Titel: | Ueber ein einfaches und bequemes Verfahren, die Vergrößerung und das Gesichtsfeld eines Fernrohres zu bestimmen; von Dr. A. von Waltenhofen, Professor am deutschen Polytechnicum in Prag. |
Autor: | Adalbert Waltenhofen [GND] |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LIII., S. 176 |
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LIII.
Ueber ein einfaches und bequemes Verfahren, die
Vergrößerung und das Gesichtsfeld eines Fernrohres zu bestimmen; von Dr. A. von Waltenhofen, Professor am
deutschen Polytechnicum in Prag.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
v. Waltenhofen, Verfahren die Vergrößerung und das Gesichtsfeld
eines Fernrohres zu bestimmen.
Bei den bisher üblichen Methoden, die Vergrößerung eines Fernrohres zu bestimmen,
sind entweder Instrumente erforderlich, die man nicht immer zur Disposition hat (wie
z.B. bei den Methoden voll Ramsden und von Gauß), oder man bedarf dazu Sonnenlicht (wie bei der von
Valz angegebenen Methode), oder man muß doch
wenigstens eine oft sehr beträchtliche Distanz zur Verfügung haben und nach
Umständen auch abmessen können, in der man einen mit gleichen Abtheilungen
versehenen oder der Messung zugänglichen Gegenstand mit dem zu untersuchenden
Fernrohr betrachten kann, wozu der Optiker unter den vielfach beschränkten
Localverhältnissen großer Städte auch nicht in jedem Hause passende Gelegenheit
findet.
Aus diesen Gründen dürfte Vielen das im Nachstehenden beschriebene Verfahren nützlich
seyn, welches
1) mit Ausnahme einer Sammellinse und einer auf einem
Papierstreifen gezeichneten Scala keine Apparate,
2) weder Sonnenlicht noch Tageshelle erheischt, sondern ebenso
gut, ja sogar am besten bei Lampenlicht geschehen kann, ferner
3) indem es nur eine Distanz von wenigen Fußen erfordert, in
jedem Zimmer, ja sogar auf dem beschränkten Raume eines
Tisches ausführbar ist, und dabei
4) dennoch sichere und genaue Resultate liefert.
Textabbildung Bd. 199, S. 176
Die einfache Anordnung des Versuches ist aus der vorstehenden schematischen Zeichnung
ersichtlich. Das zu untersuchende Fernrohr A, B wird vor
oder auf einem Tische horizontal aufgestellt.
Unmittelbar vor dem Objective A des Fernrohres wird eine etwas größere und möglichst dünne Sammellinse
C
von etwa 3 bis 5 Fuß Brennweite in centrirter Stellung
angebracht, indem man dieselbe entweder am Objectivkopfe des Fernrohres befestigt,
was in Ermangelung einer besonderen VorrichtungWill man eine solche haben, so kann man die Linse mit einer hölzernen Fassung
M, M, Fig. 1 Tab. VI,
versehen, die mit einem messingenen Ringe R, R
von der in der Zeichnung angedeuteten Einrichtung mittelst zweier Drahtbügel
a, b, c verbunden ist. Der Ring, etwas enger
als die Linsenfassung und in geringer Entfernung parallel zur Linse
angebracht, hat drei nach einwärts gerichtete Stellschrauben 1,2,3, die
gleich weit von einander abstehend, in radialen Richtungen den Ring
durchsetzen und die Befestigung am Objectivkopfe O,
O in ähnlicher Weise gestatten, wie man den Sömmering'schen Spiegel am Ocular eines beliebigen Mikroskopes
oder Fernrohres anzubringen pflegt, wobei man jedoch im vorliegenden Falle
stets darauf zu sehen hat, daß die besagte Sammellinse dem
Fernrohr-Objective so nahe als möglich
– etwa bis zur Berührung mit dem vorstehenden Rande der Fassung des
letzteren – gebracht werde. Zu diesem Zwecke ist die Sammellinse
mittelst ihrer hölzernen Fassung auf die vom messingenen Ringe ausgehenden
Drahtbügel verschiebbar aufgesteckt. Die Linse
ist in der Zeichnung der Deutlichkeit wegen mit stärkeren Krümmungen
dargestellt worden, als ihr vermöge der geeigneten Brennweite in
Wirklichkeit zukommen. ganz gut durch Ankleben mit Wachs geschehen kann, oder, was jedoch weniger
zu empfehlen ist, indem man die Linse mit einem passenden Stative versieht.
