Titel: | Eine Interferenz-Scala für das Spectroskop; von Dr. Joh. Müller. |
Autor: | Joh. Müller |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. XL., S. 133 |
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XL.
Eine Interferenz-Scala für das
Spectroskop; von Dr. Joh.
Müller.
Mit Abbildungen.
Müller, Interferenz-Scala für das Spectroskop.
In einem Aufsatz über die Anwendung des Spectroskops zu
technischen Untersuchungen (in diesem Journal Bd. CXCVIII S. 243 und 334, erstes und zweites Novemberheft 1870)
sagt Sorby, daß die von ihm zum Messen der Lage der
Absorptionsstreifen angewendete Scala ein Interferenz-Spectrum mit dunklen Streifen gewesen sey, welche das
ganze sichtbare Spectrum in 12 Theile von gleichem optischem
Werthe theilen.
Weiter sagt Sorby über die Herstellung seiner Scala
nichts, als daß ihre Genauigkeit von der sorgfältigen Bearbeitung der Quarzplatte abhänge.
Offenbar ist der Sorby'sche Apparat eine Quarzplatte,
welche sich zwischen parallelen oder gekreuzten Nicol'schen Prismen befindet. Fällt
das Licht, nachdem es durch eine solche Vorrichtung gegangen ist, durch einen
schmalen Spalt auf ein Prisma, so wird dasselbe zu einem Spectrum ausgebreitet,
welches von einer Reihe verticaler (d.h. dem Spalt und der brechenden Kante des
Prismas paralleler) dunkler Streifen durchzogen ist, die um so schmäler werden und
um so näher an einander heranrücken, je dicker die Platte ist.
Bereits im Jahre 1846 habe ich in Poggendorff's Annalen
(Bd. LXIX S. 98) die objective Darstellung eines solchen
Interferenzspectrums besprochen, zu dessen Erzeugung ich jedoch statt einer parallel
mit der Achse geschliffenen Quarzplatte Gypsplatten anwandte, wie solche durch Spaltung leicht
erhalten werden. In allen Auflagen meines Lehrbuches der Physik von der dritten an
und zwar in der siebenten auf S. 854 des ersten Bandes ist dieser Gegenstand
verhandelt.
Wenn es sich um subjective Beobachtung eines solchen
Interferenzspectrums handelt, hat man den Interferenzapparat, wie ich die zwischen den beiden Nicols N und N', Fig.
1, befindliche Krystallplatte KK kurz
nennen will, vor den Spalt eines Spectralapparates zu setzen und durch den selben
das Licht einer entsprechenden Lichtquelle, etwa einer Lampenflamme, auf den Spalt
fallen zu lassen.
Fig. 1., Bd. 199, S. 134
Fig. 2., Bd. 199, S. 134
Fig. 1 stellt die Anordnung des Versuches
schematisch dar. A ist das Spaltenrohr des
Spectralapparates; P ist das Vergleichsprisma,
welches die eine, etwa die obere Hälfte des Spaltes bedeckt, so daß nur durch
die untere Hälfte des Spaltes das von der Flamme bei L kommende Licht in das Rohr A eindringen
kann, nachdem es den Interferenzapparat durchlaufen hat. Bei dieser Anordnung
erscheint nun, wenn man in das (umkehrende) Beobachtungsfernrohr des Apparates
hineinschaut, in der oberen Hälfte des Gesichtsfeldes ein von dunklen Streifen
durchzogenes Spectrum der Art, wie ein solches in Fig.
2 dargestellt ist. Die Zahl und der Abstand der dunklen Streifen von
einander hängt von der Dicke der Krystallplatte KK
Fig. 1 ab.
Bei dem in Fig. 2 dargestellten Spectrum ging das Roth von dem linken Ende bis zum 4ten dunklen Streifen,
das Grün ging vom 5ten bis zum 8ten, worauf dann Blau bis zum Ende des hier
sichtbaren Spectrums folgt.
