Titel: | Anwendung des Spectroskops zu technischen Untersuchungen und zur Entdeckung von Fälschungen; von H. C. Sorby. |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXI., S. 243 |
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LXI.
Anwendung des Spectroskops zu technischen
Untersuchungen und zur Entdeckung von Fälschungen; von H. C. Sorby.
Aus dem Quarterly Journal of Microscopical Science, London
1869, Octoberheft S. 358, durch die „deutsche Vierteljahresschrift für öffentliche
Gesundheitspflege,“ 1870, Bd. II S. 41.
Mit einer Abbildung.
Sorby, über Anwendung des Spectroskops zu technischen
Untersuchungen und zur Entdeckung von Fälschungen.
Der Zweck dieses Aufsatzes ist zu zeigen, daß das Spectroskop in verschiedenen
Zweigen der technischen Untersuchung mit Vortheil angewendet werden kann, und die zu
solchen Untersuchungen nützlichen Methoden zu beschreiben. Da diese leichter durch
praktische Beispiele verstanden werden, so will ich die Beschreibung jedes
besonderen Verfahrens bis zu den praktischen Fragen versparen, die ihre Anwendung
verlangen.
Zuerst beziehe ich mich auf meine Schriften „Ueber eine bestimmte Methode
der qualitativen Analyse von thierischen und vegetabilischen
Farbstoffen“ und „Ueber die Farbstoffe von blauem
verdorbenem Holz“ , da Manches, was ich jetzt beschreiben werde, eine
Fortsetzung und Anwendung des darin Enthaltenen ist.
Die zum Messen der Lage der Absorptionsstreifen angewendete Scala ist ein Interferenz-Spectrum mit dunkeln Streifen, welche das
ganze sichtbare Spectrum in zwölf Theile von gleichem optischem Werthe theilen, und
soll so adjustirt werden, daß die Natriumlinie I) genau bei 3 1/2 steht. Auf dieser
Scala kommen die Haupt-Fraunhoferlinien wie folgt vor:
A . . . 3/4 – B . . . 1 1/2 – C . .
. 2 3/8 – D . . . 3 1/2 – E . . . 5 11/16 – 6 . . . 6 3/16 –
F . . . 7 1/2 – G
. . . 10 5/8.
Das Einzige, was gegen diese Scala zu sagen ist, ist, daß ihre Genauigkeit von der
sorgfältigen Bereitung der Quarzplatte abhängt. Ich habe selbst mehrere ganz gleich
und genau gemacht, und es ist einige Sorgfalt dazu erforderlich. Wenn sie einmal
genau gemacht ist, kann keine Scala passender seyn, da die Streifen in gleichen
optischen Intervallen über das ganze Spectrum vorkommen und ganz deutlich sind, wenn
der Schlitz ziemlich weit geöffnet ist, was manchmal ein großer Vortheil ist. In
diesen zwei Hinsichten ist sie bei weitem besser, als irgend eine bis jetzt
vorgeschlagene Scala.
Die Intensität der Absorption ist durch Punkte und Striche anzugeben, so:
Gar nicht schattirt
Weißer Raum
Sehr leicht schattirt
.
Einfacher Punkt
Leicht schattirt
. .
Doppelpunkt
Mäßig dunkel
– –
Doppelter Bindestrich
Sehr dunkel
–
Einfacher Strich.
Wenn diese Zeichen zwischen die Zahlen gedruckt sind, so
bedeuten sie eine mehr oder weniger starke Absorption „zwischen“ diesen Punkten des Spectrums
nach obiger Scala gemessen; währenddem, wenn sie unter
den Zahlen stehen, sie eine deutliche Absorption und Streifen bedeuten, von der
durch die verschiedenen Zeichen ausgedrückten Intensität, deren „Mittelpunkt“ auf der durch die Zahlen
angegebenen Seite der Scala liegt. Diese letztere Methode ist sehr einfach und
passend und dient oft dazu, alles Nöthige auszudrücken.
