Titel: | Ueber die Anwendung der Osmose zur Entdeckung von schlagenden und brandigen Wettern in Bergwerken; von Dr. P. H. van der Weyde. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXLII., S. 513 |
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CXLII.
Ueber die Anwendung der Osmose zur Entdeckung von
schlagenden und brandigen Wettern in Bergwerken; von Dr. P. H. van der Weyde.
Aus dem Engineering and Mining Journal, März 1870, S.
161.
Mit Abbildungen.
Van der Weyde, Anwendung der Osmose als
Wetter-Indicator.
Wir verdanken bekanntlich Dutrochet und Graham über die Diffusion verschiedener Gasarten durch
poröse Scheidewände eine Anzahl von Experimenten, welche seitdem in den Vorlesungen
wiederholt werden, um die Wirkung poröser Körper auf Gase im Allgemeinen zu
veranschaulichen und die eigenthümlichen Eigenschaften vieler Membranen des
Thierkörpers, welche gasförmige und flüssige Substanzen durch ihre Poren absorbiren
und durch dieselben wieder abgeben, zu erklären. Diese Classe von Erscheinungen hat
die allgemeine Bezeichnung „Osmose“ erhalten und je nachdem
dieselbe von außen nach innen oder von innen nach außen wirkt, unterscheidet man
„Endosmose“ und „Exosmose.“
Die erwähnten Experimente sind, soweit sie auf den im Folgenden besprochenen neuen
Apparat Bezug haben, sehr leicht anzustellen. Ich will nur auf eine von den
verschiedenen Methoden eingehen, nach welchen diese Versuche ausgeführt werden
können.
Fig. 1., Bd. 196, S. 513
Fig. 2., Bd. 196, S. 513
Man nehme ein trockenes poröses Gefäß A (Fig. 1 und 2), wie man
sie als Zellen für galvanische Batterien anwendet, richte seine Mündung nach unten
und verschließe dieselbe dicht mit einem großen Korke, durch den ein beiderseitig
offenes Glasrohr B hindurchgeht, durch welches eine
Communication der Zelle A mit einem darunter stehenden
Wassergefäße C hergestellt wird. Füllt man nun eine
Glasglocke D mit Wasserstoffgas, oder auch mit
gewöhnlichem Leuchtgas und stülpt dieselbe über die poröse Zelle, wie in Fig. 1 angedeutet ist, so sieht man Luftblasen aus dem
Glasrohre durch das in C enthaltene Wasser aufsteigen;
wird hierauf die Glocke D rasch weggenommen, wie Fig. 2 andeutet, so hört das Entweichen von Luftblasen nicht nur auf,
sondern das Wasser steigt in dem Rohre B empor, wie aus
der Figur zu ersehen ist. Die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung ist, daß ein
poröses Gefäß, oder einer Thierblase oder ähnliche Membran, so lange beide Seiten
derselben mit einem und demselben Gase in Berührung sind, von diesem wenig oder gar
nicht durchdrungen wird, wogegen, wenn auf der einen Seite des Gefäßes oder der
Membran ein anderes Gas sich befindet als auf der anderen Seite, ein ungleicher
Austausch beider Gase durch die kleinen unsichtbaren Poren stattfindet. Von dem
einen Gase wird stets in der einen Richtung eine größere Menge durch die
Gefäßwandung oder die Membran hindurchtreten, als von dem anderen Gase in der
entgegengesetzten Richtung. In dem angeführten Beispiele tritt mehr Wasserstoffgas
in die poröse Zelle, als Luft aus derselben entweicht; in Folge dessen treten
Gasblasen aus der unteren Mündung des Glasrohres in das Wasser und entweichen aus
diesem, wie Fig. 1 zeigt. Nachdem in dieser Weise
eine größere oder geringere Menge Wasserstoff in die Zelle A gedrungen ist, tritt die entgegengesetzte Erscheinung ein, wenn wir die
Glasglocke entfernen; da nun das Gefäß äußerlich von atmosphärischer Luft umgeben
ist, so tritt durch die Poren mehr Wasserstoffgas aus, als Luft durch dieselben
eindringt, und wir beobachten das in Fig. 2
angedeutete Resultat, indem in Folge der Volumverminderung der Luft oder des Gases
in A der auf das in C
enthaltene Wasser wirkende Atmosphärendruck dieses in dem Rohre B hinauftreibt.
Graham fand, daß die in dieser Weise ausgewechselten
Gasvolume im umgekehrten Verhältnisse der Quadratwurzeln ihrer Dichtigkeit stehen.
