Titel: | Ueber Reibungswiderstände bei Walzwerken; von Rob. Röntgen, Lehrer an der städtischen Gewerbeschule in Remscheid. |
Autor: | Robert Röntgen [GND] |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. VIII., S. 10 |
Download: | XML |
VIII.
Ueber Reibungswiderstände bei Walzwerken; von
Rob. Röntgen, Lehrer an der städtischen Gewerbeschule in
Remscheid.
Röntgen, über Reibungswiderstände bei Walzwerken.
Im Jahrgang 1868 dieses Journals, Bd. CLXXXIX S. 185, erschien von mir ein Aufsatz
über die Betriebskraft der hiesigen Hammerwerke, welche ich gestützt auf eine
bekannte Formel der Mechanik und auf Grund ausführlicher und genauer Versuche
ermittelt hatte. Ganz in derselben Weise läßt sich nun auch annähernd die
mechanische Arbeit bestimmen, welche durch die Reibung bei Walzwerken in Anspruch
genommen wird; ja, diese Berechnung erlangt jedenfalls eine noch größere
Genauigkeit, weil sich das Gewicht der eisernen Massen, des Schwungrades, der Walzen
u.s.w., also auch deren Trägheitsmomente weit genauer bestimmen läßt, als das der
Achse und des Rades bei jenen Gewerken. Eine möglichst genaue Ermittelung der
Betriebskraft der Walzwerke ist fast unthunlich, da während des Walzens nicht selten
die Geschwindigkeit außerordentlich verschieden ist; in der That kann man hier mit
Recht sagen, daß das Walzen allein vom Schwungrade besorgt werde und daß es also nur
darauf ankomme, eine gewisse lebendige Kraft oder mechanische Arbeit innerhalb einer
gewissen Zeit auf dieses Rad zu übertragen. Dennoch glauben wir, daß wir nach
unserer Methode eine deutlichere und ebenso genaue Einsicht in die dynamische
Thätigkeit dieser Gewerke uns verschaffen können, als mit Hülfe der Dynamometer.
Jedenfalls wird man die Reibungswiderstände, und zwar nicht sowohl die der Walzen
und des Schwungrades, sondern auch die der Dampfmaschine für sich, nach jener
Methode mit ziemlicher Genauigkeit erfahren können. Letzteres gibt uns dann
natürlich auch ein Mittel an die Hand, den mittleren Dampfdruck im Cylinder mit
einiger Zuverlässigkeit zu berechnen und so den Indicator zum Theil zu umgehen.
Das Walzwerk, an welchem wir unsere Versuche anstellten, diente zur Herstellung von
Façon-Eisen, welches vorzüglich zur Fabrication von Feilen, Beiteln,
Hobeleisen, Messern u.s.w., und zwar nicht bloß in den Kleinschmiedereien der
Gemeinde Remscheid, sondern auch in denen der benachbarten Stadt Solingen
verarbeitet wird. Es enthielt 3 Reihen über einander liegender Walzen, und zwar
waren in jeder derselben 5 vorhanden. Auf der verlängerten Achse der mittleren Reihe
war das Schwungrad angebracht, dessen Bewegung, sowie die der sämmtlichen Walzen
direct durch die Lenkstange der Dampfmaschine erzielt wurde.
Letztere machte demnach in derselben Zeit ebenso viele Umdrehungen wie das Schwungrad
und die Walzen; eine Zwischenmaschine, bestehend aus Zahnrad und Getriebe, wie sie
früher bei Walzwerken gebräuchlich waren, war nicht vorhanden. Diese Construction,
welche gegenwärtig immer mehr eingeführt wird, hat jedenfalls vor der früheren den
bedeutenden Vortheil, daß man das lästige und störende Abbrechen der Zähne nicht
mehr zu befürchten hat; dagegen besitzt sie aber auch den Uebelstand, daß die
Dampfmaschine mit einem weit geringeren Nutzeffect arbeiten wird. Folgendes sind die
Dimensionen der einzelnen Theile der ganzen Maschine:
Durchmesser des Dampfcylinders
20 Zoll
prß.
