Titel: | Noch ein Vorschlag einer einheitlichen Drahtlehre; von Anton Jarolimek, Director der M. W. Schloß'schen Nadelfabrik in Hainburg a. d. Donau. |
Autor: | Anton Jarolimek |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXXXI., S. 491 |
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CXXXI.
Noch ein Vorschlag einer einheitlichen
Drahtlehre; von Anton Jarolimek,
Director der M. W. Schloß'schen Nadelfabrik in Hainburg a. d.
Donau.
Mit Abbildungen.
Jarolimek, Vorschlag einer einheitlichen Drahtlehre.
Ich habe in diesem Bande des polytechn. Journals S. 205
(erstes Maiheft 1870) eine Drahtlehre in Vorschlag gebracht, deren Nummern durch den von Grad zu Grad fallenden cosinus versus bei einem Radius von 1 Centimeter Länge repräsentirt
werden.
Diese Drahtlehre, deren Construction an Einfachheit nichts zu wünschen übrig läßt,
weicht von den sonst üblichen Drahtlehren nur in dem einen Punkte wesentlich ab: daß
die Verdünnungsfactoren bei den starken Nummern ganz abnorm groß fallen.
Obschon man diese Abweichung nicht unbedingt als einen Mangel ansehen kann, so könnte
dieselbe dennoch als ein Argument gegen die Annahme des fraglichen Drahtmaaßes
geltend gemacht werden.
Aus diesem Grunde erlaube ich mir dem gemachten Vorschlag noch einen zweiten
anzuschließen, welcher, obwohl in der Hauptsache dem ersten ganz analog, den
erwähnten Anstand vollständig ausschließt.
Mein neuer Vorschlag besteht darin: die Lehre anstatt nach dem Ausdruck (1 –
sin n°) oder cosin vers
n°, nach: (cosec
n° – 1), oder, da sich diese Function
zum cosinus versus genau wie die Cotangente zum cosinus verhält: nach dem cotangens versus n⁰ zu bilden.
Auch bei Construction dieser Lehre ist der Radius gleich einem Centimeter zu nehmen.
Die Drahtdicke von 10 Millimetern fällt dann auf n = 30
Grad, und die ganze Lehre enthält somit, wenn von dieser Drahtdicke beginnend, nur
60 Nummern, wovon auf die Dicken von 1₀ bis 5 Millimet. nur 12 Nummern
fallen, während bei der Sinus versus-Lehre auf
diese Distanz allein 30 Nummern entfielen! Die Drahtdicken dieser neuen
trigonometrischen (Tangens versus-) Lehre stellen
sich nebst ihren Verdünnungsfactoren wie folgt:
Textabbildung Bd. 196, S. 492
Nummer; Drahtdicke in Millimetern;
Verdünnungsfactor
Man sieht, der größte Verdünnungsfactor übersteigt hier nicht den Werth von 0,9436
und schließt sich daher diese Lehre den sonst gebräuchlichen Drahtmaaßen viel näher
an. Zugleich macht man bei Betrachtung der Verdünnungsfactoren die (wenn zwar nicht
in praktischer, so doch in wissenschaftlicher Beziehung gewiß merkwürdige)
Entdeckung: daß die sich successive verändernde relative
Längenzunahme des tangens versus nicht wie die
Zunahme oder Abnahme aller anderen trigonometrischen Funktionen entweder bei
0°,45° oder 90°, sondern bei 51°49'6 ihr Minimum erreicht.
(Genauer wird dieser Winkel durch den Ausdrucktang vers cos α = (√5 – 1)/2 bestimmt.)
Der Verdünnungsfactor ist bei dieser Lehre von 10 Millimet. bis 3,05 Millimet. Dicke
beinahe constant (0,94), und fällt von da an rascher und rascher, um sich in den
feinen Nummern jenem der Sinus versus-Lehre immer
näher anzuschließen.
Für den Umfang der englischen Eisendrahtlehren, also von der Dicke per 11,53 Millimet. (hier Nr. 000) bis zur Dicke von 0,1
Millimet. (hier Nr. 52) fallen nach dieser Lehre 55 Nummern mit dem
durchschnittlichen Verdünnungsfactor von 0,9159, welcher mit dem in Karmarsch's Technologie (S. 213) für die 54
Nummern enthaltende Eisendrahtlehre angegebenen Verdünnungsfactor von 0,915
merkwürdigerweise fast ganz genau übereinstimmt.
