Titel: | Ueber die Bestimmung des im Roheisen und Stahl enthaltenen Graphits; von Boussingault. |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. LVII., S. 228 |
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LVII.
Ueber die Bestimmung des im Roheisen und Stahl
enthaltenen Graphits; von Boussingault.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, 4. série, t. XX p. 243; Juni 1870.
Boussingault, über Bestimmung des Graphits.
Das Roheisen und gewisse Stahlsorten enthalten den Kohlenstoff in zweierlei
Zuständen: theils mit dem Eisen chemisch verbunden und daher mit dem Auge nicht
wahrnehmbar; theils dem Metall mechanisch beigemengt, entweder als schwarzes,
amorphes Pulver oder in krystallinischen, glänzenden Blättchen, als Graphit (im metallurgischen Sinn). Man hat allen Grund
anzunehmen daß, wenn das Roheisen schmelzflüssig ist, sämmtlicher Kohlenstoff an
dasselbe gebunden, in ihm aufgelöst ist, und daß erst während des Erkaltens ein
Theil dieses Kohlenstoffes frei wird. In den schwarzen (dunkelgrauen) körnigen
Roheisensorten lassen sich zahlreiche Graphitblättchen wahrnehmen; im grauen
Roheisen sind dieselben weniger häufig und um sie im weißen Roheisen zu entdecken,
muß man zur Analyse seine Zuflucht nehmen, namentlich bei einem Spiegeleisen mit
glatten, wie polirtes Silber glänzenden Spaltungsflächen.
Durch Auflösen eines Eisencarburets in Chlorwasserstoffsäure läßt sich der Zustand
des Kohlenstoffes sogleich erkennen. Der freie Kohlenstoff, der Graphit, bleibt dem
unauflöslichen Rückstande beigemengt. Enthält das Eisen keinen Graphit, sondern nur
gebundenen Kohlenstoff, so bleibt kein kohliger Rückstand; der Kohlenstoff wird
während der Auflösung eliminirt und ertheilt dem entwickelten Wasserstoff einen ganz
charakteristischen, von flüchtigen ölartigen Substanzen herrührenden üblen Geruch.
Feiner Stahl, welcher weder Graphit noch Schlacke enthält, löst sich vollständig
auf. Graues Roheisen entwickelt bei der Behandlung mit Säure gleichfalls ein übel
riechendes Gas, hinterläßt aber einen kohligen Rückstand, weil es den Kohlenstoff in
beiden Zuständen enthält.
Proust hat (im Jahre 1799) zuerst auf die beim Auflösen
des schwarzen Roheisens in einer Säure sich bildende ölartige Substanz aufmerksam
gemacht. Er fand, daß ein Theil dieses Oeles von dem entwickelten Wasserstoff
mitgerissen wird, welchem es einen knoblauchähnlichen Geruch ertheilt, während ein
anderer Antheil desselben einem kohlehaltigen Rückstande beigemengt bleibt, aus
welchem es durch Anwendung von Alkohol als Lösungsmittel extrahirt werden kann.
Die Bildung von Kohlenwasserstoffen während der Auflösung eines kohlenstoffhaltigen Eisens in
einer Säure ist Folge der im nascirenden Zustande stattfindenden Vereinigung des
Kohlenstoffes mit dem Wasserstoffe, unter „nascirendem
Zustande“ der Molecularzustand verstanden, worin sich jeder dieser
Körper befindet, wenn er aus einer Verbindung, in welcher er vorhanden ist, frei
wird. Damit diese Verbindung des Kohlenstoffes mit dem Wasserstoffe stattfinden
kann, genügt es nämlich nicht, daß nur einer dieser Körper in jenem
Molecularzustande sich befindet. Wenn z.B. das Wasserstoffgas durch Einwirkung einer
Säure auf ein inniges Gemenge von Graphit und Zink entwickelt wird, so zeigt es
nicht den geringsten üblen Geruch, weil der freie Kohlenstoff nicht mehr in dem zur
Vereinigung mit dem nascirenden Wasserstoffe erforderlichen Zustande sich befindet.
Ferner gibt der außerordentlich zertheilte amorphe Kohlenstoff, welcher aus feinem
Stahle extrahirt wurde, in welchem er mit dem Eisen verbunden war, kein riechendes
Wasserstoffgas mehr, wenn man, nachdem er mit Zink zusammengerieben worden, auf das
Gemenge verdünnte Säure gießt. Ganz anders ist der Vorgang beim Auflösen von feinem
Stahl, welcher aus Eisen, mit 1 bis 2 Proc. Kohlenstoff chemisch verbunden, besteht;
das sich entwickelnde Gas besitzt den üblen Geruch, weil der Kohlenstoff sich in dem
Maaße als er frei wird, mit Wasserstoff in demselben Molecularzustande, nämlich im
nascirenden Zustande verbindet, um Hydrocarbüre zu bilden.