Kolbenhub
2 Fuß
Größter Durchmesser des Schwungrades
11 „
Breite des Ringes
9 Zoll
Dicke desselben
7 „
Es waren sechs Arme vorhanden, deren
Querschnitt eine Ellipse bildete;
die große Achse derselben betrug
8 3/4 „
die kleine
Achse
„ „
5 „
Um das Rad war ein schmiedeeiserner Ring
11 Fuß
gelegt, dessen innerer
Durchmesser belief
sich auf
der äußere dagegen auf
11 1/12 „
Die Breite dieses Ringes war
7 5/8 Zoll
Länge der Walzen
36
„
Durchmesser derselben
10 3/4 „
Länge der Zapfen
6 „
Durchmesser derselben etwa
3 „
Hiernach berechnet sich das Gewicht des gußeisernen Schwungradringes, wenn das
specifische Gewicht des Gußeisens zu 7,4 angenommen wird, zu 6438,784 Pfd. prß.
Dagegen beträgt das Gewicht des schmiedeeisernen Ringes, das spec. Gewicht des
Schmiedeeisens = 7,5 gesetzt, 854,363 Pfd.
Das Gewicht der 6 Arme beläuft sich auf 3109,640 Pfd.
Da das Trägheitsmoment der Walzen gegen das des Schwungrades fast verschwindend klein
ist, so darf deren Gewicht vernachlässigt werden.
Für das Trägheitsmoment des gußeisernen Ringes erhält man hiernach 5440,486; für das
des umgelegten Ringes von Schmiedeeisen 839,610, und für dasjenige der 6 Arme
748,990.
Demnach beträgt das ganze Trägheitsmoment des Schwungrades 7029,08 Fußpfd., oder in
runder Zahl 7030 Fußpfd.
Die Formel, welche wir in dem oben citirten Aufsatze über die Betriebskraft von
Umtriebsmaschinen entwickelt haben, lautete nun:
L = n³T/(5252865 . u) Pferdekräfte,
wo T das Trägheitsmoment der
rotirenden Maschinentheile, n die Zahl der Umdrehungen
beim gleichförmigen Gange der Maschine, und u diejenige
Zahl der Umdrehungen bezeichnete, welche die Maschine noch macht, wenn die treibende
Kraft zu wirken aufhört.
Wir haben nun, um diese Formel für die Berechnungen unseres Walzwerkes anzuwenden,
statt T die oben ermittelte Zahl 7030 zu setzen, und
erhalten dann
L = n³T/747,2u
Pferdekräfte.
Gehen wir nunmehr zur Ermittelung derjenigen Arbeit über, welche durch die Reibung
verzehrt wurde.
I. Versuch.
Die Maschine ging leer, das Walzwerk verrichtete also keine Arbeit. Nachdem die
Maschine einen normalen Gang angenommen hatte, machte sie in einer halben Minute 18
1/2 bis 19 Umdrehungen, und als der Dampf abgesperrt wurde, belief sich die Zahl der
Umdrehungen welche sie bis zu ihrem Stillstehen verrichtete, auf 4 1/2.
Wir haben also in unserer Formel zu setzen für n im
Mittel 2 × 18,75 = 37,5 und für u : 4,5; es
entsteht dann
L = (37,2)³/(747,2 . 4,5) =
52736/3362 = 15,7 Pferdekräfte.
II. Versuch.
Die Maschine machte beim Leergehen und nachdem sie eine gleichförmige Geschwindigkeit
angenommen hatte, in 1 Minute 55 Umdrehungen; als die Kraft zu wirken aufgehört
hatte, machte sie noch 8,25 Umdrehungen bis sie zur Ruhe kam.
Hiernach ist
L = (55)³/(747,2 . 8,25) =
166375/6164,4 = 26,9 Pferdekräfte.
