Titel: | Materialien zur Beurtheilung der Luft in öffentlichen Gebäuden; von Dr. H. Dorner in Hamburg. |
Autor: | H. Dorner |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LXI., S. 226 |
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LXI.
Materialien zur Beurtheilung der Luft in
öffentlichen Gebäuden; von Dr. H.
Dorner in Hamburg.
Dorner, Untersuchung der Luft in verschiedenen öffentlichen
Gebäuden.
Nachstehend verzeichnete Resultate sind erhalten worden mit Hülfe der von Pettenkofer in dem Werke „über den Luftwechsel
in Wohngebäuden“ S. 10 veröffentlichten Methode.Im polytechn. Journal, 1862, Bd. CLXIII S. 53 mitgetheilt. Die dazu nöthigen, genau abgewogenen Mengen reiner Oxalsäure verdanke ich
der Güte des Hrn. G. L. Ulex.
Die erste Untersuchung betraf die Luft in der hiesigen Börse. Dieselbe wird täglich von ungefähr 5000 Personen besucht, welche
sich fast sämmtlich in dem unteren Hauptsaal von 12 3/4 bis 1 1/4 Uhr versammeln.
Die untersuchte Luft stammt von der Tribüne, welche mit einer durchbrochenen
Brüstung versehen ist.
27. April 1869. NO.-Seite.
12
Uhr
38
Min.
Temp.
14,5
R.
0,805
Proc.
Kohlensäure
1
„
40
„
„
16°
„
1,756
„
„
2
„
15
„
„
16°,5
„
2,44
„
„
28. April. SW.-Seite.
12
Uhr
30
Min.
Temp.
14°,5
R.
0,672
Proc.
Kohlensäure
1
„
30
„
„
16°
„
1,688
„
„
1
„
40
„
„
16°
„
2,139
„
„
2
„
15
„
„
17°
„
2,61
„
„
2
„
20
„
„
17°
„
2,499
„
„
Daß um 2 Uhr 15 Min. das Maximum der Kohlensäure erschien, hat darin seinen Grund,
daß wenige Minuten vor dieser Zeit einige hundert Personen aus einem Versammlungssaal, dessen Thür
sich nahe der untersuchten Stelle befand, herauskamen.
30. April. Stadt-Theater. Dasselbe faßt gegen 2500
Personen und war an diesem Tage sehr gefüllt. Gegeben wurde
„Medea“ mit Fräul. Ziegler als
Gast. Um 6 Uhr 30 Min. Oeffnung.
6
Uhr
15
Min.
Temp.
12°,5
R.
0,865
Proc.
7
„
47
„
„
15°,5
„
2,086
„
8
„
38
„
„
17°,5
„
2,091
„
9
„
23
„
„
18°
„
2,106
„
10
„
3
„
„
18°
„
2,54
„
Die Luft wurde einer Seitenloge des dritten Ranges entnommen. Um 9 Uhr 23 Min. war
die Thür welche die Loge mit dem Corridor verbindet, geöffnet worden.
Die geringe Zunahme der Kohlensäure während der Zeit von 7 Uhr 47 Min. bis Schluß
beweist, daß die natürliche Ventilation des Hauses eine ziemlich befriedigende
ist.
10. Mai. Stadt-Theater. Das Haus ist sehr spärlich
besucht. Gegeben wurde „Don Carlos“, das Theater um 6 Uhr 30
Min. geöffnet.
6
Uhr
30
Min.
Temp.
160
R.
1,562
Proc.
7
„
45
„
„
16°,5
„
1,730
„
8
„
35
„
„
17°
„
1,745
„
9
„
25
„
„
17°
„
1,769
„
10
„
10
„
„
17°,2
„
1,620
„
11
„
–
„
„
18°
„
1,605
„
Die relativ bedeutende Menge der Kohlensäure zu Anfang der Vorstellung erregt den
Wunsch, daß die Räume des Theaters täglich durch Oeffnen der Fenster gelüftet werden
mögen.
12. Mai. Thaliatheater. Dasselbe faßt gegen 1800 Personen
und war an diesem Tage mäßig besucht. Gegeben wurde „Un verre d'eau.“ Oeffnung 6 Uhr.
6
Uhr
3
Min.
Temp.
16°,5
R.
1,133
Proc.
7
„
21
„
„
17°,5
R.
