Titel: | Ueber die Bestimmung des Eisessigs; von Fr. Rüdorff. |
Fundstelle: | Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CLIV., S. 546 |
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CLIV.
Ueber die Bestimmung des Eisessigs; von Fr. Rüdorff.
Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
Berlin, 1870, Nr. 8.
Gessert, über Darstellung des Anthracens.
Die zur Bestimmung des Essigs und besonders der hochconcentrirten Säure des sogen.
Eisessigs gewöhnlich angewandte Methode: Titriren einer abgewogenen Menge durch
Normalnatronlösung, kann wegen des nicht scharf zu beobachtenden Ueberganges der
zugesetzten Lackmustinctur aus Roth in Blau auf einen nur sehr geringen Grad von
Genauigkeit Anspruch machen. Im Folgenden theile ich eine andere Bestimmungsmethode
mit, welche an Leichtigkeit der Ausführung und Genauigkeit nichts zu wünschen übrig
lassen möchte. Dieselbe besteht in der Bestimmung der Erstarrungstemperatur dieser
Flüssigkeit.
Der im Handel vorkommende Eisessig ist durchweg mit Wasser verunreinigt, und um den
Einfluß zu zeigen, welchen ein geringer Wassergehalt auf das Erstarren der
Essigsäure ausübt, war es zunächst nöthig, mir von Wasser völlig freie Essigsäure zu
verschaffen. Zu dem Ende wurde käuflicher Eisessig, dessen Erstarrungstemperatur bei
verschiedenen Proben zwischen – 7° und + 14° lag – zum
Erstarren gebracht und so lange in einem kühlen Raum stehen gelassen, bis etwa 3/4
der Flüssigkeit fest geworden war. Durch Umkehren des geöffneten Gefäßes tropfte der
flüssige Theil ab. Der fest gewordene Theil wurde wieder geschmolzen, abgekühlt, zum
theilweisen Erstarren gebracht, das Flüssiggebliebene durch Abtropfen entfernt und
mit dieser Operation so lange fortgefahren, bis die Erstarrungstemperatur der
Flüssigkeit eine constante geworden war. Es stieg nämlich die Erstarrungstemperatur
nach dem jedesmaligen Abtropfen, und folgende Zahlen mögen die Steigerung im
Erstarrungspunkt bei einer so behandelten Probe (etwa zwei Pfund) Eisessig
veranschaulichen: 12,5; 15,1; 16,1; 16,4; 16,65; 16,7; 16,7; 16,7 16,7°
C.
Es ist hierbei am zweckmäßigsten, wenn man die Flüssigkeit in welcher sich etwas
feste Essigsäure ausgeschieden hat, während einer Nacht in einem Raume ruhig stehen
läßt, dessen Temperatur wenige Grade unter dem Erstarrungspunkt der Flüssigkeit
liegt. Dann scheidet sich die Säure in blätterigen Massen aus, aus welchen das
Flüssiggebliebene leichter abfließt als wenn man die Flüssigkeit durch starkes
Abkühlen rasch zu einer compacten Masse erstarren läßt. Das Abfließende ist eine
wasserreichere Essigsäure als das Zurückbleibende. Der Schmelzpunkt der auf diese
Weise erhaltenen Säure liegt also bei 16,7° C. und der Siedepunkt derselben
war unter normalem Luftdruck 117,8° C. Dieselbe läßt sich bei langsamem
Abkühlen bis auf die Temperatur von 10 bis 8° bringen, ohne selbst beim
Schütteln zu erstarren. Dieses erfolgt aber sofort, wenn man in die unter
16,7° abgekühlte Flüssigkeit ein Körnchen der festen Säure wirft, wobei die
Temperatur dann auf 16,7° steigt. Bringt man die erstarrte Säure durch
Eintauchen des Gefäßes in Wasser von etwa 25° zum langsamen Schmelzen, so
zeigt das eingesenkte Thermometer so lange die Temperatur von 16,7°, als noch
eine beträchtliche Menge fester Substanz vorhanden ist, so daß also Schmelz-
und Erstarrungspunkt bei ein und derselben Temperatur liegen.
