Titel: | Notizen über das Bessemerwerk zu Seraing (Actiengesellschaft John Cockerill), mit besonderer Berücksichtigung einer späteren Verwendung des fabricirten Stahles; von Dr. E. F. Dürre in Berlin. |
Fundstelle: | Band 199, Jahrgang 1871, Nr. CXXVII., S. 477 |
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CXXVII.
Notizen über das Bessemerwerk zu Seraing
(Actiengesellschaft John Cockerill), mit besonderer
Berücksichtigung einer späteren Verwendung des fabricirten Stahles; von Dr. E. F. Dürre in Berlin.Aus der „preußischen Zeitschrift für Berg-, Hütten- und
Salinenwesen“ vom Verfasser
mitgetheilt.
Dürre, über das Bessemerwerk zu Seraing, mit Berücksichtigung der
Verwendung des fabricirten Stahles.
Die fortschreitende Tendenz, welche die Verwaltung zu Seraing stets ausgezeichnet
hat, und der große Bedarf an Stahlstücken zu den ausgedehnten Constructionsaufgaben
des Maschinen-, Brücken- und Schiffbaues waren Ursache, daß bald nach
dem Inslebentreten des Bessemerprocesses als ausgebildeter Manipulation ein
Stahlwerk in Seraing erbaut und mit Hülfe von Ingenieuren die bei Bessemer gearbeitet hatten, sowie in Verbindung mit letzterem in Betrieb
gesetzt wurde.
Bis jetzt, wo man mit Erweiterung der Anlage beschäftigt ist, waren nur zwei
Converter vorhanden, deren Gehaltsfähigkeit zwischen 5 und 7 Tonnen (100 bis 140
Ctr.) schwankte, die aber in der Regel nur mit 80 bis 100 Ctr. besetzt werden.
Die ganze Anlage ist geräumig und bequem, zeichnet sich aber durch besondere
Einrichtungen nicht aus. Die eine Langhälfte der oblongen Gießhalle enthält auf
hoher Terrasse die Schmelzöfen, während die andere Langhälfte die Gießgruben
einschließt. Die letzteren sind etwas mehr als Halbkreise, so daß die Converter
ziemlich nahe an der für alle Zwecke höchst bequemen Längspassage liegen, die eine
besondere Terrasse zwischen der Abeitssohle der Oefen und der Arbeitssohle um die
Gießgrube bilden. Es kann mittelst dieses mit Schienen versehenen Durchganges alles
im Gießraum Ueberflüssige oder Entbehrliche mit der größten Leichtigkeit evacuirt
werden.
Die Ventiltische stehen an der einen Langseite genau den Mitten der Gießgruben
gegenüber, so daß sich im ganzen Raume zwei Gruppen gleicher Apparate unterscheiden
lassen, welche in der Specialanordnung sich von den älteren Anlagen in Hörde und
Bochum, der in Königin Marienhütte bei Cainsdorf und der von Pönsgen-Giesbers in Düsseldorf nicht unterscheiden. Eine andere
Combination von zwei und mehr Convertern scheint nicht die räumlichen Vortheile der
einfachen Gegenüberstellung der Converter zu bieten: weder die zu Königshütte in
Oberschlesien beliebte Anordnung, wo die Bewegungsebenen der Converter parallel
sind, noch die auf dem neuen Werk von Hörde, wo sich die Mittelebenen der Converter
unter spitzen Winkeln (45 bis 60 Grad) schneiden und wo noch dazu drei Converter zu
einer Gruppe vereinigt sind.
Die neueste von Bessemer vorgeschlagene AnordnungPolytechn. Journal, 1870, Bd. CXCV S. 246. mit einzelnen Convertern in je einer Gießgrube, einem kleinen Krahn dazu,
der die Pfannen auf seiner Achse trägt, und verstellbarem Gießtisch mit den
Ingotformen, scheint ganz besonders gegen die zu weit gehende Complication vieler
Apparate zu reagiren.
Zum Umschmelzen des Materiales wurden anfänglich Staffordshire-Flammöfen, d.h.
solche mit nach der Feuerbrücke zu liegendem vertieftem Herd, angewandt und erst
nach dem Vorgehen von Hörde, Düsseldorf und anderen Hüttenwerken, als es sich zudem
um die Erweiterung der Anlage handelte und man einer besonderen Ofenform endgültig
den Vorzug geben wollte,
etablirte man versuchsweise einen Kupolofen mit einfach cylindrischem Schacht, drei
Düsen in einem Niveau und denselben Dimensionen wie sie in der Gießerei des Werkes
den Schachtöfen gewöhnlich gegeben wurden.
Nach den Mittheilungen der Ingenieure des Werkes, besonders nach denen des jetzigen
Chefs der Bessemerhütte, Adolph Greiner, war man im
Unklaren über die Einwirkung des Schachtofenschmelzens auf die Roheisenqualität und
unternahm gleich nach der Inbetriebsetzung des Kupolofens eine Reihe Analysen oder
Bestimmungen einzelner Bestandtheile des Roheisens, deren Vorhandenseyn von größerem
oder geringerem Einfluß ist.
Die öffentliche Mittheilung dieser Analysen ist wohl in nächster Zeit zu erwarten und
verdienen die Bestimmungen derselben vollstes Vertrauen, da sie von dem in solchen
Arbeiten unaufhörlich geübten Chemiker des Werkes ausgeführt, resp. geleitet
werden.
Von anderer Seite sind dem Verfasser indessen nachstehende Resultate mitgetheilt
worden:
a) Hämatiteisen von England
enthielt
vordem Schmelzen
nachim Kupolofen:
Silicium
2,38 Proc.
2,42
Proc.
Schwefel
0,054 „
0,08 „
b) Spiegeleisen von
Rheinland-Westphalen zeigte
vordem Schmelzen
nachim Kupolofen:
Mangan
8,80 Proc.
6,60 Proc.
Schwefel
0,02 „
0,02 „
Man vermuthet, daß in diesem Fall der Einfluß des Mangans die Constanz des
Schwefelgehaltes hervorgerufen habe.
c) Eine Mischung englischer
Marken ergab beim Flammofenschmelzen
vor
nach
dem Schmelzen:
Silicium
2,51 Proc.
2,21 Proc.
