Titel: | Neuer Torpedo von John Ericsson. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXX., S. 429 |
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CXX.
Neuer Torpedo von John Ericsson.
Aus dem Militär-Wochenblatt vom 23. April
1870.
Erricson's Torpedo.
Die Zeitschrift Engineering vom 1. April d. J. enthält
folgenden Vorschlag John Ericsson's zur Construction von Torpedo's.
„Meinem Versprechen gemäß übersende ich hiermit einen kurzen Bericht über
meine Lösung des Problemes: Monitors zu zerstören, welche
dickere Panzer haben als unsere eigenen.
Ein schwerer Körper von regelmäßiger Form, von beliebigem specifischen Gewicht,
welcher horizontal in die Luft geschleudert wird, senkt sich von dem Augenblick
an, wo er die Kanonenmündung verließ, indem er während seines Fluges eine in
Folge des Luftwiderstandes bedeutend verkürzte Bogenlinie beschreibt. Ein Körper
von regelmäßiger Form aber, welcher unter der Oberfläche des Wassers oder eines
anderen Fluidums in horizontaler oder schräger Richtung fortgeschleudert wird,
bewegt sich in einer geraden Linie, vorausgesetzt daß
sein specifisches Gewicht demjenigen des Fluidums gleich ist. Mit anderen
Worten: ein Körper von beliebiger Dichtigkeit, welcher sich durch die Luft
bewegt, steht unausbleiblich unter dem Einfluß der Anziehungskraft der Erde,
wohingegen ein in einer Flüssigkeit befindlicher Körper, dessen Gewicht mit dem
der durch ihn verdrängten Flüssigkeit übereinstimmt, nicht von der
Attractionskraft beeinflußt wird. Ein solcher Körper bewegt sich unter der
Oberfläche eines stillstehenden Fluidums von unbegrenztem Umfange in einer
geraden Linie vorwärts, bis die bewegende Kraft, welche ihn forttreibt, geringer
wird als die Widerstandskraft des umgebenden Mediums.
Von diesen Cardinalsätzen ausgehend, begann ich schon vor 25 Jahren den Versuch
zur Lösung des Problemes unterseeischer Angriffe,
d.h. ich versuchte unter der Wasseroberfläche eine längliche, mit Sprengstoffen
gefüllte Bombe fortzuschleudern, welche sich entzünden sollte, wenn sie an
irgend einem Punkt den Boden eines feindlichen Fahrzeuges träfe. Die einfachste Art der
Ausführung dieser Idee ist: die längliche Bombe mittelst irgend einer
Vorrichtung fortzuschleudern, welche nahe am Boden des angreifenden Fahrzeuges
angebracht ist. Dieß schlug ich dem Kaiser der Franzofen im September des Jahres
1854 vor.
Die Erfindung bestand in einer langen, engen, in der Nähe des Bodens vom
Fahrzeuge angebrachten Röhre, welche mit der See in Verbindung stand und an
beiden Enden mit einem Scheideventil versehen war. Behufs der Einführung der
Bombe in die Röhre wurde das äußere, der See am nächsten liegende Ventil zuerst,
dann nach Einführung der Bombe das innere Ventil geschlossen und gleichzeitig
das vordere geöffnet. Das Mittel welches zur Fortschleuderung der Bombe
gebraucht wird, ist ganz einfach eine mit dem Dampfkolben in Verbindung stehende
Stange. Der Vordertheil der Bombe ist mit einem Percussionsschloß mit
hervorragendem Stecher versehen, so daß, wenn dieses Schloß an einen Gegenstand
stößt, dasselbe wie bei einer gewöhnlichen Schußwaffe die Entzündung der in der
Bombe angebrachten Ladung bewirkt. Auf kurzem Abstand wird dieses
Zerstörungsmittel sich unzweifelhaft von großer, ja unfehlbarer Wirkung
erweisen; da man aber dem feindlichen Fahrzeuge nicht sehr nahe kommen kann,
werden die damit angestellten Versuche oft mißglücken. Offenbar wird, wenn die
Bombe in einer mit der Kiellinie nicht parallelen Richtung geworfen wird,
während das angreifende Fahrzeug in Bewegung ist, das stillstehende Wasser einen
Seitenwiderstand bewirken, wodurch das Geschoß von seiner Bahn abgedrängt wird,
sobald es das Rohr, aus welchem es geschleudert ward, verläßt. Auch die
Strömungen werden das Geschoß von der beabsichtigten Richtung ablenken.
