Titel: | Ueber Ringzwirnmaschinen; von C. Bollé in Manchester. |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. XXIV., S. 110 |
Download: | XML |
XXIV.
Ueber Ringzwirnmaschinen; von C. Bollé in
Manchester.
Aus der deutschen Industriezeitung, 1870, Nr.
29.
Bollé, über Ringzwirnmaschinen.
Nach der ersten Erfindung des Ringspinnsystemes wurde dasselbe auch in England
mehrfach versucht, verschaffte sich aber keinen Eingang; dagegen ist es in letzterer
Zeit in der Zwirnerei wieder in Aufnahme gekommen, und dürften mit Rücksicht auf die
größere Bedeutung, welche dieser Industriezweig heute besitzt und wozu die
Verbreitung der Nähmaschine wesentlich beigetragen hat, einige Notizen über die
jetzt hier gebräuchliche Construction und Betriebsweise der Ringzwirnmaschinen nicht
uninteressant seyn.
Bekanntlich werden bei diesem System die Spulen von den Spindeln getragen und
gedreht, während die Ringe in einer auf- und abgehenden Schiene gelagert sind
und die Fäden die Oesen oder Travellers mitnehmen. Beide Theile haben im Laufe der
Zeit mehrfache Formänderungen erlitten; die zum Spinnen gebrauchten Oesen gleichen
jetzt einem horizontal gestellten C und laufen oben auf
den Ringen, während die Form der zum Zwirnen verwendeten Oesen der Contour des
menschlichen Ohres ähnlich ist und sie die 5/8 Zoll breiten Ringe oben und unten
umfassen und inwendig an denselben herum laufen. Zum Trockenzwirnen sind sie von
Stahl, zum Naß-Doubliren von sehr hartem und elastischem Messing.
Während man sich in Amerika vielfach der Spulen ohne Köpfe bedient, welche conisch
ausgebohrt auf die Spindeln aufgedrückt werden, und das Garn kötzerförmig aufwindet,
gibt man hier Spulen mit Kopf- und Fußscheiben den Vorzug, welche auf einen
Teller der Spindel gestellt und durch Stifte mitgenommen werden. Der Kopf hat einen
kleineren Durchmesser als die Fußscheibe, damit sich der Faden bei der untersten
Stellung der Ringschiene nicht daran reibt, und sind die gefüllten Spulen auf 3/4
der Länge cylindrisch und dann conisch zugespitzt. Anfangs bildete man den Conus
durch allmähliche Verkürzung des Hubes der Ringschiene; davon ist man jedoch
zurückgekommen und formirt denselben einfach dadurch, daß man durch geeignete Form
des Herzes zur Hubbewegung letztere gegen die Spitze hin beschleunigt. Bei ersterem
System nämlich muß der Bewegungsmechanismus nach jedesmaligem Füllen der Spulen
wieder zurückgestellt und müssen daher sämmtliche Spulen gleichzeitig begonnen
werden, wie das bei Flyermaschinen hier im Allgemeinen üblich ist. Nun verursacht
aber die große Geschwindigkeit, mit welcher sich die Spindeln drehen und die den
Oesen mitgetheilt werden muß, leicht ein Brechen der Fäden. Zunächst muß nämlich der
Faden zwischen Lieferungscylinder und Spule straff gezogen werden, und bei der
größeren Länge desselben (ca. 12 Zoll) erreicht die
Spindel schon eine gewisse Geschwindigkeit, ehe dieß stattfindet, und reißt dadurch
den Faden ab; dann ist die Richtung desselben von der Oese zur leeren Spule bei
deren geringem Durchmesser von 5/8 oder 3/4 Zoll nahezu radial und schlecht
geeignet, der Oese eine tangentiale Bewegung zu ertheilen. Es brachen daher bei
gleichzeitigem Anlassen aller Spulen stets eine Menge Fäden, welche, von der Spindel
herum geschleudert, die Nachbarfäden ebenfalls abrissen und einen bedeutenden
Garnverlust zur Folge hatten. Man stellt daher die Maschinen jetzt nicht ab, sondern
die Spinnerinnen selbst nehmen die Spulen der Reihe nach ab, indem die Spindel durch
Andrücken des Knies gegen den Würtel festgehalten wird; das lose Ende des Fadens
wird um die Spule geknüpft und die Spindel durch die Hand gleitend langsam
angelassen. Unter den verschiedenen, größtentheils praktisch werthlosen
Vorrichtungen zur Erleichterung des Abnehmens der Spulen verdient die von G. Bernhardt erfundene Einrichtung Erwähnung, durch welche
die Abnahme der vollen und das Aufstecken der leeren Spulen von einem Arbeiter von
einem Ende der Maschine aus bewerkstelligt wird. Die leeren Spulen werden während
