Titel: | Ueber die Santorinerde; von Dr. G. Feichtinger. |
Autor: | Georg Feichtinger |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. XXXVI., S. 146 |
Download: | XML |
XXXVI.
Ueber die Santorinerde; von Dr. G. Feichtinger.
Feichtinger, über die Santorinerde.
Obwohl über die Zusammensetzung der Santorinerde bereits mehrere Analysen vorliegen,
so geben uns dieselben doch keine vollständige Aufklärung, in welcher Weise die
Santorinerde als Cement wirkt, d.h. warum dieselbe mit Kalk zusammengebracht unter
Wasser einen sehr hart und fest werdenden Mörtel gibt. Es schien mir daher von
Interesse zu seyn, die Santorinerde einer wiederholten Untersuchung, mit besonderer
Rücksicht auf den letzteren Punkt, zu unterwerfen, welches mir auch dadurch möglich
gemacht wurde, daß ich durch die Güte des Hrn. Franz Glanz, k. ungarischem Bauinspector in Fiume, in den Besitz einer größeren
Partie Santorinerde, welche zu den großen Hafenbauten in Fiume verwendet wird,
gelangte.
Die Santorinerde findet sich auf der griechischen Insel Santorin und bedeckt die
ganze Insel, welche 3 1/2 Quadratmeilen groß ist, in solcher Menge daß deren
Ausbeute kaum denkbar ist; sie wird schon seit langer Zeit in den am
mittelländischen Meere gelegenen Ländern zu Wasserbauten verwendet; in der neuesten
Zeit fand sie in beträchtlicher Menge auch zu den großen Wasserbauten in Trieft,
Venedig und Fiume mit dem allerbesten Erfolge Anwendung.Hinsichtlich ausführlicher Mittheilungen über die Entstehung dieser Insel,
welche als ein großer Krater eines noch nicht ganz erloschenen Vulcanes
erscheint, sowie über die geognostische Beschaffenheit der Insel und über
die Verwendung der Santorinerde verweise ich auf die allgemeine Bauzeitung
von Förster, 1848 S. 53, sowie auf:
„Der Bau des vereinigten Slip- und Trocken-Docks
im neuen Arsenale des österreichischen Lloyd in Trieft von Eduard J. Heider, Oberingenieur des österr.
Lloyd;“ letzteres gediegene Werk enthält wichtige Beiträge
über die Verwendung der Santorinerde zu Wasserbauten.
Die chemische Analyse der mir zu Gebot gestandenen Santorinerde ergab für dieselbe
(bei 100° C. getrocknet) folgende Zusammensetzung:
In Wasser löslich
Schwefelsaurer KalkChlornatrium
0,05Spur = 0,05
In
Salzsäure löslich
ThonerdeEisenoxydKalkBittererdeKieselerde
1,361,410,040,23Spur = 3,40
In
Salzsäure unlöslich
KieselerdeThonerdeEisenoxydKalkBittererdeKaliNatron
66,3712,36 2,90 2,58 1,06 2,83 4,22
= 92,32
Wasser
4,06 = 4,06
–––––––
99,83
Hiernach fand ich ebenfalls, in Uebereinstimmung mit den Resultaten Anderer, daß die
Santorinerde von den anderen vulcanischen Producten, welche in gleicher Weise zu
Wassermörtel verwendet werden, wie der Traß am Rhein und die Puzzolanerde, sich
namentlich durch einen bedeutend höheren Gehalt an Kieselerde unterscheidet, und
auch dadurch daß von der Kieselerde nur eine Spur in Salzsäure löslich ist.
Santorinerde gelatinirt nicht mit concentrirter Salzsäure.
Da nun die Santorinerde, dem gewöhnlichen Kalkmörtel beigesetzt, bekanntlich im
Wasser damit eine sehr harte feste Masse bildet, so lag der Gedanke nahe, daß die
Santorinerde Kieselerde im freien amorphen Zustande oder Silicate enthalte, welche
von Salzsäure zersetzt werden, ohne daß dabei Gallertbildung eintritt oder
Kieselerde gelöst wird.
Bei einem Probe-Versuch fand ich auch daß, wenn man Santorinerde mit
verdünnter erwärmter Kalilauge behandelt, von letzterer eine beträchtliche Menge
Kieselerde nebst einer geringen Quantität Thonerde gelöst wird. Um die in Kalilauge
lösliche Kieselerde quantitativ zu bestimmen, behandelte ich eine abgewogene Menge
Santorinerde (fein gepulvert und bei 100° getrocknet) so lange mit sehr
verdünnter Kalilauge in der Wärme als noch Kieselerde gelöst wurde; letztere wurde
dann aus der alkalischen Lösung mit Salmiak gefällt, auf einem Filter gesammelt,
schwach erhitzt und mit Salzsäure die Thonerde ausgezogen; die so von der Thonerde
befreite Kieselerde wurde ausgewaschen, geglüht und gewogen; die Menge der in
Kalilauge gelösten Kieselerde betrug 30,3 Procent.