Ueberdieß kann die zur Bewegung angewandte Kraft, sey sie nun Dampf oder
comprimirte Luft, das Geschoß nicht eine bedeutende Strecke weit treiben und ist
die Richtung der Bombe schwer zu controlliren. Um diese Uebelstände zu
vermeiden, habe ich meine Zuflucht zu einer Erfindung genommen, vermöge deren
jeder beliebige Grad von bewegender Kraft ohne Rücksicht auf die zurückgelegte
Entfernung ertheilt und die Bahn des Geschosses auf seinem Wege nach dem zu
treffenden Gegenstande vollständig controllirt werden kann. Personen mit Talent
für Mechanik haben sich in fast allen Ländern seit langer Zeit mit der
Construction von Torpedo's beschäftigt, welche unter dem Wasser durch eine
selbstständige Triebkraft verschiedener Art fortgeschleudert werden sollen, um
Fahrzeuge in die Luft zu sprengen. Der österreichische Torpedo, welcher mittelst eines durch comprimirte Luft
bewegten Schraubenpropellers durch das Wasser vorgetrieben wird, gehört dieser
zahlreichen Classe an. Die ausposaunte, furchtbare Beschaffenheit desselben hat die
Schiffsconstructeure alarmirt und einige, mit den Regeln der Mechanik unbekannte
Seeleute, welche den Versuchen beiwohnten und sahen, daß der mysteriöse Körper
sich wirklich unter dem Wasser bewegen kann, in Erstaunen gesetzt. Eine nähere Untersuchung der Sache läßt jedoch
Unvollkommenheiten beim österreichischen Torpedo entdecken, wodurch
derselbe, gleich wie seine Vorgänger, sich in bloße mechanische Spielerei
verwandelt. Man braucht nur zu beachten daß atmosphärische Luft, welche
nur soviel zusammengepreßt wird daß sie einen Druck von 300 Pfund auf den
Quadratzoll ausübt, fast 2 Pfund per Kubikfuß wiegt.
Folglich wird das Quantum Triebkraft, welches der Torpedo enthalten kann,
durchaus ungenügend seyn, um ihn mit gehöriger Wirkung vorzutreiben, und
andererseits fehlt es beim österreichischen Torpedo an einem Mittel, ihn mit
Sicherheit nach dem beabsichtigten Ziele hinzulenken.
Wie oben bemerkt, habe ich einen Torpedo erfunden, welcher mit jedem beliebigen
Quantum von Kraft, ohne Rücksicht auf die Entfernung, fortgetrieben werden kann,
dessen Lauf unter vollständiger Controlle steht und welcher mit vollkommener
Sicherheit gegen ein Object in Bewegung gesetzt werden kann. Zum Unterschiede
von der Benennung „Bombe,“ die ich der Construction vom
Jahre 1854 gab, welche Bombe nur auf die oben beschriebene Art mittelst der ihr
mitgetheilten lebendigen Kraft getrieben wurde, bin ich gesonnen, meiner neuen
Erfindung den Namen „Torpedo“ zu geben.
Es muß bemerkt werden, daß fast alle Versuche, Körper unter dem Wasser
fortzutreiben, in Rücksicht auf die Beibehaltung der gegebenen Tiefe geglückt
sind. Die selbstverständliche Erfindung, auf jeder Seite eine Flosse oder ein
horizontales Ruder anzubringen, welches durch einen Kolben oder einen
elastischen Sack in Bewegung gesetzt wird, ist von ihnen allen adoptirt worden.
Man sieht leicht ein, daß eine Vermehrung oder Verminderung der Tiefe, welche
eine entsprechende Veränderung des Druckes zur Folge hat, dazu beitragen muß,
die Richtung zu verändern, wobei das horizontale Ruder das Bestreben hat, den
Torpedo während seiner Vorwärtsbewegung entweder zu erheben oder aber
niederzudrücken. Durch ein geeignetes Anbringen des hydrostatischen Druckes kann
dem Torpedo jedoch die Bewegung in jeder beliebigen Tiefe unter der
Meeresoberfläche angewiesen werden. Noch weniger Schwierigkeit zeigte sich in
Betreff des Treibgeräthes bei den seit Einführung des Schraubenpropellers
gemachten Versuchen. Aber die Schwierigkeit, die erforderliche Quantität von
Triebkraft zu beschaffen, um den Propeller im Gange zu erhalten und der Mangel
an einem Mittel, den Torpedo zu lenken, haben bei allen diesen Erfindungen dennoch
den Zweck nicht erreichen lassen.