Behandelt man Roheisen mit Chlorwasserstoffsäure, so kann man den Graphit isoliren,
weil der im Metalle enthaltene gebundene Kohlenstoff
während der Auflösung des Eisens eliminirt wird. Dieses Mittel zur Bestimmung des
Graphitgehaltes eines Kohleneisens ist, wie ich glaube, von Karsten angegeben worden. Nachdem man den Graphit in dem ungelöst
gebliebenen Rückstande erhalten hat, kann man ihn quantitativ durch Verbrennen in
Sauerstoffgas bestimmen; seine Gewichtsmenge wird durch den Verlust repräsentirt,
welchen der unlösliche Rückstand erleidet, vorausgesetzt daß sämmtliches Eisen in
Lösung gegangen ist. Bei Gegenwart dieses Metalles ist die quantitative Bestimmung
des Graphits mit Hülfe von Sauerstoff allerdings auch möglich, aber man muß dem
Apparate eine solche Einrichtung geben, daß die beim Verbrennen des Graphits
gebildete Kohlensäure aufgefangen und gewogen werden kann.
Hat man es mit einem Gemenge von Graphit und gebundenem
Kohlenstoff zu thun, wie man dasselbe bei der Behandlung von grauem Roheisen mit
Quecksilberchlorid erhält, so läßt sich jede der beiden Arten von Kohlenstoff auf
die Art bestimmen, daß man dieses Gemenge in Berührung mit der Luft auf eine
Temperatur erhitzt, welche Dunkelrothgluth nicht überschreitet; der gebunden gewesene Kohlenstoff
entzündet sich und verbrennt, während der Graphit zurückbleibt; letzterer wird in
einem Strome von Sauerstoffgas verbrannt; als Rückstand bleibt die vom
Siliciumgehalte des Roheisens herrührende Kieselsäure, welche zuweilen Schlacke
beigemengt enthält. Es ist zu empfehlen, nach jeder Verbrennung das Zurückgebliebene
in Wasserstoffgas zu erhitzen, um dadurch in dem Falle wo Spuren von Eisen vorhanden
wären, das Metall in den Zustand zurückzuführen, in welchem es sich in dem
kohlehaltigen Gemenge befand. Ich habe diese Methode zur Bestimmung des Graphits und
des gebundenen Kohlenstoffes hauptsächlich deßhalb gewählt, um nicht zu der
sogenannten organischen Analyse meine Zuflucht nehmen zu
müssen, einer langwierigen und schwierigen Operation, welche eine absolute
Austrocknung des zur Verbrennung dienenden Gases, sowie die Wägung der zur
Condensirung der Kohlensäure dienenden Apparate erheischt.
Obgleich ich die auf die verschiedene Verbrennbarkeit der beiden Kohlenstoffarten
gegründete Methode zur Bestimmung des mit dem gebundenen Kohlenstoffe gemengten
Graphits für hinlänglich genau hielt, so glaubte ich doch die nach diesem Verfahren
erhaltenen Resultate mit denen vergleichen zu müssen, welche die vorläufige
Abscheidung des Graphits und seine darauf folgende Verbrennung gibt. Auch war es
wünschenswerth, über die Natur des beim Auflösen von graphitischem Roheisen in
Säuren bleibenden Rückstandes Aufklärung zu erhalten.
I. Zweimal cementirter Stahl. – 1,5 Grm. mit
Quecksilberchlorid behandelt gaben:
nach Verflüchtigung des Quecksilberchlorürs,
0,030 Grm.
kohlige Substanz
nach der Verbrennung an der Luft und der
0,013 „
Reduction, graphitischen Rückstand
–––––––––––
an der Luft verbrannten Kohlenstoff
0,017 Grm. (gebundenen Kohlenstoff)
nach der Verbrennung in Sauerstoff und
0,005 „
der Reduction, weißgrauen Rückstand
von Kieselsäure
–––––––––––
in Sauerstoff verbrannten Kohlenstoff
0,008 Grm. (Graphit).
Demnach sind in 1 Grm. Stahl enthalten:
gebundener Kohlenstoff
0,0113 Grm.
Graphit
0,0054 „
II. 5 Grm. desselben Stahles wurden mit Chlorwasserstoffsäure behandelt. Nach
erfolgter Auflösung wurde die Flüssigkeit einige Minuten lang im Sieden
erhalten.
Der Rückstand wurde auf einem in einen Trichter gesteckten Asbestpfropfen gesammelt,
mit heißem Wasser ausgewaschen, getrocknet, und dann in einem Strome von trockenem
Wasserstoffgas zur beginnenden Rothgluth erhitzt.
