Titel: | Eine neue Untersuchungsmethode der Milch; von Richard Přibram, Assistent am zoochemischen Laboratorium der k. k. Universität in Prag. |
Fundstelle: | Band 197, Jahrgang 1870, Nr. CXIV., S. 448 |
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CXIV.
Eine neue Untersuchungsmethode der Milch; von
Richard Přibram, Assistent am zoochemischen
Laboratorium der k. k. Universität in Prag.Aus Wittstein's Vierteljahresschrift für praktische
Pharmacie vom Verfasser mitgetheilt.
Mit einer Abbildung.
Pribram, neue Untersuchungsmethode der Milch.
Vor längerer Zeit habe ich in Wittstein's
Vierteljahresschrift Bd. XVI S. 183 ein neues Verfahren zur Analyse der Milch
beschrieben, welches auf
der von Wittstein beobachteten Thatsache beruhte, daß die
Milch auf Zusatz von Kochsalz coagulirt wird.
Die Milch wurde in einem Becherglase durch Kochsalzzusatz zur Gerinnung gebracht, von
dem Coagulum ein Theil des Serums abfiltrirt und darin der Milchzucker bestimmt. Der
übrige Inhalt des Becherglases zur Trockne gebracht, gab durch Extraction mit Aether
den Fettgehalt; dem erschöpften Rückstande wurde durch Waschen mit Wasser das
Kochsalz entzogen und das zurückbleibende Casein gewogen.
In letzter Zeit, wo ich häufig in die Lage kam, Milchanalysen auszuführen, hatte ich
reichlich Gelegenheit mein Verfahren durchzuprüfen und auf seine Vortheile –
aber auch auf seine Mängel aufmerksam zu werden. Zu den letzteren gehört namentlich,
daß das Auswaschen des Caseins eine sehr lästige, zeitraubende Arbeit ist, welche
überdieß einen kleinen Fehler bedingt, da, wie ich mich überzeugte, das Casein in
Wasser, selbst in kochendem, nicht vollkommen unlöslich ist.
Zudem bot mir auch die Art und Weise der Extraction des Fettes, wie ich sie früher
vornahm (Schütteln mit Aether) keine genügende Garantie der Vollständigkeit,
abgesehen von dem Zeitaufwands der dabei erforderlich ist.
Bemüht, das Verfahren von diesen Mängeln zu befreien und die Ausführung möglichst
glatt zu machen und auf ein Minimum der Zeit zu beschränken, was mir von Wichtigkeit
schien, wenn das Verfahren dem praktischen Arzte zugänglich gemacht werden sollte,
habe ich dasselbe in einigen Punkten, mit Beibehaltung des Grundgedankens,
wesentlich abgeändert, und erlaube mir die Methode in ihrer gegenwärtigen Form in
Folgendem darzulegen:
1) 50 Gramme Milch werden in einem tarnten Becherglase mit 15 Grammen gereinigten und
gepulverten Kochsalzes versetzt, die Mischung mit einem ebenfalls tarirten Glasstabe
umgerührt, und zum gelinden Sieden erhitzt. Nach dem Erkalten stellt man das Glas
auf die Waage, fügt seinem Inhalte noch so viel Wasser zu, daß derselbe 100 Gramme
beträgt und befördert die vollkommene Lösung und gleichmäßige Mengung des Kochsalzes
durch Umrühren mit dem Glasstabe.Die angeführte Wassermenge reicht zur Lösung des Kochsalzes vollkommen
aus. Man filtrirt nun eine größere Portion des flüssigen Inhaltes durch ein
unbenetztes Filter ab, bestimmt in einer genau gewogenen Menge des Filtrates den
darin befindlichen Milchzucker mittelst alkalischer
Kupfertartratlösung (sogen. Fehling'scher), von welcher
nach Millon und Commaille
Comptes rendus, t. LIX p. 396; polytechn. Journal Bd. CLXXVIII S. 456. 10 Kubikcentimeter genau 0,06875 Grm. Milchzucker anzeigen, oder besser noch
mittelst Circumpolarisation.