Schwefel
0,075 „
0,07 „
Daraus geht hervor, daß sich der Zunahme an Schwefel, die indeß, ein gutartiges
Material und Kohks aus gut gewaschenen Kohlen vorausgesetzt, sich weit unter der
Grenze des nachtheiligen Einflusses hält, eine Zunahme des Siliciumgehaltes
gegenüberstellt – einem geringen Nachtheil also ein gewisser bei der
Behandlung im Converter wirksamer Vortheil entspricht. Dieser Sachlage bei der Anwendung des
Kupolofens steht eine durchaus andere bei der Anwendung des Flammofens gegenüber;
hier ist offenbar durch die Verschlackung des Siliciums ein Nachtheil hervorgerufen,
der nur zu geringem Theil durch eine Verminderung des Schwefelgehaltes balancirt
wird.
Nach der Erbauung des ersten Kupolofens schritt man zu einem zweiten derartigen
Apparat, griff aber, um einen anderen Weg zu versuchen, zu dem Woodward'schen Ofen,Beschrieben im polytechn. Journal, 1866, Bd. CLXXIX S. 150. bei welchem der erforderliche Zug durch einen Dampfstrahl hervorgerufen
wird.
Man vermuthet eine weniger energische Wirkung der Brennstoffe auf das Roheisen,
namentlich eine weniger hoch gehende Temperatur des Ofeninneren, verursacht durch
eine geringere Spannung der Gase im Ofenschacht; bei diesen Vermuthungen bleibt man
indessen ebenso wenig stehen, wie in der Ofenfrage überhaupt, sondern geht auf dem
Wege der chemischen Analyse vor, um den Einfluß des einen wie des anderen Ofens zu
vergleichen.
Da in Belgien überhaupt, besonders aber im Bassin von Lüttich die Kupolöfen sehr
günstig arbeiten, tritt zu den oben erwähnten Vorzügen des Kupolofenschmelzens noch
der für Belgien so sehr wichtige ökonomische Vortheil – der Vortheil der
hauptsächlich in der günstigeren Ausnutzung des Brennstoffes in dem Schachtofen
seinen Grund hat, abgesehen von den geringeren Unterhaltungskosten des Ofens
selbst.
Ob dieses in gleichem Maaße für den Woodward'schen Ofen,
wie für den gewöhnlichen belgischen Kupolofen zutreffen wird, ist vorerst
abzuwarten. Competente Personen haben nachgewiesen, daß die Arbeit des Dampfes im
zuggebenden Strahl theurer ist, als im Ventilator, die Anlage und Unterhaltung des
letzteren natürlich eingerechnet. Bei einer Bessemeranlage ist, falls eine große
Kesselanlage für das Bessemergebläse vorhanden ist, der Dampf in den Pausen der
Stahlfabrication nicht so theuer, als wenn die Kesselanlage den Kupolofen allein
belastete, es ist aber die Frage, wie sich der Hochdruckdampf zum Betrieb des Woodward'schen Kupolofens qualificirt. Das werden die
Arbeiten in Seraing wohl am ehesten ergeben. Die übrigen Einrichtungen der
Bessemerhütte sind nicht besonders erwähnenswerth; Krahne, Gießpfannen, die
Converter selbst unterscheiden sich nicht von den bekannten Constructionsformen und
es ist der Betrieb selbst, der einiges Bemerkenswerthe bietet.
Das Material zur Stahlfabrication ist vorwiegend englisches Roheisen aus Cumberländer Hämatit und als Zusatz deutsches Spiegeleisen.
Man beschafft sich nur die allerbesten Marken englischen Hämatitroheisens, z.B.
Cleator-Harrington-Millom, welche vor der Verwendung analysirt und
classificirt werden, um genügende Sicherheit in der Verwendung zu geben. Man
bestimmt hierbei nur den Silicium-, Schwefel-, Phosphor-,
Mangan- und Kohlenstoffgehalt und gattirt die Chargen hiernach. Den Grund,
warum kein eigenes Roheisen verwendet wird, kann man einerseits in dessen
ungenügender Durchschnittsqualität, andererseits darin suchen, daß
Ausnahmequalitäten so theuer herzustellen seyn würden, daß entweder das Hohofenconto
oder das Conto des Stahlwerkes zu sehr belastet würde, je nachdem der Marktpreis
oder ein Ausnahmepreis zwischen beiden Werksbranchen verabredet werden sollte.
Da die Durchschnittsqualität der fonte d'affinage für die
Herstellung von Eisenbahnschienen hinreichende Garantien bietet und die dazu
vorzugsweise verwendeten fontes de crasse, d.h.
Schlackenroheisen, 2 1/2 bis 4 Frcs. per 100 Kilogrm.
kosten, die Bahnschienen aber mit 16 bis 17 Frcs. pro
100 Kilogrm. verkauft werden, so kann die Verwaltung ihre Hohöfen nicht besser
verwerthen, als zur Darstellung von Schlackenroheisen und ordinären
Eisenbahnschienen.
Abgesehen davon, sind aber hinreichend phosphorfreie Erze in Belgien zu selten, um
darauf allein einen ausdauernden Hohofenbetrieb mit Sicherheit etabliren zu können.
Die englischen Roheisensorten kommen dagegen via
Antwerpen so wohlfeil zu stehen, daß die Stahlfabrication immer noch gute Geschäfte
macht im Vergleich zu vielen deutschen Stahlwerken. Die Qualität der in größeren
Mengen angekauften englischen Marken von Lancashire und Cumberland ist der Aussage
nach stabil genug, um mit Hülfe des Umschmelzprocesses und kleiner Zusätze anderer
Sorten eine gleichmäßige Behandlung im Converter zu ermöglichen. Zudem gibt bei der
Darstellung von den in Seraing vorzugsweise verlangten zähen Stahlsorten das Spectroskop so sichere Anhaltspunkte, daß auch bei
abweichendem Verhalten im Converter man niemals unbrauchbare Producte und schlechte
Resultate erhalten wird.
Das Spiegeleisen, vorwiegend aus dem Siegerland bezogen,
wird in einem Flammofen eingeschmolzen und dann der Charge rechtzeitig
zugesetzt.
Versuche, das Spiegeleisen in festem Zustande und etwas vorgewärmt in die Birne zu
geben, mißriethen insofern, als der Stahl sich späterhin nicht so gut verarbeiten
ließ, als wenn das Spiegeleisen vorher geschmolzen worden war.
Auch mit Surrogaten des Spiegeleisens sind Versuche angestellt worden; probirt wurden
u.a. das Henderson'sche Eisenmangan, das Eisenmangan von Prieger, sowie ein auf dem Werke selbst nach einem
besonderen Verfahren dargestelltes manganreiches Eisen. Bis jetzt sind aber
sämmtliche Surrogate des Spiegeleisens theurer als dieses selbst und nicht immer von
gleicher Reinheit, so daß bei dem versuchsweisen Ersatz desselben durch derartige
Surrogate keinerlei Vortheile zu verspüren waren, wiewohl technisch nichts dagegen
einzuwenden war.
