Titel: | Die Oxyhydrogengas-Compagnie in New-York; von Dr. Hermann Vogel. |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. XXXIII., S. 110 |
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XXXIII.
Die Oxyhydrogengas-Compagnie in
New-York; von Dr. Hermann
Vogel.
Aus den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft zu
Berlin, 1870, Nr. 17.
Mit Abbildungen.
Vogel, über die Oxyhydrogengas-Compagnie in
New-York.
Der Proceß der fabrikmäßigen Sauerstoff- und Wasserstofferzeugung von Tessié du Mothay ist bekannt. An sich nicht nur
sinnreich, sondern auch wissenschaftlich von höchstem Interesse und praktisch, ist
er, wie es scheint, in Europa dennoch nicht viel über das Stadium des Versuches
hinausgekommen. In New-York dagegen fand ich eine nicht unbedeutende Anstalt,
in der bereits Sauerstoff und Wasserstoff fabrikmäßig dargestellt wird.
Ich wurde zuerst durch Hrn. Prof. Joy vom
Columbia-College darauf aufmerksam gemacht, der mir einen eisernen Cylinder
zeigte, vollkommen ähnlich unseren Selterwasser-Recipienten, welcher 60
Gallons Sauerstoff von ca. 10 Atmosphären Druck enthielt
und welcher dort nach seiner Angabe für 5 Dollars greenbacks (ca. 6 Thlr. preußisch) von der
Oxyhydrogengas-Compagnie abgegeben wird.
Dieser käufliche Sauerstoff wird, wie ich nachher erfuhr, in Amerika vielfach
benutzt, nicht bloß für chemische Experimente, sondern auch zu medicinischem
Gebrauch und zur Erzielung intensiver Lichtquellen für Leuchttürme, Signale, Ballten,
Laterna magica u.s.w. So wurden die Wasserbauten der
jetzt in Ausführung begriffenen großen Brooklynbrücke über den Eastriver mit
Hydrooxygengas erleuchtet und sind dort zwölf Lampen in Betrieb, die täglich 2000
Kubikmeter Sauerstoff verbrauchen.
Ich nahm die Gelegenheit wahr, diese Sauerstofffabrik kennen zu lernen und gebe
nachfolgend meine Notizen darüber.
Es ist bekannt, daß ein Gemenge von Aetzkali oder Aetznatron mit Braunstein an der
Luft leicht geglüht oder besser bis ca. 450° C.
erhitzt, Kaliummanganat liefert
2KHO + MnO² + O = K²MnO⁴ + H²O.
Erhitzt man dieses Gemenge in einem überhitzten Dampfstrome, so geht die umgekehrte
Zersetzung vor sich
2 K²MnO⁴ + 2H²O = 4KHO + Mn²O³
+ 3O,
Sauerstoff entweicht und es bleibt ein Gemenge von Aetzkali
und Mangansesquioxyd zurück, das in einem Luftstrom
geglüht, wiederum sich in Kaliummanganat verwandelt. Dieser Proceß kann mit
derselben Mischung unzählige Male wiederholt werden, so daß die Quantität von
Sauerstoff, welche dieselbe Portion des Gemenges liefert, theoretisch bis in's
Unendliche geht.
Sind die Materialien rein und in obigem Verhältniß gemengt, so liefern sie nach der
Formel 14 1/2 Procent Sauerstoff, 100 Zollpfund demnach etwas über 5 Kubikmeter. Die
technischen Vorrichtungen zur Ausübung dieses Processes erinnern sehr an unsere
Leuchtgaserzeuger.
Das Gemenge von 1 Theil Braunstein und 1/2 Theil Aetznatron wird zunächst mit Wasser
übergossen und in einer eisernen Schale unter tüchtigem Umrühren abgedampft, dann in
einem kleinen Flammofen o (Fig.
2) calcinirt und schließlich in die eisernen Retorten (Fig. 1), die unseren Gasretorten ähneln, eingetragen.
Um das Schmelzen zu verhüten, mengt man die Masse vorher mit Kupferoxyd und rohem
Manganoxyd.
Die Retorten (in Fig. 1 in Längs- und
Querschnitt dargestellt)
Fig. 1., Bd. 199, S. 110
Fig. 2., Bd. 199, S. 111
haben eine Art Rost, auf welchem die Masse aufgeschichtet
wird, so daß oben und unten ein leerer Raum bleibt. Die Retorten sind 6 Fuß lang und
2 Fuß weit. 12 Retorten liegen in einem Ofen, je 6 dos
à dos (s. g, g
Fig. 2). Die Quantität von Manganatmischung beträgt
für jede Retorte 900 Pfund. Dampf und Luft treten oben ein, gehen durch die poröse
Masse und treten durch das Rohr f (Fig. 1) wieder aus.
