Titel: | Stehende Oelgas-Retorte; von Dr. B. Hübner in Rehmsdorf bei Zeitz. |
Autor: | B. Hübner |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. LXXIX., S. 313 |
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LXXIX.
Stehende Oelgas-Retorte; von Dr. B. Hübner in Rehmsdorf bei Zeitz.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Hübner's stehende Oelgasretorte.
Die von mir construirte stehende Oelgasretorte hat, wie die Figuren 3 und 4 (in 1/36
wirkl. Größe) zeigen, folgende Einrichtung.
a ist die gußeiserne, stehende, nach unten sich
verjüngende Retorte, deren Dimensionen den beanspruchten Leistungen entsprechend zu
wählen sind, – b sind die Einlaßtrichter für das
Oel mit Sperrung; solche Trichter können in beliebiger Anzahl auf dem Deckel der
Retorte angebracht werden; man wählt um so mehr, je größer der Durchmesser der
Retorte ist und je mehr Gas man innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erzeugen will.
Das Oel muß aus den Trichtern schon bei p auf die
glühenden Wandungen der Retorte treffen; dieselben müssen also möglichst nach der
Peripherie des Cylinders zu und, wenn man mehrere wählt, in gleichen Entfernungen
von einander angebracht werden. – c¹, c² ist der untere Verschluß der Retorte. Nachdem
die Schraube c² entfernt ist, kann c¹ mittelst eines Hakens von obenher leicht aus
der Retorte herausgenommen werden. Dichtung bei c¹ ist entbehrlich, bei c² wird mit
Lehm gedichtet. – d ist ein schmiedeeisernes
Einhängrohr zur Abführung des Gases aus der Retorte. Der Durchmesser richtet sich
nach der Gasproduction; im Allgemeinen ist es vortheilhaft, dasselbe Möglichst weit
zu nehmen. Der innerhalb und außerhalb des Cylinders befindliche Theil des
Einhängrohres (außerhalb Gußeisen) ist mit dem oberen Retortendeckel zusammengeschraubt und wird sammt
diesem bei der Reinigung des Apparates durch die Vorrichtung o (Kette mit Gegengewicht) in die Höhe gezogen. Es wird gut seyn, eine
zweite Vorrichtung d zum schnellen Auswechseln der durch
den Betrieb verunreinigten in Bereitschaft zu halten, damit die Vergasung möglichst
lange mit möglichst geringer Unterbrechung fortgesetzt werden kann. Die Reinigung
des Einhängrohres wird nämlich öfter nöthig als die der Retorte selbst. Die Dichtung
des oberen Retortendeckels wird ebenfalls mit Lehm bewirkt. – e sind Reinigungsvorrichtungen zum Ausstoßen von Ruß
etc. aus d und m während des
Betriebes. Die schmiedeeisernen Stangen dieser Vorrichtungen können der bequemeren
Handhabung halber aus verschiedenen Theilen zusammengeschraubt werden. – f sind gußeiserne Lappen an der Retorte, welche als
Träger derselben dienen. Je nach deren Durchmesser und Schwere sind zwei oder
mehrere zu wählen. g ist eine zweizöllige
Chamotte-Umkleidung der Retorte aus Nuthensteinen (man s. die Skizze Fig. 5)
zusammengesetzt (diese Nuthensteine liefert sehr gut die Firma Fr. Kollrepp und Comp. in Meißen
in Sachsen). – Muß der Betrieb der Retorte, wie es in kleineren Gasanlagen
der Fall ist, öfter unterbrochen werden, so wird man um Brennmaterial beim Anheizen
zu sparen, gut thun, nur das untere Drittheil mit den Nuthensteinen zuzn umkleiden. Bei weniger zu unterbrechendem Betrieb, wo also die Kosten des
Anheizens der Retorte keine so große Rolle spielen, empfiehlt es sich, die Retorte
bis obenhin in die Steine einzuhüllen. Durch die Hülle wird die Abnutzung der
Retorte wesentlich vermindert. – h ist das
Chamottefutter des inneren Ofens, i das Gitterwerk von
Chamottesteinen, k sind Räumlöcher zur Entfernung von
Asche etc., l ist die eiserne Ofenverankerung, m die Verbindung zwischen Retorte und Vorlage, deren
Durchmesser sich nach dem zu producirenden Gasquantum richtet, n endlich ist die Vorlage.
Die Vorzüge der stehenden Oel- (Paraffinöl-)
Gasretorte vor der liegenden sind folgende. Die stehende Retorte gestattet bei
gleich großer innerer Wandfläche wie die liegende, innerhalb eines bestimmten
Zeitraumes einen viel stärkeren Oeleinlaß als letztere, weil das Oel sehr gut an
verschiedenen Stellen den glühenden Wandungen zugeführt werden kann. In Folge dessen
ist die stehende Retorte viel leistungsfähiger als die liegende. Mit einer solchen
von den Dimensionen der Zeichnung lassen sich bei Anwendung von 4 Einlaßtrichtern
für das Oel, bei guter Feuerung und hinlänglich weiten Abzugsröhren und Vorlagen für
das Gas, bequem 1/2 bis 3/4 Ctr. Paraffinöl pro Stunde
und bei 1000 Kubikfuß Gasausbeute pro Ctr. Oel also bis
750 Kubf. Oelgas pro Stunde, bei nur dreifacher Leuchtkraft
wie Steinkohlengas gleichwerthig mit 2250 Kubkf. Steinkohlengas, produciren.
Gibt man der Retorte größere Dimensionen als die aus der Zeichnung ersichtlichen,
namentlich einen größeren Durchmesser, und vermehrt man die Zahl der Einlaßtrichter
für das Oel, so läßt sich die Gasproduction beträchtlich steigern.
Der Brennmaterialverbrauch bei der stehenden RetorteRetorre ist, abgesehen von dem Anheizen, ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend,
bedeuteud geringer als bei der liegenden; ebenso stellen sich die Arbeitslöhne für
ein gleiches Quantum Gas bei jener niedriger als bei dieser.
Die Gasausbeute bei dem Oele ist aus der stehenden Retorte größer als aus der
liegenden, weil die Vergasung eine vollständigere ist, theerige und asphaltartige
Rückstände sich in der Retorte nicht ansammeln. Die stehende Retorte ist besser
heizbar und besser in gleichmäßiger Temperatur zu erhalten als die liegende; in
Folge davon ist auch ihre Haltbarkeit viel größer als die der liegenden. Die
Haltbarkeit wird noch erhöht, wenn man die Retorte mit Nuthensteinen, wie aus der
Zeichnung ersichtlich, umkleidet. Es setzen sich in der stehenden Retorte viel
Weniger Kohks ab, als in der liegenden, die Graphitbildung wird dadurch
außerordentlich verlangsamt, ein Umstand der ebenso günstig für die Haltbarkeit der
Retorte wie für diedle Erzielung gleichmäßiger und hoher Temperaturen und Gasausbeuten aus den
Oelen ist. Die Rückstände aus den Oelen lagern sich bei weitem in der Hauptsache
erst in dem Einhängrohre d ab und sind daraus leichter
zu entfernen als aus der Retorte selbst.
Die stehende Retorte ist endlich viel leichter von Kohks zu reinigen als die
liegende, hauptsächlich deßhalb, weil ihre aufrechte Stellung ein kräftigeres
Ausstoßen erlaubt, als dieß bei der liegenden der Fall ist.