Titel: | Theorie der Dampfmaschine unter Zugrundelegung der Pambour'schen Annahme betreffs des expandirenden Dampfes und der Wiebe'schen Coefficienten für die Navier'sche Formel; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur in Kiel. |
Autor: | H. Haedicke |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. I., S. 1 |
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I.
Theorie der Dampfmaschine unter Zugrundelegung
der Pambour'schen Annahme
betreffs des expandirenden Dampfes und der Wiebe'schen Coefficienten für die Navier'sche Formel; von H. Haedicke, Marine-Ingenieur
in Kiel.
(Schluß der Abhandlung in Bd. CXCVI S. 377, erstes
Juniheft 1870.)
Mit Abbildungen.
Haedicke, Theorie der Dampfmaschine.
C. Die
verdampfte Wassermenge.
1. Verdampftes Wasser pro
Hub.
Unter Anwendung unserer früheren Bezeichnungen und mit Berücksichtigung des
schädlichen Raumes berechnet sich das Volumen Dampf pro Hub, v, gemessen bei dem als constant
angenommenen Druck p vor Eintritt der Expansion
v = πD²/4 (H ε + η)
oder, wenn wir für den schädlichen Raum die Zahl ρ einführen, welche angibt, den wievielsten
Theil des Hubes derselbe repräsentirt, wenn er in der Form eines Cylinders mit
dem Durchmesser D gedacht wird, d.h. wenn η = H/ρ:
4) v =
πD²/4 H (ε + 1/ρ)
Bezeichnet ferner γ das Gewicht der
Kubikeinheit Wasser, μ = m/(n + p) das specifische
Volumen des Dampfes von der Spannung p, dann ist
obiger Ausdruck mit γ/μ = (γ . (n + p))/m zu multipliciren, um aus demselben das Gewicht w des pro Hub
verdampften Wassers zu erhalten.
Ziehen wir alsdann sämmtliche Konstanten zu der einen C₁ zusammen, und setzen wir für ρ, da es nur auf Vergleichsrechnungen ankommt, = 0,05, für n, wie früher, 0,25, so entsteht schließlich die
Formel
IV) w = C₁D²H (ε + 0,05) (p + 0,25)
für das Gewicht in Pfunden oder Kilogrammen des pro Hub verdampften Wassers, wo D und H in Fußen oder
Metern, p in Atmosphären einzusetzen sind. Die
Konstante C₁ berechnet sich alsdann zu:
C₁ =
für rhein. Maaß:für engl. Maaß:für franz. Maaß:
0,02430,02450,393
2. Verdampftes Wasser pro
Pferd und Stunde.
Die eben entwickelte Formel würde anzuwenden seyn zur Berechnung der Speisepumpe.
Der Werth derselben wird mit der entwickelten Leistung variiren und ist daher
für den Ueberblick nur von geringer Bedeutung. Anders ist es mit dem nunmehr zu
betrachtenden Werthe des pro Pferd und Stunde
verdampften Wassers, welcher direct gestattet, scharfe Vergleiche
anzustellen.
Gehen wir auf den allgemeinen Ausdruck für den Wasserverbrauch pro Hub zurück, so erhalten wir zunächst mit Hülfe
desselben und unter Hinzuziehung des Werthes N für
die Umdrehungen pro Minute:
Der gesammte Wasserverbrauch in Gewichtseinheiten pro
Stunde
Textabbildung Bd. 198, S. 2
Bei derselben Maschine drückt sich der Werth für die unter denselben Umständen
entwickelten Pferdestärken aus durch:
P = C
. H . D² . N (p₀ – a)
und hieraus ergibt sich:
Textabbildung Bd. 198, S. 2
Setzen wir diesen Werth in den für w₁
erhaltenen Ausdruck ein, und vereinigen wir wieder sämmtliche vorkommende
Constanten in der einen C₂ so ist sie für die
gesammte Kraftentwickelung und Stunde:
Textabbildung Bd. 198, S. 2
Mithin erhalten wir
das Gewicht des verdampften Wassers pro Pferd und
Stunde (in Pfunden resp. Kilogrammen):
Textabbildung Bd. 198, S. 3
Die Constante C₂ berechnet sich nunmehrBei Berechnung dieser Constanten C₂
thut man gut, die Größe C in ihrer
aufgelösten Form einzuführen. – Die hier erhaltenen Werthe für
C₂ sollten eigentlich in dem
Verhältnisse: Pfund rhein. zum Pfund englisch zum Kilogrm. stehen. Sie
sind jedoch unter Zugrundelegung der officiell gebräuchlichen Zahlen: 14
Pfd. rhein. pro Quadratzoll rhein., 15 Pfd.