Der Apparat, dessen ich mich zu diesen Beobachtungen bediente, war ein Babinet'sches Goniometer (s.
mein Lehrbuch der Physik, siebente Auflage, Bd. I S. 509) mit einem
Beobachtungsfernrohr von ungefähr 4maliger Vergrößerung. Das auf dem Tischlein des
Apparates aufgesetzte Prisma war ein Flintglasprisma von 60°. Das vor dem
Spalt angebrachte Vergleichungsprisma war ein rechtwinkeliges, wie solche bei diesen Versuchen schon deßhalb vorzuziehen
sind, weil sie erlauben den Interferenzapparat näher an den Spalt heranzurücken als
dieß bei Vergleichungsprismen von 60° möglich ist, namentlich, wenn diese so
gestellt sind, wie es in der Regel bei den Steinheil'schen Spectroskopen der Fall ist. Bei Anwendung von rechtwinkeligen
Vergleichungsprismen ist es auch weit leichter die richtige Stellung für die
Lichtquelle F
Fig. 1 aufzufinden, deren Spectrum mit dem
Interferenzspectrum verglichen werden soll, als bei der Steinheil'schen Stellung des gleichseitigen Vergleichsprismas.
Als in den Interferenzapparat eine ungefähr 1,34 Millimeter dicke Gypsplatte
eingesetzt war, welche bei objectiver Darstellung mit Sonnenlicht 16 dunkle Streifen
geliefert hatte, erschienen im Spectralapparat nur 10 isolirte dunkle Linien, wie
sie in Fig. 2 dargestellt sind, weil eben wegen der
ungleich geringeren Intensität der Lichtquelle (eine Gaslampe mit Argand'schem
Brenner) das Spectrum nach beiden Seiten hin weniger ausgedehnt war, als es für
stärkere Lichtquellen seyn würde.
Um nun die Lage der hellen Spectrallinien mit dem Interferenzspectrum zu vergleichen
hat man bei F ein Bunsen'sches Kochlämpchen aufzustellen, dessen Flamme durch die entsprechenden
Salze zu färben ist. Das von F ausgehende Licht erfährt
an der Hypotenusenfläche des Prismas P
Fig. 1 eine totale Reflexion, um nach dieser durch
die obere Hälfte des Spaltes parallel mit der Achse des Rohres A in dasselbe einzutreten, so daß dann das Spectrum der
Flamme in der unteren Hälfte des Gesichtsfeldes
erscheint.
Als die Flamme bei F durch Lithium roth gefärbt war, erschien die rothe Lithiumlinie in der unteren Hälfte des Gesichtsfeldes zwischen dem ersten und
zweiten dunklen Streifen des Interferenzspectrums, und zwar betrug der Abstand der
Lithiumlinie Li von dem ersten dunklen Interferenzstreifen 0,8 des Abstandes
zwischen dem ersten und dem zweiten. Bezeichnen wir die Stelle des ersten dunklen
Streifens mit 1, die des zweiten mit 2, so ist die Stelle der rothen Lithiumlinie
1,8.
In gleicher Weise ergab sich für die Stelle der gelben Natriumlinie 4,6, d.h. die gelbe Natriumlinie fiel zwischen den 4ten und
5ten dunklen Streifen des Interferenzspectrums und zwar war er um 0,6 des Abstandes
dieser beiden Streifen vom 4ten entfernt. Die grüne Thalliumlinie und die blaue Strontiumlinie
sielen auf Punkte 6,8 und 10,8 des Interferenzspectrums.
Um es kurz zu wiederholen, so waren also die Stellen, welche die vier besprochenen
Spectrallinien im Interferenzspectrum einnahmen:
Li
1,8
Na
4,6
Th
6,8
Sr
10,8.
In Fig. 2 sind die hellen Spectrallinien Li, Na, Th und Sr in ihrer richtigen Stellung zum
Interferenzspectrum aufgetragen, und ferner ist die Stelle der Fraunhofer'schen Linien B, C, E und F bezeichnet, deren Lage zu Li,
Na, Th und Sr ja bekannt ist. D fällt ja mit Na
zusammen.