Sie mag vielleicht denen unvollkommen erscheinen, die gewohnt sind, die Spectra von
Stoffen im rohen, ungereinigten Zustande (Incandescens)
zu studiren, aber sie ist in jeder Hinsicht geeignet zum Studium der Spectra von
Lösungen, wo ein kleiner Unterschied im Charakter der Lösung oft einen viel größeren
Unterschied in der Lage der Streifen macht, als durch einen Irrthum im Gebrauche
einer solchen Scala oder beim Ablesen geschehen kann. Um die Flüssigkeiten bei der
Untersuchung zu halten, brauche ich in den meisten Fällen enge, tiefe Behältnisse,
gewöhnlich von 1/8 Zoll Durchmesser und 1/2 Zoll Tiefe, so gemacht, daß sie sowohl
in der Länge als an den Seiten untersucht werden können; zuweilen gebrauche ich auch
weitere und 2 1/2 Zoll lange.
Beim Gebrauche dieser engen Behältnisse wird zu einer erfolgreichen Untersuchung viel
weniger Material gebraucht, was nicht nur sehr wichtig, wenn wenig zu haben ist,
sondern auch in anderen Fällen viel Zeit erspart beim Filtriren und Ausdünsten.
Ich werde meine Mittheilungen in drei Hauptkapitel theilen:
1) Verschiedene Thatsachen, bei Untersuchung des Weines gewonnen;
2) solche für Malzflüssigkeit;
3) Beispiele der Methoden zur Entdeckung von Fälschungen in verschiedenen als Nahrung oder Heilmittel gebrauchten Stoffen.
1) Ueber die Farbstoffe des
Weines.
Die reine Farbe von frischen schwarzen Trauben wird am besten zubereitet, indem man die Haut
wegnimmt, sie in Alkohol erhitzt, die Lösung bis zum Trocknen abdampft, wieder in
etwas Wasser löst, filtrirt, wieder in einer kleinen Untertasse bis zum Trocknen
abdampft. Nun kann die Farbe viele Monate ohne bedeutende Veränderung als dicker
Syrup aufbewahrt werden. Sie gehört zu der Gruppe von Farben, die ich in meiner
Schrift in den „Verhandlungen der königlichen Gesellschaft“
Gruppe B. genannt habe, – d.h. schwefligsaures
Natron erzeugt keine sofortige Wirkung, wenn zu einer Lösung zugefügt, die durch
Ammoniak alkalisch gemacht war; aber in einer Lösung, die durch Citronensäure (Citric acid) angesäuert worden, hebt es beinahe sofort
die im Grünen bestehende Absorptionsfärbung auf, so daß die Lösung sehr blaß
wird.
Da die Farbe von schwarzen Trauben „purpur“ ist, wenn trocken
und ganz neutral, so kann man sie „Vitis-purple“ (Weinrebenpurpur) nennen; ich habe sie
noch bei keiner anderen Frucht gefunden, als bei der gewöhnlichen Rauschbeere oder
Moosbeere (Empetrum nigrum). Eine ihrer
Eigenthümlichkeiten ist, daß sie leicht in unauflösliche Modificationen übergeht.
Sie gehört zu meiner Untergruppe Bal₀ am₀, da sie keine bestimmte enge
Absorptionsstreifen gibt in alkoholischer Lösung, wenn neutral oder mit Ammoniak im
Ueberschuß.
Solche Farben sind am schwersten von einander zu unterscheiden und ich habe noch
keine befriedigendere Methode finden können als folgende: Ein geringes Uebermaaß von
Ammoniak muß der alkoholischen Lösung beigegeben und diese so verdünnt werden, daß
die Absorption in dem orange Theil des Spectrums deutlich ist, aber doch bei weitem
nicht dunkel, und die Stellung der Grenze der Absorption gegen das rothe Ende
sorgfältig gemessen und notirt, so – 1 5/8....
Die gleiche Grenze muß auch ermittelt werden, nachdem Salzsäure im Ueberschuß der
Lösung beigefügt ist, sowohl der Lösung in Wasser als in Alkohol, welche Lösungen
manchmal die gleichen, aber oft sehr verschiedenen Spectren geben. Diese
verschiedenen Absorptionsgrenzen wechseln mit der Tiefe der Farbe; aber wenn man
Sorge trägt, Lösungen zu haben, welche gleich starke Absorptionen geben und
dieselben neben einander zu vergleichen, so ist es oft leicht, noch einander sehr
ähnliche Farben ganz bestimmt zu unterscheiden, z.B. die von dunkeln Stachelbeeren
von jener der Trauben, oder von frischen Trauben und von neuem rothen Wein. Der
Unterschied zwischen letzten ist bewiesen, nicht nur durch die Spectra, sondern auch
durch andere Thatsachen.