Die mit verdünnter Kalilauge behandelte Probe der Santorinerde wurde hierauf mit
Salzsäure erwärmt, ausgewaschen und nochmals mit verdünnter Kalilauge in der Wärme
behandelt. Hierbei lösten sich 5,1 Procent Kieselerde auf.
Es ist demnach in der Santorinerde beinahe ein Drittel der Kieselerde im amorphen
freien Zustande enthalten; eine kleine Menge hiervon ist in Verbindung mit Basen,
welche Verbindungen durch Salzsäure zersetzbar sind; der größte Theil der Kieselerde gehört
Silicaten an, die durch Salzsäure nicht zersetzbar sind.
Dem großen Gehalt an freier amorpher Kieselerde ist es auch vorzugsweise
zuzuschreiben, daß die Santorinerde mit Kalkmörtel unter Wasser zu einer festen
Masse erhärtet, und nur in geringerem Grade tragen die durch Salzsäure zersetzbaren
Silicate zur Erhärtung bei, wie aus folgendem Versuch hervorgeht: Ich behandelte
eine Partie Santorinerde mit verdünnter Kalilauge, um die hierin lösliche
Kieselsäure vollständig wegzuschaffen; nachdem dieselbe gut ausgewaschen war, wurden
3 Gew. Theile hiervon mit 1 Gew. Theil Kalkhydrat und Wasser zum Mörtel angerührt;
derselbe hatte nach mehreren Wochen, obwohl er immer mit Wasser benetzt wurde, noch
nicht so viel Zusammenhang angenommen, daß er in's Wasser gebracht werden konnte,
ohne zu zerfallen; ich war daher genöthigt, denselben, um ihn in's Wasser legen zu
können, in Papier fest einzuwickeln; aber selbst nach einem Jahre hatte derselbe im
Wasser noch keine große Festigkeit erlangt, während dagegen Santorinerde, welche
nicht mit Kalilauge behandelt war, in gleichem Verhältnisse mit Kalkhydrat zu Mörtel
angemacht, nach einigen Tagen unter Wasser gebracht werden konnte, ohne zu
zerfallen, und dieser Mörtel wurde nach einigen Monaten so hart und fest wie der
beste Portland-Cement-Mörtel.
Durch diesen Versuch steht somit fest, daß es vorzugsweise die freie amorphe
Kieselerde ist, welche in der Santorinerde als Cement wirkt; die Erhärtung des
Santorinmörtels erfolgt in Folge einer unter Wasser sich bildenden Verbindung von
Kieselerde mit Kalk. Daß wirklich eine derartige Verbindung sich bildet, dürfte aus
folgendem Versuch hervorgehen: Feingepulverte Santorinerde wurde in einem Glase mit
Kalkwasser übergossen, dasselbe gut verschlossen vor Luftzutritt geschützt, und
unter öfterem Umschütteln stehen gelassen. Nach einem Monate wurde das Kalkwasser
vorsichtig von der Santorinerde abgegossen, die Flasche wieder mit frischem
Kalkwasser angefüllt, verstopft und ebenfalls wieder einen Monat mit einander in
Berührung gelassen und dieses während eines Jahres jeden Monat wiederholt. Die ein
ganzes Jahr mit Kalkwasser in Berührung gestandene Santorinerde wurde auf einem
Filter gesammelt, ausgewaschen und bei 100° C. getrocknet; in einer
abgewogenen Menge wurde dann durch den Glühverlust der Wassergehalt und in einer
anderen abgewogenen Menge durch Behandlung mit Salzsäure etc. die Menge des Kalkes
bestimmt.
Hierbei wurde für die mit Kalkwasser behandelte Santorinerde ein Gehalt an Wasser von
9,64 Procent und an Kalk von 13,2 Procent gefunden. Von kohlensaurem Kalk war nur
eine Spur vorhanden, indem beim Uebergießen der Probe mit Salzsäure sich nur einige Gasbläschen
entwickelten.
Es ist daher unzweifelhaft, daß bei der Erhärtung des Santorinmörtels eine chemische
Verbindung zwischen der Kieselerde der Santorinerde und dem zugesetzten Kalke sich
bildet, und zwar geht aus oben beschriebenem Versuche hervor, daß bei der Erhärtung
auch noch Wasser von dem sich bildenden Kalksilicate aufgenommen wird.