Eine 2,42 Millimet. dicke Gypsplatte zeigte bei der gleichen Beobachtungsweise 18
isolirte dunkle Interferenzstreifen. Die vier besprochenen hellen Spectrallinien
fielen auf folgende Stellen des Interferenzspectrums:
Li
2,9
Na
7,5
Th
11,2
Sr
17,8
d.h. also die rothe Lithiumlinie war nur noch um 1/10 des
Streifenabstandes von der Mitte des dritten dunklen Streifens entfernt, Na fiel in
die Mitte zwischen dem 7ten und Ren Streifen u.s.w.
Suchen wir nun das Gesetz zu ermitteln nach welchem sich die Wellenlänge des homogenen Lichtes berechnen läßt, welches irgend einem
dunklen Streifen des Interferenzspectrums entspricht.
Es sey für eine in der Nähe des rothen Endes des Spectrums liegende Stelle, die wir
mit a bezeichnen wollen, n
die Anzahl der Wellenlängen um welche der eine der interferirenden Strahlen dem
anderen vorausgeeilt ist, so beträgt das Voraneilen des einen Strahles vor dem
anderen an den Stellen des Spectrums welche um 1, 2, 3... s₁ Streifenbreiten weiter nach dem violetten Ende hin liegen
n + 1, n
+ 2, n + 3, n + s₁ Wellenlängen.
Für die mit a bezeichnete Stelle des Interferenzspectrums
sey nun ferner x die Anzahl der Wellenlängen welche
innerhalb des Krystalles auf dem Wege des ordinären, x +
n die Anzahl der Wellenlängen welche auf dem Wege
des extraordinären Strahles liegen, so ist für eine weiter gegen das Violett hin
liegende Stelle des Spectrums, die wir mit b bezeichnen
wollen, die Anzahl der Wellenlängen welche innerhalb des Krystalles auf dem Wege des
ordinären und des extraordinären Strahles liegen, xl/l₁ und (x + n) l/l₁ wenn l und l₁ die Wellenlängen derjenigen Strahlenarten in Luft bezeichnen,
welche den Stellen a und b
des Spectrums entsprechen; wir haben also:
Textabbildung Bd. 199, S. 137
Ist eine noch weiter nach dem Violett hin liegende Stelle c um s₂ Streifenbreiten von a entfernt, so haben wir
Textabbildung Bd. 199, S. 137
wenn l₂ die Wellenlänge der
Strahlenart in Luft ist, welcher die Stelle c des
Spectrums entspricht.
Dividirt man Gleichung 2 durch Gleichung 1, so kommt:
Textabbildung Bd. 199, S. 137
und daraus
Textabbildung Bd. 199, S. 137
Nach dieser Gleichung kann man die Wellenlänge l₂
für irgend eine Stelle c des Interferenzspectrums
berechnen, wenn man die Wellenlängen l und l₁ zweier Stellen a
und b des Interferenzspectrums kennt die um s₂ Streifenbreiten von einander abstehen und wenn
man ferner weiß um wie viel Streifenbreiten c von a entfernt ist.
Nehmen wir die hellen Spectrallinien Li und Na für a und
b, so ist
l
= 676
Milliontel
Millimeter
l₁
= 589
„
„
also l – l₁
= 87
„
„
Für das in Fig. 2 dargestellte Interferenzspectrum ist
aber alsdann s₁ = 4,6 – 1,8 = 2,8. Setzen
wir diese Werthe für l, l₁ und s₁ in Gleichung 4, so wird dieselbe
Textabbildung Bd. 199, S. 137
oder
Textabbildung Bd. 199, S. 137
Die Ordnungszahl des äußersten isolirten dunklen Streifens auf der rechten Seite des
Spectrums Fig. 2 (des dunklen Streifens zwischen F und Sr) ist von Li gezählt 8,2; wir haben also zur
Berechnung der Wellenlänge welche der Mitte dieses dunklen Streifens entspricht, in Gleichung 5
für s₂ nur den Zahlenwerth 8,2 zu setzen. Es
ergibt sich alsdann
l₂ = 471.