engl. pro Quadratzoll engl., 10334 Kilogr.
pro Quadratmeter für eine Atm., und der
Werthe 480 Sec. Fußpfd. rhein., 550 Sec. Fußpfd. engl. und 75 Sec.
Kilogr. für eine Pferdestärke berechnet. Außerdem sind diese Werthe mit
1000 multiplicirt, dafür die in der nachfolgenden Tabelle enthaltenen
mit 1000 dividirt, um beide bequemer zu machen.
C₂ =
für rhein. Maaß:für engl. Maaß:für franz. Maaß:
52,92057,00626,127
Diese Formel zeigt, daß der Wasserverbrauch pro Pferd
und Stunde auch bei gleichbleibender Kraftentwickelung noch abhängig ist von dem
Füllungsgrade.
Um nun diese wichtige Zahl, den Wasserverbrauch pro
Pferd und Stunde, welche so direct den Werth einer Dampfmaschinen-Anlage
erkennen läßt, in ihrem Steigen und Fallen besser verfolgen zu können, ist die
nachfolgende Tabelle berechnet.
Aus derselben läßt sich der Werth für
Textabbildung Bd. 198, S. 3
für verschiedene Füllungsgrade (ε) und anfängliche Spannungen (p),
diese in Atm. ausgedrückt, entnehmen. Da es eben nur auf den Vergleich ankommt,
und weniger der absolut richtige Werth für jedes
einzige Verhältniß verlangt werden wird, so sind für die Größen ρ und a
beziehungsweise die Werthe 0,05 und 0,2 eingeführt worden. Der jedesmalige Werth
für μ ist der Zeuner'schen Tabelle für gesättigte Wasserdämpfe entnommen.
Tabelle für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde.
Die Werthe dieser Tabelle, mit den Constanten 52,920 (preuß.), 57,006 (engl.)
oder 26,127 (franz.) multiplicirt, ergeben sofort den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde für den betreffenden
Anfangsdruck (p) und Füllungsgrad (ε).
Textabbildung Bd. 198, S. 4
Werthe für den Füllungsgrad
ε; Anfangs-Spannung p in Atm.; num; log; Logarithmen der
Constanten; preuß. Maaß; engl. Maaß; franz. Maaß
Für Maschinen ohne Condensation oder überhaupt mit einem anderen Gegendruck a₁ multiplicire man die Werthe dieser Tabelle
mit p₀ – 0,2 und dividire sie mit p₀ – a₁. Es gibt also zu gleicher Zeit der Ausdruck (p₀ – 0,2)/(p₀ – a₁) relativen
Werth der Maschine mit dem Gegendruck a₁, zu
dem der Condensationsmaschine gleicher Leistungsfähigkeit mit dem Gegendruck a = 0,2 an. Der Werth p₀ ist der in der ersten Abhandlung (Seite 384) mitgetheilten
Tabelle zu entnehmen.
1. Beispiel. Eine Maschine mit Condensation arbeite
mit einem anfänglichen Dampfdruck von 2 Atm. und einem Füllungsgrad = 0,7. Es
ist der Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde zu
bestimmen (rhein. Maaß).
Auflösung. Die vorstehende Tabelle ergibt für die
Argumente p = 2, ε = 0,7 die Zahl 0,525. Diese mit 52,92 multiplicirt ergibt:
Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde: 27,81 Pfd.
2. Beispiel. Dieselbe Kraftentwickelung soll von
obiger Maschine unter respective sonst gleichen Umständen bei einer Füllung =
0,2 geleistet werden. Wie viel Wasser wird alsdann verdampft?
