Titel: | Ueber Desinfection der Schlachtfelder und der Lazarethe. |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. LXXXIV., S. 350 |
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LXXXIV.
Ueber Desinfection der Schlachtfelder und der
Lazarethe.
Ueber Desinfection der Schlachtfelder und Lazarethe.
Veranlaßt durch die vielfachen Mißgriffe, welche im gegenwärtigen Krieg in Bezug auf
Desinfection gemacht werden, hat der Vorstand der deutschen
chemischen Gesellschaft zu Berlin die nachfolgende (von den HHrn. O. Liebreich, O. Schür und H. Wichelhaus verfaßte) Anleitung zur Desinfection für die
verschiedenen Fälle veröffentlicht:
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Nach dem Ausspülen ist von der genannten Lösung in den Gefäßen zu
belassen.
Auswurfstoffe und Abfälle;
Steckbecken und Eiterbecken: Lösung von übermangansaurem Kali oder
Carbolsäurewasser; Spucknäpfe: Carbolsäure; Nachttöpfe: Ausspülung mit
Carbolsäurewasser; Nachtstühle: Carbolsäurepulver beim Stehen, Lösung von
übermangansaurem Kali bei sofortiger Entleerung; Closets mit getrennten
Auswurfstoffen: Carbolsäurepulver, Carolsäurewasser; Wasser-Closets:
Carbolsäurewasser; Abtritte mit Senkgruben ohne Stallmist oder mit Tonnen (auf
die Umgebung noch besonders zu achten): Carbolsäurepulver, Chlormanganlauge,
Eisenvitriol und andere Metallsalze; Abtritte mit Stallmist: Carbolsäurepulver
oder Besprengen mit Carbolsäurewasser; Röhrenleitungen an Abtritten:
Carbolsäurewasser; Latrinengruben an Etappenstraßen und Bivouaks: Kalk, Gyps
oder mindestens Erde; häufiger Wechsel der Lage; Düngerhaufen:
Carbolsäurepulver; Pissoirs mit Tonnen und deren Abflüsse (Urinwinkel):
Carbolsäurewasser oder Chlorkalklösung; Gebrauchte Charpie, Bandagen,
Eiterlappen etc. Zum Zweck des Verbrennens oder Vergrabens in Blechgefäßen
zu
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Auswurfstoffe u. Abfälle; sammeln,
die übermangansaures Kali oder Carbolsäure enthalten. Findet sich dergleichen in
Senkgruben vor, so ist Chlorkalk anzuwenden; Lagerstroh, Heu u. dergl. von
Verwundeten-Transporten, durchfeuchtete Matratzen (die wieder zu
gebrauchenden Matratzen betr. siehe Wäsche): Chlorkalk; dann sobald als möglich
zu verbrennen; Thierische Abfälle von Schlächtereien und anderem Betrieb: sind
tief zu vergraben und mit Aetzkalk oder Chlorkalk zu verschütten; Räume;
geschlossene; Krankenräume, Eisenbahnwaggons und Transportmittel aller Art,
Viehställe (besonders zu berücksichtigen die Krippen), Arbeitssäle in Fabriken,
Schulen, Gefängnißräume, Wachtlocale, Monturkammern, Waschräume, Casernen,
Apartements, Pissoirs, Operationszimmer, Leichenkammern, Speicher mit
thierischen Vorräthen, Schlachthäuser, Zwischendecke von Schiffen; Die Fußböden
zu scheuern mit Carbolsäurewasser oder Chlorkalklösung; Die Wände und Decken mit
Carbolsäure und Kalk zu tünchen; Die Luft zu verbessern durch Lüften und
Verdampfen von Holzessig oder Carbolsäure (aus Pulver); Sind die Räume unbenutzt
– und nur dann ist eine wirkliche Desinfection der Luft möglich –
so werden die Böden mit Chlorkalklösung oder Bleichflüssigkeit (Eau de Javelle
etc.) oder Chlormanganlauge gescheuert. In Schalen aufgestellt wird: Chlorkalk
mit Salzsäure oder mit Essigsäure, oder concentrirte Salpetersäure oder
Salpetersäure mit Stanniol. Verbrannt wird Schwefel (am besten Schwefelfäden)
auf Thongeschirren; Nach diesen Räucherungen ist auszulüften und mit
Carbolsäurewasser zu besprengen; offene; Hofräume, Marktplätze,
Feldschlächtereien, Begräbnißplätze, Schlachtfelder, verlassene Verbandplätze;
Vor Allem die Ursachen der Schädlichkeit (faulende Reste, Leichen etc.) zu
entfernen, zu vergraben oder zu verschütten (mit Chlorkalk, Kalk oder Erde).
Außerdem sind größere Flächen womöglich mit Sprengwagen, die Chlormanganlauge
enthalten, zu befahren. Schnell wachsende Pflanzen einzusäen ist sehr zu
empfehlen.
