Titel: | Versuche über Malzbereitung ohne Keimung; von Professor Dr. H. Fleck in Dresden. |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. XLI., S. 146 |
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XLI.
Versuche über Malzbereitung ohne Keimung; von
Professor Dr. H. Fleck
in Dresden.
Fleck, über Malzbereitung ohne Keimung.
Die Aufgabe welche dem Brauer in der Bereitung des Malzes gestellt ist, läßt sich
kurz dahin zusammenfassen: die Bestandtheile der Gerste, d. i. Stärkemehl und
Kleber, in eine zur Lösung geeignete Form umzugestalten. Der Keimproceß der Gerste
und des Getreides überhaupt ist nur als Mittel zum Zweck zu betrachten und muß so
geregelt und so geleitet werden, daß die Aufgabe mit dem geringsten Verlust an
Material, in Form von Keimen und in Gasform, gelöst werde. Mittlere
Feuchtigkeitsgrade, niedrige Keimtemperatur, unterdrückter Lichteinfluß, geregelter
Luftzutritt unterstützen die Arbeit in der angegebenen Richtung und liefern auch,
wie die Producte der unter solchen Verhältnissen arbeitenden österreichischen Brauereien
beweisen, in qualitativer Hinsicht günstige Resultate. Durch diese Thatsache
verliert aber die Keimbildung in dem Grade an Bedeutung, in welchem es gelingt, mit
Unterdrückung derselben die Malzbereitung durchzusetzen, und räumt jedem anderen
Verfahren den Platz, nach welchem die Aufgabe der Malzarbeit in gleich günstiger
Weise gelöst, d.h. der Uebergang des Klebers und des Stärkemehls in lösungsfähige
Form bedingt wird.
Dieser Gedankengang bildete die Basis zu den Versuchen, welche der Verf. anstellte,
um die Malzbildung auf chemischem Wege durchzuführen, und mit welchen er zwar noch
nicht zu einem vollständigen Abschluß gelangte, aus denen aber doch bereits so
überraschende Resultate hervorgingen, daß er schon mit der Veröffentlichung
derselben vorgehen zu können glaubt, um Andere zur Anstellung von ähnlichen
Versuchsarbeiten aufzumuntern und dadurch die Angelegenheit zu einem schnelleren
Abschluß zu führen.
Wenn man gequellte Gerste durchschneidet und auf die frische Schnittfläche ein
Streifchen blaues Lackmuspapier drückt, so färbt sich
letzteres schwach roth. Die Röthe des Lackmuspapieres nimmt bei der
eintretenden Keimung der Gerste zu und beweist, daß sich in derselben eine freie
Säure befindet, deren chemische Wirkung auf das Stärkemehl und den Kleber nicht
ausbleiben kann, und in deren Anwesenheit möglicher Weise mehr als in der Bildung
der Diastase die Ursache der Umwandlung des Gerste-Inhaltes zu suchen
ist.
Ferner ist es eine längst bekannte Thatsache, daß sehr verdünnte Mineralsäuren bei
der Maischtemperatur das Stärkemehl in Gummi und Zucker verwandeln, und daß, was bei
dieser Temperatur in kurzer Zeit geschieht, bei niedriger oder mittlerer Temperatur
in längerer Zeit auch geschehen kann und muß. Als Mineralsäure können dann ebenso
Schwefelsäure, wie Salzsäure, Salpetersäure und Phosphorsäure angewendet werden, und
die letztere ist ja in der That in dem Grünmalze als freie Phosphorsäure oder als
ein saures Salz vorhanden.
Der Schlüssel zur Malzbereitung auf chemischem Wege ist daher gefunden, sobald es
gelingt, verdünnte Mineralsäuren in der geeigneten Form und
Weise auf Gerste so einwirken zu lassen, daß hierdurch, natürlich mit Ausschluß
jeder Keimbildung, die Ueberführung in Malz (im Sinne der oben gegebenen
Erklärung) ermöglicht wird.
Die erste Reihe der zu diesem Zwecke angestellten Versuche bezog sich auf die
Bestimmung der löslichen Stoffe, welche aus der Gerste beim Einquellen in Wasser und in
verdünnten Säuren entfernt werden. Zu dem Zwecke wurden jedes Mal 20 Grm. Gerste
eingequellt in
a)
100
Grm.
Wasser,
b)
99
„
„
und
1
Grm.
Schwefelsäure,
c)
99
„
„
„
1
„
Salzsäure,
d)
99
„
„
„
1
„
Salpetersäure.