Im Brennpunkte dieser Linse, deren Brennweite zuvor genau
ermittelt werden muß,Wovon später noch die Rede seyn wird. wird endlich ein Schirm D mit der im Folgenden
näher beschriebenen Scala so aufgestellt, daß das Fernrohr senkrecht gegen die Ebene
des Schirmes und ungefähr gegen die Mitte der Scala gerichtet ist.
Wird sodann das Ocular des Fernrohres so gestellt, daß man durch die vor dem
Objective angebrachte Sammellinse, welche wir künftig die „Collimationslinse“ oder die „Collimator-Linse“ nennen wollen,
die Scala auf dem Schirme deutlich sieht, so sind alle zur Messung der Vergrößerung
und des Gesichtsfeldes nothwendigen Vorbereitungen getroffen.
I. Um die Vergrößerung des Fernrohres zu finden, verfährt
man in ähnlicher Weise, wie man es sonst bei gewöhnlicher Einstellung des Fernrohres
auf eine entfernte eingetheilte Latte (oder einen anderen mit gleichen Abtheilungen
versehenen Gegenstand, z.B. ein Ziegeldach u. dergl.) zu thun pflegt. Man sieht
nämlich mit dem einen Auge durch das Fernrohr und zugleich mit dem anderen Auge
direct auf die Scala und beobachtet wie viele mit dem freien Auge gesehene
Scalentheile auf einen mit dem anderen Auge im Fernrohre gesehenen Scalentheil
kommen.
Die so ermittelte Vergrößerungszahl ist aber noch nicht diejenige des untersuchten Fernrohres, sondern
verhält sich zu dieser wie der Abstand der Scala vom Auge zum Abstande der Scala von
der Collimationslinse, oder wie F + L : F, wobei F die Brennweite der Collimationslinse und L die Länge des Fernrohres bedeutet. Man müßte nämlich
nach Entfernung der Collimator-Linse die Scala in einer sehr großen
Entfernung E aufstellen, um sie bei unveränderter
Ocularstellung des Fernrohres deutlich zu sehen. In dieser Entfernung würden aber
jene beobachteten Scalentheile im Fernrohre unter einem E/F mal kleineren Winkel, dem freien Auge aber
unter einem nur E/(F+ L) mal kleineren Winkel erscheinen.Wenn nämlich die Entfernung E vom Objective so
groß ist, daß man auch die Distanz vom Auge, die dann eigentlich E + L wäre = E setzen kann.
Man findet daher die wahre Vergrößerung v des Fernrohres
aus der in der beschriebenen Weise ermittelten Vergrößerung V durch die einfache Formel
v = V .
F/(F + L)
Zur Erläuterung sollen später einige Beispiele folgen. Zuvor will ich noch die
zweckmäßige Einrichtung der Scala etwas näher besprechen.
Um die beschriebene Beobachtung gut ausführen zu können, muß die Scala größere und
kleinere Intervalle haben, die in einen: bestimmten Verhältnisse, etwa 1 : 10, zu
einander stehen, z.B. Centimeter und Millimeter, damit man, während man die
kleineren Intervalle mit dem Fernrohre betrachtet, gleichzeitig die größeren mit dem
anderen freien Auge noch gut sehen kann. Um ferner das Abzählen zu erleichtern, ist
es gut, wenn die größeren Intervalle abwechselnd weiß und schwarz ausgefüllt und die
letzteren (die schwarz ausgefüllten) etwa von fünf zu fünf nach Art von
Maaßstabtheilstrichen verlängert sind.
Die absolute Größe der Intervalle ist zwar theoretisch gleichgültig; für die
praktische Ausführung aber empfehlen sich gewisse Dimensionen als die geeignetsten,
damit einerseits die kleinen Intervalle bei stärkeren Vergrößerungen nicht zu groß
und andererseits die größeren Intervalle für die leichte Beobachtung mit dem freien
Auge nicht zu klein ausfallen.
Bei meiner Scala, von welcher auf Tab. VI in Fig. 2 ein Stück
abgebildet ist, betragen die abwechselnd schwarz ausgefüllten größeren Intervalle
einen halben (badischen) Zoll, die kleineren, deren je zehn innerhalb stärker ausgezogener
Theilungslinien liegen, betragen Zehntel eines halben Zolles. Die ganze Scala hat
eine verticale Länge von 10 1/2 Zollen.