Was schließlich die Verwendung von Betriebsabfällen im Converter anbetrifft, so nimmt
man in Seraing gänzlich Abstand davon, weil den gemachten Erfahrungen zufolge sich
die Abfälle nie vollständig im Bessemermetall auflösen und dasselbe in Folge dessen
unhomogen machen. Für die Verwendung des Stahles zu widerstandsfähigen
Constructions- und Maschinentheilen ist es dagegen erforderlich, die größte
Homogeneität des Materiales zu erzielen, und man vermeidet deßhalb beim
Bessemerbetrieb Alles, was dem entgegen seyn könne.
Die Resultate, die man mit dem Stahl von Seraing erzielt, rechtfertigen den Ausschluß
aller Verarbeitung von Abfällen, welche man übrigens in anderer Weise zu Gute macht
und in verkäufliche Form bringt.
Der Verlauf der Charge ist wesentlich derselbe, wie man
ihn anderwärts beobachtet, wo mit Cumberländer Eisen gearbeitet wird. Man hat
gefunden, daß das Spectroskop, welches, beiläufig gesagt, nach steirischem Muster
gearbeitet ist, ausgezeichnete Dienste leistet, sobald der Stahl einen wesentlich
zähen Charakter besitzen soll. Es stimmt dieß mit den Erfahrungen von Lielleg und Anderen gewissermaßen überein, welche
besonders für den Verlauf der Frischperiode die Deutlichkeit der spectralen
Erscheinungen hervorhoben – eine Deutlichkeit die namentlich am Ende der
erwähnten Periode im Verschwinden der hellen und dunklen Streifen culminirt.
Die Menge des Spiegeleisens, welche nun zugesetzt wird, bestimmt den Härtegrad des
Stahles, und da die Zusammensetzung des Spiegeleisens durch häufige Analysen genau
ermittelt wird, so geht man bei dieser Methode ebenso sicher, als wenn man nach der
Erfahrung die Arbeit vor der vollständigen Entkohlung unterbrechen und je nach dem
Ausfall einer Probe, nach Zusatz des Spiegeleisens noch einige Minuten blasen
wollte.
In Seraing wird nach dem Einlaß des Spiegeleisens nicht mehr geblasen, sondern die
Mischung nur durch das nachherige Ausgießen bewirkt, ohne daß man bis jetzt
Veranlassung gehabt hätte, an der Homogeneität der Ingots zu zweifeln.
Beim Ausgießen des Stahles verfährt man in Seraing anders, als auf den meisten
deutschen Bessemerhütten. Man gießt nämlich den Stahl nicht von oben in die Form ein,
sondern von unten her und erreicht damit eine weit geringere Blasenbildung, als
sonst, und eine bedeutendere Homogeneität. Alle Unreinigkeiten bleiben dabei auf dem
Eingußtrichter stehen und die Oberfläche des Stahles in der Form ist vollkommen rein
und glatt. Die Erfolge dieser Methode sprechen sich u.a. in der Erscheinung aus, daß
die Dichtigkeit des Stahles alsdann um 7 bis 8 Proc. die des gewöhnlichen blasigen
Ingotstahles übertrifft.
Alle die angezeigten Vorsichtsmaßregeln haben als Folge ergeben, daß die Mischung
homogen genug ist, um den Stahl einer Charge als gleichartig annehmen zu können.
Verschiedene Versuchsproben desselben Gußblockes zeigten im Kohlenstoffgehalt nie
mehr als 0,02 Proc. Unterschied, also nicht mehr als die bei der
Kohlenstoffbestimmung an sich zulässige Schwankung in den Resultaten.
Neuere Versuche haben indeß ergeben, daß bei anderen Bestandtheilen des Stahles die
gleichmäßige Vertheilung geringer ist, doch sind die Versuche noch nicht zum
Abschluß gediehen.
Von Interesse ist die Weiterverwendung des Stahles in
Seraing, welche nach vielen mühevollen Untersuchungen anderer Stahlproducte in jeder
Beziehung gelungen ist.
Dieser Erfolg ist wesentlich dem von Anfang an eingehaltenen Bestreben zu verdanken,
eine möglichst sichere Classification der Converterproducte nach ihren
physikalischen und chemischen Eigenschaften herzustellen.
Die von Tunner für die steirische Arbeit aufgestellte
Scala, welche mit den Mustereinrichtungen der steirischen Bessemerwerke auch auf
anderen Werken Eingang fand und lediglich auf dem Kohlenstoffgehalt beruhte,
erschien nicht hinreichend praktisch, auch zu vielgliederig, und man suchte außer
dem Kohlenstoffgehalt auch noch die Cohäsionskraft des Productes bei der
Unterscheidung zu benutzen.
Man unterscheidet hiernach hauptsächlich drei Gruppen Stahlarten in Seraing, von
denen zwei wiederum nach dem Härtegrade in je zwei Unterabtheilungen zerfallen.
Das Tableau stellt sich ungefähr folgendermaßen zusammen:
I. Absolute
Festigkeit:48 bis 56 Kilogrm. proQuadratmillimeter.
a) Kohlenstoffgehalt:unter 0,25 bis 0,35 Proc.
Bezeichnung:Extra
weich.
Permanente
Ausdehnung:20 bis 25 Proc.Härtet sich nicht, ist aber
schweißbar.
Verwendung:Waffen, Kanonen, feine und Kesselbleche,Niete,
Saiten etc.
II. Absolute
Festigkeit:56 bis 69 Kilogrm. pro
b) Kohlenstoffgehalt:0,35 bis 0,45 Proc.
Bezeichnung:Weich.
Quadratmillimeter.Permanente Ausdehnung:10 bis 20 Proc.
Verwendung:Maschinentheile, Achsen, Bandagen, Schienen
etc.
Härtet sich schlecht und schweißtebenso
schlecht.
c) Kohlenstoffgehalt:0,45 bis 0,55 Proc.
Bezeichnung:Halbweichoder halbhart.
Verwendung:Bandagen, Schienen, Kolbenstangen, Gleitstückeund
andere Reibungselemente.
d) Kohlenstoffgehalt:0,55 bis 0,65 Proc.
Bezeichnung:Hart.
III. Absolute
Festigkeit:69 bis 105 Kilogrm. proQuadratmillimeter.Permanente
Ausdehnung:5 bis 10 ProcHärtet sich gut, schweißt aber
nicht.