Hätten die Reibungswiderstände in demselben Verhältnisse zugenommen, in welchem die
Geschwindigkeit größer geworden war, so hätte in dem letzteren Versuche die mechanische Arbeit nur 23
Pferdekräfte betragen müssen, denn man hat ja
37,5 : 55 = 15,7 : 23.
Die Widerstände sind also in einem größeren Verhältniß gewachsen, als die
Geschwindigkeit.
III. Versuch.
4 einzelne Walzen wurden ausgelöst, so daß nur noch 11 Walzen an der Bewegung Theil
nahmen. Es war in diesem Falle n = 43 und u = 6.
Hieraus entsteht:
L = (43)³/(747,2 . 6) =
79507/4483,2 = 17,7 Pferdekräfte.
Nunmehr suchten wir ungefähr diejenige Arbeit zu bestimmen, welche das Walzwerk bei
seiner eigentlichen Arbeitsverrichtung in Anspruch nimmt. Es wurde Eisen von 1/2
Zoll käntig bei Weißglühhitze – nicht Schweißhitze – aus 1 3/8 Zoll
käntigen Stäben ausgewalzt. Nachdem die Maschine in einen möglichst gleichförmigen
Gang gekommen war, wurde die Zahl der Umdrehungen in 1/2 Minute gleich 63 gefunden.
Indessen bewegte sich dieselbe gegen Ende dieser Zeit schon mit einer geringeren
Geschwindigkeit, als am Anfange derselben, so daß man mit weit größerer Genauigkeit
statt 63 die Zahl 70 wird substituiren können. Nach Verlauf von einer halben Minute
wurde der Dampf abgesperrt, während die Maschine bei fortgesetztem Walzen noch 42
Umdrehungen machte.
Demnach würde sich aus diesem Versuche
L zu = (140)³/(747,2 . 42) =
2744000/31382 = 87 Pferdekräfte
circa berechnen. Jedenfalls würde die Leistung der
Maschine nicht weit hinter dieser Zahl zurückbleiben, wenn die länger gewordenen
Stahlstäbe mit derselben Geschwindigkeit die Walzen passiren sollten, als im Anfange
der Operation die kürzeren. In diesem Falle würde sich dann aber auch jene Leistung
besonders auf den Schluß der Arbeit bezogen haben, wo der Stahlstab beinahe zu
seiner ganzen Länge ausgestreckt war. Es erhellt hieraus auch, daß es zur Erzielung
eines möglichst gleichförmigen Ganges durchaus nothwendig ist, den Dampfzutritt oder
den Dampfdruck im Cylinder ununterbrochen zu reguliren, und daß man das Gewicht und
die Geschwindigkeit des Schwungringes so groß zu machen hat, daß wenigstens ein
geringerer Unterschied in der Leistung der Kraft- und Arbeitsmaschine, wenn er nur
kürzere Zeit andauert, nicht merklich wahrzunehmen ist.
Einige Wochen nach Anstellung der beschriebenen Versuche, ermittelte ich noch die
Reibungswiderstände welche allein durch die Bewegung des Schwungrades und der
Dampfmaschine entstehen, wobei also das Walzwerk ausgelöst wurde.
I. Versuch.
Die Maschine machte, nachdem sie einen gleichförmigen Gang angenommen hatte, in 1
Minute 72 Umdrehungen und nach Absperrung des Dampfes noch 52 1/4.
Hieraus berechnet sich nach obiger Formel die erforderliche mechanische Arbeit zu 9,5
Pferdekräften.
II. Versuch.
Unter denselben Umständen wie vorhin erhielten wir für n:
56 und für u: 38,5.
Demnach ist L = 6,13 Pferdekräfte.
Für diese letzteren Versuche möge noch der mittlere Dampfdruck im Cylinder berechnet
werden.