Sobald die Retorten zur Kirschrothgluth erhitzt sind, wird erhitzte Luft eingepumpt;
dieselbe passirt vorher ein Gefäß mit caustischer Natronlauge um die Kohlensäure
abzugeben, welche sonst sich mit dem Aetznatron der Schmelze vereinigen und dieses
unwirksam machen würde. 15 Minuten Erhitzen im Luftstrome genügen zur Oxydation; die
Desoxydation erfolgt alsdann durch Einleiten von überhitztem Dampf (aus dem Kessel
d, Fig. 2) von ca. 10 Pfund Ueberdruck durch dieselben Rohre. Innerhalb
10 Minuten ist aller Sauerstoff fortgeführt und wird von dem beigemischten Dampf in
einem Condensator befreit, in welchen kaltes Wasser sprüht. Das Gas wird in einem
großen Blechgasometer gesammelt, um schließlich nach Bedarf mit einer
Compressionspumpe in kleine Recipienten von Eisenblech gefüllt zu werden.
Bei meiner Anwesenheit wurden täglich 30,000 Kubikfuß Sauerstoff gefertigt, der
Kubikfuß zu einer Atmosphäre kam auf 5 Cents, d. i. ca.
2 Sgr., zu stehen.
Gewöhnlich wurden 6 Retorten mit Luft gespeist, während die 6 übrigen gedämpft
wurden.
Die Compagnie liefert gleichzeitig Wasserstoff nach Tessié du Mothay's Proceß durch Erhitzen von
Kalkhydrat mit Anthracit. Die Zersetzung geht nach der Formel
2CaH²O² + C = 2CaO + CO² + 4H
vor sich. Das Gemenge wird in ganz ähnlichen Retorten erhitzt
als die Manganschmelze für die Sauerstofferzeugung. Der Proceß der
Wasserstoffentwickelung dauert bei Rothgluth 15 Minuten. Es wird dann Dampf
eingeleitet, dadurch wieder Kalkhydrat gebildet und dieses durch abermaliges
Erhitzen zersetzt. Natürlich wird die Kohle nach und nach aufgezehrt und hält das Gemenge
daher nur drei Wochen aus, dann ist Zusatz neuer Kohle nöthig. Der Preis des so
gelieferten Wasserstoffes ist 2 Cents per Kubikfuß, und
werden jetzt täglich ungefähr 2000 Kubikfuß gefertigt und ebenfalls in Cylindern von
Kesselblech auf 10 Atmosphären comprimirt, verkauft.
Der Bedarf an Wasserstoff ist bedeutend geringer als der an Sauerstoff, da zum
Speisen der Hydrooxygengas-Lampen meistens Leuchtgas oder neuerdings Alkohol
gebraucht wird. Die Helligkeit einer Hydrooxygen-Flamme, die mit Leuchtgas
gespeist wird, ist ungefähr 16 1/2 mal so groß als die Helligkeit einer gewöhnlichen
Leuchtgasflamme mit demselben Gasverbrauch.
Eine keineswegs untergeordnete Rolle spielt dieses Hydrooxygengas-Licht für
die Benutzung der Laterna magica. Dieses Instrument,
welches in Deutschland für nicht mehr angesehen wird als eine optische Spielerei,
ist in Amerika ein wichtiges Hülfsmittel für den Unterricht. Man druckt
wissenschaftliche Abbildungen oder technische Zeichnungen kleineren Umfanges auf
durchsichtige Gelatinetafeln oder fertigt darnach Glasphotographien, die nachher bis
100fach durch die Laterna magica vergrößert, zur
Demonstration in Vorlesungen dienen und ein viel besseres Bild gewähren als unsere
im großen Maaßstabe gezeichneten, oft sehr mangelhaften Wandtafeln. Kleine, am
Schreibtische gefertigte Skizzen auf Gelatine, aus wissenschaftlichen Werken
entnommene Holzschnitte werden auf diese Weise mit leichter Mühe einem großen
Zuhörerkreise anschaulich gemacht. Diese Vorrichtung ist auch bei Tage anwendbar,
falls das Tageslicht durch Vorhänge gedämpft werden kann, wie dieses auch hier in
physikalischen Hörsälen bei optischen Versuchen oft geschieht.