Verwendung:Federn aller Art, schneidende Werkzeuge,
Feilen,Sägeblätter, Bohrstähle und anderesGrubengezähe.
e) Kohlenstoffgehalt:0,65 Proc. und darüber.
Bezeichnung:Sehr
hart.
Verwendung:Feinere Federn, feine Werkzeuge, Theile
fürSpinnmaschinen (Spindeln etc.).
Diese einfache Scala genügt in der Praxis vollkommen; ebenso einfach sind auch die
Mittel, um jedem Guß, d.h. jeder Charge, ihre Stelle anzuweisen. Den Versuchsingot,
welcher in der Mitte des ganzen Ausgusses gefüllt wird, unterwirft man den
nachstehenden Proben und Untersuchungen:
1) Die bloß physikalische Probe des Musteringot besteht in
der Beurtheilung des Bruches. In der That vermag jedes nur ein wenig geübte Auge
einen harten Stahl von einem weichen nach der Beschaffenheit der Textur zu
unterscheiden.
Bei einiger Erfahrung ist es sogar nicht schwer, irgend einen vorliegenden Stahl in
einer der 5 Classen unterzubringen, ohne etwas Anderes als die Beschaffenheit des
Kornes zu Grunde zu legen.
Jede, auch die geringste Unschlüssigkeit verschwindet aber, sobald man sich des Härtens bedient und diesem Proceß das zu untersuchende
Stahlstück unterwirft. Das Gefüge zweier Stahlsorten ist nach dem Härten derselben
so sehr verschieden, daß es auffällig wird.
2) Weitere Charaktere liefert die mechanische Prüfung der
bereits unter dem Hammer bearbeiteten Probe. Je nach dem Härtegrad derselben
widersteht eine Probebarre der Prüfung durch den Stoß oder Schlag in verschiedener
Weise; während z.B. nach den in Seraing gemachten Erfahrungen der mit a bezeichnete Stahl durch Schlag und Stoß sich U-förmig biegen läßt, ohne zu brechen, und es
selbst gestattet, durch wiederholte Hammerschläge die beiden Enden
zusammenzubringen, ohne daß eine Zerstörung des Zusammenhanges irgendwo sichtbar
würde, bricht eine Stahlstange von der mit e
bezeichneten Classe, sobald der Biegungswinkel kleiner wird als 145 bis 130 Grad.
Zwischen diesen beiden Grenzen finden die Stahlsorten der anderen Classen Platz und
man kann, nach Greiner, fast behaupten, daß der Bruchwinkel proportional der Härte des Stahles
sey.
In Seraing, wie in allen gut organisirten Stahlwerken, wird diese tägliche
mechanische Prüfung der Producte noch von Zeit zu Zeit durch eine Zugprobe
vervollständigt, wobei sich dann folgendes Verhalten ergibt:
Je härter eine Stahlsorte ist, um so größer ist ihr Widerstand gegen das Zerreißen,
um so geringer jedoch der Coefficient permanenter Ausdehnung; deßwegen wendet man
für Constructionstheile die beiden härtesten Stahlsorten nur in dem Falle an, in
welchem die betreffenden Stücke voraussichtlich keine Stöße oder Schläge auszuhalten
haben. Sonst zieht man es in der Regel vor, eine größere Widerstandsfähigkeit einem
bedeutenderen Dehnungsvermögen zu opfern und wendet somit lieber weichere, selbst
die weichsten Stahlsorten an, deren Zugwiderstand ja noch immer um fast 10 Proc.
größer ist, als die Leistungsfähigkeit der besten Schmiedeeisensorten.
3) Die chemische Untersuchung oder die Bestimmung des
Kohlenstoffgehaltes ist so rasch und genau, daß sie fast genügen würde um
sich in einer currenten Fabrication aus gleich bleibenden Rohmaterialien zu
orientiren. Die Methode welche in Seraing ausgeführt wird, gestattet in nicht ganz 2
Stunden die Ergebnisse der Abstiche des vorigen Tages mit einer Schwankung von +
0,03 Proc. zu analysiren; ursprünglich den Vorschriften von Eggertz vollkommen entsprechend, gestaltete sich das
Untersuchungsverfahren nach und nach anders, und wurde namentlich in der Dauer
abgekürzt.
Man löst ungefähr 2 Proben desselben, durch Bohren resp. Feilen dargestellten
Stahlstaubes, je 0,2 Grm. wiegend, in Probegläsern, die circa 20 Kubikcentimeter Salpetersäure von 1,2 spec. Gew. enthalten und
behandelt sie bei 80° C. im Wasserbade.
Gleichzeitig aber unterwirft man zwei andere Proben von bekanntem aber verschiedenem
Kohlenstoffgehalt derselben Procedur und stellt sich auf diese Weise täglich
Probeflüssigkeiten her, deren Genauigkeit hauptsächlich in der Congruenz ihrer
Darstellung mit der Behandlung der zu untersuchenden Substanz besteht –
analog, wie man z.B. beim Gaarmachen des Schwarzkupfers in der deutschen Kupferprobe stets
gleichzeitig Gaarkupfer denselben Umständen unterwirft, und die Verluste desselben
dem eigentlichen Untersuchungsproceß gut rechnet.
Man wählt zur Herstellung der Probeflüssigkeiten Stahl von 0,61 und 0,63 Proc.
Kohlenstoffgehalt – d.h. einen ziemlich kohlenstoffreicen, der letzten Classe
der Bessemerproducte des Werkes entsprechenden Stahl – und bringt alle
Lösungen in gleich weiten Gläsern auf eine Farbennuance.
Die Volumina, welche proportional der Kohlenstoffmenge sind, geben die zum Ansatz
der Rechnung nothwendigen Daten, wobei natürlich constatirt wird, ob die Differenz
der erhaltenen Resultate nicht größer als 0,03 Proc. ist. Im letzteren Falle zieht
man das arithmetische Mittel, wogegen eine Wiederholung des Verfahrens stattzufinden
hätte, sobald der Unterschied die erfahrungsmäßigen Grenzen überschreitet.
Die bessere Classification der Bessemerproducte zu Seraing hat viel dazu beigetragen,
die Anwendung derselben zu erweitern, vornehmlich wegen der größeren Sicherheit
welche dem Betriebe selbst gegeben wurde. Man arbeitet jetzt mit bestimmtem Progamm
und was, wie die Qualität der Producte, früher eine Sache des Zufalles war, ist
jetzt ein bestimmtes Ziel, auf das bei jeder Charge mit allen technischen Mitteln
hingearbeitet werden kann.
