Titel: | Ueber das Probiren des quecksilberhaltigen Silbers; von H. Debray. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CXLV., S. 521 |
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CXLV.
Ueber das Probiren des quecksilberhaltigen
Silbers; von H.
Debray.
Aus den Comptes rendus, t. LXX p. 849; April
1870.
Debray, über das Product quecksilberhaltigen Silbers.
Die Abänderungen welche ein Quecksilbergehalt des Silbers bei der nassen Silberprobe
erheischt, sind bekannt. Die Flüssigkeiten lassen sich durch Umrühren (Schütteln)
schwieriger klären, das Chlorsilber wird durch das Licht weniger verändert und hört
sogar vollständig auf sich zu schwärzen, wenn die Probe 4 bis 5 Tausendtel oder mehr
Quecksilber enthält. Der Feingehalt der Probe fällt dann höher aus, als ihr
wirklicher Gehalt beträgt und zwar um einen der Menge des vorhandenen Quecksilbers
nahezu gleichen Betrag, wenn der Gehalt des Silbers an diesem Metalle nur einige
Tausendtel beträgt. Alle diese Thatsachen wurden von Gay-Lussac bereits im Jahre 1835 nachgewiesen.
Das Chlorsilber reißt also Quecksilber mit sich nieder, obgleich dieses Metall in der sauren
Probeflüssigkeit nicht als salpetersaures Oxydul, sondern als salpetersaures Oxyd
zugegen ist, welches für gewöhnlich von Chlornatrium nicht gefällt wird, weil das
Quecksilberchlorid löslich ist. Diese unerwartete Thatsache hatte die Probirer
natürlich veranlaßt für das quecksilberhaltige Silber den nassen Weg aufzugeben, bis
Levol im Jahre 1845 ein einfaches Mittel angab, den
Einfluß des Quecksilbers zu eliminiren.
Bei dem Levol'schen Verfahren versetzt man die durch
Auflösen der gezogenen Probe in 5 Kubikcentimeter Salpetersäure von 32° Baums
erhaltene Lösung mit 25 Kubikcentimeter Ammoniak, fügt 20 Kubikcentimeter Essigsäure
hinzu und verfährt dann auf die gewöhnliche Weise weiter. Die Flüssigkeiten klären
sich zwar weit schwieriger, man erhält aber den richtigen Feingehalt und das
Chlorsilber färbt sich am Lichte wie wenn kein Quecksilber zugegen wäre. Mittelst
dieses Verfahrens läßt sich sogar eine Probe corrigiren, bei welcher man durch die
Unveränderlichkeit des Chlorsilberniederschlages am Lichte die Gegenwart von
Quecksilber erkannt hat; zu diesem Zweck löst man das gefällte Chlorsilber in
Ammoniak und übersättigt dann die Lösung mit Essigsäure.
Die Richtigkeit von Levol's
Resultaten ist durch alle Probirer bestätigt worden; aber seine Erklärung derselben,
welche in der Annahme bestand, daß sich eine Verbindung von salpetersaurem
Quecksilberoxyd mit Ammoniak bildet, die eine besondere Stabilität besitzt und auf
welche das Chlornatrium in Gegenwart von Silber ohne Wirkung bleibt, ist nicht
gegründet, weil, wie Gay-Lussac gezeigt hat, der
Probeflüssigkeit vor dem Chlornatrium zugesetztes essigsaures Natron dieselbe
Wirkung hervorbringt, wie Ammoniak und Essigsäure.
Eine andere Erklärung dieser Erscheinungen ist bisher noch nicht aufgestellt worden;
die im Folgenden mitgetheilten Versuche werden, wie ich hoffe, eine befriedigende
Theorie derselben begründen.