1,844
„
8
„
–
„
„
18°
„
2,436
„
9
„
11
„
„
18°,5
„
2,325
„
9
„
45
„
„
19°
„
2,378
„
Es ist bemerkenswerth, daß bei beiden letzten Untersuchungen das Maximum der
Kohlensäure nicht am Schluß der Vorstellung gefunden wurde. Theilweise die sich
allmählich herausstellende große Verschiedenheit der inneren und äußeren Luft und
der dadurch vermehrte natürliche Luftwechsel, theilweise das häufigere Oeffnen der
Thüren mögen die Ursachen der späteren Abnahme seyn.
13. Mai. Thaliatheater. Das Haus ist ziemlich vollständig
besetzt. Gegeben wurde „Der reiche Mann“ mit Hrn. La Roche als Gast. Oeffnung 6 Uhr 30 Minuten.
6
Uhr
30
Min.
Temp.
15°
R.
1,192
Proc.
8
„
–
„
„
17°
„
1,877
„
8
„
35
„
„
18°
„
2,067
„
9
„
30
„
„
18°,8
„
2,379
„
10
„
7
„
„
19°
„
2,932
„
Auch für das Thaliatheater dürfte – durch die relativ große Menge Kohlensäure
zu Anfang der Vorstellung veranlaßt – der Wunsch nach Lüftung während des
Tages gerechtfertigt erscheinen.
30. Juni. Saal der Bürgerschaft. Derselbe ist für 192
Personen berechnet, deren Sitze fast den ganzen verfügbaren Raum einnehmen. An
diesem Tage waren 146 Mitglieder gegenwärtig, auf den Tribünen und in den Logen 52
Personen. Die Verhandlungen beginnen kurz nach 7 Uhr.
6
Uhr
55
Min.
Temp.
16°,2
R.
0,888
Proc.
7
„
40
„
„
18°
„
1,696
„
8
„
30
„
„
18°,7
„
1,591
„
9
„
15
„
„
19°
„
1,737
„
1. Juni. Eine Mädchenschulclasse, 100,84 Kubikmeter
enthaltend.
8
Uhr
51
Min.
Temp.
außen
8°
R.,
innen
11°,5
R.
0,822
Proc.
10
„
–
„
„
„
9°
„
„
13°
„
3,161
„
Bis 8 Uhr 51 Minuten waren 4 Schülerinnen gekommen, von 9 bis 10 Uhr 37 Personen im
Zimmer. Alle Fenster geschlossen.
2. Juni. Dieselbe Schulclasse.
9
Uhr
Temp.
außen
8°
R.,
innen
12°
R.
1,303
Proc.
10
„
„
„
10°
„
„
14°,3
„
4,963
„
11
„
„
„
9°
„
„
14°,5
„
5,051
„
Seit 8 Uhr 30 Min. hatten sich die Schülerinnen eingefunden, von 9 bis 10 Uhr 23
Personen im Zimmer; von 10 bis 10 1/4 Uhr, während der Anwesenheit der Schülerinnen,
zwei Thüren vielfach, die Fenster nicht geöffnet; von 10 1/4 bis 11 Uhr 18 Personen
im Zimmer.
4. Juni. Dieselbe Schulclasse.
8
Uhr
45
Min.
Temp.
außen
12°,5
R.,
innen
13°,5
R.
0,659
Proc.
10
„
–
„
„
„
12°,5
„
„
15°,5
„
2,748
„
11
„
–
„
„
„
13°
„
„
18°
„
3,67
„
Während der ganzen Versuchszeit war ein mäßig großes Fenster geöffnet. Um 8 Uhr 45
Min. kamen die ersten Schülerinnen; von 9 bis 10 Uhr sind 23 Personen im Zimmer,
dieselben verlassen um 10 Uhr das Zimmer sämmtlich und von 10 1/4 bis 11 Uhr befinden
sich 39 Personen daselbst.
8. Juni. Dieselbe Schulclasse.
9
Uhr
55
Min.
Temp.
außen
14°,2
R.,
innen
21°
R.
3,519
Proc.
10
„
10
„
„
„
14°,2
„
„
17°
„
0,56
„
11
„
–
„
„
„
15°
„
„
29°
„
1,195
„
Bis 9 Uhr war ein Fenster geöffnet gewesen. Von 9 bis 10 Uhr befanden sich 36
Personen im Zimmer; von 10 bis 10 1/4 Uhr, bei Abwesenheit der Schülerinnen, 4
Fenster geöffnet; Wind mäßig; von 10 1/4 bis 11 Uhr 22 Personen.
9. Juni. Dieselbe Schulclasse.
10
Uhr
–
Min.
Temp.
außen
10°,5
R.,
innen
17°
R.