Die folgenden Zusammenstellungen Greiner's über die Anwendung des Bessemerstahles beruhen auf den
Erfahrungen zu Seraing und bieten eine directe Illustration des dortigen Betriebes.
Es handelt sich hierbei wesentlich um die Anwendung des Stahles:
A. zu Locomotiventheilen,
B. zu Bohrmaschinen (perforateurs),
C. zu Gebläsen,
D. zu Schiffsmaschinen,
E. zu Feuerwaffen.
A. Anwendung
des Stahles beim Bau von Locomotiven.
Rechnet man die Kesselschmiedearbeit an einer Locomotive ab und betrachtet den Rest
der Construction, so erreicht das Gewicht des in der Locomotive wie im Tender
angewandten Stahles nahezu den dritten Theil des Gesammtgewichtes der geschmiedeten
Theile. Es sind vor Allem alle schwereren Stücke, also Achsen, Bandagen, Kurbeln
etc., in denen man das Schmiedeeisen durch den Stahl zu ersetzen sucht.
So ergaben z.B. die letzten in Seraing für Italien construirten Maschinen:
in der Locomotive
9632 Kilogrm.
Eisen,
3985 Kilogrm.
Stahl, also zusammen
13617 Kilogrm.
im Tender
4916 „
„
1992 „
„
„ „
6808
1) Achsen.
Der zur Achsendarstellung am meisten convenirende Stahl ist der sehr weiche, mit
etwa 0,30 Proc. Kohlenstoffgehalt, eine Minimalgrenze die man stets einhält,
wenn nicht seitens der Besteller besondere Vorschriften gemacht werden. Obwohl
bis jetzt noch keine Erfahrungen im Verbrauch an Schmiermitteln vorliegen,
scheint es nicht rationell, einer zu großen Weichheit den Charakter einer
bestimmten Härte aufzuopfern, wie sie für reibende Flächen angemessen ist.
Unter diesen Verhältnissen hält jede Waggonachse, welche 1,2 Meter frei aufliegt,
den Schlag eines Rammbäres von 1100 Kilogrm. aus, der 4 Meter hoch auf die Mitte
des freischwebenden Theiles fällt.
Stärkere Proben, wie sie in Seraing von Seiten der französischen
Eisenbahncompagnien vorgeschrieben worden sind, vermag nur ein viel weicherer,
kohlenärmerer Stahl auszuhalten, der natürlich in Bezug auf die Reibung sich
ungünstiger verhält, als der Stahl mit wenigstens 0,30 Proc. Kohlenstoff.
Man muß sich aber fragen, ob die übertriebenen Festigkeitsproben bessere
Gewißheit über die Natur des Stahles in den Achsen geben, als die einfache
Schlag- oder Fallprobe, von der die Rede gewesen ist.
Die belgische Staatsbahn begnügt sich mit der angedeuteten Prüfung der Achsen und
ist sehr zufrieden mit den Resultaten der Anwendung, während die belgischen und
französischen Gesellschaften sich noch in dem Stadium der Versuche befinden.
Oft ist der höhere Preis der Stahlachsen schuld an der verzögerten Einführung,
doch wird, in Belgien und Nordfrankreich wenigstens, dieses Hinderniß nach und
nach mit der Preiszunahme der guten eisernen Achsen
schwinden und die schließliche Preisdifferenz hinreichend durch die
vorzüglicheren Eigenschaften des Bessemerstahles compensirt werden. Dazu kommt,
daß ein wesentliches Moment der Vertheuerung des Stahles – die
Patentgebühr an H. Bessemer – im Frühjahr 1870
weggefallen ist, und daß Verbesserungen in der Fabrication mehr und mehr zu
erwarten stehen, welche ebenfalls auf eine Reduction der Preise einwirken.
Die Vorzüge einer Achse aus Bessemerstahl vor einer geschweißten Achse bestehen
vor Allem in der größeren Homogeneität eines dazu noch zäheren und sichereren
Materiales, als es das Eisen ist – weniger Verbrauch an Schmiermitteln
wegen der größeren Glätte der Oberfläche, und keinerlei Erhitzung in den Lagern
durch zurücktretende Schweißfurchen und Riefen auf der Lauffläche der
Theile.
Ganz besonders vortheilhaft erscheint aber die Verwendung von Bessemerstahl bei
der Darstellung von gekröpften Wellen, da nichts schwerer ist, als eine
brauchbare Kropf- oder Kurbelwelle für Locomotiven darzustellen. Die
früheren Herstellungsmethoden dieser Stücke haben niemals den Erfolg vollkommen
gesichert und der Erfahrung nach zerbrachen die Kurbelachsen gewöhnlich, ehe sie
noch ihren garantirten Lauf von 200000 Kilometer vollendet hatten. Dabei
erschienen die Brüche selbst und die Lage derselben unter sich so verschieden,
daß sich keinerlei Vergleich zwischen den einzelnen Fällen ziehen ließ. In Folge
dessen zog man immer die Locomotiven mit äußerem Cylinder als eine in allen
Einzeltheilen haltbarere Combination vor.
Die Arbeit bei der Darstellung von gekröpften Wellen in Bessemerstahl ist eine
sehr einfache. Sie werden aus einem gegossenen Ingot ohne alle Schweißung
ausgeschmiedet; die Bearbeitung geschieht bei einer dunklen Rothgluth, so daß
sowohl ein geringer Abbrand, als ein geringer Brennstoffverbrauch
stattfindet.
Der Selbstkostenpreis ist nicht größer, als der bei eisernen Achsen, und die
Garantie, welche man übernimmt, eine viel sicherere.
In den öffentlichen Submissionen der belgischen Staatsbahn wird dem Lieferanten
die Wahl des Materiales für die Wellen frei gestellt und nur eine bestimmte
Garantiezeit festgehalten; im Allgemeinen zieht er es vor, Stahl zu wählen, und
findet seine Wahl durch die Erfahrung berechtigt, da der Ausschuß, d.h. die
Summe der nicht garantiefähigen Stücke, an Kropfwellen aus Stahl sehr gering
ist.
2) Bandagen.
Nachdem seit mehreren Jahren die Darstellung von geschweißten Bandagen von Eisen
sehr abgenommen und fast ganz aufgehört hat, sowohl wegen der mittelmäßigen
Qualität der Producte, als auch wegen des hohen Preises derselben, streiten sich
nunmehr der Tiegelgußstahl und der Bessemerstahl um das Vorrecht dieser
Anwendung.
Erschwert wird dieselbe für jedes neue Material durch die Proben, welche die
Eisenbahnverwaltungen für die Abnahme von gelieferten Bandagen aufstellen.
