Titel: | Ueber Gußeisen, Stabeisen und Stahl zum Maschinenbau. |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. LXXXIII., S. 320 |
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LXXXIII.
Ueber Gußeisen, Stabeisen und Stahl zum
Maschinenbau.
Ueber Gußeisen, Stabeisen und Stahl zum Maschinenbau.
Man verwendet das Eisen zum Maschinenbau in seinen drei gewöhnlichen Formen, dem
Gußeisen, Stabeisen und Stahl.
1. Gußeisen.
Die Maschinenfabrication benutzt davon nur wenige Sorten und zwar nur diejenigen
welche auf dem Bruche mehr oder weniger grobkrystallinisch und dann zum Vergießen
besonders tauglich sind. Ausnahmsweise kommt weißes Eisen, und dann nur mit grauem vermischt, zur
Anwendung, z.B. zu Hartwalzen.
Von einem guten Gußeisen verlangt man neben möglichst großer Festigkeit nach dem
Erkalten auch eine gewisse Zähigkeit, hinreichende Dünnflüssigkeit beim Gießen,
nicht zu starkes Schwinden oder wenigstens gleichmäßiges Zusammenziehen dabei,
Homogenität, also keine Hohlräume und schwammige oder poröse Stellen darin, und
leichte Bearbeitbarkeit nach dem Gießen. Wenn sich auch einige dieser Eigenschaften
nach dem Bruch- und Oberflächenansehen im flüssigen Zustande mit ziemlicher
Sicherheit erkennen lassen, so beruhen doch wieder andere auf noch nicht näher
gekannten Ursachen und zeigen sich erst durch den Erfolg.
Nach dem Bruchansehen oder Korn
unterscheidet man:
Roheisen Nr. 1 mit sehr grobkörnigem Bruche bei dunkler
Farbe, bei großer Hitze erblasen, beim Umschmelzen sehr flüssig, ohne große
Festigkeit und sehr heiß zu vergießen, weil es fast ohne allen Uebergang in einen
teigartigen Zustand erstarrt, stark schwindend und in größeren Massen gegossen,
leicht Hohlräume bildend. Diese für die Gießerei gebräuchlichste Roheisensorte ist
auch die theuerste, weil ihre Herstellung viel Brennmaterial bedarf und bei den
verhältnißmäßig geringeren Sätzen die Production sich vermindert. Man gießt aus
diesem Eisen, vielleicht nur mit Zusatz von wenig gutem Bruch, Gegenstände welche
sehr dünn und weich seyn müssen und ein sehr dünnflüssiges, die Form gut
ausfüllendes Material erfordern, aber nicht fest zu seyn brauchen. Wird größere
Festigkeit und Dichtigkeit verlangt, so nimmt man von Nr. 1 weniger, dagegen mehr
guten Bruch oder mehr von Nummer 2. Diese Marke zeigt
gewöhnlich ein ungleichmäßiges, an verschiedenen Stellen feineres oder gröberes
Korn, genügt für die meisten Gießereizwecke und kann für gröbere Maschinentheile
ungattirt gebraucht werden. Nummer 3 ist bei sehr feinem
Korn leicht schmelzbar, aber strengflüssig, erstarrt nach dem Durchlaufen einer
teigigen Zwischenstufe langsam, schwindet wenig und gibt einen dichten und festen,
aber härteren Guß.
Da das Eisen beim Erstarren in der Form desto poröser, grobkörniger und mürber wird,
in je größeren Massen es angehäuft ist, so wählt man Eisen von um so feinerem Korn,
je massenhafter der Guß ausfallen und je größere Ansprüche man an Festigkeit und
Dichtigkeit machen muß.