Auflösung. Es ist zunächst der anfängliche Dampfdruck
zu berechnen, welcher bei dem Füllungsgrad von 0,2 denselben mittleren Druck
angibt, wie der oben angenommene anfängliche Dampfdruck p = 2 mit dem Füllungsgrad ε = 0,7.
Die Tabelle (Seite 384) für den mittleren Dampfdruck gibt für die Argumente p = 2, ε = 0,7
die Zahl p₀ = 1,87. Aus diesem mittleren
Druck berechnet sich mit dem Füllungsgrad 0,2 der anfängliche Dampfdruck (durch
Interpolation oder aus der Formel) p = 3,44, d.h. es
muß der Maschine der Dampf in der absoluten Spannung von 3,44 Atm. hinzugeführt
werden, damit sie bei einer Füllung von 0,2 dieselbe Arbeit leiste, wie mit der
anfänglichen Spannung von 2 Atm. und 0,7 Füllung. Nunmehr ist aus der letzten
Tabelle (Seite 4) für die Argumente ε = 0,2,
p = 3,44 die Zahl (durch Interpolation) zu
entnehmen. Sie beträgt: 0,30065. Diese mit 52,92 multiplicirt gibt:
Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde: 15,91 Pfd.
Es wird also durch Anwendung von hoher Expansion bei derselben geleisteten Arbeit
nur 0,55mal so viel Wasser verdampft, also auch 0,55mal so viel Kohle verbraucht
als bei Anwendung von großer Füllung mit entsprechend niedrigerem
Dampfdruck.
3. Beispiel. Eine Hochdruckmaschine ohne Condensation
mit 4 Atm. absoluter Eintrittsspannung arbeite mit 0,2 Füllung. Wie viel Kohlen
verbraucht dieselbe pro Pferd und Stunde, wenn die
effective Heizkraft derselben zu 5000 Calorien angenommen wird, und von anderen
Verlusten abgesehen werden soll? (rhein. Maaß.)
Auflösung. Der Wasserverbrauch für p = 4 und ε = 0,2
ergibt sich pro Pferd und Stunde in der Größe von
W = 0,281. 52,92 multiplicirt mit dem
Coefficienten (p₀ – 0,2)/(p₀ – 1,07), wo p₀ der Tabelle für den mittleren Druck (S. 384) unter den
Argumenten p = 4 und ε = 0,2 zu entnehmen ist. Derselbe findet sich zu 2,19.
Mithin ist der Wasserverbrauch in Pfunden pro Pferd
und Stunde:
W = 0,281 . 52,92 . (2,19
– 0,2)/(2,19 – 1,07)
Nehmen wir nun die Anfangstemperatur des Speisewassers t = 15° C. an, so ergibt sich für die Wärmemenge in Calorien,
welche zu der Ueberführung des Wassers W von dieser
Temperatur t in Dampf verwendet worden ist:
= 0,281 . 52,92 . 1,99/1,12 (640 – 15) Cal.,
mithin ist das Gewicht der pro Pferd und Stunde
verbrannten Kohlen:
K = 0,281 . 1,99/1,12 . (52,92 .
625)/5000
K = 3,303 Pfund.
4. Beispiel. Es soll dieselbe Maschine bei denselben
Umdrehungen dieselbe Leistung ergeben. Es werde aber der mit der Spannung von 4
Atm. zutretende Dampf durch Drosseln auf die Eintrittsspannung von 2,5 Atm.
gebracht.
Wie viel Kohle pro Pferd und Stunde braucht die
Maschine unter den genannten Verhältnissen?
Auflösung. Zunächst ist derjenige Füllungsgrad zu
bestimmen, bei welchem die Maschine mit der Eintrittsspannung von p = 2,5 Atm. denselben mittleren Druck (p₀ = 2,19) empfängt.
Dieser Füllungsgrad wird entweder aus der Tabelle für den mittleren Druck (S.
384) durch Interpolation, oder aus der Formel 1 der ersten Abhandlung (Seite
383) zu ε₁ = 0,589 erhalten.