Dieser Rückstand wog
0,058 Grm.
nach dem Verbrennen in Sauerstoff wog der weiße
0,025 „
Rückstand von Kieselsäure
–––––––––
folglich betrug der verbrannte Graphit
0,033 Grm.
Demnach enthielt 1 Grm. Stahl:
Graphit
0,0066 Grm.
durch die I. Bestimmung
0,0054 „
––––––––––
Differenz
0,0012 Grm.
Aus 1 Grm. Stahl wurde erhalten:
Kieselsäure, I.
0,0034 Grm.
„
II.
0,0050 „
Hinsichtlich der Kieselsäure muß ich bemerken, daß keines der beiden Verfahren
annehmbare Resultate zu geben vermag, weil ein Theil der Kieselsäure mit in Lösung
geht.
Weißes Roheisen von Ria
(Ostpyrenäen).
I. Beim Chloriren durch Quecksilberchlorid gaben 1,5 Grm. dieses Roheisens:
kohlige Substanz
0,089 Grm.
nach der Verbrennung an der Luft und der Reduction,
0,028 „
schwach grau gefärbte Kieselsäure
–––––––––
verbrannten Kohlenstoff
0,061 Grm.
Dieß gibt für 1 Grm. Roheisen:
gebundener Kohlenstoff
0,0406 Grm.
Kieselsäure
0,019 „Da das Roheisen mit Quecksilberchlorid in einem Glasmörser
zusammengerieben wurde, so ward dadurch Kieselsäure eingeführt.
II. Von demselben Roheisen wurden 5 Grm. mit Chlorwasserstoffsäure behandelt. Das
sich entwickelnde Wasserstoffgas war außerordentlich übelriechend. Nach erfolgter
Auflösung wurde die saure Flüssigkeit zum Sieden erhitzt und dann zum Erkalten
hingestellt. Der auf Asbest gesammelte Rückstand wurde nach dem Auswaschen
getrocknet und in einem Strom von trockenem Wasserstoffgas bei Dunkelrothgluth
geglüht; er war dann graulich gefärbt.
Dieser Rückstand wog
0,043 Grm.
nach dem Erhitzen zum Rothglühen in Sauerstoff
0,040 „
und der Reduction
–––––––––
verbrannter Graphit
0,003 Grm.
Der weiße Rückstand hatte ganz das Aussehen von Kieselsäure und verschwand bei der
Behandlung mit Fluorwasserstoffsäure vollständig.
Auf 1 Grm. Roheisen berechnet, erhalten wir:
Graphit 0,0006 Grm.
Man hatte die sehr geringe Menge Graphit bestimmt, welche die nach der Chlorirung im
Versuch I gefundene Kieselsäure enthielt.
In den mit Chlorwasserstoffsäure beim Versuch II behandelten 5 Grm. Roheisen waren
0,203 Grm. gebundener Kohlenstoff enthalten, welche während der Auflösung
verschwanden.
Mit heißem Winde erblasenes graues
Roheisen von Ria.
I. Durch die Chlorirung von 1,5 Grm. dieses Roheisens erhielt man:
kohlige Substanz
0,0645 Grm.
nach der Verbrennung an der Luft und
der Reduction
0,0540 „
Auf 1 Grm. berechnet:
–––––––––
verbrannten (gebundenen) Kohlenstoff
0,0105 Grm.
0,0070 Grm.
nach der Verbrennung in Sauerstoff
und der Reduction, weiße Kieselsäure
0,0050 „
0,0033 „
–––––––––
verbrannten Graphit
0,0490 Grm.
0,0327 „
II. 5 Grm. desselben Roheisens, mit Chlorwasserstoffsäure behandelt, hinterließen
einen schwarzen Rückstand, welcher auf Asbest gesammelt, gewaschen, getrocknet und
in einem Wasserstoffstrome auf Rothgluth erhalten wurde.
Dieser Rückstand wog
0,257 Grm.
nach der Verbrennung im Sauerstoff, weiße Kieselsäure
0,105 „
–––––––––
verbrannter Graphit
0,152 Grm.
Auf 1 Grm. Roheisen berechnet, gibt dieß:
Graphit
0,0304 Grm.
Kieselsäure (erhalten)
0,010 „
Demnach wurde bei dem Chloriren etwas mehr Graphit gefunden und viel weniger
Kieselsäure erhalten, als beim Auflösen in Chlorwasserstoffsäure. Ich muß nochmals
darauf aufmerksam machen, daß aus dem vorhin angegebenen Grunde die Kieselsäure in
beiden Fällen unrichtig bestimmt wurde. Als ich das Roheisen von Ria mit
Königswasser behandelte und so verfuhr, daß sämmtliche Kieselsäure in der schwachen
Säure unlöslich gemacht wurde, stellte sich die Menge derselben, auf 1 Grm. Roheisen berechnet, zu
0,0234 Grm. heraus, entsprechend 0,0111 Grm. Silicium.