Was das Oberflächenansehen oder den Spiegel des Eisens betrifft, so zeigt geschmolzenes Roheisen im Zustande
der größten Ruhe einen um so vollkommeneren Spiegel, je hitziger es ist; sehr mattes
Eisen überzieht sich mit einer Oxydhaut. Nicht in Ruhe, z.B. in Gießpfannen befindliches Eisen
zeigt, wenn es nicht zu matt, Figuren, welche in Folge
der inneren, einer Art complicirten Wellenbewegung auf seinen Zustand schließen
lassen. Sehr hitziges Eisen von grobem Korne zeigt eine spiegelnde Oberfläche mit
fortwährendem Flammen und Zucken, wahrscheinlich in Folge lebhaften Verbrennens
gewisser, auf die Oberfläche getriebener Substanzen. Beim Abkühlen zeigt das Eisen
an einzelnen Stellen, namentlich in der Mitte, ruhigere Flächen, auf welchen sich
fortwährend wechselnde Sternchen in großer Zahl zeigen, scheinbar in Folge von
Durchkreuzungen sehr kleiner Wellen, welche sich nach den verschiedensten Richtungen
hin bewegen und deren Gipfel dadurch bemerklich werden, daß auf ihnen die dünne, das
Eisen bedeckende Haut durchbrochen und das reine spiegelnde Eisen bloßgelegt ist. Je
hitziger das Eisen, um so kleiner sind die Wellen, also auch die Sternchen und desto
rascher wechseln sie. Bei der Abkühlung des Eisens werden sie träger und
verschwinden endlich unter der matten Oberfläche ganz. Bei Nummer 1 zeigt sich
dieser Uebergang rasch, indem die kurz vorher noch lebhaft bewegte Oberfläche
plötzlich matt unbeweglich wird. Nummer 2 und noch mehr Nr. 3 verlieren ihre
Bewegung erst allmählich und langsamer, bis sie erst spät gänzlich aufhört.
Als hauptsächlichste Fehler im Gusse sind Spannungen und Undichtheiten anzuführen.
Die Undichtheiten zeigen sich:
a) als schwammige Stellen, in Folge der Qualität des
Roheisens, wenn dasselbe unrein oder für den betreffenden Gegenstand unrichtig
gattirt ist;
b) als leere Blasenräume mit glatten Wandungen, zuweilen
gefüllt mit harten Kügelchen. Durchdringen dieselben den ganzen Guß oder einen
großen Theil desselben, so pflegt die Ursache ebenfalls mangelhafte Roheisenqualität
zu seyn, namentlich eine Verunreinigung des Eisens, besonders durch Schwefel. Die
meist glasharten Kügelchen ruiniren den Drehstahl stark. Zur möglichsten
Verminderung solcher Blasenräume bringt man mehrere Steigröhren an richtigen Punkten
der Form an;
c) als leere Räume mit tannenbaumförmigen
Eisenkrystallen, ein Zeichen daß dem Schwinden des Eisens durch die Möglichkeit
erneuter Eisenzufuhr nicht gehörig Rechnung getragen worden, daß nicht genug
Trichter oder diese nicht am rechten Orte waren, oder daß sie nicht lange genug
offen erhalten worden durch fortgesetztes Pumpen unduud Zugießen von immer möglichst hitzigem Eisen;
d) als mit Formmaterial (Sand, Lehm) oder Schlacke
angefüllte hohle Räume, eine Folge davon daß man den Krampstock nicht gehörig geleitet hat oder der
Lauf fehlerhaft angelegt worden, oder daß bei an Erdmetallen reichem Eisen noch eine
Schlackenbildung in der Form vor sich ging. In letzterem Falle zeigen sich die
Hohlräume nur in kleinen Dimensionen, aber massenhaft.
Durch viele und richtig angelegte Steigetrichter und Windpfeifen lassen sich diese
Uebelstände sehr mildern. Sämmtliche Steigetrichter müssen bis zur vollendeten
Füllung der Form durch Lehmkugeln geschlossen gehalten werden, damit die im
Formmaterial sich bildenden Gase sich nicht durch die Form und die Trichter
entfernen, sondern durch die Windpfeifen. Fehlt es an letzteren oder durchbricht das
Eisen die Form und bahnt sich einen Weg in Theile des Formmateriales, so geräth die
Eisenmasse in's Kochen, das Eisen kann in mehr oder weniger dicken Massen
herausgeschleudert werden und außer dem Mißlingen des Gusses für Menschen und
Gebäude Gefahr bringen.
Spannungen, durch das Schwinden im Gusse entstehend,
zerstören das Gußstück entweder schon in der Form oder bei der nachherigen
Bearbeitung, oder selbst erst beim späteren Gebrauche auf Veranlassung von oft ganz
unscheinbaren Einwirkungen. Man kann der Spannungen noch nicht vollständig Herr
werden, da man noch nicht genau zu bestimmen vermag, welche Dimensionen einem
Modelle zu geben, wie dasselbe abzuformen und wie der Guß zu behandeln, damit sie
nicht entstehen.