Ganz besonders erschwert wurde die Annahme von Bessemerstahl, da die Anwendung
des Gußstahles vorhergegangen war und man in dem zunächst verwendeten
Bessemerstahl nicht die gleiche Homogeneität voraussetzen zu dürfen glaubte. In
Folge davon steigerte man die Ansprüche in unmäßiger Weise, obgleich man sich
fragen mußte, ob es rationell sey, Bandagen, welche, sofern sie am dem Rade gut
aufgezogen sind und überall anliegen, nur Reibung und dadurch Abnutzung auszuhalten haben,
durch Schlagproben zu prüfen.
Früher unterwarf man auf der Centralbetriebsstation Mecheln die eisernen Bandagen
einer Schlagprobe von 1100 Kilogrm., welche in Gestalt einer Kugel 4 Meter hoch
auf die Peripherie des aufrecht auf einer gußeisernen Grundplatte aufgestellten
Radreifens herabfielen. Als es sich nun um die Prüfung der stählernen Reifen
handelte, ging man seitens derselben Behörde von der Ansicht aus, daß der Stahl
ein widerstandsfähigeres Material sey, als das Eisen, und steigerte die Probe
anfänglich auf 6 Meter Fallhöhe.
Nur wenige Radreifen hielten indeß diesen Stoß aus und man verminderte die
Fallhöhe allmählich bis auf 2 1/2 Meter, ja selbst (für Bandagen von über 1 1/2
Meter Durchmesser) auf 2 Meter.
Außerdem verlangte man noch eine Dauergarantie von 3 1/2 Jahren und eine Leistung
von 100000 Kilometer durchlaufener Betriebsstrecke – neben der oben
erwähnten Schlagprobe, so daß der Fabrikant stählerner Bandagen zwei mit
einander schwer vereinbare Eigenschaften des Stahles bei der Fabrication der
Bandagen im Auge behalten und in dem Fabricat zur Wirkung bringen muß:
einmal eine gewisse Zähigkeit, um die Schlagprobe
auszuhalten,
dann eine bedeutende Härte, um der Abnutzung zu
widerstehen und die Bedingungen der Zeitgarantie zu erfüllen.
Die Fabrication der Bandagen wird deßhalb in Seraing mit größter Sorgfalt
betrieben, und auch hierbei hat das möglichst kalte Bearbeiten eines halbharten
oder selbst weichen Stahles, verbunden mit sorgfältigem Auskühlen der fertigen
Reifen, gute Früchte getragen. Die maschinellen Vorrichtungen sind sehr
vollständig und von bedeutender Stärke, insofern 3 Walzwerke für geschlossene
Reifen, nach verschiedenen Systemen gebaut, bestehen.
Gestützt auf die guten Resultate der Radreifenfabrication hat Greiner eine andere mechanische Prüfung bei der
Abnahme der Bandagen vorgeschlagen, welche im Interesse der Stahlproducenten
eine besondere Erwähnung verdient. Zunächst schlug er vor, die Bandagen durch
Pressung zu prüfen, und behauptet daß, alle anderen Elemente des Versuches
gleich vorausgesetzt, die ohne bleibende Ovalisation ausgehaltene Pressung mit
dem Coefficienten der Härte des Materiales wachsen müsse und daß man daraus von
vornherein die Abnutzung, also auch die Betriebsdauer fixiren könne.
Die Bandagen für Tender macht man meist aus weichem Stahl, weil sie zu sehr der
Einwirkung der Bremsen ausgesetzt sind und sich ein harter Stahl hierbei nur
schlecht verhalten würde. Sie nutzen sich natürlich stärker ab, als die härteren
Locomotivbandagen; es gibt indeß der doppelten Inanspruchnahme gegenüber keinen
Ausweg, die Sache zu mildern.
Es kann hier die beiläufige Bemerkung noch Platz finden, daß die Krupp'sche Fabrik in Essen keine Dauergarantie für
Tenderbandagen übernahm, bis in neuester Zeit die Kilometer- oder
Meilengarantie auch für diese, wie für die Locomotivbandagen, allmählich
Verbreitung fand.
Was die Waggonbandagen anbetrifft, so fangen sie in Belgien an mehr angewandt zu
werden; der hohe Preis ist noch ein Hinderniß ihrer Verbreitung und man müßte
sie schwächer machen, als die Eisenbandagen, um die Differenz zu
compensiren.
3) Räder.
Obwohl die Scheibenräder aus Gußstahl in Westphalen mit bedeutendem Erfolg
dargestellt werden, und im Gebrauch viele Vorzüge besitzen, so sind sie noch zu
theuer und werden leicht zu hart auf der Lauffläche, um anders als mit
Schleifsteinen abgedreht werden zu können. Der gegossene Stahl hat zwar eine 2
bis 3 mal größere Festigkeit, als das Gußeisen, doch hängt dieser Vorzug sehr
von der Dichtheit und Compactheit des Gusses ab. Durch Hämmern lassen sich wohl
diese letztgenannten Eigenschaften erzielen und sichern, doch ist dieses
Verfahren der Bearbeitung bei den Scheibenrädern nicht gut anwendbar und man muß
durch ein langsames und vorsichtiges Tempern den Guß verstärken und elastischer
machen.
In Rive-de-Gier hat man Räder unter einem Druck von 300 Atmosphären
gegossen, um ihre Dichtheit zu sichern, doch ist diese Methode noch nicht in die
Praxis übergegangen.
Die vollen Stahlräder besitzen mehrere Vorzüge beim Betrieb der Bahnen: sie gehen
sehr ruhig und verursachen keine solche Staubwirbel, wie die Speichenräder nach
anderen Systemen.
Alle diese Gründe und Erfahrungen haben das Stahlwerk zu Seraing bis jetzt
verhindert, Räder zu fabriciren; doch ist nicht zu zweifeln, daß eine
Erweiterung der Anstalt und die gesteigerte Nachfrage der Eisenbahnen auch die
Einführung dieser Betriebsbranche zur Folge haben wird.
4) Kurbelzapfen.
Man wendet dazu in Seraing den ganz weichen Stahl von 0,25 bis 0,35 Proc.
Kohlenstoff an, da die Kurbelzapfen besonders auf Abbrechen und Schlag in
Anspruch genommen werden. Ihre oberflächliche Abnutzung ist dagegen so gering,
daß es unnöthig ist, sie nach dem Abdrehen zu härten, wie es wohl mit den eisernen Kurbelzapfen
geschieht; dieses Härten würde vielmehr an diesem Orte gefährlich seyn.