Zur Anfertigung einer solchen Scala, wenn man sie selbst machen will, kann man das im
Handel vorkommende mit carrirtem Dessin lithographirte Papier, welches zum Zeichnen
von Stickmustern dient, mit Vortheil verwenden. Da dieses Papier in großer Auswahl
vorräthig gehalten wird, so kann man sich leicht auch solches verschaffen, welches
genau oder doch nahezu die angegebene Größe und Eintheilung der Intervalle
darbietet. Man hat dann nichts weiter zu thun, als einen Streifen von der Höhe des
Bogens und mindestens 3 Zoll Breite abzuschneiden, dann in einer der mittleren
Verticalreihen desselben jedes zweite Quadrat von 1/2 Zoll Seite mit Tusche
auszufüllen, und etwa jedem fünften schwarzen Felde in horizontaler Richtung die
doppelte Länge zu geben. Bei der Auswahl des Papieres ist zu berücksichtigen, daß
die Theilungslinien der Zehntel-Intervalle (die man bei dem beschriebenen
Versuche nur mit dem Fernrohr zu betrachten hat, und daher mit dem freien Auge nicht
zu sehen braucht) fein ausgezogen sind, damit sie im
Fernrohr bei stärkeren Vergrößerungen nicht zu dick erscheinen, was die Genauigkeit
der Ablesung an der Scala beeinträchtigen würde.
II. Um das Gesichtsfeld des untersuchten Fernrohres zu
bestimmen, wird an der oben beschriebenen Aufstellung und Einstellung des Fernrohres
gar nichts geändert. Man hat nur zu beobachten, wie viele Scalentheile im Fernrohre
den ganzen Durchmesser des Gesichtsfeldes einnehmen, d.h. wie viele man zugleich
übersehen kann.
Man mißt sodann an der Scala selbst die Länge des Stückes, welches jene im Fernrohre
sichtbaren Scalentheile ausmachen, mit Zirkel und Zollstab genau ab. Die Länge b dieses Scalenstückes erscheint vom Objective des
Fernrohres aus gesehen offenbar unter dem Winkel
ψ = b . 360/2πF
in Graden; und weil die aus der Brennweite der
Collimator-Linse (wo sich eben die Scala befindet) herkommenden Strahlen
parallel in das Fernrohr eintreten, gerade so als wenn sie ohne Anwendung der
Collimationslinse aus einer sehr großen Entfernung herkämen, so ist leicht
einzusehen, daß jener Winkel zugleich das Gesichtsfeld des nach Wegnahme der
Collimationslinse sehr entfernte Gegenstände deutlich zeigenden Fernrohres
vorstellt.
Man hat also für das gesuchte Gesichtsfeld ψ die
einfache Formel ψ = b . 360/2πF oder
ψ = 57,3 . b/F.
Dieses Verfahren gibt zugleich viel verläßlichere Resultate, als wenn man das
Gesichtsfeld aus der vom Objective aus gemessenen freien Oeffnung der ersten
Ocularlinse (was aus naheliegenden Gründen ganz unzuverlässig ist) berechnet, oder
aus dem scheinbaren Gesichtsfelde dividirt durch die Vergrößerung des
Fernrohres.
Was die Wahl der Collimator-Linse betrifft, will ich noch bemerken, daß ich
zwar das beschriebene Verfahren mit Linsen von 1 bis 5 Fuß Brennweite erprobt, für
gewöhnlich jedoch eine Linse von 5 Fuß Brennweite bei meinen Versuchen benutzt
habe.
Je kleiner die Brennweite dieser Linse genommen wird, desto stärker ist die
Vergrößerung V, mit der man es bei der Ablesung an der
Scala zu thun hat, im Vergleiche mit der gesuchten Vergrößerung v des Fernrohres, und zwar nach Maaßgabe der Formel V = v . (F + L)/F. Auch ist klar, daß ein kleiner Fehler bei der Messung
von F und L desto mehr
Einfluß hat, je kleiner F gewählt wird. Diese Umstände sind bei der Wahl der Collimationslinse zu
berücksichtigen, damit nicht eine zu kleine Brennweite derselben der
Beobachtung hinderlich und der Genauigkeit des Resultates nachtheilig werde.
Um die Brennweite der Collimationslinse genau zu bestimmen, kann man das Maskelyne'sche Verfahren anwenden, welches im Folgenden
besteht.