Auf die Spannungen sind von Einfluß:
a) das Formmaterial, insofern dasselbe dem Schwinden
einen zu großen Widerstand entgegengesetzt, was sich durch gewisse Kunstgriffe
vermindern läßt, z.B. durch Entfernung einzelner Formtheile nach dem Gusse;
b) die mehr oder weniger rasche Abkühlung der einzelnen
Theile, welche nicht allein von der Größe und Form des Querschnittes, sondern auch
von der Lage und Massenhaftigkeit anderer benachbarter Theile abhängt, welche
entweder Wärme abgeben oder empfangen, ferner der Art der Vertheilung des flüssigen
Eisens in der Form, ob es an einzelnen Stellen hitzig oder schon matt anlangt,
ferner von der Lage der Steigetrichter, der Art und Dauer des Pumpens u.a.;
c) die Qualität des Eisens, indem die grobkörnigen,
weichen und mürben Sorten, welche sich der Marke Nr. 1 nähern, weniger leicht
springen, als die Nr. 3 nahe kommenden harten, spröden und festen.
Die Spannungen treten weniger auf bei wenig gegliederten, nach möglichst viel
Richtungen symmetrischen und in den verschiedenen Theilen der Form und Größe des
Querschnittes nach möglichst gleichmäßigen Gegenständen, als bei solchen welche bei variablem
Querschnitt viel gegliedert und unsymmetrisch sind, und dann entweder springen oder
sich doch krumm ziehen, wie namentlich die unsymmetrischen. Unter den verschiedenen
Mitteln zur Vermeidung der Spannungen sind anzuführen: die künstliche Abkühlung
einzelner Theile durch Entblößen vom Formmaterial oder mit Wasser, sorgfältige
Abkühlung des Ganzen, überhaupt durch längeres Belassen in der Form etc.
Trotz aller Vorsicht können bei Herstellung eines Gusses möglicherweise sich Fehler
derart verbergen, daß dieselben bei der Verwendung nicht in Rechnung gezogen werden
können und keine Garantie für Sicherheit sich erzielen läßt. Wegen Mangels an
anderen besseren Materialien, die sich namentlich nicht so leicht in bestimmte
Formen bringen lassen, ist der Maschinenbauer trotzdem auf die häufige Anwendung von
Gußeisen hingewiesen, z.B. für Cylinder, Ventil- und Schieberkästen,
Zahnräder, Lagerböcke, Riemenscheiben etc. Dagegen macht man auf größeren und
gewissenhaften Werken bereits Gegenstände welche sich, wenn auch mit größeren
Kosten, ebenso zweckentsprechend in Bezug auf Form herstellen lassen, aus
Schmiedeeisen und Stahl, z.B. Achsen, Balanciers, Flügelstangen und Krummzapfen.
Selbst bei fehlerlosem Guß hat das Gußeisen bei seiner geringeren Festigkeit gegen
Stahl und Stabeisen den Nachtheil daß die Gegenstände daraus massiger seyn müssen,
weßhalb man dasselbe, wo die Massenhaftigkeit nicht erwünscht (Schwungräder
erfordern eine solche), namentlich an bewegten Theilen einer Maschine durch
Schmiedeeisen oder Stahl ersetzen sollte.
2. Schmiedeeisen.
Das Bruchansehen gibt ziemlich sichere Kenntniß von der Beschaffenheit desselben,
namentlich ob, was für den Maschinenbauer besonders wichtig, das Eisen sehnig oder körnig ist.
Gutes sehniges Eisen hat auf dem Bruche bei hellgrauer
Farbe matten Glanz, nur die parallel nebeneinander liegenden Längsfasern zeigen
matten Silberglanz. Gutes Feinkorn zeigt bei feinem Korn
(je feiner, um so besser) matten Silberglanz und gemischtes
Eisen mit Korn und Sehne zugleich, bald das eine, bald das andere
vorwiegend, ist gut, wenn Sehne und Korn sich wie eben angegeben verhalten. Sehniges
Eisen ist im Allgemeinen weicher, zäher und dehnbarer in der Walzrichtung, als
körniges, letzteres aber fester, härter und dehnbarer normal zur Walzrichtung, was
seine Verwendung zu stark gestauchten Gegenständen, z.B. Nieten, besonders
empfiehlt.
