Titel: | Elektrisches Pyrometer; Mittheilung von Dr. C. W. Siemens in London. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XIV., S. 41 |
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XIV.
Elektrisches Pyrometer; Mittheilung von Dr.
C. W. Siemens in
London.
Siemens, über sein elektrisches Pyrometer.
In seiner „Pyrotechnischen Rundschau“ in diesem Journal Bd. CXCVIII S.
394 (erstes Decemberheft 1870) hat Hr. C. Schinz das von mir neuerdings in Vorschlag gebrachte elektrische Pyrometer
einer scharfen Kritik unterworfen.
Die Restrictionen des Hrn. Schinz waren insofern
berechtigt, als ich zugeben muß, daß ich dem Iron and steel
Institute den theoretischen Nachweis schuldig blieb, worauf ich meine
Annahme von einem parabolischen Zuwachs des Widerstandes in metallischen Leitern mit
Temperaturzunahme basirte. Auch ging ich nicht auf detaillirte Erörterungen ein, wie
Störungen durch Veränderungen der Batteriestärke, der Widerstände in den
Zuleitungsdrähten oder durch Contactwirkung an Verbindungsstellen (durch
vollständige Compensation) vermieden worden sind. Diese Fragen hätten mich vor einem
praktischen Auditorium zu weit geführt und ich beschränkte mich auf die Mittheilung,
daß dieselben Gegenstand einer besonderen Abhandlung für die Royal Society seyn würden. Diese Abhandlung ist seitdem erschienen und hat
sehr gute Aufnahme in gelehrten Kreisen gefunden, was schon daraus erhellt, daß
dieselbe zur Bakerian Lecture für das laufende Iahr
erhoben worden ist. Ein vorläufiger Auszug aus dieser Arbeit ist soeben in den Proceedings of the Royal Society No. 128 erschienen,
welcher nachstehend in Uebersetzung folgt. Herr Schinz
wird daraus die Ueberzeugung gewinnen, daß ich meinen Gegenstand nicht ohne
gründliche Erörterung der bezüglichen Erscheinungen gelassen habe.
Schließlich will ich nur noch auf die Thatsache hinweisen, daß mein Pyrometer bereits
nützliche Anwendungen in den Händen des Hrn. J. Lowthian Bell und anderer Metallurgen gefunden hat, und daß die damit erzielten
Messungen sich als wiederkehrend und durchaus zuverlässig erwiesen haben.
London, am 21. Juni 1871.
Bakerian Lecture. — Ueber das Zunehmen des elektrischen Widerstandes in Leitern
bei Temperaturerhöhung und die Anwendung desselben zum Messen von gewöhnlichen
und Ofen-Temperaturen, sowie über eine einfache Methode elektrische
Widerstände zu messen; von Carl Wilhelm Siemens, Mitglied der
Royal Society, Ehrendoctor
der Universität Oxford.
(Auszug.)
Der erste Theil dieser Abhandlung behandelt die Frage über das Verhältniß des
Zunehmens des Widerstandes in metallischen Leitern bei Zunahme der Temperatur.
Die Nachforschungen von Arndtson, Dr. Werner Siemens und Dr.
Matthiessen beschränken sich auf Temperaturen, welche
zwischen dem Gefrier- und dem Siedepunkte des Wassers liegen und schließen
das Platin nicht in sich ein, welches das wichtigste Metall zur Verfertigung von
pyrometrischen Instrumenten ist.
Es sind verschiedene Reihen von Beobachtungen an verschiedenen Metallen,
einschließlich des Platins, Kupfers und Eisens gegeben, welche vom Gefrierpunkt bis
zu 350° Celsius reichen, sowie eine andere Reihe von Versuchen, durch welche
diese Beobachtungen bis auf 1000° C. ausgedehnt werden. Diese Resultate sind
in einem Diagramm dargestellt, welches ein Zunahmeverhältniß veranschaulicht, das
weder mit der früheren Annahme eines gleichmäßigen Zunehmens, noch mit Dr.
Matthiessen's Formel (ausgenommen zwischen den engen
Grenzen der wirklichen Beobachtungen des Letzteren) übereinstimmt, sondern in ein
parabolisches Verhältniß übergeht, welches durch zwei andere, die lineare Expansion
und den Minimum-Widerstand ausdrückende Coefficienten, modificirt wird.
Wenn man ein dynamisches Gesetz annimmt, demzufolge der elektrische Widerstand eines
Leiters im Verhältnisse zu der Geschwindigkeit, mit welcher die Atome durch die
Wärme in Bewegung gesetzt werden, zunimmt, so folgert daraus ein parabolisches
Zunahme-Verhältniß des Widerstandes bei Temperatur-Zunahme; wenn man
ferner diesem die eben erwähnten Coefficienten hinzufügt, so wird der Widerstand r für eine jede Temperatur durch folgende, allgemein
anwendbare Formel ausgedrückt:
r = α T ½ + β T + γ,
welche so genau als möglich, sowohl mit den Versuchen bei
niedrigen Temperaturen des Dr.