III. 9,883 Grm. desselben grauen Roheisens wurden mit Chlorwasserstoffsäure
behandelt. Der kohlige Rückstand wog nach dem Waschen, Trocknen und Erhitzen in
Wasserstoff 0,508 Grm. und wurde in einem Platinschiffchen in einer zum Rothglühen
erhitzten Porzellanröhre durch einen Strom von trockenem Sauerstoffgas verbrannt.
Zum Condensiren des während der Verbrennung gebildeten Wasserdampfes und
Kohlensäuregases dienten Röhren, welche mit Schwefelsäure und Kalilauge getränkte
Bimssteinstückchen, enthielten.
Nach Beendigung der Operation fand man im Schiffchen vollkommen weiße,
außerordentlich fein zertheilte Kieselsäure.
Diese Kieselsäure wog
0,2080 Grm.
das Glasrohr mit den Schwefelsäure
0,013 Grm. =
0,00144 „
Wasserstoff
enthaltenden Bimssteinstückchen hatte
aufgenommen, Wasser
die Kaliröhren hatten condensirt,
1,095 „ =
0,29861 „
Kohlenstoff
Kohlensäure
––––––––––
0,5085 Grm.
Dieß gibt, auf 1 Grm. Roheisen berechnet:
Graphit
0,03021 Grm.
Wasserstoff
0,00014 „
Kieselsäure 0,021 Grm. =
0,00987 „
Silicium.
Die 0,021 Grm. Kieselsäure waren wirklich im Zustand von Kieselsäure in dem
analysirten kohligen Rückstande vorhanden, welchen die Chlorwasserstoffsäure
hinterließ; derselbe konnte aber auch etwas Schlacke enthalten, da das Roheisen von
solcher selten frei ist. Die gefundene Kieselsäure repräsentirt daher nicht genau
das mit dem Eisen verbundene Silicium.
Was die Menge des Graphits anbetrifft, so ist sie gleich der im Versuch II
gefundenen, nämlich 0,0304 Grm.
Es ist höchst wahrscheinlich, daß beim Auflösen des grauen Roheisens in
Chlorwasserstoffsäure das Silicium in Kieselsäure übergeht. Ich habe nämlich
constatirt, daß wenn man Siliciumeisen, welches durch directe Vereinigung von Eisen
mit Silicium dargestellt ist, in Chlorwasserstoffsäure auflöst, nur Kieselsäure
erhalten wird, welche theilweise löslich, theilweise unlöslich ist; ich bezweifle
sogar, daß sich Siliciumwasserstoffgas entbindet, da der knoblauchähnliche Geruch
des Gases von Kohlenwasserstoffen herrühren kann, welche durch den im angewendeten
Eisen enthaltenen Kohlenstoff gebildet wurden. Wenn in dem analysirten kohligen Rückstande
Siliciumeisen oder Siliciumoxyd vorhanden gewesen wäre, so hätte das Gewicht der
bestimmten Substanzen dasjenige des der Verbrennung unterworfenen Gemenges
übertroffen, wegen des Sauerstoffes welchen das Silicium fixirt hätte.
Aus diesen Untersuchungen ergibt sich:
1) daß während der Auflösung eines Eisencarburets in Chlorwasserstoffsäure die
Gesammtmenge des mit dem Metall verbundenen Kohlenstoffes eliminirt wird, wohingegen
der freie Kohlenstoff (Graphit) den in der Säure unlöslichen Substanzen beigemengt
bleibt;
2) daß in dem bei der Behandlung von grauem Roheisen mit Chlorwasserstoffsäure
bleibenden Rückstande ein Theil des mit dem Eisen verbunden gewesenen Siliciums in
Form von Kieselsäure sich vorfindet, folglich in diesem Rückstande weder
graphitartiges Silicium, noch Siliciumoxyd zugegen ist; daß die in demselben
Rückstande bestimmte Kieselsäure nicht den ganzen Siliciumgehalt des Roheisens
repräsentirt, weil ein Theil dieser Kieselsäure in der sauren Lösung
zurückbleibt;
3) daß sich mittelst des auf die verschiedene Verbrennbarkeit des gebundenen
Kohlenstoffes und des Graphits gegründeten Verfahrens die beiden Kohlenstoffarten in
dem durch Behandlung von Roheisen und Stahl mit Quecksilberchlorid erhaltenen
kohligen Rückstande mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lassen.