Bei verändertem Bruchansehen, als dem obigen, wird das Eisen schlechter und zwar rothbrüchig, wenn der sehnige Bruch namentlich auf der
Längsfaser dunklere Farbe zeigt, kaltbrüchig bei grobem, schuppigem oder blätterigem
Korn mit Heller Farbe und starkem Glanz.
Das meist nur durch Puddeln hergestellte Schmiedeeisen kann, da die Luppe aus vielen
kleinen Theilchen zusammengeschweißt wird, niemals vollständig homogen seyn, sondern
hat viele Schweißnähte, bald besser bald schlechter geschlossen. Selten wird die
unter Hammer oder Quetsche nur vorgeschmiedete Luppe direct durch Verschmieden auf
einen Maschinentheil verarbeitet; geschieht dieses, so hat das Schmiedestück, was
ein Vorzug ist, keine meßbare Schweißnaht und sein Gefüge ist nach allen Richtungen
hin nahezu dasselbe, was bei Anfertigung complicirter Schmiedestücke von großem
Werthe seyn kann und größere Sicherheit gewährt. Meist werden die Luppen zu flachen
Stäben von 80–130 Millimet. Breite und 20–26 Millimet. Dicke
ausgewalzt, auf eine bestimmte Länge zerbrochen, packetirt und nach dem Ausschweißen
unter Hammer oder Walzwerk oder unter beiden in die gewünschte Form von Blech oder Stabeisen gebracht,
von welchem letzteren man wieder verschiedene Sorten unterscheidet (Quadrat-,
Flach-, Winkel-, U-, T-, doppelt T-Eisen).
a) Blech stellt man auf
Walzwerken meist aus sehnigem, zuweilen aber auch aus feinkörnigem Eisen gewöhnlich
in einer Breite bis zu 1,6–2,2 Meter, und wenn die Bleche von größerer Dicke
sind, bis zu einem Gewichte von circa 600 Kilogr. her.
Diese Dimensionen kann man auf jedem Walzwerk ohne Mühe erzielen, sie können jedoch,
wie die letzte Pariser Ausstellung zeigte, auch wesentlich überschritten werden. So
hatten z.B. die Engländer Platten von 2,44 Met. Länge, 1,83 Met. Breite und 340
Millimet. Dicke im Gewichte von 11600 Kilogr. Gewicht ausgestellt.
Um möglichst gute Bleche herzustellen, müssen beim Packetiren gewisse
Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden. Man bildet für die Packete aus parallel neben
einander gelegten Luppenstäben Schichten und aus diesen der Art Lagen übereinander,
daß die Längsrichtung der Stäbe in zwei benachbarten Lagen immer um 90°
verschieden ist, so daß die Stäbe in dem gebildeten Wirbel in einer Art Verband sich
befinden, welcher bequem zum Ausschmieden ist und die Festigkeit des Bleches nach
der Länge und Breite möglichst gleich groß macht. Man darf beim Packetiren niemals
zwei Stäbe der Länge nach vor einander stoßen lassen, es müssen deßhalb die
Luppenstücke alle so lang seyn wie das Packet. Ein Stauchen der Stäbe im Packet ist
unter allen Umständen zu vermeiden, weil dadurch die Schweißfugen geöffnet werden.
Man macht die Packete unten und oben etwas länger und breiter als in der Mitte, da
sich unter schweren Hämmern das Stück in der Mitte immer mehr reckt als auf den Oberflächen,
wahrscheinlich in Folge einer Reibung dieser Oberflächen an den Bahnen von Hammer
und Amboß, welche man deßhalb zweckmäßig convex macht.
Die mit Draht umwickelten und der Schweißhitze ausgesetzten Packete erhalten
möglichst eine Ausdehnung nach einer Richtung, welche gleich der Breite des zu
walzenden Bleches ist, weil sich das Eisen beim Walzen in der Breite nur wenig
streckt. Das vorgeschmiedete Stück erhält jedenfalls von Neuem Hitze und wird dann
in einer Hitze ausgewalzt. Hat das Packet beim
Ausschmieden die zur Herstellung der Plattenbreite erforderliche Länge noch nicht
erreicht, so vergrößert man diese dadurch, daß man das Packet erst der Länge nach
durch die Walzen gehen läßt, dann die Walzrichtung um 90° ändert und diese
bis zur Vollendung beibehält. Nur bei solchen kreisrunden Blechen, welche aus einem
annähernd schon rund vorgeschmiedeten Packete hergestellt sind (Böden zu
Dampfkesseln) wendet man mit Vortheil eine continuirliche Aenderung in der
Walzrichtung an.