In meinem schon citirten Aufsatze in den „Verhandlungen der königlichen
Gesellschaft“ (S. 443) zeigte ich, daß, wenn gewisse Farbstoffe in Wasser oder Alkohol
aufgelöst werden, sie dunkelfarbige Lösungen geben, die schnell so bleichen, daß sie
beinahe farblos werden; aber wenn diese verblichenen Lösungen bis zum Trocknen
verdunstet werden, so kommt die frühere Farbe gänzlich zurück, und nach Zufügung
einer starken Säure wird die Farbe ganz so dunkel, als wäre sie nie verblaßt.
Hieraus geht hervor, daß das Verblassen nicht der Zersetzung zuzuschreiben ist,
sondern Molecularveränderungen, die in verdünnten Lösungen schnell stattfinden. Die
Farbe von frischen Trauben ist ein Beispiel davon; indem ich sie mit einer
Normal-Scala der Farben (welche nicht verblaßte) verglich, und sowohl sofort
nach Auflösung der Farbe, als auch nach etwa einer Stunde, als keine weitere
Veränderung eintrat, die beiden Farben neben einander hielt, fand ich: daß die
verblaßte Farbe gerade die fünffache Dichtigkeit brauchte, um die gleiche Stärke der
Absorption am gelben Ende des Grün zu geben. Im Gegentheil verblassen neue dunkle
Weine, bis zum Trocknen verdunstet, nicht in solcher Art, wenn die Farbe wieder in
Wasser gelöst wird.
Die Farbe des neuen Weines scheint in einer sehr frühen Periode ihrer Bildung
hervorgebracht zu werden. Wenn man die Farbe der frischen Trauben im Safte auflöst,
indem man etwas Hefe zugibt und die Lösung einige Tage warm hält, so scheint die
Farbe wie diejenige von neuen Weinen sich zu verhalten und gar nicht zu verblassen,
wenn man sie wieder in Wasser löst. Die drei Jahre lang als trockener Syrup
behaltene Farbe zeigte eine ähnliche Veränderung. Ich glaube daher, daß dieselbe
entweder der Gährung oder einer leichten Oxydation zuzuschreiben ist. Ich bin sehr
geneigt, die letztere Erklärung anzunehmen, denn wenn man Citronensäure zu einer
wässerigen Lösung der frischen Farbe gibt und dann eine kleine Menge
unterchlorigsaures Natron (Natrium-Hypochlorit), so wird die Farbe verändert
von Fleischfarbe zu Rosenroth (pink to pink – red), die Absorption dehnt sich mehr nach dem rothen
Ende aus und ist gleichförmiger über das Grün und Blau; in allen diesen Beziehungen
ist sie in Uebereinstimmung mit dem Spectrum von neuem Weine. Eine solche Aenderung
findet nicht statt, wenn der Wein auf gleiche Weise behandelt wird, als ob die
Aenderung schon erfolgt wäre. Diese beiden Farben gehören zu meiner Gruppe 6., aber
wenn eine oder die andere noch mehr oxydirt wird durch Zufügen von mehr Javelle'scher Lauge (Natrium Hypochlorit), dann gibt es
eine Art orange Farbe, welche derjenigen von Portwein zu entsprechen scheint, der 20
Jahre oder länger im Faß war; wenn noch mehr verändert, so wird die Farbe ganz blaß,
wie sehr alter Wein. Folgende Zusammenstellung soll diese Thatsachen deutlicher
zeigen:
Farbe von dunkeln Trauben in
Citronensäure und Wasser
4
..
4 1/2
– – 8 1/2 .. 11
– –
Farbe nach Hinzufügung von etwas
Natrium-Hypochlorit
3 1/4
..
3 3/4
– – – –
Neuer natürlicher Portwein
3 1/4
..
3 3/4
– – –
Neuer nach Hinzufügung von etwas
Natrium-Hypochlorit
3 1/4
..
3 3/4
– – –
Farbe von dunkeln Trauben mit mehr
Natrium-Hypochlorit
5
..
