Titel: | Ueber die Wärme-Capacität der Luft; von Franz Ritter von Schwind, k. k. Ministerialrath. |
Autor: | Ritter von Franz Schwind [GND] |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. LXII., S. 229 |
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LXII.
Ueber die Wärme-Capacität der Luft; von
Franz Ritter von
Schwind, k. k. Ministerialrath.
v. Schwind, über die Wärme-Capacität der Luft.
In den neuesten physikalischen Werken findet man für die Wärme-Capacität der
Luft zwei Werthe angegeben: den einen c = 0,1686 für gleichbleibendes Volumen; den zweiten c' = 0,2377 für gleichbleibenden Druck.
Diese Werthe wurden empirisch festgestellt bevor die Wirkung der Wärme als die einer
lebendigen Kraft nach den Gesetzen der Mechanik beurtheilt wurde. Wendet man
letztere an, so erscheint c' nur mehr als ein einzelner
Fall des Ausdehnens, wie nachstehende Entwickelung zeigt:
Eine Calorie ist jene Wärmemenge, welche 1 Kilogramm oder Einen Kubikdecimeter Wasser
um Einen Grad Celsius erwärmt.
In einem eben so großen Volumen atmosphärischer Luft von Null Grad Temperatur bei 760
Millimet. Barometerstand wird dieselbe Wärmemenge eine Temperatur t = 1/(s . c) hervorbringen, wobei s
das specifische Gewicht der Luft (0,0012932) und c die
oben erwähnte Wärme-Capacität für constantes Volumen bedeutet, wenn also die
Luft sich nicht ausdehnen konnte.
Läßt man nun Ausdehnung bei ungeänderter Temperatur, also unter Nachlieferung von
Wärme eintreten, so wird die Volumsänderung v = αt = α/(s . c) betragen, wobei α den bekannten Ausdehnungs-Coefficienten für Einen Grad
(0,003665) vorstellt.
Bei dem erwähnten Barometerstande erfolgt dieses Ausdehnen unter einem Drucke p = 103,34 Kilogrm. per
Quadratdecimeter, und es ergibt sich die zur Bewirtung des Ausdehnens erforderliche
Arbeit A = vp = (α . p)/(s . c)
Meter-Kilogramme.
Das Wärme-Erforderniß zur Leistung dieser Arbeit, also die nachzuliefernde
Wärmemenge w findet man nun, wenn k das mechanische Wärme-Aequivalent (424 Kilogr.-Met.) Einer
Calorie ist, mit w = A/k = (α . p)/(s . c . k) = 0,41 Calorien.
Während man also mit (c
=)
1
Calorie
die gegebene Luft um t Grade, ohne Ausdehnen
erwärmte,wurden (c' – c)
0,41
„
–––––––––––––
nöthig um die der Temperatur t entsprechende
Ausdehnung zu bewirken, und es beträgt
das Gesammt-Erforderniß an Wärmeum die Luft zu erwärmen und auszudehnen (c')
1,41
Calorien.
Diese Werthe gehen durch Multiplication mit 0,1686 über in c = 0,1686 um c' = 0,2377 wie oben.
Dieses Resultat zeigt zunächst nun, daß die drei, auf sehr verschiedenen Wegen
gefundenen Werthe c, c' und k sehr scharf unter sich übereinstimmen; es zeigt aber auch, wie es
beabsichtigt wurde, daß c' direct ohne Versuch aus c und k hervorgeht, und daß
es nur für Einen Barometerstand (760 Millimet.) richtig sey, folglich an sich gar
keinen selbstständigen wissenschaftlichen Werth besitze.
Es genügt die Kenntniß der Wärme-Capacität c =
0,1686, um unter den willkürlichsten Bedingungen des Ausdehnens und des Druckes das
Wärme-Erforderniß zu berechnen, und jede andere Aufstellung erscheint daher
überflüssig und beirrend für die Anschauung.
Ich kenne aus Gustav Schmid's
„Mechanik der Gase“ die Ableitung des Werthes k aus der Gleichung k = A/(c' – c) von Person, woraus sich
w = c' – c = A/k ergibt.
Das mechanische Wärme-Aequivalent wurde aber auf ganz anderen Wegen
festgestellt; obige (spätere) Ableitung ist nun ein Beweis der Richtigkeit und
Uebereinstimmung der drei Werthe c, c' und k.
Es hat c' beitragen können um k zu controlliren; die Feststellung von k hat
aber c' für immer entbehrlich gemacht, und es soll aus
der Wissenschaft verschwinden, wenn man nicht für jeden
Barometerstand eine eigene Wärme-Capacität aufstellen wollte.
In so weit für andere Gase das Product cs ein
constantes ist, gilt das hier Gesagte auch für sie.
Wien, im Januar 1871.