I. Wird gut ausgewaschenes Chlorsilber mit einer sehr verdünnten Lösung von
Quecksilberchlorid übergossen, so verändert es sein Aussehen. Es wird weiß, wenn es
schon angefangen hatte sich am Lichte zu schwärzen, beim Umrühren oder Schütteln
vertheilt es sich fein und gelangt darauf nur langsam zum Absatze. Das Chlorsilber
hat Quecksilberchlorid aufgenommen, es bleibt aber vom Quecksilber immer noch ein
Theil in der Flüssigkeit zurück, selbst wenn diese nur 7 bis 8 Tausendtel desselben
vom Gewicht des im Chlorsilber vorhandenen Silbers enthielt; auch läßt sich das
quecksilberhaltige Chlorsilber nicht auswaschen, selbst nicht mit kaltem Wasser,
ohne seinen Gehalt an Quecksilberchlorid zu verlieren und dann die Eigenschaft, sich
am Lichte zu schwärzen, wieder anzunehmen. Diese Thatsachen zeigen klar, daß eine
bestimmte Verbindung der beiden Chlormetalle nicht entsteht, daß vielmehr die
Absorption des Quecksilbersalzes durch das Chlorsilber eine analoge Erscheinung ist,
wie sie beim Unächtfärben der Stoffe auftreten, indem ein Gespinnst oder Gewebe eine
dem Concentrationsgrade des Färbebades entsprechende Menge des Farbstoffes aufnimmt,
welche ihm durch fortgesetztes Waschen gänzlich entzogen werden kann.
Die Entfärbung des Chlorsilbers im Quecksilberchlorid läßt sich durch eine theilweise
Reduction des Aetzsublimats erklären, der an das veränderte Chlorsilber das Chlor
abgibt welches er verloren hat.
II. Setzt man zu Chlorsilber welches in Wasser suspendirt ist, eine Lösung von
salpetersaurem Quecksilberoxyd, so erleidet es dieselbe Veränderung wie auf Zusatz
von Quecksilberchlorid, außerdem geht eine gewisse Menge Silber in Lösung; hat man 4
bis 5 Milligrm. Quecksilber zugesetzt, so wird die Zehntel-Normallösung von
Chlornatrium nahezu dieselbe Anzahl von Milligrm. Silber in dieser Lösung anzeigen.
Diese Erscheinung wird durch die Löslichkeit des Chlorsilbers
in salpetersaurem Quecksilberoxyd veranlaßt; in einer solchen Lösung kann
sich offenbar Quecksilberchlorid bilden, welches von dem nicht gelösten Chlorsilber
absorbirt wird (worauf letzteres die Eigenschaften annimmt, welche eine
quecksilberhaltige Probe zeigt) und gleichzeitig salpetersaures Silberoxyd, dessen
Gegenwart sich durch das Chlornatrium nachweisen läßt.
Zur Nachweisung der Löslichkeit des Chlorsilbers in salpetersaurem Quecksilberoxyd
genügt es, das durch Fällen der Lösung von 1 Grm. Metall erhaltene Chlorsilber mit
10 bis 12 Grm. Quecksilberoxyd, 50 Kubikcentimeter destillirtem Wasser und einer zum
Auflösen des Quecksilberoxydes hinreichenden Menge Salpetersäure auf 100° C.
zu erhitzen. Das Chlorsilber verschwindet allmählich und scheidet sich beim Erkalten
in oktaedrischen Krystallen aus, welche sich in Folge eines geringen
Quecksilbergehaltes am Lichte nicht verändern. Aber die erkaltete Lösung enthält
noch viel Silber (beiläufig 0,3 Grm.), obgleich ein Zusatz von
Zehntel-Normallösung keinen Niederschlag in ihr hervorbringt. Allerdings
trübt sie sich auf Zusatz einer concentrirten Chlornatriumlösung, aber zur
Abscheidung ihres ganzen Silbergehaltes muß die Flüssigkeit zur Trockne verdampft,
dann zur Zersetzung des salpetersauren Quecksilbers geglüht und hierauf zur
Zersetzung des entstandenen Gemenges von Quecksilberoxyd und Chlorsilber mit
verdünnter Chlorwasserstoffsäure behandelt werden, wobei das Chlorsilber ungelöst
zurückbleibt.