Um die Wellenlänge für die Mitte des vorhergehenden dunklen Streifens zu berechnen,
haben wie für s₂ den Zahlenwerth 7,2 in Gleichung
5 zu setzen und erhalten dann
l₂ = 490
u.s.w. Für den letzten isolirten dunklen Streifen am rothen
Ende des Spectrums ist s₂ = – 0,8 und wenn
dieser Werth für s₂ in Gleichung 5 eingeführt
wird, so kommt
l₂ = 705.
Die so berechneten Werthe der Wellenlängen sind am oberen Ende der entsprechenden
Streifen in Fig. 2 beigeschrieben.
Für die bereits oben erwähnte 2,42 Millimeter dicke Gypsplatte, welche bei
Lampenlicht ein Interferenzspectrum mit 18 dunklen Streifen liefert, ist s₁ = 7,5 – 2,9 = 4,6, wenn man wiederum Li
für a und Na für b nimmt; es
ergeben sich dann für die Mitte der aufeinander folgenden dunklen Streifen nach
Gleichung 5 folgende Werthe der Wellenlänge: für den
1ten
dunklen
Streifen
720,0
Milliontel
Millimeter
2 „
„
„
696,1
„
„
3 „
„
„
673,9
„
„
4 „
„
„
653,0
„
„
5 „
„
„
633,3
„
„
6 „
„
„
614,8
„
„
7 „
„
„
597,4
„
„
8 „
„
„
580,9
„
„
9 „
„
„
565,3
„
„
10 „
„
„
540,4
„
„
11 „
„
„
536,0
„
„
12 „
„
„
523,1
„
„
13 „
„
„
511,0
„
„
14 „
„
„
498,7
„
„
15 „
„
„
486,9
„
„
16 „
„
„
475,8
„
„
17 „
„
„
465,3
„
„
18 „
„
„
455,2
„
„
Wenn man für a und b die
Spectrallinien Li und Th nimmt, also s₁ = 11,2
– 2,9 = 8,3 und l₁ = 535 (Wellenlänge der
grünen Thalliumlinie) setzt, so ergibt sich für den
1ten
dunklen
Streifen
719,5
Milliontel
Millimeter
8 „
„
„
581,8
„
„
18 „
„
„
457,0
„
„
Werthe, welche so nahe mit denjenigen übereinstimmen, welche
man nach der für Li und Na beobachteten Stellung zum Interferenzspectrum berechnet
hatte, wie man es nur erwarten kann, wenn man bedenkt daß die Stellung der hellen
Spectrallinien zum Interferenzspectrum nur durch Schätzung, nicht durch Messung
bestimmt werden kann. In der That weichen die beiden für die Wellenlänge des 18ten
Streifens berechneten Werthe (457,0 und 455,2) nicht um 1/2 Procent von einander ab
und die berechneten Wellenlängen sind jedenfalls bis auf 2 Milliontel Millimeter
genau.
Ein Interferenzspectrum mit dunklen Streifen, den bisher besprochenen ähnlich, erhält
man aber auch, wenn man statt der parallel mit der Achse geschliffenen
Krystallplatte KK
Fig. 1 eine senkrecht zur
Achse geschliffene Quarzplatte anwendet, die aber mehr
als 30mal dicker seyn muß als eine parallel der Achse geschliffene Quarzplatte, wenn
sie gleich viel Streifen liefern soll; eine senkrecht zur Achse geschliffene
Quarzplatte ist also jedenfalls nicht allein weit theurer, sondern auch zum Gebrauch
weit unbequemer ist als eine parallel der Achse geschliffene Quarzplatte oder eine
durch Spaltung erhaltene Gypsplatte. Dazu kommt noch daß für senkrecht zur Achse
geschliffene Quarzplatten, bei welchen die Erscheinung durch Circularpolarisation
bedingt ist, das Gesetz welches zwischen dem Abstand der Streifen und der
Wellenlängen besteht, keineswegs so einfach ist wie für parallel der Achse
geschliffene Platten, daß es also nicht so leicht ist die den einzelnen dunklen
Streifen entsprechenden Wellenlängen zu berechnen.