So tritt z.B. vom Wasserstoffe, dessen Dichtigkeit nur 1/16 von derjenigen des
Stickstoffes ist, ein viermal größeres Volum nach dem Stickstoffe hin, als von
diesem nach dem Wasserstoffe.
Diese Wirkung findet nun in stärkerem oder geringerem Grade statt, je nach der
verschiedenen Natur und der Dichtigkeits-Differenz der beiden Gase.
Gewöhnliches Leuchtgas tritt mit größerer Geschwindigkeit ein, als Luft entweicht; ebenso das chemisch
ähnlich constituirte Grubengas (schlagende Wetter) in
Bergwerken. Brandige Wetter (d.h. die irrespirable Luft,
die „bösen“ und „stickenden“ Wetter,
welche meistens nach Explosionen schlagender Wetter entstehen, und hauptsächlich
Stickstoff und Kohlensäure enthalten) dringen mit geringerer Schnelligkeit ein, als
Luft entweicht, und bewirken die in Fig. 2
dargestellte Erscheinung.
Vor einiger Zeit brachte ich in meinen Vorlesungen einen einfachen Apparat in
Vorschlag, mittelst dessen sich diese gefährlichen Gase in Grubenbauen entdecken lassen.
Ich modificirte nämlich die Combination von Glasglocke, Glasrohr etc. in der Weise,
daß dieselbe in eine bequem zu transportirende Vorrichtung umgewandelt wurde, welche
selbst von Personen die mit chemischen und physikalischen Manipulationen nicht
vertraut sind, mit Leichtigkeit zu handhaben ist.
Fig. 3., Bd. 196, S. 515
Fig. 4., Bd. 196, S. 515
Fig. 5., Bd. 196, S. 515
Dieser Apparat ist in Fig. 3 abgebildet. Er besteht
einfach in einer porösen Batteriezelle, deren Oeffnung mittelst eines großen
Korkstopfens verschlossen ist; in letzteren ist die untere Mündung eines sogen.
Sicherheitsrohres eingesetzt. Der Kork selbst, sowie die Verbindungsstellen
desselben mit der Zelle und dem Sicherheitsrohre werden behufs ihrer Dichtung
sorgfältig mit Siegellack überzogen; die untere Biegung des Rohres wird mit Wasser
gefüllt, welches durch Tinte oder irgend eine Tinctur gefärbt ist, damit man den
Stand desselben leichter beobachten kann. So lange als dieser Apparat an einem Orte
steht, wo die ihn umgebende Luft dieselbe Beschaffenheit hat wie die in der porösen
Zelle eingeschlossene, bleibt der Wasserstand in beiden Schenkeln des Glashebers
derselbe; sobald er aber in eine Atmosphäre gebracht wird, welche irgend ein anderes
Gas enthält, z.B. schlagende oder brandige Wetter, so tritt ein ungleicher Austausch
durch die Poren des Gefäßes ein, und die in diesem stattgefundene Vermehrung oder
Verminderung wird sofort durch den Stand der Flüssigkeit in dem gebogenen Glasrohre
angegeben, nach dem durch Figur 1 und 2 erläuterten Principe. Fig.
4 stellt das Resultat einer längeren Einwirkung von schlagenden Wettern
(Kohlenwasserstoff) dar, bei welcher mehr Gas in die Zelle eindringt, als Luft aus
ihr entweicht; Fig. 5 dagegen das Ergebniß der
Einwirkung von brandigen und stickenden Wettern (Kohlensäure und Stickstoff), in
Folge deren weniger Gas eintritt als Luft austritt. Die geringste Differenz im Stand
der Flüssigkeit in
beiden Röhrenschenkeln ist ein sicheres Anzeichen der Gegenwart einer Atmosphäre,
welche irgend ein fremdartiges Gas beigemischt enthält; wohingegen so lange als der
Flüssigkeitsstand derselbe bleibt, in der Qualität der Luft keine Veränderung
stattfindet, vorausgesetzt daß der Apparat vollkommen in Ordnung und die Veränderung
der Luftbeschaffenheit nicht eine so außerordentlich und gleichmäßig langsame ist,
daß jede. Druckveränderung durch ein Entweichen von Gas paralysirt werden kann,
bevor sie durch den Flüssigkeitsstand angezeigt wird – ein Fall welcher wohl
eintreten kann.
Der englische Ingenieur Ansell
hat vor einiger Zeit einen auf dasselbe Princip gegründeten, aber weit
complicirteren Wetter-Indicator erfunden, bei welchem mittelst einer
galvanischen Batterie eine Alarmglocke in Thätigkeit gesetzt wird, welche
Warnungssignale gibt, sobald schlagende Wetter in das poröse Gefäß eindringen.Beschrieben im polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXIII S. 459.