Von dieser Essigsäure wurden 100 Gewichtstheile mit einer bestimmten Menge Wasser
vermischt und der Erstarrungspunkt Tiefer Mischungen ermittelt. Es braucht wohl kaum
erwähnt zu werden, daß die Gemische zweier Flüssigkeiten nicht als solche erstarren,
sondern daß nur der eine Bestandtheil, hier Essigsäure, fest wird, während das
Wasser flüssig bleibt. Es verhält sich die wasserhaltige Essigsäure von hoher
Concentration in dieser Beziehung ähnlich wie die Salzlösungen, aus welchen, wie ich
früherPoggendorff's Annalen,
Bd. CXVI S. 55. gezeigt habe, beim Gefrieren derselben nur Wasser erstarrt. Da aber durch
das Festwerden einer großen Menge Essigsäure das Verhältniß zwischen Wasser und
Säure sich ändern würde, so ist bei der Bestimmung des Erstarrungspunktes dafür zu
sorgen, daß sich nur wenig Essigsäure ausscheidet. Dieses geschieht am sichersten
dadurch, daß man die Flüssigkeit etwa 1° unter die annähernd bestimmte
Erstarrungstemperatur abkühlt, durch Einwerfen eines Körnchens fester Säure und
Umrühren mit einem empfindlichen Thermometer die Ausscheidung von Essigsäure
bewirkt. Die Temperatur steigt dann bis zum Erstarrungspunkt der Mischung. Stellt
man mit derselben Mischung mehrere Versuche hintereinander an, so erhält man Zahlen
welche unter sich um höchstens 0,1° abweichen. Die Resultate einiger Versuche
sind in folgender Tabelle zusammengestellt:
100 Gewichtsth. Eisigsäuresind vermischt
mit:
100 Gewichtsth. Mischungenthalten:
Erstarrungs-Temperatur.
0,0 Wasser
0,0
Wasser
+
16,7° C.
0,5 „
0,497 „
15,65 „
1,0 „
0,990 „
14,8 „
1,5 „
1,477 „
14,0 „
2,0 „
1,961 „
13,25 „
3,0 „
2,912 „
11,95 „
4,0 „
3,846 „
10,5 „
5,0 „
4,761 „
9,4
„
6,0 „
5,660 „
8,2
„
7,0 „
6,542 „
7,1
„
8,0 „
7,407 „
6,25 „
9,0 „
8,257 „
5,3 „
10,0
„
9,090 „
4,3 „
11,0
„
9,910 „
3,6 „
12,0
„
10,774 „
2,7 „
15,0
„
13,043 „
–
0,2 „
18,0
„
15,321 „
2,6 „
21,0
„
17,355 „
5,1 „
24,0
„
19,354 „
7,4 „
Aus dieser Tabelle ergibt sich, daß man namentlich in der hochconcentrirten
Essigsäure mit voller Sicherheit das Wasser bis auf 1/10 Proc. bestimmen kann, eine
Genauigkeit welche sich wohl auf keine andere Weise erreichen läßt.
Wie Wasser wirken noch einige andere Substanzen erniedrigend auf den Erstarrungspunkt
der Essigsäure ein, so z.B. Schwefelsäure, Alkohol und einige Salze, welche sich in
der Säure auflösen. Aus einem Gemenge von 100 Theilen Essigsäure und 0,5 Theilen
Schwefelsäure wird die Essigsäure bei 16,4°, von 100 Theilen Essigsäure und
1,8 Alkohol bei 12,25° fest. Die Wirkung des Wassers kann indessen durch
einen Zusatz von Schwefelsäure zum Theil wieder aufgehoben werden. Setzt man zu 100
Theilen Essigsäure 10 Theile Wasser, so scheidet sich bei 4,3° Essigsäure
aus, fügt man hierzu 2 Theile Schwefelsäure, so findet das Erstarren bei 5,8°
und aus einer Mischung von 100 Theilen Essigsäure, 10 Theilen Wasser und 20 Theilen
Schwefelsäure bei 10,7° statt.
Das Erstarren der reinen Essigsäure läßt sich selbst im Sommer mit voller Sicherheit
zeigen. Man kühlt dieselbe durch Einstellen in kaltes Wasser bis etwa 10 oder
12° ab, wirft ein Stückchen fester Säure hinein und schüttelt. Die
Flüssigkeit erstarrt sofort. Die kleine Menge der festen Säure verschafft man sich sehr leicht, wenn man
einige Tropfen der flüssigen Säure in ein Reagensglas bringt und mit demselben eine
Mischung von kaltem Wasser mit Salmiak, salpetersaurem Ammoniak oder Rhodankalium
umrührt. Die hierbei entstehende niedrige Temperatur bringt die Säure unfehlbar zum
Erstarren.