Nach 48stündigem Einquellen wurden die Flüssigkeiten von der Gerste abgegossen,
letztere abgewaschen und die Quellwässer verdampft. Im
Verdampfungs-Rückstande der letzteren fand sich bei Versuch
a)
0,57
Proc.
der
abgewogenen
Gerste,
b)
1,82
„
„
„
„
c)
0,72
„
„
„
„
d)
0,92
„
„
„
„
Aus diesen vier Zahlenwerthen ergibt sich, daß das reine Wasser die geringsten
Mengen, die 1procentige Schwefelsäure das größte Quantum löslicher Stoffe der Gerste
entzogen hatte. Bei näherer Untersuchung dieser Verdampfungs-Rückstände fand
sich, daß in denselben nicht die ganze Säuremenge
vertreten war, welche beim Einquellen verwendet wurde, sondern daß durch das
Einquellen ein gewisser Antheil, und zwar durchschnittlich der vierte Theil der
angewendeten Säure, von der Gerste aufgenommen worden war. Außerdem fand sich in
allen Verdampfungs-Rückständen Phosphorsäure, welche durch Exosmose der
Gerste entzogen worden war, und deren Menge in den sauren Quellwässern größer als im
reinen Wasser erschien.
Durch einen solchen Phosphorsäure-Verlust verliert aber die Gerste an
Nahrungswerth, und aus diesem Grunde kann das Einquellen
in sauren Flüssigkeiten nach der bisherigen Weise auf das zu erzielende Product nur
von Nachtheil seyn. Man ersetzt zwar den ausgegebenen Antheil Phosphorsäure durch
eine andere Mineralsäure, und hierdurch ist – die Malzbildung als von der
Wirkung einer Säure abhängig vorausgesetzt – zwar in der Arbeit nichts, wohl
aber in der Qualität des Productes eingebüßt.
Damit auch hierüber und zumal über die Möglichkeit der Malzerzeugung unter dem
alleinigen Einfluß verdünnter Säuren ein sicherer Aufschluß verschafft werde, wurden
in wiederum vier Versuchen
a)
50
Grm.
Gerste
mit
100
Grm.
Wasser,
b)
50
„
„
„
100
„
1 proc.
Schwefelsäure,
c)
50
„
„
„
100
„
1 „
Salzsäure,
d)
50
„
„
„
100
„
1 „
Salpetersäure
übergossen und 8 Tage lang geweicht.
Schon am fünften Tage nahm das Quellwasser a einen
widrigen Geruch und Geschmack an, und nach acht Tagen war die Gerste verdorben;
ebenso hatte in c eine Veränderung zum Nachtheil der
Gerste stattgefunden, während b und d einen eigenthümlich angenehmen Geruch, dem des
frischen Malzes gleich, besaßen, und die Gerste vollständig erweicht war; doch hatte
dieselbe zu viel Flüssigkeit aufgenommen; in Folge dessen lieferte sie nach dem
Schwelken und Darren Glasmalz, welches indeß nach dem Schroten und Maischen eine zucker- und gummihaltige
Würze ergab.
In den Quellwässern b und d
war fast alle Phosphorsäure der Gerste gelöst, also in dem Malze selbst durch
Schwefelsäure und Salpetersäure ersetzt worden.
Letztere beiden Resultate sind von großer Wichtigkeit für die Theorie des Malzens.
Sie beweisen, daß die Erzeugung von Malz, d.h. die Vorbereitung der Gerste für den
Maischproceß, ohne Keimung möglich ist, sobald man in den Maischproceß verdünnte
Mineralsäure einführt. Aus dem Phosphorsäuregehalt der Quellwässer erkennt man, daß,
wenn die Anwendung verdünnter Mineralsäure Platz greifen soll, hierbei einem Verlust
an Phosphorsäure vorgebeugt werden muß.
Das Austreten der letzteren in das Einquellwasser ist aber eine theilweise Folge der
aufschließenden Wirkungen der Säure im Malze. Es kann vermieden werden, wenn man die
Gerste nur mit so viel Quellwasser versieht, als sie überhaupt, ohne später Glasmalz
zu liefern, aufnehmen kann. Denn dann kann aus der Gerste nichts heraus treten, wohl
aber die Mineralsäure eintreten, und diese übt nun, vereint mit der frei gemachten
Phosphorsäure, ihre Wirkungen auf Stärkemehl und Kleber.
Eine Anzahl von Versuchen, welche den Zweck hatten, die Wassermenge zu bestimmen,
welche die Gerste in der längsten Quellzeit aufzunehmen im Stande ist, lieferten
ziemlich übereinstimmend das Resultat, daß 100 Grm. Gerste 80 Grm. Wasser zur
vollständigen Erweichung bedürfen, aber dann beim Darren, in Folge der
Uebersättigung mit Wasser, ein glasiges, hartes Product liefern.
Es bedurfte also eines einfachen Zurückgehens auf geringere Wassermengen, um
hierdurch die Entstehung von Glasmalz zu verhüten.
Eine andere und wichtigere Frage lag aber noch zur Beantwortung vor, nämlich die
Frage nach dem Einfluß höherer Temperaturen auf den Quellproceß.
