Titel: | Beschreibung der Kiesler'schen Lüstrirmaschine für halbwollene Waaren, mit Angabe des durch dieselbe bedingten Appreturverfahrens; von Ingenieur P. Ziesler. |
Autor: | P. Ziesler |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. XXX., S. 96 |
Download: | XML |
XXX.
Beschreibung der Kiesler'schen Lüstrirmaschine für halbwollene Waaren, mit Angabe des durch
dieselbe bedingten Appreturverfahrens; von Ingenieur P. Ziesler.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Kiesler's Lüstrirmaschine für halbwollene Waaren.
Für jeden Gegenstand welcher dem Publicum zum Kauf angeboten werden soll, ist es ein
Haupterforderniß daß derselbe neben innerer Solidität auch ein möglichst
empfehlendes Aeußere besitzt, um dadurch bestechend auf das Auge des Käufers
einzuwirken. Es gilt dieß aber ganz besonders von den Webwaaren, und da diese Artikel in der Hauptsache nur zu äußerem
Gebrauche, zur Bekleidung bestimmt sind, so wird bei
ihnen vor Allem darauf zu sehen seyn, daß eben ihr Aeußeres entsprechend hergestellt
werde, um den Zweck zu erreichen, die Bekleidung möglichst scheinbar zu machen. Die Zurichtung welche diese Aufgabe zu lösen hat, ist
die sogen. Appretur. Der Appretur wird also jeder Fabrikant voll
Webwaaren einen großen Theil seiner Aufmerksamkeit widmen müssen, um in dieser
Beziehung möglichst günstige Resultate zu erzielen, und zwar mit den möglich
einfachsten Mitteln; er wird es sogar dahin zu bringen suchen, weniger guten Stoffen
durch geeignete Manipulationen den Schein besserer zu ertheilen, und hierdurch ihren
Werth zu erhöhen. Aber nicht allein dadurch gewinnt eine Waare an Werth, daß sie ein
gutes Aussehen erhält, sondern hauptsächlich noch dadurch, daß sie dasselbe bei dem
Gebrauche behält, und auch darauf hat die Appretur hinzuwirken.
Stoffe welche gegenwärtig in großer Menge producirt und consumirt werden, sind halbwollene Webwaaren, wie Poil de
chèvre, Orleans und dgl., welche hauptsächlich in der Damengarderobe
massenhafte Verwendung finden. Sie bestehen, wie schon die Bezeichnung halbwollen ausdrückt, zum Theil aus Wolle, zum Theil aus
Baumwolle; letztere bildet die Kette, erstere den Schuß.
Bei der Appretur dieser Stoffe kommt es darauf an, denselben den höchsten Glanz zu
verleihen, dessen die Wolle fähig ist, um dem Gewebe dadurch das Aussehen der Seide
zu verleihen, und sodann die Waare so zu präpariren, daß sie diesen einmal
erhaltenen Glanz so lange als nur irgend möglich auch bei dem Gebrauche behält.
Die Erreichung dieses Zieles ist bei den buntgewebten (Poil de chèvre) und bei den hellfarbigen Stoffen dieser Art mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft,
weil erstere in ihren Farben sehr empfindlich sind, und letztere sehr leicht
schmutzen.
Die gebräuchlichste Appreturmethode besteht in Kürze darin, daß man die Waare,
nachdem sie aus der Weberei gekommen und auf der Schermaschine geschoren worden ist,
mit dazu geeigneten Vorrichtungen anfeuchtet und hierauf über die Trockenmaschine
zieht. Von dieser Maschine gehen die Gewebe unter großer Anspannung über einen
warmen Calander, um sie zu glätten, und zum Schluß in die warme Presse, welche den
Glanz oder Lüster erzeugt. – Die Stoffe müssen also von der Schermaschine aus
vier verschiedene Vorrichtungen und Maschinen passiren. Hierdurch kann aber stets
nur ein unvollkommenes Resultat erlangt werden, denn der durch Pressen gewonnene
Lüster ist bloß ein mechanisch auf das Gewebe gebrachter, welcher bei der geringsten
Berührung des Stoffes mit Feuchtigkeit sofort verschwindet. Kommt also auf ein in
dieser Weise appretirtes Gewebe ein Tropfen Wasser, so entsteht an dieser Stelle ein
matter, glanzloser Fleck, und überdieß wird daselbst die Wolle zusammenschrumpfen;
ein solches Kleid erhält daher, wenn es dem Regen ausgesetzt ist (wie dieß ja häufig
genug vorkommt und oft ganz unvermeidlich ist), den höchsten Grad der Unscheinbarkeit, es verliert seinen Lüster und wird schrumpfig.