In jeder Beziehung sind also solche Platten vorzuziehen, deren Oberflächen parallel
der Achse (bei Gypsplatten parallel der Ebene der optischen Achse) sind. Sorby hat nicht angegeben welcher Art die von ihm
benutzten Quarzplatten waren, man kann es aber aus seinen Angaben über die Lage der
Fraunhofer'schen Linien zu den dunklen Streifen
seines Interferenzspectrums erschließen. Für die Sorby'sche Platte war die Zahl der dunklen Streifen welche zwischen den Fraunhofer'schen Linien D und
F lagen doppelt so groß
als die Zahl der dunklen Streifen zwischen B und D, während bei unseren Platten die Zahl der zwischen D und F liegenden Streifen
nur 1,4 mal so groß ist als die Zahl der zwischen B und
D liegenden. Es ist also wohl kaum zu bezweifeln,
daß Sorby senkrecht zur Achse geschliffene Quarzplatten
angewendet hat.
Interferenzspectra der oben besprochenen Art, d.h. solche welche durch parallel mit der Achse geschliffene Krystallplatten erzeugt werden, sind
nun streng mit einander vergleichbar, da sie die Bestimmung der Wellenlänge für jede
Stelle des Spectrums möglich machen, mag man nun diese Wellenlänge direct nach
Gleichung 4 berechnen oder mag man sie aus der vorher berechneten Wellenlänge der
benachbarten Interferenzstreifen ableiten.
So liegt z.B. die grüne Thalliumlinie Th in dem durch Fig.
2 dargestellten Interferenzspectrum um 5 Streifenbreiten von Li entfernt
(6,8 – 1,8); für Th ist also s₂ = 5 und
wenn wir diesen Werth von s ₂ in Gleichung 5)
setzen, so kommt
l₂ = 435,1.
Die helle Linie Th liegt aber zwischen dem 6ten und 7ten dunklen Streifen im
Interferenzspectrum Fig. 2 und zwar um 0,2
Streifenbreiten von 7 entfernt. Die Wellenlänge von 7 ist 531, die Wellenlänge von 6
ist 553, die Differenz der Wellenlängen von 6 und 7 beträgt also 22 und um 0,2
dieser Differenz, also um 4,4 ist die Wellenlänge von Th größer als die von 7, wir
haben daher für Th die Wellenlänge
l₂ = 531 + 4,4 = 535,4
ein Werth, welcher mit dem obigen sehr nahe übereinstimmt.
Um die Angaben der Interferenzspectra verschieden dicker Krystallplatten vergleichbar
zu machen, hat man übrigens nicht einmal nöthig die Wellenlängen zu berechnen,
welche den einzelnen Interferenzstreifen entsprechen. Da die Anzahl der Streifen
welche eine Krystallplatte liefert, ihrer Dicke proportional ist, so kann man nach
den an irgend einer solchen Interferenzscala gemachten Beobachtungen leicht
berechnen, wie viel Interferenzstreifen zwischen zwei bestimmten Stellen des
Spectrums liegen würden, wenn man den Versuch mit einer als Normalplatte angenommenen Krystallplatte angestellt hätte, kurz man kann die Angaben der wirklich benutzten Platte auf eine
Normalplatte reduciren.
Nehmen wir z.B. für die Normalplatte eine solche, für welche zwischen den hellen
Spectrallinien Li und Th gerade 10 Streifenbreiten liegen, so kann man leicht
berechnen auf welchen Streifen der Normalplatte irgend ein Punkt fallen wird, dessen
Stellung man für das Interferenzspectrum einer anderen Platte beobachtet hat.
Ein Beispiel mag dieß erläutern. Für die Platte welche das Interferenzspectrum Fig. 2 liefert, beträgt der Abstand zwischen Th und Li
5 Streifenbreiten, während der Abstand zwischen Li und Na 2,8 Streifenbreiten
beträgt. Da im Normal-Interferenzspectrum der Abstand von Li und Th gerade 10
Streifenbreiten beträgt, so hat man zur Bestimmung des Abstandes von Li und Na im
Normal-Interferenzspectrum die Gleichung
5 : 10 = 2,8 : x
also x = 5,6; d.h. im Normalspectrum würde die
Natriumlinie um 5,6 Streifenbreiten von Li entfernt seyn.