5) Federn.
In Seraing hat die Darstellung von Waggonfedern aus Bessemerstahl viel Erfolg
gehabt und namentlich in einer Beziehung die gleiche Anwendung des Gußstahles
überflügelt.
Man nimmt zum Federstahl die halbharten oder die harten Sorten der
Classificationsscala, welche 0,45 und mehr Proc. Kohlenstoff enthalten.
Die Erfahrung hat zum Theil die Grundlosigkeit der Vorwürfe nachgewiesen, welche
dem Bessemerstahl gemacht worden sind; er zeigte sich dem Tiegelgußstahl zu
gleichem Zwecke mindestens äquivalent in der Elasticität und im Widerstande, in
Betreff der Homogeneität aber entschieden überlegen.
In der Praxis zeigt sich die zuletzt erwähnte Eigenschaft in einem geringeren
Ausschuß beim Härten; es brechen dabei weniger Platten und es spricht sich
dieses auch in dem Gedingelohn, d.h. dem Ablieferungspreise der Federschmiede
aus.
In Seraing z.B. verarbeitet der Gedingenehmer viel lieber Bessemerstahl, als
Tiegelgußstahl, obwohl pro 100 Kilogrm. 0,50 Frcs.
Unterschied im Lieferpreis zu Gunsten des Tiegelgußstahles stipulirt sind.
6) Kurbeln, Gleitstücke. Stangen
etc. für Locomotiven.
Während die Kurbeln aus dem weichsten Stahl bestehen, muß zu den Gleitstücken
halbharter Stahl genommen werden; die Kolbenstangen sind dagegen wiederum mehr
den Stößen ausgesetzt, als der durch Reibung erzeugten Abnutzung, und werden
deßwegen vorwiegend aus weichem Stahl gearbeitet.
Zu diesen, wie auch zu den übrigen Aufgaben der Stahlverwendung ist eine größere
Anzahl von Dampfhämmern in allen Größen thätig, sowie mehrere Walzwerke
7) Stahlbleche zu
Kesseln.
Für den Bau der Locomotiven in Belgien und anderwärts ist es noch nicht
vollständig gelungen, die englischen Bleche von Low Moor und anderen
Productionsorten durch stählerne Bleche zu verdrängen.
Als Grund dafür gibt man in Seraing hauptsächlich die durchaus abweichende und
sehr sorgfältige Behandlung an, welche die Stahlbleche wegen der körnigen und
dichten Natur des Materiales vorzugsweise verlangen und welche ihre bedeutenden
Schwierigkeiten hat. Man muß nämlich, so viel als irgend möglich, die Ausdehnung
und Zusammenziehung eines in der Darstellung begriffenen Stahlbleches gleichmäßig vertheilen,
indem man dasselbe in großen Flammöfen und nicht in Herden erhitzt und
bedeutende Oberflächen gleichzeitig auswärmt. Ebenso muß man das Blech
allmählich und auf große Ausdehnung hin biegen, indem man nach und nach den
Biegungswinkel verkleinert.
Beim Lochen der Bleche ist es ferner vorzuziehen, die Löcher für die Niete
durchzubohren, nicht einfach durchzustoßen; im letzteren Fall entstehen zu
leicht Sprünge und dieselben nehmen beim Gebrauch des Kessels leicht zu.
Nach allen diesen Vorsichtsmaßregeln ist ein gutes Auswärmen vor der Montage der
Bleche nothwendig. Das Material ist natürlich der weichste und kohlenstoffärmste
Bessemerstahl, den man auch zur Fabrication der Niete verwenden kann, wiewohl
man die eisernen Niete stets vorzieht, die sich besser wärmen und leichter
bearbeiten lassen.
Die meisten Bessemerstahlbleche wurden bis jetzt in Neuberg gemacht und doch
fanden sie anfänglich sehr schwer Eingang beim Locomotivenbau; es fanden
vielfach Enttäuschungen in Bezug auf ihre Eigenschaften statt, doch konnte man
dieses dem Umstande zuschreiben, daß die Routine es sich in den Kopf gesetzt
hatte, die Behandlung des Eisenbleches der des Stahlbleches zu Grunde zu
legen.
Die Fabrication der Stahlbleche ist in Seraing erst versucht worden und noch zu
keiner besonderen Ausdehnung gelangt, indem die Constructeure sich erst in
letzter Zeit gewöhnt haben, die Verwendung des Stahles noch mehr
auszudehnen.
B. Von dem
Stahl in den Bohrwerkzeugen.
In Seraing werden bekanntlich mehrfach Bohrmaschinen zum Bergwerksbetriebe nach dem
Sommeiller'schen Princip gebaut und auch hierbei
gelangte der Bessemerstahl zur Anwendung, indem nahezu 50 Proc. der geschmiedeten
Stücke aus Stahl bestehen. Dabei war eine durchschnittliche Querschnittsverminderung
von 10 : 7 möglich geworden, ohne die Haltbarkeit und Dauer im Mindesten zu
gefährden.
Daraus ergibt sich eine nicht unbedeutende Gewichtsverminderung des Apparates, welche
denselben für seine verschiedenen Anwendungen geschickter macht.
Die Gewichtsverminderung richtet sich indeß nicht ganz allein nach dem Verhältniß der
respectiven Querschnitte, da der Bessemerstahl in geschmiedetem Zustande ein
specifisches Gewicht von 8,2, das Schmiedeeisen ein solches von 7,8 besitzt.
Das Verhältniß von 10 : 7 reducirt sich daher auf 10 : 7,35.
C. Von dem
Stahl in den Gebläsen.
Einen besonders bevorzugten Artikel der Constructionsateliers von Seraing bilden die
Gebläse; nach dem Typus der in Paris 1867 ausgestellten sind etwa 60 Stück erbaut
worden, und seit 4 Jahren bereits hat man den Stahl mehr und mehr in die beweglichen
Theile dieser Mustermaschinen gebracht.
Zur Zeit bestehen die auf eine Maschine gerechneten 9441 Kilogrm. Schmiedestücke
aus:
3700
Kilogrm.
Stahl und
5741
„
Schmiedeeisen.
Hierbei tritt außer den früher schon berührten Vorzügen des Stahles noch eine große
Politurfähigkeit und sein intensiver Glanz hervor, Eigenschaften die den aus Stahl
angefertigten Theilen den Charakter besonderer Sorgfalt und Feinheit geben.