In einer anderen gewogenen Portion des Filtrates bestimmt man mittelst 1/10
Normalsilberlösung (nach Mohr) den Chlor- resp. Kochsalzgehalt.
Mit Hülfe dieser Bestimmung kann man sehr leicht das Gewicht des flüssigen Inhaltes
des Becherglases, der Gesammtflüssigkeit (x) erfahren,
denn
a : b =
x : 15,
wobei a das Gewicht des Filtrates,
b die darin gefundene Menge Chlornatrium und 15 die
Gesammtmenge des angewandten Kochsalzes bedeutet.
Auf diese Menge Solution berechnet man das Ergebniß der Milchzuckerbestimmung und
erfährt sodann den Gehalt an Milchzucker in 50 Grm. Milch.
Die erwähnte Chlorbestimmung hat aber noch einen weiteren Werth, indem sie zur
Kontrolle der ganzen Analyse dienen kann. Zieht man nämlich von dem Gesamtgewichte
des Inhaltes des Becherglases (100 Grm.) das Gewicht der ausgeschiedenen
Bestandtheile (Fett und Casein) ab, so muß man bei genauem Arbeiten einen der wie
oben erwähnt berechneten Solution sehr nahe kommenden Werth erhalten (s.u.
analytische Belege).
2) Der übrige Inhalt des Becherglases sammt dem nicht verbrauchten Filtrate und etwa
auf das Filter gelangter fester Theile wird in einer möglichst flachen Schale auf
dem Wasserbade zur Trockne gebrachtDas Trocknen ist durch die Gegenwart der bedeutenden Menge Kochsalz sehr
erleichtert. und hierauf mit Aether extrahirt.
Zu dieser Extraction benutzte ich einen, den von Mohr und
von Storch
Zeitschrift für analytische Chemie, Jahrg. VII S. 68. angegebenen ähnlichen Apparat, der diese sonst unangenehme Operation zu
einer rasch und sicher ausführbaren gestaltet.
In ein weithalsiges möglichst leichtes und vorher tarirtes Kölbchen kommt eine zur
Extraction genügende Menge Aether. In den Hals des Kölbchens wird mittelst eines
Korkes ein Cylinder einer gewöhnlichen Petroleumlampe umgelehrt eingepaßt, durch
welchen eine oben etwas stumpfwinkelig gebogene Glasröhre geht, die an dem schmalen
Ende des Cylinders mittelst eines Baumwollstopfens festgehalten wird.Man bedeckt die Baumwolle zweckmäßig mit einem Stückchen Seidengaze oder
Organtin, um das Anhaften fester Theile an den Baumwollfasern zu
vermeiden. Dieser Cylinder wird nun vorsichtig (daß nichts in die Glasröhre gelangt,
was durch die erwähnte
Biegung leicht vermieden wird) mit dem Verdampfungsrückstande gefüllt und sodann
mittelst eines einfach durchbohrten, gut schließenden Korkes, mit einem
aufsteigenden Kühlrohr in Verbindung gebracht.
Textabbildung Bd. 197, S. 451
Nachdem der Apparat auf diese Weise zusammengestellt, wird der Aether durch Erwärmen
des Kölbchens in gelindes Sieden gebracht, kommt nun in Dampfform mit der Substanz
in Berührung (der Ueberschuß geht durch das Glasrohr), gelangt in das Kühlrohr, von
wo er condensirt wegen der schiefen Stellung des letzteren wieder zurückfließt, die
(durch Aetherdampf erwärmte) Substanz durchdringt, extrahirt und beladen mit dem
Fette durch die Baumwolle in das Kölbchen filtrirt, um nach Zurücklassung des Fettes
wieder denselben Weg zu machen. Hat diese Circulation des Aethers einige Zeit
gedauert,Ungefähr 1/2 Stunde. so prüft man, ob die letzten einfallenden Tropfen auf einem Uhrglase
verdunstet noch einen Rückstand hinterlassen, nimmt, wenn dieß nicht mehr der Fall
ist, den Apparat auseinander, verjagt den Aether aus dem Kolben und wägt nun das
zurückbleibende Fett – die Butter.Diese Operation bietet bei großer Zeitersparniß und geringem Aetherbedarf
auch die vollkommene Garantie, daß alles Fett extrahirt wird.