des Ganges der Maschine durch entsprechende Löcher im Cylinderbaum (roller beam, worauf die Walzenständer befestigt sind) in
kurze an beiden Enden offene, vorn ausgeschnittene Röhren auf eine Schiene gestellt,
welche etwa 1/8 Zoll
höher als die Spitze der Spindeln und ungefähr 3 Zoll hinter denselben steht. Sind
die Spulen gefüllt, so wird zunächst die Hubvorrichtung der Ringschiene ausgelöst,
letztere gesenkt und dadurch ein kurzes Ende Garn unterhalb des Spulentellers auf
die Spindel aufgewickelt. Dann wird die Maschine abgestellt, die Ringschiene um die
Länge der Spulen plus ca. 2 Zoll über die Spitze der
Spindeln und gleichzeitig eine andere Schiene gehoben, welche während des Zwirnens
auf der Halslagerschiene liegt, beim Heraufgehen über den Teller weggehend die
Fußscheiben der Spulen erfaßt und letztere bis über die Spitze der Spindeln auf die
Höhe des oben erwähnten Leerspulenträgers bebt. Dabei wird der Faden, welcher von
der Spule unter den Teller führt, abgerissen, während die vom Lieferungscylinder
durch die Oese gehende Länge auf der Spindel befestigt bleibt. Die Röhren mit den
leeren Spulen werden dann gleichzeitig bis über die Mitte der Spindeln vorgeschoben,
wobei sie die vollen Spulen in dazu vorher angesteckte Kästen hinab werfen und deren
Stelle einnehmen. Die Schiene, auf welcher die Spulen jetzt stehen, wird dann
gesenkt, bis die Spitze der Spindel etwa 1 1/2 Zoll in die Spulen hineinragt, worauf
die Röhren zurück gezogen werden. Dann geht der Spulenträger in seine ursprüngliche
Lage auf der Halslagerschiene zurück, wobei die Spulen auf den Tellern stehen
bleiben und die Ringschiene in die Nähe des unteren Endes ihres Hubes gelangt. Die
Hubvorrichtung wird darauf eingerückt und die Maschine angelassen. Das von dem auf
die Spindel aufgewickelten Faden auf die leere Spule führende Ende wird bei dem
nächsten Abnehmen mit abgerissen und die aufgewickelte Länge nach Bedürfniß von Zeit
zu Zeit abgeschnitten. Die sämmtlichen Mechanismen werden durch Wellen und Stangen
von dem der Riemenscheibe abgelegenen Ende in Bewegung gesetzt und wird die ganze
Operation in weniger als einer Minute vollbracht. Es sind ein halbes Dutzend dieser
Maschinen in der Fabrik von J. C. Milne und Comp. in Radcliffe in Betrieb und muß die Erfindung in
mechanischer Hinsicht als gelungen bezeichnet werden. Dagegen stellt sich der Preis
dieser Maschinen 3 bis 4 Sh. pro Spindel höher als der
gewöhnlicher Stühle, und dieß in Verbindung mit dem Garnverluste dürfte
allgemeinerer Einführung ein wesentliches Hinderniß entgegenstellen.
Der Vortheil der Ringmaschinen besteht natürlich hauptsächlich in der größeren
Production, indem die Abwesenheit des Flyer es erlaubt, die Spindeln ohne Nachtheil
5500 bis 6000 Umdrehungen machen zu lassen, während man bei Flyermaschinen mittlerer
Größe 4500 Umdrehungen selten überschreitet. Ferner läßt sich die Spannung der Fäden auf's Beste durch
Anwendung verschiedener Nummern der Oesen reguliren und bleibt dieselbe während des
Füllens der Spulen gleichförmig, während bei Flyermaschinen die Spannung mit dem
Füllen der Spulen wächst und zwar durch Gewichte regulirt werden kann, was indessen
umständlich ist und vielfach unterlassen wird. Namentlich kann man den Fäden weniger
Spannung geben, als es bei Flyermaschinen möglich ist; es eignen sich die Ringe
daher für weiche Garne. Dann läßt sich dieselbe Maschine – abgesehen von der
Größe der Spulen – zum Zwirnen feiner und grober Garne benutzen. Ferner sind
die Spulen groß und brauchen nicht so oft gewechselt zu werden; für feinere Garne
sind sie 4 Zoll lang bei 1 1/2 Zoll Durchmesser, für gröbere 5 und 6 Zoll lang bei 1
3/4 und 2 Zoll Durchmesser. Die lichte Weite der Ringe ist 1/4 Zoll größer als der
Durchmesser der gefüllten Spule, doch scheint eine größere Differenz wünschenswerth,
indem die Fadenlänge von der nahezu gefüllten Spule bis zur Oese sehr klein wird und
bei kleineren Störungen der regelmäßigen Bewegung der letzteren nicht nachgeben kann
und daher leicht bricht. Die Distanz der Spindeln ist mindestens 3/4 Zoll, besser
ein Zoll größer als die lichte Weite der Ringe.