Daß kochendes Wasser die Gerste in kurzer Zeit aufschließt und daraus eine schleimige
Masse von gelöstem Kleber und Stärkekleister (den Gerstenschleim) erzeugt, ist
eine bekannte Thatsache. Sie beweist, daß höhere Temperaturen den Quellproceß
abkürzen müssen, und wurde die Veranlassung zu folgenden Versuchen:
Vier Gefäße a, b, c, d wurden jedes mit 50 Grm. Gerste
versehen und darauf
a)
30
Grm.
Wasser,
b)
30
„
1
procentige
Schwefelsäure,
c)
30
„
1
„
Salzsäure,
d)
30
„
1
„
Salpetersäure
gegossen. Die Gefäße wurden locker verschlossen und in ein
größeres Wasserbassin gebracht, in welchem die Temperatur auf 40° C. =
32° R. während 72 Stunden erhalten wurde.
In den Gefäßen a und c trat
schon nach 24 Stunden ein säuerlicher Geruch ein, und nach 48 Stunden war die Gerste
unbrauchbar, faulig und moderig; hingegen in den Gefäßen b und d entwickelte sich nach 24 Stunden ein
angenehm weiniger Aepfelgeruch, der sich nach 48 Stunden verloren und dem Geruch des
frischen Grünmalzes Platz gemacht hatte. Nach 72 Stunden war die Gerste in b und d
weich und mehlig, wie gekeimtes Malz, natürlich ohne
einen Keimansatz. Der Verf. bemerkt, daß man die Gefäße fleißig schüttelte, um
Gerste und Quellwasser gehörig in Berührung zu bringen. Der Inhalt der Gefäße b und d wurde nach
72stündigem Quellen und Malzen abgewaschen, geschwellt und dann gedarrt. Das
erzielte Darrmalz hatte einen angenehmen Geschmack und Geruch, und lieferte sehr
gute Würze; nur war die aus der Schwefelsäure bereitete Würze schnell trebersauer,
wogegen die Salpetersäure eine sehr haltbare und vorzüglich klare Würze
lieferte.
Bei den nun folgenden Versuchen, welche den Zweck hatten, die Quantität des erzielten
Malzes zu bestimmen, wurde daher nur mit 1procentiger Salpetersäure gearbeitet, und
hierbei resultirten im Durchschnitt 92 bis 94 Proc. gutes
Darrmalz.
Mit diesen Resultaten ist zunächst die von dem Verf. aufgestellte Ansicht bestätigt:
die Keimung der Gerste kann in der Malzbereitung umgangen
werden.
Die erzielten Resultate bieten aber noch weit mehr für die Praxis.
Der Malzbereitungs-Proceß wird auf die kurze Zeitdauer
von 3 bis 5 Tagen zurückgedrängt; die Ausbeute an Malz ist die höchste und wird
quantitativ durch kein noch so gut geregeltes Keimverfahren erreicht.
Der Aufwand an Material ist gegenüber den Vortheilen an Zeit- und Malzgewinn
höchst gering:
Um 100 Ctr. Gerste nach dem neuen Verfahren in Malz umzuwandeln, übergießt man diese
in einem Holzbottich mit 58 Ctr. 87 Pfd. Wasser, in welches man 1 Ctr. 13 Pfd.
Scheidewasser von 40° Baumé gießt, nachdem man das erstere vorher auf
40° C. erwärmt hat. Das bedeckte Quellfaß steht in einem ebenfalls auf
40° C. erwärmten Raume, und die Gerste wird mit dem sauren Quellwasser alle
10 bis 12 Stunden gut umgerührt. Nach 72 Stunden ist das Grünmalz fertig; man wäscht
es in dem Quellbottich mit kaltem Wasser schnell ab, um die anhängenden
Schleimmassen zu entfernen, worauf es dann auf die Schwelke und von da auf die Darre
gelangt.
Der Aufwand von Scheidewasser pro 100
Ctr. Malz
beträgt
11
Thlr.
= 19
fl.
15
kr.
Heizung und Arbeitslohn
4
„
= 7
„
–
„
–––––––––––––––––––––––––
15
Thlr.
= 26
fl.
15
kr.
zur Darstellung von 92 bis 94 Ctr. Malz.
Es wird jeder Mälzer aus dieser ohnedieß sehr hoch gegriffenen Berechnung einen
Vergleich zwischen diesem und dem bisherigen Malzverfahren ziehen können.
Bis hierher sind die Versuche des Verf. in ihren Resultaten gediehen. Es ist nun
weitere Aufgabe:
1) die Versuche in der Weise fortzusetzen, daß durch dieselben die Concentration der
aus dem Kunstmalz erzielten Würzen mit derjenigen der aus
Keimmalz bereiteten vergleichbar werde;
2) das Kunstmalz (dieser Name ist, wie der Verf. glaubt, der bezeichnendste) auf
seine Bestandtheile zu untersuchen;
3) das praktische Verfahren der Kunstmalz-Bereitung auf das einfachste Maaß
von Zeit-, Material- und Kraftaufwand für die Praxis zu reduciren.
(Der
Bierbrauer, 1870, Nr. 8.)