Titel: | Methode der Wasseranalyse; von Dr. Alexander Müller. (Dritte Mittheilung.) |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. XVIII., S. 62 |
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XVIII.
Methode der Wasseranalyse; von Dr. Alexander Müller. (Dritte
Mittheilung.)Die früheren bezüglichen Aufsätze des Verfassers erschienen im polytechn.
Journal, 1870, Bd. CXCVIII S. 161 u. 388.
Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
Berlin, 1870, Nr. 17.
Müller, Methode der Wasseranalyse.
Schwefelsäurebestimmung.
Es ist viel darüber gesprochen worden, wie man Schwefelsäure durch directe Fällung
mittelst einer titrirten Chlorbaryumlösung nach dem Verbrauch dieser letzteren
quantitativ bestimmen könne oder auf Umwegen dadurch, daß man mit einer gewissen
überschüssigen Menge Chlorbaryum fällt und den durch Soda in Carbonat verwandelten
Ueberschuß alkalimetrisch feststellt. Beide Methoden passen nicht für eine so
verdünnte Schwefelsäurelösung, als Wasser aus Brunnen und in noch höherem Grade
Wasser aus Flüssen und Seen zu seyn pflegt. Bei solcher Verdünnung erfolgt die
Ausfüllung zu langsam und zu unvollständig.
Auch ein Versuch, das Ende der gegenseitigen Zersetzung von gelöstem Sulfat und
Chlorbaryum durch Zusatz von Natrium-c-phosphat und Lackmusblau oder Schwefelalkali mit Nitroprussidnatrium
(der angeblich empfindlichsten Mischung für Säurereaction) zu erkennen, ließ mich
unbefriedigt und so habe ich auf meine alte IdeeMan vergleiche die Brochüre: „Das
Complementär-Colorimeter,“ Chemnitz G. Ernesti, 1854. zurückgegriffen, die Bestimmung durch Zuhülfenahme von Chrom zu ermöglichen,
um so mehr als mich meine chromometrischen Studien (man vergl. Journal für
praktische Chemie, Bd. LXVI S. 193 und verschiedene spätere Abhandlungen) die
Chromsäure als einen recht stabilen Körper kennen gelehrt hatten.
Das Princip ist ein äußerst einfaches.
In neutraler Lösung wird Chlorbaryum so gut wie gleich vollständig durch
Schwefelsäure und durch Chromsäure gefällt. Wenn man in neutraler Lösung ein Sulfat
successive erst mit einem Ueberschuß von Chlorbaryum und dann mit einer diesem
äquivalenten Menge Chromat versetzt, so bleibt genau so viel Chromsäure in Lösung,
als der erst gefällten Schwefelsäure äquivalent ist.
Die Ausführung ist folgende:
Für die Schwefelsäurebestimmung nehme ich in der Regel von der Wasserportion, welche zur
Ermittelung der bleibenden Härte in einem großen Reagircylinder von 150 auf 100
Kubikcentimeter verkocht worden ist, 50 Kubikcentimeter.
Mit sehr seltenen Ausnahmen ist nach meinen bisherigen Erfahrungen das in Berlin
vorkommende Wasser weit davon entfernt, eine gesättigte Gypslösung vorzustellen, und
zeigt weniger Schwefelsäuregrade als Grade der bleibenden Härte. Ein nach den Graden
der letzteren bemessener Zusatz von Chlorbaryum, d.h. von so viel
Zehntel-Kubikcentim. einer Zehntel-Normallösung (12,2 Grm. BaCl + 2aq im Liter, wenn H = 1,0 Grm.), als Grade der
(scheinbaren) bleibenden Härte (nämlich des von 75 auf 50 verkochten Wassers)
gefunden worden sind, schließt demnach mit großer Wahrscheinlichkeit einen
Ueberschuß in sich. Man mischt aber das Wasser (und am liebsten heiß) erst dann mit
der berechneten Menge Chlorbaryumlösung, nachdem von ihm etwas mehr als das doppelte
Volum des Barytzusatzes weggekocht wurden ist.
Das mit Chlorbaryum gefällte Wasser läßt man bis zum nächsten Tage stehen; man
vermischt es darauf mit einer äquivalenten Menge Chromsäure in Form einer Lösung
reinen Kaliumbichromats und mit so viel einer Ammoniaknormallösung, als zur
Neutralisirung des Bichromats nöthig ist, also 1/20 von dem Volumen der
Chlorbaryum-Zehntellösung, füllt es mit Wasser genau auf 50 Kubikcentim. auf
und überläßt die Mischung abermals einen Tag der Ruhe, während dessen das Absetzen
des Niederschlages durch gelindes Wenden der Reagirröhren befördert wird.
Die geklärte neutrale, sowohl von Schwefelsäure als Baryt befreite Chromsäurelösung
untersuche ich so, daß ich 40 Kubikcentim. davon abhebe, mit 1 Kubikcentim.
concentrirter reiner Salzsäure versetze und die Intensität der entstandenen
Bichromatlösung chromometrisch mit salzsauren Normallösungen von reinem Bichromat
vergleiche, was bis herab zu einer Verdünnung von 1/2 Milliatom Chromsäure per Liter bei Wolkenlicht recht befriedigend geschehen
kann.