Fast genau dasselbe Resultat erhalten wir aber auch, wenn wir von den Beobachtungen
mit der dicken Gypsplatte ausgehen. Für diese betrug der Abstand zwischen Li und Th
8,3 – der zwischen Li und Na aber 4,6 Streifenbreiten. Wie weit die
Natriumlinie Na im Normalspectrum von Li entfernt seyn würde, ergibt sich also aus
der Gleichung
8,3 : 10 = 4,6 : x
aus welcher sich x = 5,54, also
ein Werth ergibt welcher mit dem aus den Beobachtungen mit der 1,34 Millimeter
dicken Platte sehr nahe übereinstimmt.
Die Differenz 0,06 rührt lediglich daher, daß die Ablesungen nicht ohne
Beobachtungsfehler ausgeführt werden können.
Die Stellung der blauen Strontiumlinie Sr auf dem Normalspectrum ist nach den Beobachtungen mit der 1,34
Millimeter dicken Gypsplatte
(10,8 – 1,8) 2 = 9 . 2 =18
nach den Beobachtungen mit der 2,42 Millimeter dicken
Gypsplatte
(17,8 – 2,9) 1,2 – 14,9 . 1,2 = 17,88
Nach den Beobachtungen mit der dünneren Gypsplatte würde also die blaue
Strontiumlinie auf dem Normalspectrum um 18, nach den Beobachtungen mit der dickeren
Gypsplatte würde sie nur um 17,88 Streifenbreiten von der Lithiumlinie entfernt
seyn. Die Werthe 18 und 17,88 differiren aber nur um 0,12 Streifenbreiten.
Man hat also den für irgend ein Interferenzspectrum beobachteten Abstand s irgend einer Spectrallinie von Li nur mit einem
constanten Factor n zu multipliciren, um zu erfahren
welches der Abstand sn dieser Spectrallinie von Li im
Normalspectrum seyn wird. Für die 1,34 Millimeter dicke Gypsplatte ist dieser
Reductionsfactor 10/5 = 2, für die 2,42 Millimeter dicke Platte ist er 10/8,3 =
1,205, wenn der Abstand von Li bis Th für die Normalplatte gerade 10 Streifenbreiten
beträgt.
Wir können unser Interferenzspectrum gewissermaßen eine elastische Scala nennen, denn sie schmiegt sich allen Eigenthümlichkeiten
des Spectrums an. Immer fällt die gleiche Anzahl dunkler Streifen auf das Spectrum,
mag dasselbe nun kurz seyn, wie es ein Crownglas-, oder lang seyn, wie es ein
Flintglasprisma liefert. Bei dem Spectrum des Crownglasprismas rücken die dunkeln
Streifen einander näher; sie rücken weiter aus einander für ein
Schwefelkohlenstoff-Prisma. Für das Spectrum eines Beugungsgitters rücken die
dunklen Streifen in Roth weiter aus einander, während sie im Blau sich einander weit
näher stehen als in einem gleich breiten, durch ein Prisma erzeugten Spectrum. Kurz,
die Interferenzscala accomodirt sich gewissermaßen dem Spectrum, indem, wie dieß
auch für die Fraunhofer'schen Linien der Fall ist, die
gleichen dunklen Streifen stets auf die gleiche Farbe fallen, während die
photographirte Scala, deren Bild von der Vorderfläche des Prismas reflectirt wird,
von dem Spectrum selbst völlig unabhängig ist. Das Spectrum eines Crownglasprismas
erstreckt sich über eine kleinere, das eines Flintglasprismas von gleichem
brechendem Winkel erstreckt sich über eine größere Anzahl von Theilstrichen der
photographirten Scala.
Diesen Vortheilen der Interferenzscala gegenüber muß man aber der photographirten
Scala den Vorzug zuerkennen, daß sie wegen der größeren Feinheit der Theilstriche
eine schärfere und wegen der beigesetzten Zahlen leichter ausführbare Ablesung
gestattet.