Der Durchmesser des Dampfkolbens betrug, wie dieß schon oben angegeben ist, 20 Zoll,
mithin die Fläche desselben: 3,14.(20)²/4 = 314 Quadratzoll. Der Ueberdruck
pro Quadratzoll möge x
Pfd. betragen haben, also der Druck auf den ganzen Kolben 314 . x Pfd. Da nun der Hub 2 Fuß beträgt und beim I. Versuche
72 Umdrehungen in 1 Minute gemacht wurden, so belief sich die mittlere
Geschwindigkeit des Kolbens auf (4 . 72)/60 = 4,8 Fuß und die Leistung des Dampfes
auf 314. 4,8 x Fußpfd. Diese Leistung muß der
berechneten von 9,5 Pferdekräften oder von 480 × 9,5 = 4560 Fußpfd. gleich
seyn. Wir haben also: 314 . x . 4,18 = 4560.
Daraus ist x = 3,02 Pfd. Es betrug demnach der mittlere
Dampfdruck im Cylinder, da die Maschine eine Volldruckmaschine war: 14 + 3,02 =
17,02 Pfd. Der Ueberdruck im Kessel wurde mir zu 47 Pfd. angegeben, so daß sich
demnach der ganze Druck daselbst auf 61 Pfd. belief. Durch das geringe Oeffnen der
Regulirungsklappe im Dampfrohre, durch die Reibung des Dampfes beim Durchströmen
durch dasselbe, durch die Widerstände welche der Dampf beim Eindringen aus dem
Schieberkasten in die Dampfcanäle des Cylinders erfuhr u.s.w., verminderte sich also
jener Druck von 61 auf 17,02 Pfd.
Für den II. Versuch, bei welchem sich die Zahl der Umdrehungen
pro Minute auf 56 belief, erhalten wir für den
Ueberdruck x des Dampfes im Cylinder 3,50 Pfd.
Es war also hier der Druck um etwa 1/2 Pfd. geringer als beim I. Versuche, weil man
das Regulirungsventil weniger geöffnet hatte.
––––––––––
Vergleichen wir den II. Versuch auf Seite 12 mit dem II. auf Seite 14, so sehen wir,
daß in beiden die Zahl der Umdrehungen fast ganz dieselbe war, daß dagegen im
ersteren Falle, als alle 15 Walzen an der Bewegung Theil nahmen, die erforderliche
Betriebskraft 26,9 Pferdekräfte betrug, während die Reibung des Schwungrades und der
Dampfmaschine nur 6,13 Pferdekräfte in Anspruch nahm. Hiernach würde also allein auf
die Bewegung jener Walzen eine reine Arbeit von 20,77 Pferdekräften kommen. Diesen
bedeutenden Arbeitsverlust schreibe ich besonders der Reibung in den Kämmen der
Zahnräder zu. – Wenn nun auch unsere Zahlen auf große Genauigkeit keinen
Anspruch machen können, da uns leider bei unseren Beobachtungen nicht diejenigen
Apparate zu Gebote standen, deren wir zu einer ganz genauen Ermittelung der
Umdrehungen bedurft hätten, so zeigen sie uns doch, daß ein sehr großer Theil der
Kraft bei den Walzwerken durch die Reibung verloren geht und daß also der
Wirkungsgrad dieser Arbeitsmaschinen im Ganzen nur ein geringer ist. In der That
wird man vielleicht nur 1/4 bis höchstens 1/3 von der angewandten Betriebskraft auf
das eigentliche Ausstrecken und Formen des Metalles zu rechnen haben.
Gern würde ich meine Versuche weiter ausgedehnt haben, wenn mich nicht die Scheu,
dieselben möchten allzu störend in den Betrieb des Gewerkes eingreifen,
zurückgehalten und wenn nicht die Arbeit so außerordentlich gedrängt hätte. Lieb
würde es mir aber sein, wenn sie dennoch einen weiteren Beitrag zur Kenntniß der
dynamischen Thätigkeit jener Gewerke lieferten und dem einen oder anderen Ingenieur
Veranlassung gäben, dieselben weiter auszudehnen und zu vervollständigen.
Remscheid, im Juni 1870.