6
– – 10 –
Neuer ächter Portwein mit
Natrium-Hypochlorit
5
..
6
– – 10 –
1834er Portwein vom Faß
5
..
6
– – 10 –
Da diese Aenderung im Spectrum, vom Zustande der Oxydation abhängend, von bedeutendem
Interesse ist, weil sie ein allgemeines Gesetz darstellt, so füge ich einen
Holzstich (Fig. 5) bei, um meine Meinung denjenigen
deutlicher zu machen, die an den Gebrauch der in obiger Tabelle gebrauchten Zeichen
nicht gewöhnt sind.
Fig. 1 zeigt das Spectrum der Farbe von dunkeln Trauben in ihrem natürlichen Zustande, mit Citronensäure
und Wasser. Fig. 2 ist das Spectrum der
„oxydirten Modification“ , die man bei jungen Weinen
findet, und Fig. 3 der bei sehr
alten Weinen gefundenen „per-oxydirten“ Farbe, oder der durch die vollständigere
künstliche Oxydation der zwei anderen gebildeten.
Fig. 5., Bd. 198, S. 247
Die Farbe von sehr altem Weine gehört zu meiner Gruppe C., und wird nicht geändert durch Hinzuthun von
schwefligsaurem Natron zu einer sauren Lösung, währenddem, wie schon gesagt, die
charakteristische Farbe von sehr jungem Weine zu meiner Gruppe B. gehört, und wenn man ihn in reinem Zustande bekommen
könnte, würde er wahrscheinlich beinahe farblos werden durch Zufügen schwefligsaurer
Salze. – Dieser Unterschied zwischen der Farbe von neuem und altem Weine hat mich in den Stand
gesetzt, eine Methode zu finden, durch welche ich das
ungefähre Alter von im Fasse befindlichem Portweine finden kann. (In diesen
Experimenten bin ich von meinen Freunden J. Prestwich und
A. Hay in Sheffield dadurch unterstützt worden, daß sie
die nöthigen Proben ächten, unverfälschten Weines mir verschafften.)
2) Ueber das Alter von dunkeln
Weinen.
Um guten Erfolg der Untersuchung zu erlangen, ist bedeutende Sorgfalt nöthig, und
nachdem ich es mit mehreren Methoden versucht, fand ich, daß die folgende die beste
war: Ich habe zwei Gefäße, 1 Zoll lang, von starker Glasröhre gemacht, innen
ungefähr 1/4 Zoll weit. Beide Enden sind gerade geschnitten, und eines ist an ein
Stück Glas festgekittet. (Als Kitt benutzte ich gereinigte Gutta-percha, weil
er Alkohol, Säuren und Alkali widersteht.) Eines der Rohre wird sorgfältig in zehn
gleiche Theile getheilt und das andere freigelassen.
Wein im natürlichen Zustande ist oft viel zu dunkel gefärbt, um die Wirkung des
schwefligsauren Natrons erkennen zu lassen, wenn wir sein Spectrum untersuchen. Es
ist deßhalb nöthig, ihn mit einem Theil Alkohol und drei Theilen Wasser zu
verdünnen, so daß das Spectrum eine deutliche, aber durchaus nicht vollständige
Absorption des hellen Endes im Gelben und in dem gelben Ende des Grünen zeigt.