Es scheinen mir hierzu noch einige Bemerkungen nöthig zu seyn, deren ausführlichere
Begründung leider der Raum verbietet.
Baryumchromat ist in verdünnten Säuren, selbst Essigsäure, ziemlich löslich, weniger
in Salmiak und in Kaliumpolychromat, wie solches durch Mischen von Chlorbaryum und
Kaliumbichromat entsteht. Seine außerordentliche Schwerlöslichkeit im Wasser ergibt
sich theils aus der Entfärbung von neutraler Chromlösung durch Chlorbaryum, theils
aus der Trübung der beiderseitigen Lösungen bis beinahe zu Verdünnungsgraden bei
welchen Baryt auch nicht mehr durch Schwefelsäure gefällt wird.
Aus verdünnten Chromsäurelösungen, welche Spuren von Schwefelsäure enthalten, bildet
sich auf Chlorbaryum-Zusatz allmählich an der Wandung des Reagirglases ein
lichtgelber Anfing von mikroskopischen Schwerspathkrystallen, welche viel
Baryumchromat enthalten und von verdünnter Salzsäure nicht angegriffen werden. Die
Reactionsempfindlichkeit von Chlorbaryum auf Schwefelsäure wird durch Chromsäure
erhöht.
Ein ähnlich zusammengesetzter Niederschlag entsteht in concentrirteren Mischungen von
Schwefelsäure und Chromsäure. Ein fertig gebildeter Niederschlag von Baryumsulfat
wird durch einfache Berührung von Kaliumchromat binnen einem Tage nicht merkbar
angegriffen.
Die chromometrische Bestimmung der Chromlösung führe ich bis jetzt nicht in der
neutralen, sondern in der sauren Lösung aus, weil die saure Lösung ebensowohl
intensiver gefärbt als chromatisch constanter ist.
Das Verkochen des zu prüfenden Wassers muß vor dem Chlorbaryumzusatz geschehen, weil
sich sonst letzterer theilweise mit dem gelösten Calciumcarbonat umsetzen und als
Baryumcarbonat abscheiden würde.
Die durch das Kochen des Wassers abgeschiedenen Carbonate von Calcium und Magnesium
entziehen der Lösung keine merkbare Menge Chromsäure.
Darüber, daß der Chrombaryum-Zusatz wirklich ein überschüssiger war,
vergewissert man sich durch die Farbe des Barytniederschlages, welcher wegen
eingemengten Chromates gelblich seyn muß, oder durch Prüfung einiger Kubikcentimeter
der über dem Niederschlage befindlichen (klaren) Lösung, nach vorheriger Ansäuerung,
mittelst Chlorbaryum, welches keine Trübung verursachen darf.
Bei so verdünnten Lösungen, als die Brunnenwässer zu seyn pflegen, vermeide ich
wennmöglich jede Filtrirung, weil nicht nur die Papierfaser auf viele Körper
absorbirend wirkt, sondern auch deren Aschengehalt fremdartige Mineralbestandtheile
in Reaction bringt.
Die vorstehend skizzirte Methode der Schwefelsäurebestimmung hat bezüglich der
prakischen Ausführung große Aehnlichkeit mit der Polarisation von Zuckerrübensaft;
die Vorbereitungen können wie das Seifentitriren leicht von einer Person ohne
wissenschaftliche Bildung eingelernt werden und dem Chemiker bleibt gewissermaßen
nur das Ablesen des Resultates übrig.
Die Formeln zur Berechnung der Schwefelsäuregrade vom frischen (unverkochten) Wasser
sind nachstehende:
Wenn man setzt:
G =
Chromsäure-Grade1° = 0,2 Milliatom CrO³ per
Liter, wenn H = 1,0 Grm. nach den alten Atomgewichten. der chromometrischen Normallösung,
M =
der zur Neutralisation der Complementärplatte nöthigen Säuleder
Normallösung in Millimetern,
H =
der M-coloräquivalenten Säule des
chromometrischen Objectes (deszu prüfenden Wassers),
c =
Verdünnungscoefficienten des Wassers nach dem Verkochen (z.B.von 150
auf 100 Kubikcentim.),
d =
Verdünnungscoefficienten nach Ansäuerung durch Salzsäure und
x =
Schwefelsäuregehalt des frischen Wassers, ausgedrückt in Graden, so
ist
x = (cd
GM)/H.
Oder wenn man eine kürzere Säule des chromometrischen Objectes, als zur
Neutralisation der Complementärplatte erforderlich ist, von h Millimeter Länge (z.B. h = 100 Millim., wenn
H = 120 Millim. wäre) einschaltet und den Farbenrest
durch m Millimeter der Normallösung neutralisirt, so
ist
x = cdG(M – m)/h.
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Selbstverständlich kann die den Schwefelsäuregehalt repräsentirende Chromsäure auch
auf andere Weise bestimmt werden; wo es sich aber nur um ein ungefähres Abschätzen
größerer Mengen Schwefelsäure, wie bei verschiedenen technischen Processen handelt,
kann man die Fällungen mit Baryt und Chromsäure schnell hintereinander vornehmen und
nach geschehener Filtration den Chromsäuregehalt durch directe Vergleichung der noch
neutralen (oder auch basischen) Lösung mit einer ähnlichen Normallösung annähernd
ermitteln.