Nunmehr ergibt die vorstehende Tabelle für den Wasserverbrauch (Seite 4) für die
Argumente p = 2,5 und ε = 0,589 den Werth 0,4625. Diese Zahl wäre nun wieder auf oben
gezeigte Weise zunächst für den Gegendruck a₁
= 1,07 und dann auf den Kohlenverbrauch zu reduciren. Alle diese
Reductionszahlen bleiben aber dieselben, so daß es nur auf die beiden der
letzten Tabelle direct entnommenen Zahlen für den Wasserverbrauch pro Pferd und
Stunde ankommt.
Diese Stichzahl war im ersten Falle (p = 4; ε = 0,2) = 0,281, im zweiten Falle (p = 2,5; ε =
0,589) = 0,4625, mithin muß der Kohlenverbrauch im zweiten Falle 0,4625/0,281 =
1,64mal so viel betragen wie unter den erstgenannten Verhältnissen. Die Maschine
braucht mithin bei derselben Leistung wie zu Anfang 3,303 . 1,64 = 5,42 Pfd.
Kohle pro Pferd und Stunde.
Beträgt nun vielleicht der Cylinder-Durchmesser der betreffenden Maschine
1 Fuß, der Hub = 2,5 Fuß, und macht dieselbe pro
Minute 40 Umdrehungen, so würden die von derselben geleisteten theoretischen
Pferdestärken betragen:
P = 0,11 . 2,5 . 40 . (2,19
– 1,07)
P = 12,32.
Die Maschine würde also pro Stunde verbrauchen:
im ersten Falle (p = 4; ε = 0,2) 40,78
im zweiten Falle (p = 2,5; ε = 0,588) 66,88,
d.h. es entsteht ein ganz unmotivirter Verlust von circa 26 Pfd. Kohle pro
Stunde, welcher bei 10 Stunden täglicher Arbeitszeit und 300 Arbeitstagen im
Jahr zu der nicht zu unterschätzenden Quantität von 780 Ctr. anwächst, während
die ganze Maschine überhaupt nur circa 1223 Ctr. pro Jahr braucht.
Bei der in obigen Beispielen angenommenen kleinen (12pferdigen) Maschine frappirt
der durch unrichtige Verwendung des Dampfes entstandene Verlust mehr durch den
Vergleich mit dem wirklich nothwendigen Verbrauch, als durch die absolute Größe.
Anders stellt es sich bei den mächtigen Maschinen unserer Seedampfschiffe, und
wollen wir daher ein ferneres Beispiel (der Praxis entnommen) hinzufügen.
Die Maschinen einiger unserer Corvetten (mittlere Größen der gesammten
vorhandenen Ausführungen) leisten bei nicht einmal zu starker Anspannung etwa
1000 Pferdestärken. Sie sind mit Kondensation versehen, und haben Kessel welche
bequem Dampf in der absoluten Spannung von 2,5 Atm. liefern. Unsere Tabelle für
den mittleren Dampfdruck (Seite 384) zeigt, daß man bei denselben Umdrehungen
annähernd dieselbe Arbeit erhalten kann mit einem anfänglichen Dampfdruck von
2,5 Atm. und 0,2 Füllung, oder aber mit 1,5 Atm. und 0,6 Füllung. Gehen wir mit
diesen Zahlen in die vorstehende Tabelle für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde (Seite 4), so erhalten wir für
den ersten Fall (hohe Expansion) die Zahl 0,52, für den zweiten Fall (hohe
Füllung) hingegen den Werth 0,52. Beide stehen in dem Verhältniß von 1 : 0,615
zu einander, so daß also durch Anwendung hoher Expansion 38,5 Proc. gespart
werden können, wenn man den Verbrauch bei hoher Füllung zu Grunde legt. Unter
der Annahme obiger Leistung und der in dem letzten Beispiel benutzten Zahlen für
Verdampfungskraft der Kohlen, sowie der Temperatur von 40° C. für das
Speisewasser, erhalten wir circa 3,1 Pfd. Kohle pro Pferd und Stunde (ohne Berücksichtigung der
durch Ausblasen des Salzwassers etc. entstandenen Verluste), was bei einer Reise
von 200 Stunden einen Gesammt-Kohlenverbrauch von 310 Tonnen (à 2000 Pfd.) ausmacht. Von diesen können
durch Anwendung von hoher Expansion 38,5 Proc., also circa 119 Tonnen gespart werden. Da nun die Tonne Kohlen im Auslands
oft genug mit 25 Thaler und darüber bezahlt wird, so ergibt sich bei einer
einzigen Reise eines solchen Schiffes unter Dampf die Summe von 2975 Thlrn.,
welche durch entsprechende Handhabung der Maschine gespart resp. vergeudet
werden können.