– Nachdem ein Theil des Weines so weit verdünnt ist und so viel Citronensäure
zugefügt worden, daß er eine starke saure Reaction hat, muß er in zwei
Versuchsröhren gegossen werden, pulverisirtes schwefligsaures Natron in die eine
gegeben werden; die andere bleibt ohne diesen Zusatz. Obgleich schwefligsaures Salz
(Sulphit) eine sehr bedeutende Aenderung hervorbringen kann, so tritt sie doch in
der Regel erst nach einiger Zeit vollständig hervor, und deßhalb ist es besser, die
Lösungen ein oder zwei Stunden in den Röhren zu behalten, welche zugekorkt sind, um
Verdunstung zu verhindern. Der dann zu entscheidende Punkt ist: eine wie viel
weniger dicke Schicht von dem verdünnten Weine, zu welchem kein Sulphit gefügt
wurde, genau die gleiche Intensität der Absorption im Gelben und im gelben Ende des
Grünen geben wird, als die einen Zoll dicke Schicht des gleichen, auf den das
Natrium-Sulphit gewirkt hat. Die nicht graduirte Röhre muß deßhalb mit
letzterem gefüllt werden und ein kleines Stück dünnes Glas darauf gelegt, so daß das
Licht durch eine genau einen Zoll starke Schicht der Flüssigkeit gehen kann, und daß
nichts von dieser herauslaufen kann, wenn die Röhre in schiefer Lage auf die Seite
des Spectrumglases gelegt wird. Der verdünnte Wein muß dann in die graduirte Röhre
gebracht werden, welche beinahe senkrecht auf das gewöhnliche Gestell (Stage) des Mikroskops gebracht wird und die Stärke der
Flüssigkeitsschicht durch eine Pipette genau regulirt, so daß die Intensität der
Absorption in den zwei Spectren ganz genau die gleiche ist: in dem Gelben und in dem
gelben Ende des Grünen. Das Licht muß in den beiden Spectren gleich stark seyn, und
deßhalb ist es auch theilweise nothwendig, das Instrument so zu reguliren, daß die
durchfallenden rothen Strahlen genau den gleichen Gang haben.
Die Genauigkeit dieses Experimentes wird beschränkt durch die Schwierigkeit zu
erkennen: wann die „transmittirten“ und die
„absorbirten“ Strahlen in beiden Spectren gleich sind, und
weil es schwer ist die Schicht des flüssigen Weines auf weniger als 1/100 eines
Zolles zu bestimmen. Der wirkliche Werth der Messungen variirt einigermaßen je nach
der Art, wie die Experimente gemacht werden, und deßhalb rathe ich Jedem, der diese
Methode anwenden will, eine Tabelle zum Vergleiche des Farbenwechsels bei Weinen
verschiedenen Alters selber sich anzufertigen.
Wenn schwefligsaures Natron der verblaßten Lösung des Farbstoffes von frischen
dunkeln Trauben zugefügt wird, so wird sie blaß orangegelb, welche Farbe, wie ich
glaube, größtentheils dem Vorhandenseyn der gleichen gelben Substanz zuzuschreiben
ist, die man bei grünen Trauben findet, so daß die Intensität der Absorption auf
ungefähr 1/10 oder von 1,00 zu 0,10 reducirt wird. Bei dem ganz neuen Weine, den ich
präparirte, wurde die Intensität der Absorption von 1,00 zu ungefähr 0,22 reducirt.
– Meine Experimente mit Handelsweinen sind hauptsächlich im April 1868
gemacht. Der neueste Portwein, den ich untersuchen konnte, war von der 1866er
Weinlese, also etwa 1 1/2 Jahre alt, und auch dieser enthielt ziemlich viel von der
C.-Farbe. Ich untersuchte verschiedene Proben
der gleichen Weinberge von verschiedenen älteren Daten, welche in der allgemeinen
Farbe und Charakter von einander sehr verschieden waren, aber wenn alle gleich lange
im Faß waren, fand ich in den allgemeinen Resultaten keinen wesentlichen
Unterschied. Von der Art, wie die Experimente gemacht wurden, ist die Aenderung
durch das Hinzuthun von Natrium-Sulphit wie die Menge von C.-Farbe als Einheit genommen, und angenommen daß
der Umfang, in welchem der Wein durch das Lagern verändert wurde, den Unterschied
ausmacht zwischen dem noch unveränderten und der Einheit, so geben die angeführten
Zahlen den durch die
langsame Wirkung der Luft bewirkten relativen Wechsel, können aber nur als Angabe
des Maaßes einer besonderen Art der Veränderung betrachtet werden. Folgende Tabelle
ist von dem Ganzen meiner Beobachtungen gebildet, um den Gegenstand deutlich zu
erklären.
Die Reihe I. zeigt das Alter des Weines nach Jahren und
den Jahrgang.
Die Reihe II. gibt die Dicke der Schicht des verdünnten Weines (ohne Sulphit) an, welche die gleiche Intensität der Absorption
erzeugte wie 1,00 Zoll von dem, zu welchem Sulphit gegeben wurde.