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Wasser; 1. Trinkwasser wird am
sichersten unschädlich gemacht durch vorheriges Abkochen. Sonst geringer Zusatz
von übermangansaurem Kali (so daß das Wasser kaum gefärbt erscheint); Trübes
oder beim Stehen sich trübendes Wasser kann durch etwas Alaun oder reine Soda
geklärt werden; Die Kohlensilter bleiben nur wirksam, wenn sie häufig bei
Luftabschluß ausgeglüht werden; Im Uebrigen berücksichtige man die
„Gesundheitsregeln für die Soldaten im Feld“ des
Berliner Hülfsvereines; 2. Fließende oder stehende Wässer (Rinnsteine,
Straßencanäle, Abflüsse aller Art, Tümpel etc.) sind mit möglichst viel Wasser
in Fluß zu erhalten oder in Fluß zu bringen, und werden mit Lösung eines der
folgenden Mittel häufig versetzt: Carbolsäure – oder Aetzkalk,
Chlormagnesium und Theer (Süvern'sche Masse) – oder Thonerdesalze, auch
Chlormanganlauge oder andere Metallsalze; Leib- und Bettwäsch,
Bekleidungsstücke etc.; Wäsche ist nach dem Gebrauche sofort mit
Carbolsäurewasser zu besprengen, dann in kochendes Wasser zu bringen und einige
Zeit darin zu belassen; Matratzen, Uniform- und Bekleidungsstücke werden
am besten auf 100 bis 120° C. erhitzt (in Backöfen) und nachher
ausgeklopft. Wo dieß nicht thunlich, sind besonders inficirte Stücke zu
verbrennen, die anderen mit Carbolsäurewasser zu durchtränken und nachher in
warmen Räumen zu trocknen; Leben des Vieh, das Berührung mit kranken Stoffen
gehabt hat; Das Vieh ist mit Carbolsäurewasser überall und noch besonders an den
Weichtheilen zu besprengen; Menschen, die persönliche Berührung mit kranken
Stoffen gehabt haben; Menschen haben Hände etc. mit Lösungen von
übermangansaurem Kali zu waschen.
Leichen, die transportirt werden sollen, sind mit Carbolsäurewasser zu besprengen, in
Tücher zu wickeln, welche mit Chlorkalklösung (conc. 1 : 20) getränkt sind.
Womöglich ist die Bauchhöhle, wenn auch nur wenig, zu öffnen, und fester Chlorkalk
hineinzubringen.
Wunden. Die Behandlung muß dem ärztlichen Ermessen
überlassen bleiben.
Es wird aber darauf aufmerksam gemacht, daß nur Lösungen von reinem übermangansaurem
Kali und reine Carbolsäure benutzt werden dürfen.
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Vorschriften zur Herstellung der
Mittel; Lösung von übermangansaurem Kali soll enthalten: 1 Thl. des reinen
Salzes in 100 Thln. Wasser; wenn nur rohes Salz vorhanden, sind 5 bis 10 Theile
zu nehmen; wirkt desinficirend auf Flüssigkeiten, bei festen Massen nur an der
Oberfläche; Carbolsäurewasser wird erhalten durch Lösen von 1 Thl. reiner
krystallisirter Carbolsäure (die durch Einstellen des Gefäßes in warmes Wasser
flüssig wird) in 100 Thln. Wasser. Rohe Carbolsäure, deren Werth sehr unbestimmt
ist, ist in mindestens doppelter Menge zu nehmen; Carbolsäurepulver wird
hergestellt durch Vermengen von 100 Thln. Torf, Gyps, Erde, Sand, Sägemehl,
Kohlenpulver mit 1 Thl. Carbolsäure, die vorher mit Wasser angerührt wurde.
Hierfür rohe Carbolsäure (mindestens doppelte Menge) zu empfehlen;
Carbolsäuresalze sind in doppeltem Verhältniß der Säure anzuwenden; Tünchen mit
Carbolsäure: 1 Thl. Carbolsäure mit 100 Thln. Kalkmilch zu mischen;
Chlorkalklösung soll 1 Thl. in 100 Thln. Wasser enthalten; Brom – das
wegen seiner äußerst heftigen Wirkung nur in kleinen Mengen verschickt zu werden
braucht und daher Chlorkalk etc. ersetzen kann, wo solche Mittel nicht
hingeschafft werden können – wird beim Schütteln mit Wasser von letzterem
aufgenommen. Dieses Bromwasser kann nur von Sachverständigen hergestellt werden;
Lösungen von Eisenvitriol und anderen Metallsalzen werden durch Ansetzen von
Wasser mit einem Ueberschuß des betreffenden Salzes und häufiges Umrühren
gewonnen; Süvern'sche Masse: 100 Thle. gelöschter Kalk, 10 Thle.
Steinkohlentheer und 15 Thle. Chlormagnesium mit Wasser.
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft zu Berlin, 1870,
Nr. 15.)