Titel: | Ueber Tilghman's Bearbeitungsmethode harter Substanzen; von C. Sellers. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XII., S. 29 |
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XII.
Ueber Tilghman's Bearbeitungsmethode harter Substanzen;
von C. Sellers.
Aus dem Journal of the Franklin Institute, März 1871, S.
193.
Tilghman's Bearbeitungsmethode harter Substanzen.
Die Frage, wie man harte Substanzen, als Glas, Stein und bezügliche Metalle, durch
mechanische Mittel in einer fördernden, genauen und ökonomischen Weise bearbeiten
könne, hat stets die Aufmerksamkeit der Techniker beschäftigt. In unserer Zeit macht
das schnelle Steigen der Arbeitslöhne Verbesserungen nach dieser Richtung sehr
nöthig. Die Entdeckung und Benutzung von undurchsichtigem krystallisirtem
Kohlenstoff,Carbonato, bis zu faustgroßen Stücken besonders
im Sande von la Chapada in der brasilianischen
Provinz Bahia vorgefunden; der Karat wird bei größeren Stücken in
Deutschland immerhin mit bis 4 Rthlr. bezahlt.H. welcher billiger als durchsichtiger
Diamant, aber vielleicht weniger dauerhaft ist, hat in dieser Beziehung viele
Vortheile erzielen lassen. Ganz neuerdings jedoch hat B. C. Tilghman in Philadelphia entdeckt, daß ein Strahl von Quarzsand, der gegen
einen Block von massivem Corund gerichtet wird, durch diesen ein Loch von 1½
Zoll Durchmesser und 1½ Zoll Tiefe in 25 Minuten hindurchbohren läßt, und
zwar wird dieß mit einer Strahlgeschwindigkeit erreicht, welche mittelst Dampf von
300 Pfund Druck per Quadratzoll resultirt — ein
merkwürdiges Resultat, wenn man in Betracht zieht, daß Corund in der Härte der
nächste Körper nach dem Diamant ist und nur wenig unter diesem steht.
In der Sitzung des Franklin Institute vom 15. Februar d.
J. wurde die Entdeckung Tilghman's zuerst vor die
Oeffentlichkeit gebracht, indem der Secretär des Institutes, Dr. W. H. Wahl, zeigte, daß man eine Glasplatte
mittelst eines Sandstrahles von sehr geringer Geschwindigkeit angreifen, d. i. matt
machen könne. Verschiedene Proben harter Substanzen, welche auf ähnliche Weise
geschnitten, mattirt und eingearbeitet worden waren, wurden vorgezeigt. Bei der
folgenden Discussion über diese merkwürdige Entdeckung nahm Robert Briggs in seinen interessanten Bemerkungen über diesen
Gegenstand Gelegenheit mitzutheilen, wie man schon seit lange bemerkt habe, daß
Fensterglas, welches dem vom Winde getriebenen Sand in der Nähe des Seeufers
ausgesetzt ist, bald blind werde, und citirte einige weitere wohlbekannte Beispiele
für die angreifende Wirkung eines fortdauernden Strahles bewegter Theilchen auf die Oberflächen
harter Körper. Wenn man die vielen Beispiele solcher Art in Betracht zieht und
bedenkt, daß die Techniker oft genug bemüht seyn mußten Schutzmaßregeln gegen diese
angreifenden Wirkungen aufzufinden, so möchte man sich fast wundern, daß man nicht
früher schon aus dieser Wirkung unter Umständen auch Nutzen gezogen hat.
Tilghman's Aufmerksamkeit scheint sich zuerst darauf
gerichtet zu haben, Stein oder hartes Metall mittelst eines durch hochgespannten
Dampf getriebenen Sandstrahles zu bearbeiten. Seine Versuche führten ihn jedoch bald
darauf, daß auch schon Dampf oder Luft von mäßiger Spannung zur Erreichung dieses
Zweckes genüge und daß damit Glas für ornamentale Zwecke bearbeitet, respective
mattirt und eingeschliffen werden kann.
Zum Glasschleifen benutzte Tilghman ein gewöhnliches
rotirendes Gebläse von 30 Zoll engl. Durchmesser, welches etwa 1500 Umdrehungen in
der Minute machte und einen Windstrom mit einem Druck von etwa 4 Zoll Wassersäule
durch eine verticale Röhre von 2 Fuß Steigung auf 60 Zoll Länge bei 1 Zoll Weite
lieferte.
