Titel: | Ueber das elektromagnetische Verhalten discontinuirlicher Eisenmassen. |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XXXIII., S. 133 |
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XXXIII.
Ueber das elektromagnetische Verhalten
discontinuirlicher Eisenmassen.
Ueber das elektromagnetische Verhalten discontinuirlicher
Eisenmassen.
Herr Prof. Dr. A. v. Waltenhofen übersandte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in
Wien eine Abhandlung: „Elektromagnetische Untersuchungen mit besonderer
Rücksicht auf die Anwendbarkeit der Müller'schen
Formel.“
In dieser Abhandlung, welche sich an eine im Jahre 1865 unter gleichem Titel
erschienene (über das Verhalten von massiven cylindrischen Stäben) als unmittelbare
Fortsetzung anschließt, behandelt der Verfasser die Ergebnisse seiner Versuche mit
discontinuirlichen Eisenmassen, worüber bisher – außer den aus einen:
wesentlich anderen Gesichtspunkte durchgeführten Versuchen von Feilitzsch – keine eingehenden Untersuchungen, sondern nur
vereinzelte Experimente mit theilweise ganz widersprechenden Resultaten unternommen
worden waren.
Die Versuche erstreckten sich: 1) auf Bündel aus cylindrischen Drähten, 2) auf Bündel
aus prismatischen Stäben, welche theils ohne Zwischenräume dicht beisammen lagen,
theils durch indifferente Zwischenlagen getrennt waren, 3) auf eiserne Röhren und 4)
auf Aggregate von Eisenfeilspänen.
Man weiß, daß Drahtbündel und Röhren in ihren magnetischen Wirkungen den massiven
Stäben von gleichem Querschnitte im Allgemeinen nachstehen, doch geben die
bisherigen Untersuchungen weder Aufschluß über die magnetischen Sättigungsgrade, welche Bündel, Röhren und Stäbe bei gleichen
Stromstärken erlangen, noch über die wichtige Frage: wie sich
Bündel und Röhren im Vergleiche mit massiven Stäben von gleichem Gewichte
verhalten.
Der Verfasser hat vornehmlich die letztere Frage, welche zugleich jene nach der
Anwendbarkeit der Müller'schen Formel auf nicht massive
Eisenkerne in sich schließt, im Auge behalten, und ist dabei unter anderen zu
folgenden Resultaten gelangt:
I. Schwache Drahtbündel, d.h. solche von wenigen Drähten, zeigen bei allen
Stromstärken keine erhebliche Abweichung von der Müller'schen Formel oder von dem Verhalten gleich schwerer massiver Stäbe.
II. Stärkere Drahtbündel zeigen bei mittleren Sättigungsgraden eine bedeutend
raschere Zunahme des Magnetismus als gleichschwere massive Stäbe von gleicher Länge,
während bei geringen Magnetisirungen keine erheblichen Abweichungen dieser Art
hervortreten.
III. Dieses Verhalten bedingt auch die Möglichkeit, daß solche Drahtbündel bei
gewissen Stromstärken sogar massiven Stäben von gleichem Querschnitte äquivalent seyn können, indem die bei stärkeren
Magnetisirungen nothwendig stattfindende Ueberlegenheit der letzteren noch nicht
hervortritt.
IV. Bei prismatischen Eisenstäben zeigt sich – im
Gegensatze zu Stahlstäben – keine Verschiedenheit des
elektromagnetischen Verhaltens im Vergleiche mit runden Stäben.
V. Bündel aus prismatischen Stäben, welche ohne Zwischenräume zusammengefügt sind,
wirken wie massive Stäbe von gleicher Form, somit auch überhaupt wie gleichschwere
massive Stäbe von gleicher Länge.
VI. Bündel aus getrennten Stäben, d.h. aus Stäben welche durch indifferente
Zwischenlagen in gewissen Entfernungen von einander gehalten werden – und
auch röhrenförmig angeordnete (hohle) Stabbündel – zeigen schon bei geringen
und noch mehr bei mittleren Sättigungsgraden rascher zunehmende Magnetismen als
Bündel aus denselben aber dicht beisammen liegenden Stäben.
VII. Weite Röhren aus dünnem Eisenblech zeigen eine schon bei geringen
magnetisirenden Kräften auffallende, bei mittleren Sättigungsgraden am meisten
hervortretende, bei stärkeren magnetisirenden Kräften aber rasch wieder abnehmende
Ueberlegenheit über gleichschwere massive Stäbe von gleicher Länge bei Anwendung
gleicher Stromstärken, während engere Röhren vielmehr hinter den ihren Gewichten
entsprechenden Magnetisirungen zurückbleiben, ohne jedoch dabei großen Abweichungen
von der Müller'schen Formel zu unterliegen. (Die
beschriebenen Erscheinungen zeigen sich bei weiten Röhren aus sehr dünnen Blechen in
so hohem Grade, daß z.
B. bei einem der mitgetheilten Versuche die Wirkung
eines solchen Rohres bei einer gewissen Stromstärke der eines massiven Stabes von
mehr als dreizehnfachem Gewichte bei gleicher Stromstärke gleichkam.)
VIII. Aggregate von Eisenfeilspänen, in die Form eines Cylinders gebracht und der
Einwirkung eines magnetisirenden Stromes ausgesetzt, zeigen hinsichtlich der temporären Magnetisirung ein ähnliches Verhalten wie sehr
harte Stahlstäbe, doch gibt sich dabei eine noch geringere Magnetisirbarkeit zu
erkennen, sowohl durch eine langsamere Zunahme der magnetischen Momente als auch
durch einen viel kleineren Betrag ihrer absoluten Werthe, während andererseits der
magnetische Rückstand – natürlich viel kleiner als beim Stahl –
ungefähr dem bei dünnen Eisendrähten vorkommenden entspricht.
Der Verfasser gibt eine Erklärung dieses eigenthümlichen Verhaltens und erläutert
dasselbe durch eine auch das Verhalten von Eisen- und Stahlstäben damit
vergleichende graphische Darstellung.
Am Schlusse der Abhandlung, mit welcher der Verfasser die Frage nach dem
elektromagnetischen Verhalten von Drahtbündeln und Röhren im Vergleiche mit massiven
Stäben in der Hauptsache erledigt zu haben glaubt, bespricht derselbe das Lenz-Jacobi'sche Gesetz, indem er aus einer
größeren Anzahl von jetzt vorliegenden Beobachtungsresultaten die Richtigkeit seiner
bereits in früheren Abhandlungen ausgesprochenen Behauptung außer Zweifel stellt,
daß nämlich das Lenz-Jacobi'sche Gesetz in der
Regel bis zu Magnetisirungen vom halben Betrage des magnetischen Maximums
Geltung hat. (Anzeiger der Wiener Akademie der Wissenschaften vom 19. Mai
1870.)