Bevor ich zu der wichtigen Frage über die Art, Torpedo's zu lenken, übergehe, muß
ich in Kürze meine Methode beschreiben, wie ich die nöthige Kraft erhalte, um
den Propeller desselben zu treiben. Eine Walze von circa 6 Fuß Durchmesser, welche sich um eine horizontale Achse dreht,
wird im Fahrzeuge in der Nähe der Stelle angebracht, von wo der Torpedo ausgehen
soll. Das eine Ende der Achse wird in einem passenden Lager aufgenommen, während
das andere in eine geräumige Luftcisterne hineinreicht. Dieses Ende der Achse
wird ausgebohrt und mit einer radialen Oeffnung an dem Punkte, wo die Bohrung
endet, versehen. Ein aus Hanf und vulcanisirtem Kautschuk verfertigter Schlauch
von 1/2 Zoll innerem Durchmesser wird mit dem einen Ende an der erwähnten
Oeffnung der Achse befestigt, dann um die Walze aufgewunden und mit dem anderen
Ende mit dem Torpedo verbunden. Wenn nun mittelst einer durch Dampfkraft
getriebenen Pumpe Luft in die Cisterne gepumpt wird, in welcher das hohle
Achsenende sich befindet, so muß die zusammengepreßte Luft die Achse und den um
die Walze gewundenen Schlauch durchlaufen und endlich in den Torpedo treten, an
der Stelle wo der Schlauch an der rotirenden Maschine, welche die Propeller
treibt, befestigt ist. Das Vortreiben des Torpedo's kann also dadurch regulirt
werden, daß das erwähnte, in dem Achsenende ausgebohrte Loch geöffnet oder
geschlossen wird. Die durch das Vorschreiten des Torpedo's verursachte Rotation
der Walze kann offenbar den Durchgang der comprimirten Luft durch den Schlauch
nicht behindern und folglich wird die treibende Kraft während der
Vorwärtsbewegung des Torpedo's unvermindert erhalten. Da der innere Durchmesser
des Schlauches 1/2 Zoll beträgt, so ergibt die Berechnung, daß ein Quantum
comprimirter Luft, welches zur Entwickelung von wenigstens 10 Pferdekräften
hinreicht, auf den Torpedo während seines Vorschreitens übertragen werden kann,
möge er von dem angreifenden Fahrzeuge weiter entfernt oder nahe bei demselben
seyn. Die beschriebene Einrichtung ist leicht zu verstehen, ohne daß man in
nähere Details einzugehen braucht. Zu bemerken wäre nur noch, daß der Schlauch,
wenn er die Walze unter dem Deck verlassen hat, durch ein verticales Loch in die
Luftcisterne tritt, um das Einströmen des Wassers an der Stelle wo der Schlauch
hineintritt, zu verhindern, und ferner daß zwei in entgegengesetzten Richtungen
rotirende Propeller zum Vortreiben des Torpedo's angewandt werden, um die
Rotation desselben, welche ein einzelner Propeller vermöge seiner Drehkraft
verursachen kann, zu verhindern.
Die äußere Bekleidung, welche den Mechanismus und den Sprengstoff des Torpedo's
umgibt, ist schwerer am Boden des Torpedo's als an seinem Obertheil, um ihn in
verticaler Lage zu erhalten. Außer den Flossen oder horizontalen Steuern an den
Seiten, welche zur Regulirung des Tiefganges dienen, ist der Torpedo noch mit
einem verticalen Balancesteuer zur Bestimmung seiner Seitenbewegungen versehen.
Da der Umkreis der Walze 20 Fuß beträgt, so braucht der Schlauch nur 75 Mal
aufgewunden zu seyn, um einen Angriff auf eine Entfernung von 1500 Fuß zu
ermöglichen, was als vollkommen genügend zu betrachten ist, da die Stellung des
angreifenden Fahrzeuges jeder Zeit mit der nöthigen Schnelligkeit verändert
werden kann.
Es mag Vielen ungereimt vorkommen, daß man es versuchen wolle, ohne äußere Hülfe
am Bord des angreifenden Fahrzeuges nach Belieben den Torpedo zu leiten und
seinen Curs zu verändern, und doch läßt sich dieß durch folgendes einfache
Mittel erreichen. Ein kleiner elastischer Sack, welcher den Schlauch mit der
Eintrittsröhre an der rotirenden Maschine verbindert, wird an der Seite der
Steuerpinne des Balancesteuers am Torpedo befestigt. Da die zusammengepreßte
Luft auf ihrem Wege nach der Maschine diesen elastischen Sack passirt, so muß
dieser bei jeder Veränderung des inneren Luftdruckes entweder erweitert oder
zusammengezogen werden, und da die Veränderungen im Druck von dem Quantum
comprimirter Luft, welche Zutritt zum Schlauch erhält, abhängen, so kann die
Zusammenziehung und Ausdehnung des Sackes offenbar unter vollkommene Controlle
kommen. Wenn nun das Vermögen des elastischen Sackes, dem inneren Druck
Widerstand zu leisten, so geregelt wird, daß bei Anwendung des Maximaldruckes
die Ausdehnung des Sackes die Führung der Steuerpinne 20 Grad nach dem Backbord
zur Folge hat, und, wenn der Druck um 25 Proc. vermindert wird, die daraus
erfolgende Zusammenziehung die Steuerpinne 20 Grad nach dem Steuerbord hinüber
bewegt, so ist ersichtlich, daß der Steuerpinne jeder beliebige Winkel innerhalb
20 Grad auf beiden Seiten der Mittellinie des Torpedo's gegeben werden kann und
zwar einfach dadurch, daß eine größere oder kleinere Quantität comprimirter Luft
in den Schlauch hineingelassen wird.