Die Ablesung mittelst der Interferenzscala wird natürlich um so genauer, je größer
die Anzahl der dunklen Streifen ist, die auf den sichtbaren Theil des Spectrums
fallen, je dicker also die Gyps- oder Quarzplatte wird. Bei Anwendung eines
Spectralapparates, an welchem weder das Prisma noch das Beobachtungsfernrohr gedreht
werden kann, darf man jedoch nicht wohl Gypsplatten anwenden welche dicker als 2,5
Millimeter sind, weil man beim Abzählen der Streifen allzu leicht in Verwirrung
geräth, wenn deren Anzahl über 20 hinausgeht. Die Interferenzstreifen sind eben in
keiner Weise markirt, sie sind nicht durch beigeschriebene Zahlen bezeichnet, wie
dieß bei der photographirten Scala der Fall ist. Bei größerer Streifenzahl wird die
Zählung derselben nur dadurch möglich, daß entweder das Prisma oder das Fernrohr
drehbar ist, so daß man die dunklen Interferenzstreifen der Reihe nach an dem
Fadenkreuz vorüber führen kann.
Für technische Zwecke genügt eine Interferenzscala, für
welche auf den bei Lampenlicht sichtbaren Theil des Spectrums 12 bis 20 Streifen
fallen, also Gypsplatten von 1,5 bis 2,5 Millimeter Dicke. Bei hinlänglicher
Feinheit und Anzahl der Streifen wird aber die Interferenzscala zu den feinsten
Messungen geeignet, wie dieß A. Weinhold in seinem
schönen Aufsatz „über eine vergleichbare
Spectralscala“ in Poggendorff's
Annalen Bd. CXXXVIII S. 417 gezeigt hat.
Weinhold's Interferenzspectrum wird jedoch nicht durch
die prismatische Zerlegung des Lichtes erzeugt, welches durch eine zwischen zwei
Nicols befindliche doppelt brechende Krystallplatte gegangen ist, sondern durch die
prismatische Zerlegung des Lichtes welches von einem dünnen Glimmerblatt reflectirt worden ist. Das Weinhold'sche Interferenzspectrum zeigt zwischen den Fraunhofer'schen Linien A und H 232 dunkle Interferenzstreifen, zu deren
Hervorbringung eine zwischen zwei Nicols befindliche Gypsplatte von 200 Millimeter
Dicke nöthig wäre, eine Platte also wie sie wohl nie gefunden wird.
Bei meinen oben besprochenen Versuchen war der von einem passenden Stativ getragene
Interferenzapparat zwischen der Lampe L und der Spalte
des Spectralapparates aufgestellt worden; will man jedoch das Interferenzspectrum zu
technischen Zwecken verwenden, so dürfte es am zweckmäßigsten seyn, wenn der
Interferenzapparat fest mit dem Spectralapparat verbunden ist, so daß man sich, wenn
man einen Versuch anstellen will, nicht erst mit der Adjustirung des
Interferenzapparates abzumühen hat. Wegen zweckmäßiger Herstellung und Befestigung
des Interferenzapparates bin ich mit Hrn. Optiker Steeg
in Homburg v. d.h. in Verbindung getreten und hoffe bald
das Resultat seiner Bemühungen bekannt machen zu können.
Als erläuternde Beispiele über die Anwendung der Interferenzscala, die aber keinen
Anspruch auf große Genauigkeit machen, mögen folgende mit Absorptionsspectren
gemachte Beobachtungen dienen.
Die Interferenzscala wurde durch die 2,42 Millimeter dicke Gypsplatte gebildet,
welche für Lampenlicht 18 dunkle Streifen liefert. Das Licht welches durch das
Vergleichungsprisma in den Apparat eingeführt wurde, war gleichfalls Lampenlicht.
Als zwischen der Lampe und dem Prisma eine Platte blauen
Kobaltglases aufgestellt war, zeigte sich in der unteren Hälfte des
Gesichtsfeldes ein Absorptionsspectrum, welches zu dem Interferenzspectrum die in
der folgenden Tabelle angegebene Lage hatte:
Heller rother Streifen von
0,5
bis
1,75
dunkler Balken von
1,75
„
7,5
hell von
7,5
„
9
Schatten von
9
„
12
Sehen wir nun, wie diese Beobachtungsresultate auf die Normalscala zu reduciren sind.