Man wendet gegen die Ringmaschinen ein, daß die Zwirnung bei leerer und voller Spule
nicht gleichmäßig sey. Theoretisch ist das allerdings der Fall. Die Aufwickelung
findet dadurch statt, daß die Oese hinter der Spule zurückbleibt und verliert der
Faden also für jede Aufwickelung der Spule eine Umdrehung gegen die Spindel; bei
einer 3/4zölligen leeren Spule also eine Drehung in 2,36 Zoll, bei 1 1/4 Zoll
Durchmesser eine in 3,92 Zoll, bei der gefüllten 1 3/4zölligen Spule eine Zwirnung
in 5,5 Zoll. Macht die Spindel z.B. 31 Umdrehungen pro
Zoll Peripheriegeschwindigkeit des Lieferungscylinders, so enthalten also im ersten
Fall 2,36 Zoll Garn nur 69,80 Zwirnungen anstatt 70,80 oder 29,6 Zwirnungen pro Zoll, im zweiten Fall 29,75 und bei voller Spule
29,8 Zwirnungen pro Zoll. Um also im Durchschnitt 30
Zwirnungen zu erhalten, müßte die Spindel etwa eine Viertelumdrehung pro Zoll gelieferten Garnes mehr machen. Die Differenzen
sind bei diesem Grade der Zwirnung von keiner praktischen Bedeutung, aber
erheblicher bei schwach gezwirnten Garnen, die indessen bei Flyermaschinen auch sehr
unregelmäßig ausfallen. Zur Vergleichung der verschiedenen Systeme wurden in der
oben erwähnten Fabrik schwarze und weiße Garne auf beiderlei Maschinen doublirt und
auch schwarze und weiße bunte auf einem Selfactor versponnen, und zeigte sich die
Zwirnung in allen Fällen gleich schlecht und unregelmäßig. Ein anderer Uebelstand
ist, daß beim
Brechen eines Fadens das von der Spule herum geschleuderte Ende in das Oel taucht,
mit dem die Oesen geschmiert sind, und dabei die benachbarten Spulen beschmutzt. Da
in den meisten Fällen jedoch die Garne oder Gewebe nachher gebleicht oder gefärbt
werden, hat das keinen bleibenden Nachtheil.
Im Allgemeinen wiegt die größere Production die anderen Uebelstände wohl auf und
finden die Ringmaschinen in der Zwirnerei für mittlere Garne von etwa Nr. 30 bis 80
jetzt größeren Eingang. So hat z.B. die Nähgarnfabrik von J. und P. Coats in Paisley bereits ungefähr 200 derselben im
Betrieb.
Zum Spinnen sind die Ringmaschinen bis jetzt nur versuchsweise angewendet worden und
liegen noch keine Resultate darüber vor. Auch hat man sie in der
Streichgarnspinnerei versucht, indessen ist die Abnutzung der Oesen sehr stark.
Dagegen hat man in der Fabrik von Marshall in Leeds sehr
günstige Resultate im Flachsspinnen erzielt bei Anwendung derselben Ringe und Oesen,
wie sie zum Zwirnen von Baumwollgarnen benutzt werden. Da die schweren
Flachsspindeln in der Regel nur 2000 bis 3000 Umdrehungen machen, während die
Ringspindel mit 5000 und mehr laufen kann, so ist der Vortheil in der Production
verhältnißmäßig bedeutender, die stärkeren Fäden brechen selten und die große Menge
des mitgeführten Wassers trägt wesentlich zur Conservirung der Oesen bei. Die
Flachsspinnmaschinen haben fast immer eine stehende Halslagerschiene und
traversirende Spulenträger und lassen sich daher leicht in Ringmaschinen abändern,
indem die Spindeln dick und lang genug sind, um zu Ringspindeln umgeändert zu
werden; der Spulenträger wird durch die Ringschiene ersetzt und die Hubvorrichtung
entsprechend abgeändert.
Der Preis der Ringmaschinen ist bis jetzt ungefähr 1 Sh. pro Spindel höher, als der der Flyerzwirnmaschinen (die Ringe müssen sehr
sauber und exact seyn), indessen wird bei größerer Anwendung sich diese Differenz
mehr ausgleichen.