Gutes Blech zeigt bei entsprechender Festigkeit eine glatte Oberfläche ohne Schiefer
und unganze Stellen, und ist weder roth-, noch kaltbrüchig. Man prüft die
Bleche gewöhnlich nicht besonders, sondern macht auf deren Qualität, wenn sie von
einem bestimmten Walzwerke stammen, aus längerer Erfahrung Schlüsse. An das deutsche
Eisenblech sind höhere Anforderungen zu stellen, als die englische Admiralität an
die von ihr bezogenen Bleche stellt. (Man s. polytechn. Journal, 1867, Bd. CLXXXVI
S. 153.)
b) Stabeisen. Bei Herstellung
der Packete legt man sämmtliche Stäbe parallel zu einander und gibt ihnen zur
Herstellung des Verbandes und um die Festigkeit in der Breiterichtung zu erhöhen,
verschiedene Breite. Alte Abfälle (Schrot) packetirt man entweder direct, indem man
die dadurch entstehenden Hohlräume durch andere dünnere Stäbe auszufüllen sucht oder
sie erst annähernd rechteckig im Querschnitt durch Auswalzen darstellt.
Die Art der Packetirung und der weiteren Verarbeitung der Packete kann eine sehr
mannichfache seyn. Die Schweißung geschieht zuweilen und am besten erst unter dem
Hammer und dann zwischen Walzen. Manche Eisensorten werden in einer, andere in zwei
Hitzen fertig gewalzt. Breiteres Flacheisen wird jetzt gewöhnlich unter
Universalwalzwerken dargestellt, welche den großen Vortheil haben, aller Vorkaliber
zu entbehren und Flacheisen von verschiedenen Dimensionen innerhalb bestimmter
Grenzen zu liefern.
3. Stahl.
Früher hauptsächlich nur zu Werkzeugen für die Bearbeitung der eigentlichen
Maschinentheile angewandt, werden letztere jetzt häufig selbst daraus hergestellt.
Der Maschinenbauer unterscheidet hauptsächlich Guß- und Schweißstahl. Mit letzterer
Bezeichnung belegt man den Stahl, welcher leicht
schweißt, namentlich mit Schmiedeeisen zusammen, welcher als Stahl nie flüssig war
und ausschließlich zum Verstahlen schmiedeeiserner Gegenstände angewendet wird.
Derselbe wird zu anderen Zwecken nicht benutzt, weil er theurer als Gußstahl und
derselben oder besserer Qualität ist, hinter welchem er auch stets wegen mangelnder
Homogenität zurücksteht.
Während man früher unter Gußstahl nur den theuren und sehr feinen guten
Tiegelgußstahl aus bestem cementirten Holzkohleneisen begriff, bezeichnet man damit
jetzt Vielerlei von der verschiedensten Qualität und von dem englischen Gußstahl
sehr Abweichendes.
Guter Massengußstahl, wie er zur Zeit in den Maschinenfabriken immer mehr zur
Anwendung kommt statt Schmiede- und Gußeißens, ist gewöhnlich härter, spröder
und kurzbrüchiger als Schmiedeeisen, härter als weiches Gußeisen und zäher und
dichter als dieses bei einer weit größeren Festigkeit als Schmiede- und
namentlich Gußeisen. Der Bruch zeigt ein gleichmäßiges, dichtes und feinkörniges
Gefüge von mattem Silberglanz, und zwar nimmt die Qualität mit feiner werdendem
Korne zu.
Die Härte ist in den meisten Fällen der Festigkeit und auch der Sprödigkeit
proportional und variirt je nach dem Zwecke seiner Verwendung, z.B. wählt man zu
Werkzeugstahl und zu Kolbenstangen einen harten, zu auf Bruch belasteten Achsen
einen weichen Stahl.
Der Gußstahl übertrifft das Gußeisen in jeder Beziehung, vermag aber demselben wegen
seines viel höheren Preises noch nicht überall Concurrenz zu machen. Die Bochumer
Gußstahlfabrik lieferte zuerst Façonguß aus Gußstahl, Glocken, complete
kleinere Dampfcylinder und verwandte Gegenstände. Die Erfahrung muß aber noch
erweisen, ob dieselben, da sie nicht durch Schmieden verdichtet werden können, neben
jedenfalls sehr viel größerer Festigkeit als Gußeisen, aber auch eine genügende
Dichtigkeit besitzen.