Da die Lithiumlinie auf 2,9 der Interferenzscala fällt (S. 136), so liegt die Stelle
0,5, mit welcher der helle rothe Streifen beginnt, um 2,9 – 0,5, also um 2,4
Streifenbreiten von der Lithiumlinie nach dem rothen Ende des Spectrums hin; für das
Normalspectrum würden aber auf diesen Abstand 2,4
× 1,2 = 2,9 Streifenbreiten kommen, welche wir, als von der Lithiumlinie nach dem rothen
Spectralende gezählt, als negativ bezeichnen wollen. Der
helle rothe Streifen beginnt also mit – 2,9 der Normalscala und endet, wie
sich auf gleiche Weise ergibt, mit – 1,4 der Normalscala.
Der dunkle Balken endet bei 7,5 der Interferenzscala, welche zur Beobachtung diente,
dieses Ende liegt also um 7,5 – 2,9 = 4,6 Streifenbreiten von der
Lithiumlinie nach dem Violett hin, was für die Normalscala 5,4 Streifenbreiten gibt;
das Ende des dunklen Balkens fällt also auf + 5,4 der Normalscala. In solcher Weise
ergibt sich die Lage des Absorptionsspectrums des blauen Glases zur Normalscala, wie
folgende Tabelle angibt.
Normalscala
Wellenlänge
Heller rother Streifen
– 2,9 bis – 1,4
732 bis 702
dunkler Balken
– 1,4 „ + 5,4
702 „ 589
hell
5,4 „ 7,3
589 „ 565
Schatten
7,3 „ 10,9
565 „ 523
dann hell bis an's sichtbare Ende des Spectrums.
Die in der letzten Columne dieser Tabelle angegebenen Wellenlängen sind leicht zu
ermitteln, da man die Wellenlänge kennt welche der Mitte der dunklen Streifen der
Interferenzscala entspricht. Das Ende des dunklen Balkens fällt auf 7,5 der
Beobachtungsscala; dem Streifen 7 entspricht die Wellenlänge 597,4 (S. 139), dem
Streifen 8 die Wellenlänge 580,9, woraus folgt, daß die Stelle 7,5 der
Beobachtungsscala der Wellenlänge 589 entspricht. In ähnlicher Weise sind die
übrigen Zahlen der letzten Columne berechnet.
Die folgende Tabelle enthält die mit einer weit helleren Platte blauen Glases
erhaltenen Resultate.
Beobachtungsscala
Normalscala
Wellenlänge
hell
bis 2,5
bis – 0,5
bis 635
dunkler Balken.
2,5 bis 4,5
– 0,5 bis + 1,9
685 bis 643
schwacher Schatten
4,5 „ 6,5
1,9
„ 4,3
643 „ 606
stärkerer Schatten
6,5 „ 7,5
4,3
„ 5,4
606 „ 589
hell
7,5 „ 9
5,4 „ 7,3
589 „ 565
chwacher Schatten
9
„ 11
7,3
„ 9,7
565 „ 536
dann hell bis an's sichtbare Ende des Spectrums.
Eine 1,5 Millimet. dicke Schicht von Olivenöl lieferte
folgende Resultate:
Beobachtungsscale
Normalscala
Wellenlänge
dunkler Balken
2,7 bis 3,3
– 2,4 bis + 0,5
681 bis 668
Die violette Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff gab folgendes Spectrum:
Beobachtungshell
Normalspectrum
Wellenlänge
hell
bis 7,75
bis 5,8
585
wachsender Schatten
7,75 bis 9
5,8 bis 7,3
585 bis 565
ganz dunkel
9 „ 12
7,3 „ 11
565 „
511
dann hell bis an's violette Ende des Spectrums.
Hier mag noch die Bemerkung Platz finden, daß Sorby's
Methode die Absorptionsspectra durch Striche und Punkte zu charakterisiren,
allerdings sehr kurz, aber auch sehr schwerverständlich, oft sogar ganz
unverständlich ist und es denn doch besser seyn dürfte, lieber etwas mehr Raum zu
verwenden um die nöthige Deutlichkeit zu erzielen.