Der Sand wurde am oberen Ende dieses Rohres zugeführt und daselbst vom Luftstrome
ergriffen, der ihn mit fortriß und gegen die Glasplatten führte, welche in etwa 1
Zoll Entfernung vom unteren Rohrende langsam vorübergeführt wurden. Eine 10 bis 15
Minuten dauernde Wirkung des Strahles genügte, um die Oberfläche von gewöhnlichem
Glase vollständig matt zu schleifen, so daß die von einem endlosen Riemen getragenen
Glastafeln mit einer Geschwindigkeit von 5 Zoll per
Minute dem 1 Zoll im Querschnitt haltenden Strahle vorübergeführt werden konnten. In
der für diesen Zweck angewendeten Maschine wurde der ausgeblasene Sand mittelst
eines Elevators dem oberhalb besindlichen Trichter wieder zugeführt, um im Kreislauf
stets von Neuem benutzt zu werden, während der Staub, welcher bei dem
Schleifprocesse entsteht und den dabei beschäftigten Arbeitern schädlich werden
könnte, vom Ventilator wiederum angesaugt wird und so stets von Neuem mit dem Winde
in den wirkenden Strahl gelangt.
Indem Theile der Glasoberfläche musterartig mit einem weichen oder elastischen
Material, wie Papier, Kautschuk oder Oelfarbe u. s. w., bedeckt werden, ist es
möglich Verzierungen von bestimmter Form mittelst des Sandstrahles in die Glasfläche
einzuarbeiten und dieselbe gewissermaßen zu graviren.
Es gibt bekanntlich eine gefärbte Glassorte, welche dadurch hergestellt ist, daß
gewöhnliches helles Glas auf der einen Seite mit einer dünnen Schicht farbigen Glases
überzogen wurde (das sogenannte Ueberfangglas). Wenn man nun bei solchem Glase die
farbige Seite in der eben angegebenen Weise mit einem Muster versieht, so kann man
mittelst des Tilghman'schen Schleifprocesses sehr schnell
scharf ausgeführte farbige Dessins auf dem Glase herstellen.
Tilghman berechnet die theoretische Geschwindigkeit eines
Luftstromes bei dem Drucke von 4 Zoll Wassersäule (ohne Berücksichtigung der
Reibung) auf ungefähr 135 Fuß per Secunde; die wirkliche
Geschwindigkeit des Sandes ist natürlich viel geringer.
Wenn ein Luftstrom von viel geringerem Drucke, etwa von 1 Zoll Wassersäule,
angewendet wird, so leistet sehr zartes Material, z. B. die frischen zierlich
gefiederten Wedel des Farrenkrautes, dem Strahle feinen Sandes lange genug
Widerstand, um die Umrisse in das Glas eingraviren zu können. Durch Regulirung der
Wirkung, d. h. indem man gestattet daß die dünneren Theile der Blätter theilweife
vom Sande durchfressen werden, während die dickeren Mittelrippen und ihre Zweige
noch Widerstand leisten, kann die Wirkung einer schattirten Gravirung erzielt
werden.
Das Bearbeiten einer so harten Substanz wie Glas, durch ein Agens welchem durch ein
so leicht zerstörbares Material wie grüne Blätter, Widerstand geleistet wird, möchte
vielleicht als etwas Sonderbares erscheinen. Die wahrscheinliche Erklärung ist
jedenfalls die, daß jedes Sandkörnchen, welches die Glasfläche mit seiner scharfen
Ecke trifft, einen unendlich kleinen Theil derselben pulverisirt, welcher alsdann
als Staub mit fortgeblasen wird, während die Sandkörner welche das Blatt treffen,
von der weichen elastischen Oberfläche zurückprallen.
Zum Schneiden von Stein benutzt Tilghman einen Dampfstrahl
als Mittel zum Anwerfen des Sandes; je höher der Druck, um so größer ist die Kraft
des angeworfenen Sandes und um so schneller dessen Wirkung.
Bei Anwendung von Dampf von ungefähr 100 Pfund Druck per
Quadratzoll wird der Sand durch ein central im Strahlrohr angebrachtes Eisenrohr von
etwa 3/16 Zoll Weite eingeführt, so daß der Dampfsandstrahl ringförmig
herausfährt.
Es wird hierbei durch das Sandrohr etwas Luft angesaugt, welche den Sand dem Dampfe
entgegentreibt, und der erzeugte Dampfsandstrahl wird durch ein Rohr von ungefähr 6
Zoll Länge geführt, wobei der Dampf dem Sande seine Geschwindigkeit mittheilt und
denselben gegen die zu bearbeitende Steinfläche wirft, welche in etwa 1 Zoll
Entfernung vom Ende des Rohres gehalten wird.
An der getroffenen Stelle macht sich hierbei ein rother Lichtschein bemerklich, als
wenn der Stein rothglühend wäre, obgleich dessen Temperatur 100° C. nicht
übersteigt. Der Lichtschein wird wahrscheinlich durch die Zertrümmerung der
Krystalle des Steines und Sandes hervorgerufen.
Die angreifende Wirkung ist am größten, wenn dem aufgeworfenen Sand und Dampf freier
Abfluß gestattet ist. Beim Ausarbeiten eines Loches von einem wenig größeren
Durchmesser als der Dampfsandstrahl, wird der bereits wirksam gewesene Sand und
Dampf dem zur Wirkung kommenden Strahle etwas hinderlich seyn und dessen Wirksamkeit
abschwächen.