3,638
Proc.
10
„
5
„
„
„
10°,5
„
„
14°
„
0,734
„
Von 8 Uhr 45 Min. bis 10 Uhr 25 Personen im geschlossenen Zimmer. Von 10 Uhr bis 10
Uhr 5 Min, bei Abwesenheit der Schülerinnen, 4 Fenster geöffnet; Wind stark.
11. Juni. Dieselbe Schulclasse.
10
Uhr
–
Min.
Temp.
außen
10°
R,
innen
15°,5
R.
3,986
Proc.
10
„
5
„
„
„
10°
„
„
14°,5
„
1,106
„
10
„
10
„
„
„
10°
„
„
13°,7
„
0,611
„
Von 8 Uhr 45 Min. bis 10 Uhr 23 Personen im geschlossenen Zimmer. Von 10 Uhr bis 10
Uhr 10 Min., bei Abwesenheit der Schülerinnen, 4 Fenster geöffnet; Wind mäßig.
Die erhaltenen Resultate lassen als nothwendig erscheinen, daß die Schulzimmer nach
jeder Lehrstunde geräumt und sämmtliche Fenster geöffnet werden.
17. Juni. Eine Knabenschulclasse, 71,14 Kubikmeter
enthaltend.
3 Uhr Temp. außen 13° R. innen 18°,5 R. 3,935 Proc.
Seit 12 Uhr kein Fenster geöffnet. Von 12–2 Uhr 35 Personen, von 2–3
Uhr 19 Personen im Zimmer. Während der Pausen die Thüren vielfach geöffnet.
21. Juni. Dieselbe Schulclasse.
3 Uhr Temp. außen 18° R., innen 17° R. 0,936 Proc.
Seit 12 Uhr sind 3 mäßig große Fenster geöffnet und 20 Personen im Zimmer. Die Sonne
hatte direct auf das Thermometer geschienen.
16. Juni. Eine Knabenschulclasse, 109 Kubikmeter
enthaltend.
2
Uhr
–
Min.
Temp.
außen
13°
R.,
innen
16°
R.
0,999
Proc.
2
„
15
„
„
„
13°
„
„
16°
„
0,957
„
3
„
–
„
„
„
13°
„
„
17°
„
1,153
„
Seit 12 Uhr kein Fenster geöffnet, von 1–2 Uhr eine Thür und eine kleine
Ventilationsklappe nach dem bei allen Classen vorüberführenden, reichlich mit großen
Fenstern versehenen Corridor. Von 2 Uhr bis 2 Uhr 15 Min. laufen die Knaben vielfach
aus und ein; von 2 Uhr 15 Min. bis 3 Uhr sind 29 Personen im Zimmer, dessen Thür
geschlossen und dessen Ventilationsklappe geöffnet ist.
Aus der letzten Untersuchung folgt, daß ein breiter, mit vielen Fenstern versehener
Corridor, der bei allen Schulclassen vorüberführt, besonders gut für die Reinhaltung
der Luft sorgt. Eine gleiche Einrichtung befindet sich in unserem öffentlichen
Krankenhause.
Schließlich erlaube ich mir noch, kurz auf einige Einrichtungen hinzuweisen, welche
besonders nachtheilig in Bezug auf die Reinheit der Luft wirken:
1) das sogenannte „einfallende Licht“, die
Glasbedachung des Treppenhauses, welche in fast allen Fällen absolut
verschlossen ist und kein Oeffnen erlaubt;
2) die dadurch besonders schädliche Einrichtung, daß die Fenster
der Schlafstuben, Küchen, Mädchenzimmer und Closets sich vielfach nur nach
diesem „Lichtraum“ hin öffnen;
3) die durch unser Baugesetz erlaubte Art, fast den ganzen
Baugrund zu bebauen, so daß in immer zahlreicheren Fällen die Rückseiten der
Häuser weder Luft noch Licht erhalten.
Die Schulen sind es in der That nicht allein, welche schlecht ventilirte Räume
enthalten; in noch viel höherem Grade wird in anderen Häusern in dieser Beziehung
gesündigt, namentlich dort, wo übel angebrachte Sparsamkeit die Kohlen sparen heißt,
wo mangelhafte Kenntniß der Bedürfnisse unseres Körpers übertriebene Aengstlichkeit
vor der frischen Luft (um Gotteswillen kein Zug!) erzeugt und wo gewohnheitsmäßige
Trägheit jede Neuerung ohne gewissenhafte Prüfung verwirft.