Folglich wird der Lauf des Torpedo's durch die Person welche die zusammengepreßte
Luft in den Schlauch hineinläßt, vollständig so beherrscht als ob sich eine intelligente dirigirende Kraft in dem Torpedo selbst
befände. Es gibt in der That keine mechanische Einrichtung, welche
zuverlässiger und sicherer wäre. Beim Operiren in ruhiger See kann man mit Hülfe
von Ferngläsern die Bewegung des Torpedo's, vermöge der Masse von Luftblasen welche aus
demselben an die Oberfläche des Wassers emporsteigen, beobachten. Unter anderen
Verhältnissen kann man den Lauf des Torpedo's dadurch verfolgen, daß ein kleines
Floßholz mittelst einer Schnur an demselben befestigt wird. Zur Nachtzeit müßte
ein leuchtender Gegenstand, der nur von dem angreifenden Fahrzeuge zu sehen ist,
am Floßholz angebracht werden. Auf diese Weise kann derjenige welcher den
Torpedo zu leiten hat, sich stets überzeugen, ob dieser auf dem richtigen Wege
zum Ziele ist.
Es versteht sich von selbst, daß die Explosion des Torpedo's dessen Vereinigung
mit dem Schlauch aufhebt, welcher letztere alsdann vermittelst der Walze wieder
eingeholt werden kann. Sollte der Torpedo aus irgend einem Grunde sein Ziel
verfehlt haben, so wird die Oeffnung zwischen der Luftcisterne und dem Schlauch
abgesperrt und der Torpedo hereingeholt, um von Neuem ausgesandt zu werden.
Die Anwendung dieser Erfindung ist offenbar begrenzt; wenn die Italiener sie aber
bei Lissa hätten benutzen können, so hätte der Kampf unzweifelhaft einen ganz
anderen Ausgang gehabt. Kein Hafen kann angelaufen werden, welcher von diesen
Torpedo's beschützt wird, und kein noch so hoher Grad von Wachsamkeit kann ein
Fahrzeug vom Verderben retten, wenn es sich einer durch solche Torpedo's
vertheidigten Küste nähert. Die englischen Panzerfregatten
„Hercules“ und „Rupert“ mit ihren
mächtigen Panzerwänden würden ebenso leicht zerstört werden, wie der
ungepanzerte „Inconstant.“
In meinem letzten Schreiben an die Redaction des Engineering räumte ich ein, daß die „Devastation“
und ihr Camerad trotz Batterie und Monitors den Hudsonfluß hinaufgehen könnten.
Aber kleine bepanzerte Fahrzeuge nach dem Monitorsystem ohne Thurm, welche mit
einer Walze, einem Schlauch und einer Torpedoladung von 500 Pfund Dynamit
versehen sind, werden Hrn. Reed's Des Chefconstructeur der englischen Flotte. Brustwehrmonitors in den Grund bohren, ehe sie in den Hudson
hineinkommen. Wie schon bemerkt, ist die Anwendung dieser Erfindung nur eine
begrenzte. Da ich dieß vollkommen einsah, begann ich schon vor langer Zeit Pläne
zur Anstellung von unterseeischen Angriffen zu entwerfen, mittelst deren der
Kampf auf die offene See hinaus verlegt werden kann. Vor dem Ende des letzten
Krieges war dieses Problem befriedigend gelöst und im November des Jahres 1866
wurden die Grundzüge eines neuen Seekrieg-Systemes vertraulich dem Könige
von Schweden und Norwegen, dem schwedischen Marineminister Grafen B. v. Plate und dem Commandeur Adlersparre vorgelegt. Ich werde den allgemeinen Charakter dieses
Systemes demnächst veröffentlichen.
Zur Aufklärung der Leser bemerke ich noch, daß ich durch diesen Bericht über
meine Arbeiten bezüglich des unterseeischen Krieges nur bezweckt habe, den
Beweis zu liefern, wie unnütz es ist, Fahrzeuge mit großen Massen von Eisen zu
bekleiden und Millionen Tonnen Steinkohlen für Triebkraft zu vergeuden, ohne daß
dadurch ein genügender Schutz erreicht wird.
New-York, den 11. März 1870.
J. Ericsson.“