Die Vereinigung von Kieselerde und Kalk erfolgt verhältnißmäßig langsam und zwar nur
unter Mitwirkung von Wasser, daher ist die Santorinerde auch ohne alle Wirkung, wenn
ein damit hergestellter Mörtel zu Luftbauten verwendet wird; der Santorinmörtel
wird, wie ich mich überzeugte, an der Luft nicht hart, indem das Wasser des Mörtels
viel eher abdunstet als die Verbindung zwischen Kalk und Kieselerde, die Ursache der
Erhärtung, eingetreten ist. Benetzt man dagegen einen an der Luft liegenden
Santorinmörtel öfters mit Wasser, so daß er immer feucht ist, so wird derselbe
ebenfalls hart.
Die schon von Elsner gemachte Beobachtung, daß
Santorinmörtel nur so lange hart bleibt als er stets unter Wasser gehalten wird, und
daß derselbe da, wo er nicht stets unter Wasser bleibt, zu einer zerreiblichen Masse
abblättert, kann ich ebenfalls bestätigen; dieses Verhalten erklärt sich einfach
dadurch: die Erhärtung des Santorinmörtels erfolgt vorzugsweise durch Bildung von
kieselsaurem Kalk und diese Verbindung wird sehr leicht durch die Kohlensäure der
Luft zersetzt. Hiervon kann man sich durch folgenden einfachen Versuch überzeugen:
die aus Wasserglas-Lösung abgeschiedene Kieselerde erhärtet mit Kalk unter
Wasser sehr gut, sowie aber die erhärtete Masse an die Luft gelegt wird, wird sie
ganz zerreiblich, und aller Kalk geht in kohlensauren Kalk über.
Ich glaube ferner annehmen zu dürfen, daß die amorphe Kieselerde in der Santorinerde
nur deßhalb so günstig wirkt und eine verhältnißmäßig rasche Erhärtung des
Santorinmörtels bewirkt, weil die Kieselerde im wasserhaltigen Zustand in der
Santorinerde enthalten ist. Ich schließe dieses aus dem folgenden Verhalten der
Santorinerde: die Santorinerde, wie sie in der Natur gefunden wird, nimmt, dem
Kalkmörtel zugesetzt, in längstens zwei Tagen so viel Zusammenhang an, daß er in's
Wasser gebracht werden kann, ohne zu zerfallen, und in einigen Monaten hat derselbe
eine bedeutende Härte erlangt.
Ganz anders verhält sich die Santorinerde, wenn man sie erhitzt um das Wasser
auszutreiben, wobei man die Hitze nicht so hoch zu steigern braucht, daß sie zum
Schmelzen kommt; auf diese Weise entwässerte Santorinerde mit Kalk zu Mörtel
angemacht, mußte monatelang in Papier eingewickelt im Wasser liegen, bis die Masse so
viel Zusammenhang angenommen hatte, daß sie in Wasser nicht mehr zerfiel und nach 1
1/2 Jahren hatte dieser Mörtel noch lange nicht die Festigkeit und Härte erlangt,
wie derjenige von nicht entwässerter Santorinerde.
Die durch Erhitzen entwässerte Santorinerde erhärtet also mit Kalk ebenfalls, aber
die Erhärtung braucht längere Zeit, indem die Vereinigung von Kieselsäure und Kalk
hierbei viel langsamer vor sich geht.
Durch Erhitzen entwässerte Santorinerde wurde, auf dieselbe Weise wie oben
beschrieben, ein ganzes Jahr mit Kaltwasser behandelt; nach dieser Zeit wurde in
derselben ein Wassergehalt von 6,56 Procent und ein Kalkgehalt von 8,68 Procent
gefunden; demnach hatte die entwässerte Santorinerde in derselben Zeit in Berührung
mit Kalkwasser ebenfalls Wasser und Kalk aufgenommen, aber die Menge derselben war
eine geringere wie bei der nicht entwässerten Santorinerde.
Es ist daher nicht richtig, wie man annimmt, daß erhitzte und entwässerte
Santorinerde mit Kalk keinen unter Wasser erhärtenden Mörtel gibt; mit entwässerter
Santorinerde angemachter Mörtel wird auch hart, aber derselbe braucht hierzu längere
Zeit.
Das bisher Ausgesprochene, daß nämlich die Santorinerde vorzugsweise durch ihren
Gehalt an freier amorpher wasserhaltiger Kieselerde als Cement wirkt, findet in
folgendem Verhalten der Santorinerde noch eine weitere Bestätigung: In dem oben
citirten Werke gibt Heider an, daß man aus als gut
erkannter Santorinerde durch Schlämmen mit Wasser drei getrennte Massen abscheiden
kann: I, 1/20 der Santorinerde ist Bimsstein, der leichter als Wasser ist und auf
der Oberfläche schwimmt; II, der größere Theil der Santorinerde ist ein feines
lichtgraues Pulver, welches sich durch Schlämmen abscheiden läßt von III, einem
scharfkantigen, größtentheils schwarzen, mitunter auch roth, gelb und anders
gefärbten Sand, der Hauptsache nach aus Obsidian in seinen verschiedenen Formen
bestehend.