Diese Beispiele dürften zur Genüge zeigen, wie gerechtfertigt das in der Neuzeit
immer mehr und mehr hervortretende Streben der Maschinenconstructeure ist, den
Dampf unter hoher Eintrittsspannung und geringer Füllung arbeiten zu lassen, und
wie sehr es andererseits geboten erscheint, bei großen Maschinen mit
verstellbaren Expansionsvorrichtungen, deren Anwendung dem leitenden
Maschinisten anheimgestellt werden muß, diejenigen Führer zu entfernen, welche
sich nicht gewöhnen können, hohen Dampf im Kessel zu halten und ungedrosselt zur
Maschine zu lassen. Eine Erhöhung des Gehaltes bei wirklich tüchtigen und
einsichtsvollen Maschinenführern dürfte sich daher in vielen Fällen auch aus
anderen Gründen mehrfach belohnen, und die Ersparniß bei der Bezahlung der oft
genug noch schlecht gestellten Maschinisten bringt nicht selten den zehnfachen
Nachtheil in der oben entwickelten Weise mit sich.
D. Der
vortheilhafteste Füllungsgrad.
Wenn aus obiger Tabelle (S. 4) hervorgeht, daß es überhaupt vortheilhaft ist,
möglichst zu expandiren, so hat dieß doch seine Grenzen; denn es muß am Ende des
Hubes stets noch derjenige Druck vorhanden seyn, welcher mindestens gerade den
Gegendruck zu überwinden im Stande ist, wenn anders man nicht Nachtheile im Gange
der Maschine haben will.
Im Allgemeinen ist nun der Druck des Dampfes am Ende des Hubes durch die Gleichung
gegeben:
p₁ = ε (n + p)
– n.
Es würde daher, wenn bei dem anfänglichen Druck p der
Enddruck p₁ stattfinden soll, der Füllungsgrad
die Größe haben müssen:
ε = (n + p₁)/(n
+ p)
Wir erhalten somit:
a) Für Maschinen ohne Condensation:
ε₁ = (n + 1,07)/(n + p)
b) Für Maschinen mit Condensation:
ε₂ = (n + 0,2)/(n + p)
Hieraus berechnet sich die nachfolgende
Tabelle für den vortheilhaftesten
Füllungsgrad.
p in
Atmosphären
0,5
0,75
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
ε₁ (ohne
Cond.)
–
–
–
0,75
0,59
0,48
0,406
0,35
0,31
ε₂ (mit
Cond.)
0,6
0,45
0,36
0,26
0,2
0,16
0,14
0,12
0,11
Es ist hierbei zu bemerken, daß man diesen vortheilhaftesten Füllungsgrad auch nach
anderen Rücksichten bestimmt hat. Die hier vorgelegte Methode setzt voraus, daß es
sich darum handelt, die vorhandene Dampfmenge bei gegebener Eintrittsspannung am
besten auszunutzen.
Diese Tabelle ist absichtlich ohne Berücksichtigung der
mitexpandirenden Räume (Dampfcanäle etc.) berechnet. Es fällt daher eigentlich die
Endspannung etwas höher aus, so daß bei der praktischen Anwendung die Sicherheit
gegen eine zu geringe Endspannung größer ist. Man sehe übrigens S. 381–383
der ersten Abhandlung.
Nach diesen angenommenen und durch die vorstehende Tabelle ausgedrückten Grundsätzen
ist es also unzulässig, einer Condensationsmaschine mit 1 Atm. Ueberdruck (p = 2) nur 0,15 Füllung zu geben, weil alsdann der Dampf
am Ende des Hubes eine geringere Spannung haben würde, als in demjenigen Raum
herrscht, in welchen er nach beendeter Expansion strömen soll. Es würde dann 1) der
Kolben gegen Ende des Hubes eine negative Pressung erfahren, nur durch die lebendige
Kraft der bewegten Massen vorwärtsgehen, die Geschwindigkeit derselben also vom
Motor aus verlangsamt werden; 2) würde der Dampf im Ausströmungsrohr zu Beginn der
Ausströmperioden in den Cylinder strömen, anstatt verdrängt zu werden.