Man markirt sich ein für allemal an einem guten Fernrohr genau die zum deutlichen Sehen sehr entfernter Objecte erforderliche
Stellung des Oculars, indem man das Fernrohr auf ein Gestirn
scharf einstellt. Das Fernrohr ist dann, wie man zu sagen pflegt,
„für parallele Strahlen“ eingestellt und wird, wenn man
hierauf vor dem Objective desselben eine Sammellinse angebracht hat, nur solche
Gegenstände deutlich zeigen, die sich genau in der Brennweite jener Sammellinse
befinden. Benutzt man zu diesem Versuche den Schirm mit der Scala, so gibt der zum
deutlichen Sehen erforderliche Abstand desselben von der Linse sofort deren
Brennweite an, die man auf diese Weise durch wiederholte Versuche ein für allemal
genau ermittelt, um sodann die untersuchte Linse als Collimationslinse bei den
beschriebenen Messungen verwenden zu können, bei welchen die untersuchten Fernröhren
eben auch die
Einstellung für parallele Strahlen erhalten, indem man mit denselben die in der
Brennweite der Collimationslinse aufgestellte Scala betrachtet.
Indem ich zum Schlusse noch einige Beispiele anführe, welche das Gesagte besser
erläutern sollen, will ich vorausschicken, daß die angegebene Länge des Fernrohres
stets als diejenige zu verstehen ist, welche das untersuchte Fernrohr bei der
bereits mehrfach erwähnten, bei diesen Beobachtungen erforderlichen Stellung des
Oculars besitzt.
Die Größen L, F und b sind
durchaus in Wiener Maaß angegeben.
Beispiele. 1) Ein kleines astronomisches Fernrohr von 10
Zoll Länge zeigte bei Anwendung einer Collimationslinse von 61 Zoll Brennweite 8
kleine Scalentheile (Zehntel eines halben badischen Zolles) auf 19 mit freiem Auge
gesehene große Scalentheile (halbe badische Zolle). Demnach betrug die beobachtete
Vergrößerung mit der Collimationslinse V = 19 : 0,8 = 23,7, folglich die gesuchte Vergrößerung
des Fernrohres ohne Collimationslinse v = 23,7 . 61/(61
+ 10) = 23,7 . 61/713,7 . 61/71 = 20,3.
Fast genau dasselbe Resultat ergab sich für dieses Fernrohr bei Anwendung einer
Collimationslinse von nur 9 3/4 Zoll Brennweite. Dabei kamen auf 2 im Fernrohr
gesehene kleine Intervalle 8,2 mit freiem Auge gesehene große Intervalle, woraus V = 8,2 : 0,2 = 41 und v =
41 . 9,75/19,75 = 20,2 folgt.
2) Die Messung des Gesichtsfeldes desselben Fernrohres ergab, daß 2,7 kleine
Scalentheile, welche eine Länge von 1,6 Wiener Zoll haben, auf den Durchmesser des
Gesichtsfeldes gehen. Man erhält also für das Gesichtsfeld nach obiger Formel ψ = 57,3 . 1,6/61 = 1,5 in Graden, ein Resultat
welches auch durch die Beobachtung des scheinbaren Sonnendurchmessers am Fadenkreuze
des Fernrohres bestätigt wurde.
3) Ein Fernrohr von 51 Zoll Länge zeigte mit der Collimationslinse von 61 Zoll
Brennweite 3 kleine Scalentheile auf 21 mit freiem Auge gesehene große Scalentheile,
woraus sich die Vergrößerung v = 21/0,3 . 61/(61 + 51) =
70 . 61/112 = 38 ergibt. – Auf den Durchmesser des Gesichtsfeldes gingen 14
kleine Scalentheile, welche einer Länge von 0,8 Wiener Zoll entsprechen. Es ist
daher das Gesichtsfeld ψ = 57,3 . 0,8/61 =
0,75° = 45 Minuten.
Ich habe in dieser Weise Fernröhren und Feldstecher von den verschiedensten
Dimensionen untersucht und die Ergebnisse durch andere Messungen geprüft, und dabei
meine Methode stets als ein Verfahren bewährt gefunden, welches verläßliche
Resultate liefert und dabei in der Ausführung bequemer als irgend ein anderes
ist.
Diejenigen, welchen das gleichzeitige Beobachten mit dem bewaffneten und freien Auge
Schwierigkeiten macht, mögen sich auch bei dieser Methode immerhin des Sömmering'schen Spiegels oder eines Reflexionsprisma's
(chambre claire) bedienen. In jedem Falle aber ist
zu beachten, daß die auf was immer für eine Art ermittelte Vergrößerung V des mit der Collimationslinse behafteten Fernrohres
stets durch Multiplication mit dem Bruche F/(F + L) auf die gesuchte
Vergrößerung v des freien Fernrohres zu reduciren
ist.
Prag, den 25. December 1870.