurem Ammoniak) ist ein Hinderniß der Erhärtung für immer, sie erhält
den Mörtel für alle Folge im Zustand des Breies. Die Theilchen des
Kalkhydrates liegen dann zu weit auseinander, um durch den Uebergang in
kohlensauren Kalk zu einer zusammenhängenden Masse zu verschmelzen. Der oft
sehr bedeutende Druck der auflagernden Mauerschichten bringt die Theilchen
beim Anziehen um so näher und wirkt fördernd auf die Erhärtung. Die
Versteinerung des Mörtels ist die Folge zunächst des mechanischen Vorganges
der Erhärtung, welcher die Kalktheilchen in unmittelbare Berührung bringt;
dann eines chemischen Processes (der Kohlensäurung), welcher die
nahegebrachten Theilchen in ein Ganzes verkittet.
Es gehört nicht weniger zu dem Wesen der Erhärtung, daß sie nur langsam und
allmählich sich vollzieht. Selbst unter den in hohem Grad günstigen
Bedingungen des Versuches (also bei kleinen freihängenden Proben) sind in
Kohlensäure noch drei Tage, in der Luft nicht unter fünf Tagen zur Sättigung
erforderlich; im Großen bei mehrere Fuß dicken Mauern aber Wochen, Monate,
Jahre. Ja in zahlreichen Fällen findet sich der Mörtel nach Jahrhunderten im
Inneren der Mauern noch stark caustisch. Alsdann gesellt sich ein secundärer
Proceß – eine schwache Aufschließung des Quarzsandes unter Bildung
von Silicaten – einigermaßen ergänzend hinzu. Schrötter hat in 662 Jahre altem Mörtel, welcher nur 4/5 der zur
Sättigung erforderlichen Kohlensäure enthielt, 10 Proc. lösliche Kieselerde
nachgewiesen. Wenn die Kohlensäure an einer oder der anderen Stelle irgend
weniger freien Zutritt hat, so bleibt die Erhärtung an dieser Stelle zurück
und zwar in ganz auffallendem Grade. So zeigten sich Proben von etwa 200
Grm. Gewicht, welche nach dem Anziehen mit der flachen Seite lose auf einem
Teller in der Zimmerluft lagen, an dieser unteren Seite noch wochenlang
weich und überwiegend caustisch, als die obere convexe Seite schon steinhart
geworden war. Die untere Fläche verhielt sich ganz so und in nichts besser,
als der innere Kern der Probe.
VII. Gyps und schwefelsaures Kali;
von Schott d. ä.
Die Beobachtung, daß die wässerige Lösung verschiedener Salze, namentlich der
alkalischen, die Eigenschaft besitzt mit ungebranntem Gyps zu gestehen, wie das
Wasser mit dem gebrannten, ist schon alt. Ebenso die Beobachtung, daß diese
Salzlösungen das Festwerden des gebrannten Gypses sehr beschleunigen. Für das
schwefelsaure Kali hat sie seiner Zeit schon Emmet
nachgewiesen.
Reibt man krystallisirten schwefelsauren Kalk (Marienglas) zu gleichen Theilen mit
neutralem schwefelsaurem Kali zusammen und rührt das Gemenge mit Wasser zu einem
Brei an, so erstarrt die Masse und zwar rascher als Gyps bei gewöhnlicher
Behandlung. Gleiche Theile beider Salze entsprechen gleichen Aequivalenten.
Marienglaspulver erstarrt aber auch mit weit weniger als gleichem Aequivalent, sogar
noch mit 1/10 Aequiv. schwefelsaurem Kali, obwohl langsamer.
Ungemein beschleunigend wirkt das schwefelsaure Kali auf angemachten gebrannten Gyps.
Gleiche Aequivalente zusammengerieben erstarren mit weit weniger als dem gleichen
Gewicht Wasser augenblicklich, so daß die Mischung nicht ausgegossen werden kann.
Mit diesem Betrag von Wasser (1 G.-Th. von jedem Salz und 2 G.-Th.
Wasser) erhält man eben gießbare Mischungen, welche nach dem Erstarren mit Krusten
von schwefelsaurem Kali überzogen sind.
Gebrannter Gyps mit kalt gesättigter Lösung von schwefelsaurem Kali angemacht
erstarrt augenblicklich und ist nicht ausgießbar, wenn die Lösung weniger als etwa
das doppelte Gewicht des Gypses beträgt; etwas langsamer, aber immer noch rascher
als mit Wasser, erstarrt der Gyps mit 3 G.-Th., mit 4 G.-Th., mit 5
G.-Th. und selbst mit 6 G.-Th. Wasser. Die so erhaltenen Gypsgüsse
krümmen sich beim Trocknen, klingen mit 2 bis 4 Th. Wasser, nicht mehr mit 5 bis 6
Th. Wasser, wo sie lockerer sind.
Gebrannter Gyps mit kochend gesättigter Lösung von schwefelsaurem Kali angemacht,
erstarrt so plötzlich, daß man kaum im Stande ist die Mischung zu bewerkstelligen,
welche beim Umkehren des Gefäßes mitten im Fließen gesteht.