3) Die mit Aether erschöpfte Masse wird bei 100° C. getrocknet und gewogen.
Sie besteht aus Casein + Milchzucker + Chlornatrium weniger den in das Filtrat
übergegangenen Theilen der beiden letzteren.Bei ganz genauen Analysen muß, wenn man den wahren Gehalt an Casein erfahren
will, natürlich auch die Menge der demselben beigemengten unorganischen
Bestandtheile der Milch, die man leicht durch Veraschung einer kleinen
Portion Milch erfährt, in Abzug gebracht werden (s.u. analytische
Belege).
Da man sowohl die Gesammtmenge des vorhandenen Kochsalzes und Milchzuckers, als auch
die in das Filtrat übergegangenen Theile derselben kennt, so kann durch einfache
Subtraction der entsprechenden Mengen vom Gesammtgewichte des Rückstandes, die Menge
des Caseins leicht berechnet werden.
Analytische Belege.
Eine und dieselbe Sorte Milch wurde einer zweimaligen Prüfung unterworfen. Die
Analyse ergab folgende Resultate:
I.
50 Grm. Milch wurden mit 15 Grm. NaCl in der angegebenen Weise behandelt und das
Gewicht durch Wasserzusatz auf 100 Grm. gebracht.
Davon eine Portion abfiltrirt
=
10,8125 Grm.
Darin gefunden Milchzucker
=
0,308 „
„
„ NaCl
=
1,707 „
10,8125 : 1,707 = x : 15
x = 95,01
wobei x das Gewicht des
flüssigen Inhaltes des Becherglases, also die Summe von Wasser und den in
demselben gelösten Theilen (NaCl, Milchzucker) bedeutet.
Da nun in 10,8125 Grm. Flüssigkeit 0,308 Grm. Zucker, so enthalten die 95,01 Grm.
= 2,706 Grm. Milchzucker, welche Zahl der
Gesammtmenge des in der Milch enthaltenen Zuckers entspricht.
Der durch Abdampfen (Nr. 2) erhaltene Rückstand gab im Apparate mit Aether
extrahirt
Fett = 2,204 Grm.
Die mit Aether erschöpfte Substanz (also das Gemenge von NaCl, Casein und
Milchzucker) wog nach dem Trocknen bei 100°C. = 18,362 Grm. Subtrahirt
man davon (wie in Nr. 3 angegeben) die Gesammtmenge des Kochsalzes = 15 Grm. und
des Milchzuckers = 2,706 Grm. weniger den in das Filtrat übergegangenen Theilen
derselben (für NaCl = 1,707 und für Milchzucker = 0,308), so erhält man die
Menge des Caseins.
Erschöpfter Rückstand
=
18,362
ab NaCl
=
13,293
15 – 1,707
ab Milchzucker
=
2,398
2,706 – 0,308
––––––
Casein
=
2,671
Die so gefundenen Mengen von Casein und Fett kann man nun noch zur Controlle der
ganzen Analyse verwerthen. Wenn man nämlich deren Summe von dem Gesammtgewichte
des Inhaltes des Becherglases (also von 100) abzieht, so muß, wenn die Analyse
richtig war, ein Werth erhalten werden, der dem früher aus der gefundenen NaCl
menge als Gesammtsolution berechnet und mit x
bezeichneten sehr nahe kommt.
100 – (2,204 +
2,671) = 95,125
Berechnet aus NaCl als x =
95,010
Bei der Berechnung der Solution (x) aus dem
gefundenen Chlorgehalt des Filtrates ist ein kleiner Fehler dadurch bedingt, daß
man ja nicht nur das zugesetzte NaCl, sondern zugleich auch das bereits in der
Milch ursprünglich enthaltene mit bestimmt, wodurch, da das eine Glied der
Proportion zu hoch, das x zu niedrig gefunden
wird.
