Titel: | Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz. |
Fundstelle: | Band 198, Jahrgang 1870, Nr. XCIX., S. 394 |
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XCIX.
Pyrotechnische Rundschau; von C. Schinz.
(Fortsetzung von Bd. CXCVI S. 44.)
Schinz, über das neue Pyrometer von Siemens.
XIX. Pyrometer von C. W. Siemens in
London.
Von diesem neuen Pyrometer erschien eine Beschreibung in Engineering, September 1870, S. 193 (daraus im Engineering and mining Journal,In diesem Bande des polytechn. Journals S. 258
(erstes Novemberheft 1870).) welche aber so oberflächlich ist,
daß man mit dem Gegenstande vollständig vertraut seyn muß, um deren Sinn verstehen
zu können.
Die Einrichtung dieses Apparates ist nun folgende.
Eine elektrische Säule, von deren Art und Natur kein Wort gesagt ist, liefert einen
Strom welcher durch einen kupfernen Leitungsdraht an eine Spirale von Platindraht
geführt wird, die sich an dem Orte befindet dessen Temperatur gemessen werden soll.
Das andere Ende der Platindraht-Spirale ist mit einem anderen Leitungsdraht
von Kupfer verbunden, welcher dann den Strom in einen Rheostaten führt, aus diesem
in ein Rheometer und endlich in die elektrische Säule zurück. Da die
Leitungsfähigkeit des Platindrahtes sich mit der Temperatur ändert, so müßten also,
um das Rheometer auf Null zu erhalten, bald mehr bald weniger
Rheostaten-Drahtlängen nöthig seyn.
So weit ist das Princip dieses Pyrometers ein ganz richtiges. Wer aber auch nur einen
Begriff von den Bedingungen hat, welche bei einer solchen Combination zu erfüllen
sind, der wird auf mancherlei Zweifel stoßen und sich kaum überzeugen können, daß
dieselbe wirklich das leiste, was Herr Siemens als unzweifelhaft hinstellt. Wenigstens hätte er alle
erforderlichen Vorsichtsmaßregeln und Correctionen besprechen müssen, ehe man ihm
glauben könnte daß er ein zuverlässiges Pyrometer zu Stande gebracht habe.
Meines Wissens gibt es gar keinen elektrischen Stromerregen, welcher unter allen
Umständen und zu allen Zeiten einen durchaus gleichförmigen, immer gleich starken
Strom erzeugt, als eine thermo-elektrische Säule die durch absolut constante
Temperatur-Differenzen erregt wird, während alle hydro-elektrischen
Säulen mehr oder weniger inconstante Ströme geben. Sollte nun Hr. Siemens wirklich diese einzige Art
stets gleiche Ströme zu
erregen, gewählt haben, so hätte er wenigstens dieß bemerken müssen.
Da auch die kupfernen Leitungsdrähte, so wie die Rheostatendrähte, welche gewöhnlich
nicht von Kupfer sind, je nach der Temperatur ihre Leitungsfähigkeit ändern, so
müßte also für diese beiden Drähte jedesmal eine Correctur gemacht werden, aber auch
davon ist in dem citirten Aufsatz keine Rede.
Nach der Beschreibung von Siemens sind die kupfernen
Leitungsdrähte an der Stelle mit der Platinspirale verbunden, wo letztere der
höheren Temperatur ausgesetzt wird. Daher muß jede der zwei Verbindungsstellen einen
thermo-elektrischen Strom erzeugen. Diese beiden Ströme können sich
allerdings gegenseitig aufheben, aber nur unter Bedingungen welche schwer zu
erfüllen und wenigstens in der vorliegenden Beschreibung noch keineswegs als
berücksichtigt zur Sprache gebracht worden sind.
Was aber das meiste Mißtrauen gegen die Behauptungen des Hrn. Siemens erregt, ist seine Angabe daß der
Leitungswiderstand der Platinspirale nicht der Temperatur proportional folge,
sondern dieses Verhältniß ein parabolisches sey. Ein solches Verhalten haben die
Physiker bis zum heutigen Tage nicht wahrgenommen; allerdings haben sich dieselben
bei ihren Versuchen auf relativ kleine Temperatur-Differenzen beschränkt,
daher es dennoch möglich wäre, daß der Leitungswiderstand nicht der Temperatur
proportional bleiben würde; dann muß man aber fragen, durch welche Mittel denn Hr.
Siemens zum erstenmale
eine solche parabolische Abweichung hat entdecken und controlliren können?
Das einzig mögliche Mittel hierzu ist die Vergleichung der Anzeigen seines Pyrometers
mit denjenigen eines schon bestehenden, als richtig anerkannten Pyrometers.
Hr. Siemens belehrt uns aber in
der Einleitung seiner Mittheilung im Steel and iron
Institute, daß es bis heute kein solches Pyrometer gebe; wie kann er dann
behaupten daß das seinige richtig sey, indem er sagt der Leitungswiderstand folge
einem parabolischen Gesetze, welches er auf keine Weise auch nur mit einem Schein
von Wahrheit controlliren konnte.
Bis uns Hr. Siemens
Rechenschaft und Auskunft über alle diese Einwendungen gegen die zu Gebote stehenden
Mittel gegeben hat, können wir nicht glauben daß sein Pyrometer irgend welches
Vertrauen verdiene.