Heider hält nach angestellten Versuchen den feinen Theil
II für den wertvolleren, für den Cement; die beiden anderen betrachtet er nur als
guten Sand; Santorinerde sey demnach ein Gemenge von Cement und Sand.
Daß die Santorinerde durch Schlämmen mit Wasser in drei verschiedene Massen getrennt
werden kann, fand ich bestätigt; bei der mir zu Gebote gestandenen Santorinerde
betrug der auf Wasser schwimmende Theil ungefähr 1/5, das feinere Pulver etwas über
3/5 und der gröbere schwarze Sand nicht ganz 1/5 der ganzen Santorinerde. Mit diesen
drei aus der Santorinerde durch Schlämmen mit Wasser abgeschiedenen Massen wurden (die gröberen
Theile natürlich zuerst fein gepulvert) mit Kalkhydrat Mörtel angemacht, um ihr
Verhalten in Wasser kennen zu lernen; das Resultat war folgendes: Der mit dem auf
dem Wasser schwimmenden Theile bereitete Mörtel mußte, damit er unter Wasser
gebracht werden konnte ohne zu zerfallen, in Papier eingewickelt werden, worin er
nach einem Jahre wohl Zusammenhang erhielt, aber immer noch so weich war, daß er
Eindrücke mit dem Fingernagel annahm. Der mit dem feinen Pulver angerührte Mörtel
hatte schon nach einem Tage so viel Zusammenhang erlangt, daß er ohne zu zerfallen
in's Wasser gebracht werden konnte, und nach einigen Monaten war derselbe so hart
und fest wie der beste Portland-Cement-Mörtel.
Die gröbere Masse III gab mit Kalkhydrat auch keinen besseren Mörtel als der auf dem
Wasser schwimmende Theil.
Diese drei durch Schlämmen aus der Santorinerde abscheidbaren Massen sind aber nicht
bloß nach ihrem Aussehen und Verhalten zu Kalkmörtel verschieden, sondern sie sind
auch von verschiedener chemischer Zusammensetzung und enthalten auch verschiedene
Mengen von amorpher in Kalilauge löslicher Kieselerde.
Die chemische Analyse ergab für diese drei Massen (gepulvert und bei 100°
getrocknet) nachstehende Zusammensetzung:
Textabbildung Bd. 197, S. 151
Bimsstein; Feinere Theile; Gröbere
Stücke; In Salzsäure löslich; Kalkerde; Magnesia; Eisenoxyd; Thonerde;
Kieselerde; Spur; In Salzsäure unlöslich; Kalk; Kali; Natron; Wasser
Von in verdünnter Kalilauge löslicher Kieselerde wurden folgende Mengen gefunden:
I.
II.
III.
5,2 Proc.
28,4 Proc.
3,4 Proc.
Es ist demnach im feineren abschlämmbaren Theil die Kieselerde beinahe zur Hälfte im
amorphen, in Kalilauge löslichen Zustande, woher es auch kommt, daß derselbe mit
Kalkmörtel eine sehr harte Masse bildet.
Es ist daher die Santorinerde, wie Heider ganz richtig
gefunden hat, als ein Gemenge von Cement und Sand zu betrachten; das Cement ist der
feine abschlämmbare Theil und der Sand sind die auf dem Wasser schwimmenden
Bimssteinstücke und die gröberen Obsidianstücke. Nur dem feinen Pulver, d.h. der
darin in großer Menge vorkommenden amorphen wasserhaltigen Kieselerde verdankt die
Santorinerde ihre Wirksamkeit als Cement.
Es ließe sich daher jedenfalls aus der Santorinerde ein noch wirksameres Cement
herstellen, wenn man die feineren Theile von den gröberen durch Sieben trennen und
nur die feineren mit Kalkmörtel vermengt anwenden würde. Da aber in der Praxis,
namentlich zu Wasserbauten, immer noch Sand zugesetzt werden muß, so ist dieß nicht
nothwendig, vorausgesetzt daß eben die Menge der Bimsstein- und
Obsidianstücke nicht zu bedeutend ist. Selbstverständlich ist, daß sich nach der
Menge der in der Santorinerde enthaltenen feineren Theile, welche die größte Menge
von freier Kieselerde enthalten, die Menge des zuzusetzenden Kalkes und auch Sandes
richten muß. Je mehr die feineren Theile vorherrschen, desto besser wirkt die
Santorinerde als Cement und verträgt dann einen größeren Zusatz von Kalk und
Sand.
Es ist klar, daß auch die chemische Zusammensetzung der Santorinerde nicht immer die
gleiche ist; sie wird verschieden seyn, je nachdem die feineren Theile oder die
gröberen Stücke darin vorherrschen.