Man kann nicht sagen, daß solche Gypsgüsse wesentlich härter sind, als gewöhnliche
mit Gyps allein. Es würde der Fall seyn, wenn man nicht genöthigt wäre, wegen des
raschen Erstarrens mehr Wasser zuzusetzen, wodurch der Guß natürlich lockerer und
weicher ausfällt.
Die Gypsgüsse mit zerriebenem Marienglas, sowie die mit gebranntem Gyps und Lösung
von schwefelsaurem Kali, besitzen nicht das kalte kreidige Ansehen des
gewöhnlichen Gypses, sondern ein viel ansprechenderes; sie erscheinen
perlmutterartig und atlasglänzend. Es schien demnach die schon von Gmelin
Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd. II S. 199. ausgesprochene Vermuthung richtig, daß das Kali- und Kalksalz zu
einer neuen Verbindung zusammentreten.
Auf folgende Art gelingt es sehr leicht, diese Verbindung rein zu erhalten. Man setzt
zu einer kaltgesättigten Lösung von schwefelsaurem Kali so viel feinzerriebenes
Marienglas, daß die Mischung eine dünne Milch bildet. Nachdem man einigemal
umgeschüttelt hat, filtrirt man rasch ab. Das klare Filtrat scheidet alsbald zarte,
locker gruppirte, atlasglänzende Nadeln aus, welche auf einem Filter gesammelt, nach
dem Abtropfen mit möglichst wenig destillirtem Wasser noch gewaschen und zwischen
Fließpapier gepreßt, einen atlasglänzenden Filz bilden, der nach dem Trocknen an der
Luft oder in mäßiger Wärme ziemlich hart wird. Die Mutterlauge gibt durch
wiederholtes Verdampfen und Filtriren noch einige Krystallisationen derselben
Verbindung, bis zuletzt nur noch das überschüssige schwefelsaure Kali in der Lösung
bleibt, die mit oxalsaurem Kali keine Reaction mehr auf Kalk gibt.
Die atlasglänzende Verbindung ist in kaltem Wasser weniger als schwefelsaures Kali,
aber doch merklich löslich. Fügt man zu destillirtem Wasser allmählich kleine
Antheile unter Umschütteln, so verschwinden diese eine Zeit lang unter Bildung einer
klaren Lösung. Sobald man aber mit dem Zusatz einen gewissen Punkt überschreitet, so
trübt sich die Lösung unter Abscheidung eines kornig-krystallinischen weißen
Niederschlages. Eine kaltbereitete klare Lösung zersetzt sich beim Erhitzen, schon
unterhalb ihres Siedepunktes, unter Bildung eines Niederschlages gleicher
Beschaffenheit und gleicher Zusammensetzung. Denn die Analyse dieser Niederschläge
ergab:
Textabbildung Bd. 196, S. 358
kalt – warm; berechnet;
bereitet; Kalk; Schwefelsäure; Wasser
Der Niederschlag ist demnach schwefelsaurer Kalk (CaO, SO³ + 2HO); die Lösung
enthält nur schwefelsaures Kali. Demnach ist das atlasglänzende Salz eine Verbindung
von beiden und zwar mit Wasser, wie die Analyse ergab. Man erhielt aus dem Salz nach
obiger Darstellung über Schwefelsäure im Vacuum getrocknet:
Kalk
Kali
Schwefelsäure
Wasser
16,47 Proc.
29,33
49,23
5,57
16,83
28,58
48,05
5,53
–
–
48,20
5,51
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
16,65
28,95
48,49
5,53
woraus sich die Formel: CaO, KO, 2SO³, HO berechnet,
welche verlangt: 17,05 Kalk, 28,75 Kali, 46,72 Schwefelsäure und 5,48 Wasser.
Kohlensaures Kali verhält sich im Endresultat gerade so wie schwefelsaures Kali, nur
daß jenes sich erst mit dem Kalk zu schwefelsaurem Kali umsetzt.
In Uebereinstimmung mit den Angaben von Emmet dagegen
verhielt sich schwefelsaures Natron gegen Gyps indifferent und konnte damit kein
entsprechendes Doppelsalz dargestellt werden.
Die Angaben, wornach der Weinstein sich verhalten soll wie schwefelsaures Kali,
scheinen auf Täuschung zu beruhen. Gegen ungebrannten Gyps ist keinerlei Wirkung
bemerkbar, er erstarrt nicht damit. Eine Losung von doppelt-weinsaurem Kali
mit fein zerriebenem Marienglas versetzt, gibt lediglich Krystalle des unveränderten
Kalisalzes. Dagegen ist die Fähigkeit des Weinsteins den gebrannten Gyps rascher
erstarren zu machen, unläugbar. Mit kochend gesättigter Weinsteinlösung erfolgt die
Erstarrung augenblicklich, so daß das Ausgießen ziemliche Behendigkeit erfordert. Es
begreift sich dieß aus der geringen Löslichkeit des Weinsteins in der Kälte, wodurch
eine rasche Krystallisation der Masse eingeleitet wird, zur Genüge.
Die Gypsgüsse mit Weinstein haben kein anderes Ansehen als gewöhnliche; sie sind
nichts als Gemenge von Weinstein- und Gypskrystallen.