Mehr als Façonguß kommt fertig geschmiedeter oder gewalzter Gußstahl in den
Handel zum Ersatz von Schmiedeeisen, welcher der Natur seiner Erzeugung zufolge weit
weniger homogen ist als der flüssig gewesene Gußstahl, dem man dann noch durch
Schmieden die erforderliche Dichtigkeit geben kann. Aus diesem Grunde ist der
Gußstahl das eigentliche
Material für Kolbenstangen, Ventil-, Schieberstangen und ähnliche
Maschinentheile geworden.
Wegen bedeutend größerer absoluter Festigkeit als Gußeisen, läßt sich der Gußstahl
mit Vortheil da verwenden, wo es leichter Constructionen bedarf, oder wo die
Stabeisenconstruction, wenn sie Sicherheit gewähren soll, zu plump ausfallen
müßte.
Ueber die Anwendbarkeit des Gußstahles und seinen Werth als Maschinenbaumaterial sind
die Ansichten noch nicht hinreichend übereinstimmend. Es ist jedoch Thatsache, daß
Gußstahlachsen in denselben Dimensionen wie schmiedeeiserne angefertigt, welche an
demselben Orte Jahre lang gute Dienste geleistet hatten, oft in sehr kurzer Zeit
brechen; ferner daß Gußstahl aus selbst renommirten Fabriken oft sehr rissig ist,
wodurch, selbst wenn die Risse nicht tief sind, seine relative Festigkeit sehr
vermindert werden muß; ferner daß Gußstahl, selbst der weichere gut drehbare,
gewöhnlich so spröde ist, daß er beim kalten Geraderichten leicht bricht; ferner daß
man von der Anwendung schwerer Gußstahlachsen, namentlich zu Dampfschiffen,
theilweise wieder zurückgekommen ist.
Diesen Thatsachen gegenüber schreiben concurrirende Gußstahlfabriken die Schuld
gewöhnlich der schlechten Qualität des Gußstahles zu, indem sie ihrem Product die
Eigenschaften der größten Zähigkeit und Dehnbarkeit dem Schmiedeeisen gegenüber
vindiciren. Wenngleich die Möglichkeit vorliegt, einen solchen Gußstahl, namentlich
durch Bessemern herzustellen, welcher alle chemischen Eigenschaften des
Schmiedeeisens und seine Tugenden mit der Homogenität des Gußstahles vereinigt, so
können doch vorläufig den Erfahrungen gegenüber einzelne Experimente und
ausgestellte Proben von noch so zähem Material um so weniger in's Gewicht fallen,
als die Einwirkungen denen ein Material bei einem Experiment unterworfen wird, nur
in seltenen Fällen mit den Resultaten der großen Praxis übereinstimmen. Bei einem
Versuche mag der Stahl bei einzelnen kräftigen Schlägen gut aushalten, während die
Wirkung vieler kleiner Stöße bei der Anwendung schädlich influirt.
Ein großer Uebelstand ist die Geheimnißkrämerei bei der Gußstahlfabrication, welche
dem Consumenten jede Controlle über die Qualität des von ihm bezogenen Materiales
unmöglich macht.
Auf Grund zur Zeit vorliegender Erfahrungen läßt sich die Anwendung des Gußstahles
unbedingt empfehlen für Kolbenstangen und diesen verwandte Maschinentheile; ferner
ist seine Benutzung für Maschinentheile unbedenklich, welche nur auf absolute und
rückwirkende Festigkeit beansprucht werden. Wo dagegen die relative Festigkeit mehr
in Rücksicht kommt,
erscheint die Anwendung des Gußstahles immer gewagt, namentlich dann, wenn die
Maschinentheile Stößen ausgesetzt sind. Stets aber empfiehlt es sich, den Gußstahl
nicht höher, als gutes sehniges Schmiedeeisen zu beanspruchen, also gleich starke
Dimensionen wie bei diesem zu nehmen. (Im Auszüge aus: v. Reiche's Maschinenfabrication, Bd. I, Leipzig 1869; durch die berg-
und hüttenmännische Zeitung, 1870, Nr. 28 und 30.)