Entsprechend stellt es sich bei einer Maschine ohne Condensation, z.B. in dem Falle,
wo bei einer anfänglichen absoluten Spannung von 3 Atm. nur 0,1 Füllung gegeben
wird. Es würde dieß vielleicht die äußerst zulässige Grenze seyn; der Dampf würde
nur mit geringem Ueberdruck ausströmen, aber auch sehr vortheilhaft verwendet
werden.
Hiermit hängen nun auch die Mimmalzahlen der Tabelle für die verdampfte Wassermenge
(S. 4) zusammen, welche beim ersten Anblick befremdend erscheinen mögen.
Während im Allgemeinen die verdampfte Wassermenge pro
Pferd und Stunde mit der Füllung abnimmt, finden wir in den Reihen für p = 0,5, 0,75 und 1 eine Zunahme von einem gewissen
Füllungsgrade an. Es heißt dieß also: Wenn man z.B. einen anfänglichen Druck von 0,5
Atm. hat, so ist eine geringere Füllung als 0,6 (mit Condensation) unvortheilhaft;
es müssen demnach von hier ab rückwärts die Werthe für den Wasserverbrauch pro Pferd und Stunde steigen. – Diese
Minimalzahlen fallen naturgemäß nicht genau mit den Werthen der Tabelle für den
vortheilhaftesten Füllungsgrad zusammen, weil diese, wie schon bemerkt, ohne
Berücksichtigung des schädlichen Raumes, jene mit derselben berechnet sind, und
außerdem in den letzteren der genaue jedesmalige Werth für μ zu Grunde gelegt ist.
In der zu hohen Endspannung des gebrauchten Dampfes liegt übrigens ein großer Theil
des Geheimnisses des Gesetzes, daß im Allgemeinen der geringste Füllungsgrad der
vortheilhafteste ist, und es muß sich dasselbe Jedem, auch dem denkenden Laien,
sofort aufdrängen, wenn er aus dem Dampfabgangsrohr den verwendeten Dampf mit einer
großen, häufig zu findenden Vehemenz ausströmen sieht. Der Gedanke liegt zu nahe,
daß in diesem mit so starker Spannung austretenden Dampfe noch eine Arbeit vorhanden
sey, die durch richtige Anlage verwerthet werden kann. Oft liegt dieß freilich in
einer nachträglichen Ueberbürdung der Maschine, welche mit geringerer Füllung die
ihr zugemuthete, mit der Vergrößerung des Betriebes der sich erweiternden Fabrik
vermehrte Arbeit einfach nicht mehr leisten will. Nicht selten ist es aber wohl auch
ein Fehler des Constructeurs, welcher, vielleicht um Material zu sparen, kleine
Dimensionen mit hoher Endspannung anstatt größerer Abmessungen mit geringer
Endspannung zu wählen sich veranlaßt sah. Was hier der Abnehmer an Kosten für die
neue Maschine spart, wird er häufig genug an Kohlen mehr als einmal zusetzen
müssen.
Mit den nunmehr angegebenen Mitteln ist es aber leicht, sich zu berechnen, ob eine
andere Anlage mit größeren Dimensionen durch Kohlenersparniß die Zinsen der
Capitalvergrößerung deckt oder nicht.
E. Vom
negativen Füllungsgrad.
Betrachten wir die Formel 1 unserer ersten Abhandlung (S. 383), welche für gegebenen
anfänglichen und mittleren Druck den Füllungsgrad angibt,
Textabbildung Bd. 198, S. 11
so sehen wir in derselben die Möglichkeit, den Füllungsgrad
negativ werden zu lassen.
Es tritt dieser Fall da ein, wo
6(p – p₀)/4(p + 1) > 1
ist, also der angenommene Druck des Kesseldampfes gar nicht
einmal im Cylinder vorhanden gewesen seyn darf, um schon den mittleren Druck,
welcher unter den bestimmten Verhältnissen die gewünschte Arbeit liefert, zu
erzeugen.