Da der Preisunterschied zwischen den Materialien bei solchen Stücken keine solche
Rolle spielen kann, wie bei currenteren Fabricationsformen, so liegt es im Interesse
der Anstalt, alle gesehenen Theile aus Stahl zu machen, um der ganzen Maschine ein
günstiges Aeußere zu geben.
D. Vom Stahl
in den Schiffsmaschinen.
Im Jahre 1870 baute Seraing fünf große Dampfer für den Passagierdienst von Ostende
nach Dover, die auf den der Gesellschaft gehörigen Werften zu Antwerpen montirt
wurden.
Hierbei wurde von vornherein dem Bessemerstahl eine große Rolle eingeräumt, denn von
25309 Kilogrm. Schmiedestücken bestehen
19903
Kilogrm.
aus
Stahl,
5406
„
„
Schmiedeeisen.
Die große gekröpfte Welle (von 12 1/2 Zoll engl. Durchmesser und 12 1/2 Fuß engl.
Baulänge), ebenso wie die großen Räderwellen (von 13 Zoll Durchmesser und 11 1/2 Fuß
Länge), sowie die 4 massiven Kurbeln sind aus dem weichsten Stahl geschmiedet und
stellen für sich allein den größten Theil dieses Gewichtes dar.
E. Vom Stahl
in den Feuerwaffen.
Diese Anwendung des Bessemerstahles zeigt am besten, wie leicht er die Concurrenz des
Tiegelgußstahles überwinden kann, sobald nur mit besonderer Sorgfalt gearbeitet
wird. Allerdings tritt gerade bei der Anfertigung der Feuerwaffen die Concurrenz des
Tiegelgusses in solcher Macht aus, daß trotz ausgezeichneter Leistungen der
Bessemerwerke noch einige Zeit vergehen dürfte, ehe die maßgebenden Stimmen der betreffenden
Specialität für den Bessemerstahl gewonnen seyn werden. Nachdem Neuberg 1867 bereits
Waffen aus Bessemerstahl in Paris ausgestellt hatte und auch die Firma Petin-Gaudet in Rive-de-Gier
dergleichen, allerdings, ohne es einzugestehen, fabricirt, begann Seraing im
nächsten Jahre, den Bessemerstahl zu gleichem Zweck darzustellen und anzuwenden.
Die Grundsätze, welche der Bessemerstahlfabrication zu Seraing eigen sind, treten
ganz besonders bei der Waffenfabrication in den Vordergrund.
Reinheit des Stahles, Homogeneität desselben und Sicherheit in der
Qualität, d.h. in der Classe des Productes – das sind die Functionen welche
zum Gelingen der Waffenfabrication nothwendiger sind, als zu irgend einer anderen
Anwendung.
Das Material zu den Geschützen und Gewehren ist stets ganz weicher und zäher Stahl
von 0,25 bis 0,35 Proc. Kohlenstoffgehalt und einer durchschnittlichen Festigkeit
von 48 bis 56 Kilogrm. pro Quadratmillimeter.
Am meisten wurden bis jetzt Gewehrläufe, dann aber auch, nach dem Princip der
Bandagen ohne Schweißung, Stahlgürtel für zusammengesetzte Kanonenrohre
hergestellt.
Bei den Schießversuchen auf der belgischen Artillerieversuchsstation Braesschaet soll
eine gußeiserne, mit Stahlgürteln versehene Kanone nach dem System Neuens günstigere Eigenschaften als eine gleich
construirte Krupp'sche Gußstahlkanone ergeben haben, und
ähnliche Versuche in Frankreich sollen ebenso ausgefallen seyn.
Die Details der Bearbeitung entziehen sich natürlich der öffentlichen Besprechung und
können auch, da sie auf eine bestimmte Form von Artikeln jedesmal eingerichtet sind,
Anderen wenig nützen. Es erübrigt nur noch, einige Notizen über den Umfang des
Stahlwerkes nach erfolgter Vollendung zu geben.
Nach ziemlich genauen Mittheilungen beschäftigte dasselbe, welches die siebente
Division des Werkes ausmacht, 660 Personen, 43 Maschinen mit 1100 Pferdekräften und
bedient sich künftig 4 Bessemerretorten zu 5 bis 7 Tonnen Inhalt, 15 Schmelzöfen, 28
Schweiß- und Wärmöfen. Unter den Betriebsvorrichtungen zeichnen sich außerdem
20 Dampfhämmer von 1/2 bis 15 Tonnen Fallgewicht (10 bis 300 Ctr.), ein sehr starkes
Platten- und Stabwalzwerk, sowie 2 hydraulische Bandagenwalzwerke aus, welche
rasch und bequem arbeiten.
Die Jahresproduction an diversen Stahlwaaren beträgt 8,000000 Kilogrm. = 160000 Ctr., also
nicht viel mehr, als die Production in Hörde oder Cainsdorf.
Aus Allem, was über die geschehene Weiterverwendung des Stahles hier gesagt worden
ist, geht zur Genüge hervor, daß der Bessemerstahl sich ebenso wie der Gußstahl aus
Tiegeln verwenden läßt, sobald eine sorgfältige Kenntniß des Rohmateriales vor und
nach dem Einschmelzen, sowie eine genaue Leitung des Processes selbst, eine
innerhalb enger Grenzen constante Qualität garantiren, und sobald bei der
Weiterverarbeitung der Ingots die jeder Stahlsorte entsprechenden Vorsichtsmaßregeln
angewandt werden, um die Stahlqualität nicht zu alteriren.
Diese für den Käufer des Stahles wichtige Garantie derselben Qualität in allen
gleichartigen Stahlwaaren ist der einzige Grund, der bisher zu einem ungünstigen
Vorurtheile gegen die Producte des Bessemerprocesses berechtigte und der auch bei
vielen Bessemerwerken nicht genügend gewürdigt worden ist.
Eine verständige, aus nur wenigen Abtheilungen bestehende, übersichtlich angeordnete
Classification thut auch wesentliche Dienste, sobald ihre Stufen sich auf einzelne
typische Anwendungen, nicht bloß auf theoretische Ermittelungen, als
Kohlenstoffgehalt, Festigkeit etc. gründen. Dadurch aber, daß diese letzteren durch
Analysen und Versuchs-Charaktere stets controllirt und mit aufgeführt werden,
sinkt die Classification nie zu einer bloß empirischen herab und hat einen
allgemeinen Werth.
Nach alledem ist es nicht zweifelhaft, daß, wenn alle Bessemerwerke in gleicher Weise
vorgehen, der Tiegelgußstahl als überaus theureres Product in allen Anwendungen nach
und nach verdrängt und durch den Bessemerstahl ersetzt werden wird.