Die Reihe III. zeigt den Unterschied zwischen den Werthen
in Reihe II., dividirt durch die Zahl der Jahre zwischen je zwei, so daß die Größe
der Veränderung für jedes Jahr gezeigt wird, nachdem der Wein die verschiedenen
Perioden gehalten war.
I.
II.
III.
0 (von mir
selbst
gemacht)
0,22
– – – –
0,2700
1 1/2
1866
0,63
– – – –
0,0700
2 1/2
1865
0,70
– – – –
0,0300
3 1/2
1864
0,73
– – – –
0,0200
4 1/2
1863
0,75
– – – –
0,0150
5 1/2
1862
0,76 1/2
– – – –
0,0150
6 1/2
1861
0,78
– – – –
0,0070
9 1/2
1858
0,80
– – – –
0,0030
16 1/2
1851
0,82
– – – –
0,0020
20 1/2
1847
0,83
– – – –
0,0008
33 1/2
1834
0,84
– – – –
0,0007
47 1/2
1820
0,85
Da die obige Tabelle sich nicht auf Weine von gleichem Alter bezieht, so gebe ich
noch eine andere, die davon abgeleitet ist, indem die Resultate als Curve
niedergelegt und durch eingeschobene sorgfältige Messungen gewonnen wurden:
I.
II.
III.
0
– – – –
0,22
– – – –
0,330
1
– – – –
0,55
– – – –
0,120
2
– – – –
0,67
– – – –
0,050
3
– – – –
0,72
– – – –
0,022
4
– – – –
0,742
– – – –
0,017
5
– – – –
0,76
– – – –
0,012
6
– – – –
0,772
– – – –
0,010
7
– – – –
0,782
– – – –
0,007
8
– – – –
0,79
– – – –
0,005
9
– – – –
0,795
– – – –
0,005
10
– – – –
0,80
Man sieht also, daß die Geschwindigkeit, in welcher die B.-Farbe sich in C. verändert, bei neuen
Weinen viel größer ist; sie ist etwa 10mal so schnell im
ersten Jahre als im dritten, und etwa 100mal so schnell als im zwanzigsten.
Deßhalb ist der Unterschied für jedes Jahr zuerst so bedeutend, daß Weine von
verschiedenen Jahrgängen leicht unterschieden werden können; aber nach etwa sechs
Jahren ist der Unterschied so klein, daß es schwer, ja unmöglich wäre, das Alter bis
auf ein einzelnes Jahr zu bestimmen. Nach zwanzig Jahren
zeigt ein Unterschied selbst von zehn Jahren keinen auffallenden Abstand. Das Alter der Weine kann daher durch dieses Verfahren nicht
näher als bis auf zehn Jahre bestimmt werden. Bis zu sechs Jahren dagegen
halte ich es für möglich, das Alter bis auf ein Jahr
richtig zu bestimmen. (Ich habe verschiedene Proben von verschiedenen
Portweinen vom Faß genommen, von verschiedenem Alter bis zu sechs und sieben Jahren,
etiquettirte sie so, daß ich von keinem das Alter wissen konnte, es aber nachher
durch Nachsehen finden konnte. Dann machte ich die Experimente mit großer Sorgfalt
und fand, daß ich bei gehöriger Aufmerksamkeit auf die oben beschriebenen
Bedingungen den Jahrgang jeder einzelnen Probe genau bestimmen konnte.)
Wie schon gesagt, ist die Veränderung der B.-Farbe
in C. sehr wahrscheinlich die Wirkung des Sauerstoffes der Luft,
welcher langsam durch das Holz des Fasses zu wirken scheint; aber die relative Menge
dieser Farben wird auch durch die Ablage von Kruste modificirt. Wenn der Wein in gut
gekorkten Flaschen gehalten wird, so scheint die Aenderung nicht die gleiche zu seyn
und viel langsamer vor sich zu gehen. Ich glaube also, daß es kaum möglich wäre zu
bestimmen, wie lange der Wein in Flaschen gehalten wurde, und halte dafür, daß die
durch Hinzuthun von Natrium-Sulphit beobachtete Aenderung näher der Zeit
entspricht, wo der Wein früher im Fasse war. Ich habe das besonders bei Bordeaux- und Burgunder-Weinen bemerkt. Diejenigen Weine dieser Art, die ich bis
jetzt untersucht habe, scheinen eine größere relative Menge von B.-Farbe zu enthalten, wenn sie wenig Jahre alt
sind, als gewöhnliche Portweine; aber die Schnelligkeit
der Aenderung ist größer, wenn sie einige Jahre aufbewahrt sind, wahrscheinlich weil
sie weniger Alkohol enthalten. Es ist auch ein größerer Unterschied bei
verschiedenen Proben desselben Alters, als ich bei Portwein gefunden habe,
wahrscheinlich weil die Menge von Alkohol in solchen Weinen im Verhältniß zur
Gesammtmasse mehr wechselt. Nach sehr langer Zeit verschwindet die ursprüngliche
dunkel gefärbte Substanz beinahe ganz, und nur eine Ambrafarbe bleibt in der
Auflösung, welche sich gerade wie die des Sherry (Xeres) verhält.