Eine dauerhafte Appretur für halbwollene Waaren ist nur dadurch zu erzielen, daß
diese möglichst intensiv gedämpft werden, weil nur auf
diese Weise der Lüster auch beim Einflusse der Feuchtigkeit Bestand erhält; ferner
muß der Glanz nicht bloß durch Aufpressen erzeugt werden, sondern dadurch, daß die
wollenen Schußfäden eine gewisse Spannung erhalten und beibehalten. Allbekannt ist,
daß ein Wolle- und Seidenfaden um so mehr Glanz bekommt, je mehr er
angespannt wird; die Aufgabe eines rationellen Appreturverfahrens ist es also,
Mittel zu schaffen, die Wolle- und Seidenfäden des Gewebes so straff zu
spannen, daß sie den höchsterreichbaren natürlichen Glanz erhalten, und sodann
darauf hinzuwirken, daß sie diese Ausdehnung nicht wieder verlieren, diese Spannung
also fixirt werde, damit der natürliche Glanz dem Gewebe
erhalten bleibe.
Ein weiterer Mangel der bisher gebräuchlichsten Appretur buntgewebter und
hellfarbiger, halbwollener Stoffe liegt darin, daß die oben erwähnte intensive
Dämpfung nicht stattfinden kann, weil man noch keine Vorrichtung besitzt um
möglichst trockene Dämpfe an die Waare zu bringen. Da nun
aber feuchte Dämpfe, welche noch Wasser- und Schmutztheilchen aus dem
Dampfkessel mechanisch mit sich führen, die Farben in
bunten Geweben (Poil de chèvre) leicht auflösen
und in einander fließen lassen, oder die hellen Stellen des Gewebes und ganz
hellfarbige Stoffe (durch die erwähnte Unreinigkeit) gar fleckig machen könnten, so
unterläßt man die Dämpfung ganz, oder kann sie nur auf die Gefahr hin unternehmen,
die Waare zu verderben.
Die genannten Mängel werden durch eine Lüstrirmaschine beseitigt, welche in der
Maschinenfabrik der HHrn. Albert Kiesler und Comp. in Zittau (Sachsen) gebaut und durch welche das
Problem gelöst wird, bei buntgewebten und hellfarbigen, halbwollenen Waaren den
erforderlichen Lüster zu erzeugen, ohne daß ein merkliches Einlaufen der Waare in
ihrer Breite dabei stattfände.
Diese Maschine ist in Fig. 19 in der vorderen
Ansicht und in Fig.
20 in der Seitenansicht dargestellt, und zwar als theilweiser Schnitt
sowohl durch den Dampfkasten c, als auch durch den
Trockencylinder h.
Nachdem die Waare von der Schermaschine oder Sengmaschine kommt, wird sie mit der
Walze, auf welcher sie sich befindet, in die neue Maschine bei a eingelegt und geht über die Führungswalze b in den conisch angefertigten hölzernen Dampfkasten c, in welchen durch ein mit vielen Löchern versehenes
kupfernes Rohr d der Dampf eintritt, der zunächst an ein straff gespanntes
Filztuch e anschlägt, um einerseits die aus dem
Dampfkessel mitgerissenen schmutzigen Theile abzuhalten, andererseits zu gestatten
daß die ganze Waare nach und nach vom Dampfe durchdrungen wird, ein Mittel wodurch
die Fäden in ihren kleinsten Theilchen mit den Dämpfen in Berührung kommen.
Unmittelbar aus diesem Dampfkasten geht die Waare über die Walzen f, g auf den Trockencylinder h, einen hohlen gußeisernen, mittelst Riemenscheiben gedrehten Cylinder,
welcher durch Dämpfe von 4 bis 5 AtmosphärenCentimeter Spannung entsprechend erhitzt wird. Das sich in diesem Trockencylinder
ansammelnde Condensationswasser wird durch den Schöpfer i nach dem Condensationswasser-Ableiter k geführt, welcher den Abfluß dieses Wassers ohne jeden Dampfverlust
gestattet und gleichzeitig die gewünschte Spannung des Dampfes (Wärme) im
Trockencylinder erhält. Derselbe wird, wie aus Fig. 19 deutlich
ersichtlich ist, fast an seiner ganzen Peripherie von der Waare berührt, wodurch die
Trocknung derselben sehr schnell erzielt wird und die bunten Farben verhindert
werden zusammenzulaufen. – Der Griff der Waare wird durch diese ganze
Manipulation gleichzeitig ein besserer, und das Gewebe erhält fast gar keine Längenspannung; es wird also in keiner Weise nachtheilig
auf die Breitenausdehnung eingewirkt, welche fast
unverändert beibehalten wird, da die außerordentlich hohe Temperatur einem
Zusammenziehen durch Abkühlung sehr hinderlich ist, hingegen aber die Glanzbildung
ungemein begünstigt und somit der gewünschte Zweck der Maschine erreicht.
Nachdem der Stoff den Trockencylinder umlaufen hat, wickelt er sich auf eine über
diesem angebrachte und leicht auszuwechselnde Holzwalze m. Die Lagerung derselben in Verbindung mit den Druckhebeln n ist aus der Zeichnung deutlich ersichtlich. Das
Aufwickeln der Waare auf m erfolgt je nach ihrer
Beschaffenheit unter sehr verschiedenem Druck, weßhalb das Gewicht p so angebracht ist, daß es beliebig beschwert werden
kann.
Hiermit ist die Appretur der Waare beendigt; sie wird in der gewöhnlichen Presse noch
leicht gepreßt, auf Bretchen gewickelt und kann dann verpackt werden.