Fig. 1., Bd. 198, S. 11
Nehmen wir z.B. diesen anfänglichen Druck als einmal im Cylinder vorhanden, von der
Größe p an, und gehen wir zu unserem Spannungsdiagramm
zurück (s. Fig. 1), so muß doch unter allen Umständen
das Herabsinken der Spannung bei der Expansion durch eine Curve dargestellt werden
können, welche in der Unendlichkeit die Abscisse tangirt; denn erst in der
Unendlichkeit wird die Spannung = 0 seyn. Das durch diese Curve und die
entsprechenden, um den Hub H von einander entfernten
Ordinaten mit der Abscisse abgegrenzte Flächenstück gibt aber, wie wir gesehen
haben, die Arbeit pro Flächeneinheit und Hub an. Sie
stellt, durch h dividirt, den mittleren Druck dar. Ist
dieser größer als er gegebene, so darf nicht einmal die Spannung p, ganz abgesehen von einem Füllungsgrad, in dem
Cylinder entstehen. Um trotzdem die Curve mit der Spannung p beginnen zu können, müssen wir uns den Anfangspunkt derselben um die in
diesem Fall negativ erscheinende Größe ε nach
links, außerhalb des eigentlichen Diagrammes, verschoben denken, um in der alsdann
durch die beiden ursprünglichen Ordinaten eingeschlossenen Fläche die gewünschte
Arbeit repräsentirt zu erhalten.
Die diesem Fall entsprechenden (Indicator-) Diagramme der Praxis zeigen auch
ganz die gleiche, mit der scharfen Ecke beginnende Form. Der Dampfzutritt ist durch
die entsprechende Oeffnung so gering gemacht, daß das Forteilen des Kolbens dem Dampf nicht gestattet,
auch nur in zwei auf einander folgenden Momenten dieselbe Spannung zu behalten, und
die Curve sinkt sofort mit der rückgängigen Bewegung des Kolbens herab.
Von den nachstehenden beiden, der Praxis entnommenen und zu derselben Maschine
gehörenden Diagrammen zeigt das erste (Fig. 2) die
gewöhnliche, normale Form, wo dem Dampf Zeit gelassen wurde, seine Spannung während
des ersten Theiles des Kolbenweges beizubehalten.
Fig. 2., Bd. 198, S. 12
Fig. 3., Bd. 198, S. 12
Das zweite hingegen (Fig. 3)
gibt deutlich diese abgerissene Form an, wie wir sie eben erklärt haben.Es mag vielleicht befremdend erscheinen, wenn in jetziger Zeit, wo man immer
mehr und mehr von den im Eingange dieser Abhandlung angegebenen
Voraussetzungen abgeht, noch eine neue Theorie für dieselben aufgestellt
wird. Es lag aber nicht in der Absicht des Verfassers, neue, geistreiche
Theorien überflüssig oder ihnen auch nur Concurrenz zu machen, sondern es
war, wie schon mehrmals erwähnt, das Bestreben desselben, die complicirten Gesetze der Abnahme der
Dampfspannung für den praktischen Gebrauch in leichtfaßliche Formen
zu bringen, welche geeignet sind, schnelle und
übersichtliche Rechnungen zur Construction von Dampfmaschinen anstellen
zu können, oder auch beim Unterricht als Anhalt zu dienen. Durch
die Einfachheit der entwickelten Formeln dürfte dieses Ziel als erreicht zu
betrachten seyn, und dieß um so eher, als ihnen gegenüber bis jetzt nur
Formeln stehen, welche eine freie Operation mit den Hauptgrößen (anfängliche
Spannung, mittlerer Druck, Füllungsgrad) nicht zulassenzulassen. Ohne neue Gesetze aufzustellen, sollten wenigstens die
Beziehungen der genannten drei Größen unter Beobachtung einer praktisch
ausreichenden Genauigkeit vereinfacht werden.Von diesem Gesichtspunkt aus bittet der Verfasser die vorliegende Arbeit zu
beurtheilen und zu benutzen.