3) Ueber weiße Weine.
Der Farbstoff der weißen Weine scheint von einer jener
gelben Substanzen zu kommen, die in Wasser auflösbar sind, von denen es mehrere von
wesentlich verschiedenem Charakter gibt: in den verwellten Blättern von
verschiedenen Pflanzenarten, die weiter unten in der Besprechung von Hopfen näher
bezeichnet werden. Diejenige, welche man bei den orangefarbenen Blättern der Buche
findet, ist ein gutes Beispiel. Die Tiefe (Dunkelheit) der Farbe wird beinahe
zehnmal so groß durch Hinzuthun von Ammoniak, und wenn sie mit starker Schwefelsäure
in eben so viel Wasser gelöst wird, so wird sie durch oxydirende Reagentien zuerst
viel dunkler und dann viel blasser. Wenn sie aber mehrere Monate in flüssigem
Alkohol aufgelöst gehalten wird, so bekommt sie eine viel dunklere Färbung, und dann
ist die Lösung mit Ammoniak im Ueberschuß nur zweimal so dunkel, als wenn sie durch
Citronensäure angesäuert wird. Wenn oxydirende Reagentien der Lösung in
Schwefelsäure beigegeben werden, wird die Färbung nicht tiefer, und so scheint es,
als wäre sie durch die Oxydation zu einer ganz anderen Farbe geworden. Der Charakter
dieser Aenderung stimmt mit dem überein was geschieht, wenn die Farbe von dunkeln Trauben
oxydirt wird, wie schon beschrieben, und beide Umstände sind gute Beispiele für ein,
wie es scheint, allgemeines Gesetz. Wenn nicht bereits oxydirt, so verursacht eine
gewisse Menge der Oxydirung, daß die Absorption gegen das rothe Ende des Spectrums
vorgeht, in einem nach der Lage der ursprünglichen Absorption verschiedenen Maaße,
und dann macht eine weitere Oxydirung, daß die Absorption von dem rothen Ende bis
bedeutend über die ursprüngliche Lage zurückgeht, manchmal so weit, daß alle Farbe
verloren ist. Wir könnten also sagen: daß solche Substanzen in
„unoxydirtem“ , „oxydirtem“ und
„per-oxydirtem“
Zustande vorkommen. Diese und ähnliche Thatsachen scheinen auch zu zeigen, daß eine
intime Verbindung zwischen chemischen Veränderungen und den von solchen Substanzen
absorbirten besonderen Lichtstrahlen besteht; aber die Besprechung dieser sehr
interessanten Frage würde mich zu weit von dem Hauptgegenstande dieses Aufsatzes
entfernen.
Als ich die Farbe von Sherry- (Xeres-) Wein mit derjenigen verglich,
welche durch die Wirkung der Luft hervorgebracht wurde auf eine Lösung in flüssigem
Alkohol des (in Wasser löslichen) Farbstoffes in verwelkten Buchenblättern, so
konnte ich keinen Unterschied finden; daher kann man annehmen, daß sie durch die
Oxydirung der gelben Farbe der Trauben geschieht; aber in einigen Weinen wird sie
vollkommen oxydirt und sie werden dunkler, wenn sie der Luft ausgesetzt sind.
4) Fälschung der Weine.