Unter günstigen Umständen zeigte sich die Wirkung einer Dampfmenge, welche bei circa 125 Pfund Druck einer Leistungsfähigkeit von
1¼ Pferdekraft (in Dampfmaschinenarbeit) entsprach, etwa so stark, daß in der
Minute damit 1½ Kubikzoll Granit, oder 3 Kubikzoll Marmor, oder 10 Kubikzoll
weicher Sandstein abgearbeitet werden konnten.
Mittelst eines biegsamen Rohres kann das Blasrohr beweglich gemacht und der wirksame
Strahl in eine beliebige Richtung gebracht werden; man kann auf diese Weise
Vertiefungen und Furchen von beinahe jeder beliebigen Form in den Stein einarbeiten,
oder mittelst geeigneter Schablonen Buchstaben oder Ornamente, erhaben oder
vertieft, mit großer Geschwindigkeit in den härtesten Stein einarbeiten.
Bei großer Geschwindigkeit wird Quarzsand selbst solche Substanzen angreifen, welche
eine viel größere Härte als er selbst besitzen, wie schon oben bemerkt wurde. Mit
einem Dampfsandstrahl von 300 Pfd. Druck per Quadratzoll
kann man in 25 Minuten durch harten Corund ein Loch von 1½ Zoll Durchmesser
und 1½ Zoll Tiefe einarbeiten.
Ein Loch von 1 Zoll Länge und ¼ Zoll Breite wurde durch eine harte Stahlfeile
von ¼ Zoll Stärke in Zeit von 10 Minuten mit einem Dampfstrahle von 100 Pfund
Druck per Quadratzoll gebohrt.
Ein Strahl von kleinem Bleischrot, der mittelst Dampf von 50 Pfd. Druck per Quadratzoll getrieben wurde, bohrte ein kleines Loch
in ein Stück harten Quarz; die Schrotkörner waren durch die Wirkung nur wenig
abgeplattet worden, woraus ersichtlich ist, daß sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit
angeschlagen waren.
Unter den interessanten Proben des durch Dampfsandstrahlen gebohrten Glases, welche
dem Franklin Institute vorgelegt wurden, befand sich ein
gewöhnliches Stück Fensterglas, welches, indem es theilweise vor der Wirkung des
durchbohrenden Strahles mittelst eines Stückes Drahtgaze geschützt gewesen, wie ein
Sieb durchlöchert worden war, wobei die Oeffnungen etwa 1/12 Zoll Weite hatten und
die dazwischen befindliche stehengebliebene Glasbreite nur 1/16 Zoll betrug. Sollte
man so durchlöchertes Glas für praktische Zwecke benutzen wollen, so wäre dasselbe
wohl nur nach dem hier beschriebenen Verfahren herzustellen.
Eine mikroskopische Untersuchung der nach Tilghman's
Methode mattirten Glastafeln ließ in der behandelten Obersläche dicht neben einander
befindliche kleine Gruben bemerken, welche durch das Anschlagen der dagegen
geworfenen Sandkörner gebildet worden waren, und zeigte mehr Gleichmäßigkeit wie die
durch Reiben mattirten Glasflächen.
Man hat bereits angefangen, den Dampfsandstrahl zum Ausschleifen von gußeisernem
Geschirr zu benutzen, zum Zwecke, dasselbe im Inneren zu verzinnen. Bisher hatte man
solche Gefäße im Inneren auf der Drehbank ausgedreht, um blanke Flächen für das
Verzinnen zu erhalten. Durch den Dampfsandstrahl wird das Reinputzen der Flächen
schneller und auch viel vollständiger erzielt, weil die anschlagenden Sandkörner
auch in alle die Vertiefungen eindringen, in welche das Drehwerkzeug nicht gelangte.
Es ist auch wahrscheinlich, daß die anschlagenden Sandkörner die Graphittheilchen
wegputzen, welche im gewöhnlichen grauen Gußeisen die Metalltheilchen von einander
trennen, so daß dadurch eine zusammenhängende Metalloberfläche zur Aufnahme des
Zinnes gebildet wird.
Eine merkwürdige Thatsache sey schließlich bezüglich dieses Processes noch erwähnt.
Wenn man nämlich bei der Herstellung von Mustern die zu bearbeitenden Flächen mit
Schablonen bedeckt, um sie stellenweise vor dem Angriffe des Dampfsandstrahles zu
schützen, so sind Schablonen aus Metallblech viel weniger zweckmäßig als
Papierschablonen, weil sich erstere unter der Wirkung der anschlagenden Sandkörner
strecken und in Folge dessen aufrollen. Selbst Schablonen aus gehärtetem Stahlblech,
wenn sie sogar noch mit Papier bedeckt sind, unterliegen dieser Wirkung. Feine
Maschinen-Spitzen, auf Glas ausgebreitet, leisten dem Sandstrahle vollständig
Widerstand und hinterlassen ein entsprechendes blankes Muster auf der mattirten
Glasfläche.