Ich habe nun specielle Versuche angestellt, um die Größe des dadurch bedingten
Fehlers zu erfahren.
Zu diesem Behufs wurde eine Aschenbestimmung ausgeführt, und in der Asche das
NaCl in gewöhnlicher Weise bestimmt.
In 50 Th. Milch (= 100 Grm. Flüssigkeit) waren enthalten
NaCl
= 0,019 Grm.
also in 10,8125
= 0,002 „
Subtrahirt man diese von den im Filtrate gefundenen 1,707, so erhält man 1,705
Grm. = der Menge Kochsalz, die von den zugesetzten 25 Grm. in das Filtrat
übergegangen. Die Proportion stellt sich nun folgend:
10,8125 : 1,705 = x : 15
x = 95,11 statt 95,01.
Selbstverständlich wird nun auch etwas mehr Milchzucker durch Rechnung sich
ergeben, denn:
10,8125 : 0,308 = 95,11 : 2,709
statt 2,706.
Bringt man die so corrigirte Zahl auch bei der Caseinbestimmung zur Geltung so
erhält man
erschöpfter Rückstand
=
18,362
ab NaCl
=
13,295
ab corrigirter Milchzucker
=
2,401
2,709 – 0,308
––––––
Casein
=
2,666
100 – (2,204 + 2,666)
=
95,130
– als corrig. Zahl,
welche mit der berechnen
=
95,11
genügend genau übereinstimmt.
Man sieht also, daß der bei der erwähnten Chlorbestimmung entstandene Fehler so
minimal ist (0,002 Grm.), daß er bei gewöhnlichen Bestimmungen gänzlich
vernachlässigt werden kann, ohne daß der Genauigkeit allzunahe getreten
wird.
Was die oben erwähnte Außerachtlassung der dem Casein beigemengten unorganischen
Bestandtheile der Milch, bei der Berechnung des ersteren betrifft, so hat sie
zur Folge daß der Werth für Casein etwas zu hoch gefunden wird. Bei der eben
durchgeführten Controlberechnung der Analyse ist dieß natürlich von gar keinem
Einfluß.
Wo es übrigens auf vollkommene Genauigkeit ankommt, kann man, wie schon erwähnt,
die Menge der unorganischen Salze (die durchschnittlich 0,2–0,3 in 50
Thln. Milch beträgt) durch Veraschung leicht erfahren und in Abzug bringen. Dieß
hat namentlich dann zu geschehen, wenn die Berechnung den Caseingehalt
auffallend hoch ergibt, was auf eine Verfälschung der Milch mit mineralischen
Substanzen (NaO, CO² etc.) deuten würde.
II.
50 Grm. Milch derselben Sorte in ganz gleicher Weise mit 15 Grm. NaCl behandelt
und das Gewicht durch Wasserzusatz auf 100 Grm. gebracht.
Davon eine Portion abfiltrirt
=
13,901 Grm.
Darin gefunden Milchzucker
=
0,3955 „
„
„ NaCl
=
2,194 „
(corrig. 2,192 Grm.)
13,901
: 2,192 = x : 15
x
= 95,125
Darin Milchzucker = 2,706, denn
13,901 : 0,3955 = 95,12 : 2,706
Durch Extraction mit Aether erhalten
Fett = 2,203
Erschöpfter
Rückstand
=
17,776
ab NaCl
=
12,806
15 – 2,194
ab Zucker
=
2,3105
2,706 – 0,3955
––––––
Casein
=
2,6595
100 – (2,203 + 2,6595)
=
95,1375
Berechnet aus NaCl
=
95,125
Des leichteren Vergleiches wegen stelle ich hier nochmals die gefundenen
Resultate zusammen:
I.
II.
Casein
2,666
2,6595
Fett
2,204
2,203
Milchzucker
2,709
2,706