III. Von essigsaurem Quecksilberoxyd wird das Chlorsilber weit schwieriger gelöst. Bei
100° C. vermag eine concentrirte, beiläufig 23 Grm. Oxyd enthaltende Lösung
von essigsaurem Quecksilberoxyd kaum die 0,1 Grm. Silber enthaltende Menge
Chlorsilber zu lösen. Bei gewöhnlicher Temperatur ist die Löslichkeit noch geringer.
Aus diesem Verhalten wird es erklärlich, daß einige Tausendtel Quecksilber bei
Gegenwart von essigsaurem Alkali in einer Probe eine wahrnehmbare Trübung nicht
hervorbringen können, weil das Essigsäuresalz keine andere Wirkung hat als die, das
salpetersaure Silber- und Quecksilberoxyd in salpetersaures Alkali und
essigsaures Metalloxyd zu verwandeln. Die Natur des Alkali ist natürlich
gleichgültig; essigsaures Natron wirkt ganz ebenso, wie essigsaures Ammoniak, daher
es, wie ich nachgewiesen habe, möglich ist, eine quecksilberhaltige Probe zu
corrigiren, indem man ihr, wenn sie beendigt ist, essigsaures Natron hinzufügt
(anstatt dessen Levol Ammoniak und Essigsäure anwandte).
Dieß beweist, daß die essigsauren Alkalien auf das vom Chlorsilber fixirte
Quecksilbersalz ebenso einwirken, wie sie auf die Lösung des letzteren einwirken
würden.
Die Wirkung des essigsauren Quecksilberoxydes kann selbstverständlich bei den Proben
nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn das Quecksilber in geringer Menge zugegen
ist; denn wenn man Chlorsilber mit einer etwas concentrirten Lösung jenes
Essigsäuresalzes zusammenbringt, so nimmt es sofort alle Charaktere des
quecksilberhaltigen Chlorsilbers an.
IV. Die auf die Unlöslichkeit des Chlorsilbers basirte Trennung des Quecksilbers vom
Silber ist demnach keineswegs so leicht ausführbar, als gewöhnlich angenommen wird;
auf die Vorsichtsmaßregeln welche sie erfordert, kann ich jedoch hier nicht näher
eingehen. Für das Probiren von quecksilberhaltigem Silber, welches stets nur einen
geringen Quecksilbergehalt besitzt, ist das Verfahren von Levol hinlänglich genau; da aber bei der Anwendung von Essigsäuresalzen
das Klären der Flüssigkeiten sehr viel Zeit beansprucht, so glaube ich nicht daß die
Probirer ein Interesse haben, diese Methode beizubehalten. Es scheint mir einfacher,
in der vor E. Dumas und mir im
Schiedswardein-Bureau (bureau de garantie) für
das Probiren von quecksilberhaltigem Silber eingeführten Weise zu verfahren. Man
erhitzt eine neu gezogene Probe in einem kleinen, aus Retortengraphit angefertigten
SchmelztiegelDiese kleinen Tiegel widerstehen der oxydirenden Luft der Muffel sehr lange;
es ist daher nicht erforderlich sie gegen die Einwirkung derselben zu
schützen. Sie werden sehr bald heiß und erkalten ebenso rasch. im Muffelofen ungefähr eine Viertelstunde lang, wodurch sich das Quecksilber
verflüchtigt und das Silber zu einem glatten Regulus schmilzt, welcher sich nach dem Erkalten vom
Tiegel leicht und ohne wahrnehmbaren Metallverlust ablösen läßt. Diese Operation
wird durch die Gegenwart eines flüchtigen Metalles, wie Zink, keineswegs behindert;
ein König von einer Legirung welche 1 Grm. Silber und 0,5 Grm. Zink enthielt, hatte,
nachdem er eine halbe Stunde lang im Kohlentiegel erhitzt worden war, über 0,4 Grm.
Zink verloren, ohne daß sein Silbergehalt in einer auf nassem Wege nachweisbaren
Weise sich verändert hätte.