Die einzigen Fälle, wo die Spectralanalyse zur Entdeckung von
Fälschungen bei Weinen leicht angewendet werden kann, sind die: wenn
Farbstoffe zugegeben worden sind, um ein falsches Aussehen von Alter zu geben, oder
um die Farbe zu einer gewünschten Tiefe zu bringen (also auch bei der sehr
gewöhnlichen Fabrication des Rothweines aus Weißwein).
Nach Payen's interessantem WerkePayen, „Précis des Substances alimentaires“
Anmerkung auf S. 455. wurden jedenfalls vor einigen Jahren zu
diesem Zwecke Campeche- und Fernambuk-Holz gebraucht; auch
Ratanha-Holz und die Beeren der sogenannten „Virginian Poke“ (Scharlach- oder
Kermes-Beeren – Phytolacca decandra)
werden manchmal gebraucht.In Frankreich bedient man sich hierzu auch des Farbstoffes der
„schwarzen Malven,“ – bei uns der
„Heidelbeeren.“
Um „Campeche“- oder
„Fernambuk“-Holz zu entdecken, muß man eine kleine Menge Wein in
einer Probirröhre mit einer gleichen Menge Aether
schütteln; dieser kommt an die Oberfläche in beinahe
farblosem Zustande, wenn der Wein rein ist, ist
aber mehr oder weniger
stark gelb gefärbt, wenn einer der genannten Farbstoffe
vorhanden ist.
Die ätherische Lösung muß durch eine Pipette in ein Abdampfschälchen gebracht werden,
ein frisches Quantum Aether mit dem Weine geschüttelt und zu dem anderen gegeben
werden. Nachdem die Lösung bis zum Trocknen abgedunstet ist, wird eine kleine Menge
Farbe in Wasser in einem Experimentbehältniß aufgelöst und mit
doppelt-kohlensaurem Ammoniak behandelt. In beiden Fällen entwickelt sich nur
das einzelne sehr deutliche Absorptionsband im Grünen: das dem
„Campecheholz“ entsprechende liegt bei 4 3/8 meiner Scala,
das des „Fernambukholzes“ weiter vom rothen Ende, bei 5 1/4;
die Lösung fluorescirt stark, in eigenthümlicher Orangefarbe. – Diese Spectra sind so charakteristisch und können mit denen
der Farbstoffe selbst so leicht verglichen werden, daß eine äusterst geringe
Menge derselben schon mit Bestimmtheit entdeckt werden kann.
Die Farbe der „Ratanha-Wurzel“
gibt keinen charakteristischen Streifen in einer „wässerigen“
Lösung, sey diese sauer oder alkalisch; aber in „Alkohol“
gelöst und leicht angesäuert, zeigt sie ein ziemlich deutliches Band zwischen gelb
und grün, bei 3 3/4 meiner Scala, und eine schwächere bei 7 1/4. Um diese Substanz
zu entdecken, sollte der Wein also bis zu einer kleinen Masse abgedunstet und in
starkem Alkohol wieder gelöst werden, und nachdem letzterer in einer Probirröhre
gestanden hat, bis sich die unlösbaren Stoffe gesetzt haben und die Lösung ganz klar
geworden ist, wird das Absorptionsband bei 3 3/4 mehr oder weniger deutlich erkannt,
je nach der Menge der darin befindlichen Ratanha-Wurzel. Die natürliche Farbe
des Weines macht es unmöglich, eine kleine Menge zu entdecken.
Die dunkel carmoisinrothen Beeren der „Scharlach- oder Kermesbeere“
sind bemerkenswerth, indem sie eine zu meiner Gruppe C.
gehörende Farbe enthalten, während die Farben von beinahe allen Früchten dieser
Färbung zu der Gruppe B. gehören. Sie zeigt zwei
Absorptionsbänder, welche deutlicher sind in alkoholischer als in wässeriger Lösung,
und zwar –
Um diese Substanz zu entdecken, müßte man also das gleiche Verfahren beobachten wie
bei Ratanha-Wurzel; die Bänder werden häufig etwas deutlicher durch Zufügen
von Lösung des schwefligsauren Natrons.
Diese Stoffe können, wenn sie lange in Lösung aufbewahrt werden, sich verändern und
möchten deßhalb nicht bei allen Weinen entdeckt werden können.
(Der Schluß folgt im nächsten Heft.)