Auch der Nähnadeldraht fällt in dieser Lehre von Nr. 31 mit der Dicke 1,4335
Millimet. an (welche der englischen Nadeldicke Sharps 00
sowie der hiesigen Drahtnummer 0 und der Altenaer Nr. 1 entspricht) bis Nr. 52 mit
der Dicke 0,0983 Millimet. sehr schön in 22 Nummern, welche man mit 00 bis 20
bezeichnen könnte.
Dasselbe Sortiment (mit dem durchschnittlichen Verdünnungsfactor von 0,880) paßt
nicht minder auch für Klaviersaiten.
Die Nummern 35 bis 45 geben bei Interpolirung halber Nummern ein völlig geeignetes
Sortiment für Kratzendrähte, sowie die Nummern 45 bis 55 ein solches für
Silberdrähte.
Ich gebe hier noch das Bild der Tangens
versus-Lehre neben der Sinus
versus-Lehre in 5facher Vergrößerung, und bemerke daß sich auch auf
Grund ersterer ein ebenso einfaches Drahtmaaß-Instrument anfertigen läßt, wie
nach dem Principe der Sinus versus-Lehre.
Textabbildung Bd. 196, S. 493
Zum Schluße erlaube ich mir an dieser Stelle in Ergänzung meines Aufsatzes in diesem
Bande des polytechn. Journals S. 410 (erstes Juniheft 1870), betreffend die
Rectification der Birminghamer Drahtlehre, noch anzuführen: daß man eine der
letzteren sehr nahe kommende Lehre erhält, wenn man zwei 41
gliederige geometrische Reihen mit den Anfangsgliedern von 2 und 1 1/2
englischen Zollen und den Endgliedern von 19/240 und 18/240 engl. Zollen
entwickelt, und beide Reihen subtrahirt.
Es fällt dann Nr. 5/0
= 1/2 Zoll englisch
= 12,7000 Millim.
und Nr. 36
= 1/240 „
„
=
0,1058 „
nebstdem aber Nr. 16 sehr genau
= 1/16
„ „
=
1,5875 „
wie es ursprünglich angenommen worden zu seyn scheint.
Die also rectificirte Lehre weicht von der Birminghamer alten Lehre nur in den
Nummern 5 bis 10, wo sie kleinere Werthe und in den
Nummern 20 bis 25, wo sie größere Werthe gibt, um circa 1 Nummer ab, durch welche
Abweichung sie sich auch noch der amerikanischen Lehre etwas annähert, wie
aus folgender Zusammenstellung leicht zu ersehen ist:
Drahtdicke in
Millimeter
Draht
Alte
Rectificirte
Amerikanische
Draht
Alte
Rectificirte
Amerikanische
Nr.
Birminghamer Lehre
Lehre
Nr.
Birminghamer Lehre
Lehre
5/0
–
12,700
4/0
11,53
11,510
11,684
17
1,47
1,418
1,150
3/0
10,80
10,427
10,405
18
1,24
1,266
1,024
00
9,65
9,440
9,266
19
1,07
1,128
0,912
0
8,63
8,544
8,251
20
0,89
1,004
0,812
1
7,62
7,728
7,348
21
0,81
0,892
0,723
2
7,21
6,987
6,544
22
0,71
0,791
0,644
3
6,58
6,315
5,827
23
0,63
0,700
0,573
4
6,04
5,703
5,189
24
0,56
0,619
0,511
5
5,59
5,148
4,621
25
0,51
0,545
0,455
6
5,16
4,643
4,115
26
0,46
0,480
0,405
7
4,57
4,186
3,665
27
0,41
0,421
0,361
8
4,19
3,770
3,264
28
0,36
0,368
0,321
9
3,76
3,395
2,906
29
0,33
0,321
0,286
10
3,40
3,056
2,588
30
0,30
0,278
0,255
11
3,05
2,744
2,305
31
0,25
0,240
0,227
12
2,77
2,461
2,052
32
0,23
0,209
0,202
13
2,41
2,211
1,828
33
0,20
0,177
0,180
14
2,11
1,982
1,628
34
0,18
0,150
0,160
15
1,83
1,775
1,450
35
0,13
0,127
0,143
16
1,65
1,588
1,291
36
0,10
0,106
0,127
Textabbildung Bd. 196, S. 494
Das Bild der also rectificirten Birminghamer Lehre ist in natürlicher Größe
nebenstehendes.
Die Drahtmaaße stellen sich hier also als die radialen Abstände zweier logarithmischen Spiralen dar.
Hainburg, 15. Mai 1870.