Matthiessen, als mit den bis zu 1000° C. gehenden
Versuchen des Verfassers übereinstimmt. Der Letztere gibt jedoch zu, daß es noch weiterer
Untersuchungen bedarf, um die Grenzen festzustellen, innerhalb deren das durch diese
Formel ausgedrückte Gesetz der Zunahme auf Leiter im Allgemeinen, und solche die
sich ihrem Schmelzpunkte nähern insbesondere, anwendbar ist.
Im zweiten Theile seiner Abhandlung zeigt der Verfasser, daß er, indem er sich den
Umstand daß der elektrische Widerstand eines metallischen Leiters mit der Zunahme
der Temperatur steigt, zu Nutze machte, ein Instrument erfunden hat, womit
Temperaturen entfernter oder unzugänglicher Orte, einschließlich des Inneren von
Oefen welche zu metallurgischen oder anderen Schmelzoperationen dienen, mit großer
Genauigkeit bestimmt werden können.
Behufs Messung von Temperaturen unter 100° C. ist der Apparat derart
eingerichtet, daß zwei Spiralen von gleicher Beschaffenheit durch ein dünnes Kabel,
welches drei isolirte Drähte enthält, verbunden sind. Eine von diesen Spiralen, die
„Thermometer-Spirale,“ welche sorgfältig gegen
Andrang von Feuchtigkeit geschützt ist, kann in die See hinabgelassen, in die Erde
gegraben, oder an einem hochgelegenen oder unzugänglichen Platze, dessen Temperatur
von Zeit zu Zeit bestimmt werden soll, angebracht werden, während die andere, die
„Vergleichungs-Spirale,“ sich in einem mit Wasser
gefüllten Gefäße befindet, dessen Temperatur durch Zusatz von kaltem oder warmem
Wasser, oder von frierenden Mischungen so lange erniedrigt oder erhöht wird, bis man
zwischen den Widerständen der beiden Spiralen das elektrische Gleichgewicht wieder
hergestellt hat, welches durch ein Galvanometer, oder durch ein
Differential-Voltameter (wie es im dritten Theile der Abhandlung beschrieben
ist) bestimmt wird und durch Gleichheit der Temperatur in beiden Spiralen bedingt
ist. Die Temperatur der Mischung in dem Gefäße wird hernach mit einem sehr genauen
Quecksilber-Thermometer gemessen, welches nun zugleich die Temperatur des
entfernten Platzes angibt.
Bei einer anderen Einrichtung ist die Vergleichs-Spirale weggelassen und die
Temperatur der Thermometer-Spirale, deren Widerstand bei 0° C. bekannt
ist, wird durch ein Differential-Voltameter bestimmt; die den Angaben des
Instrumentes entsprechende Temperatur wird dann von einer, zu diesem Zwecke
angefertigten Tabelle mit Vermeidung irgend welcher Berechnung, abgelesen.
Beim Messen von Ofen-Temperaturen wird der das Pyrometer bildende Platindraht
auf einen kleinen Porzellan-Cylinder gewunden, der sich in einem
verschlossenen Eisen- oder Platin-Rohre befindet welches der zu
bestimmenden Hitze ausgesetzt wird. Wenn die Temperatur nicht über Rothglühhitze, d.
h. 1000° C. geht, so kann man den eingeschlossenen Draht beständig in dem Ofen,
dessen Temperatur von Zeit zu Zeit gemessen werden soll, lassen; hat man jedoch
Temperaturen von über 1000° C. zu messen, so ist es am rathsamsten das Rohr
nur während eines gewissen Zeitraumes, z. B. 3 Minuten der Hitze auszusetzen, was
hinreichend ist, um das dünne Rohr und den darin befindlichen Draht innerhalb
meßbarer Grenzen auf die zu messende Temperatur zu erhitzen, jedoch nicht genügt um
den Porzellan-Cylinder, auf welchen der Draht gewunden ist, zu erweichen. Auf
diese Art können Temperaturen, welche über den Schmelzpunkt des Eisens hinausgehen
und sich dem Schmelzpunkt des Platins nähern, mit demselben Instrumente gemessen
werden, mit welchem man geringe Unterschiede der gewöhnlichen Temperaturen bestimmt.
So erhält man eine Thermometer-Scala, welche ohne Unterbrechung das ganze
Feld der Temperaturen umfaßt.
Die Leitungsdrähte zwischen der Thermometer-Spirale und dem
Meß-Instrumente (welche unter Umständen mehrere Meilen lang seyn dürften)
würden einen bedeutend störenden Einfluß ausüben, wenn dieß nicht durch den vorher
erwähnten Leitungsdraht verhindert würde, welcher beiden Zweigen des Instrumentes
gemein ist.
Andererseits könnten auch Irrthümer beim Gebrauch des elektrischen Pyrometers dadurch
vorkommen, daß der Porzellan-Cylinder, auf welchen der Draht gewunden ist,
bei sehr hohen Temperaturen leitend würde; es ist jedoch nachgewiesen, daß von
dieser Seite stammende Irrthümer von keiner Bedeutung sind.
Der dritte Theil der Abhandlung enthält die Beschreibung eines Instrumentes zum
Messen von elektrischen Widerständen ohne Anwendung einer Magnetnadel oder von
Widerstands-Rollen. Dasselbe besteht aus zwei, auf einer Scala angebrachten
Voltametern, welche so mit einander verbunden sind, daß der Strom einer Batterie
gleichmäßig unter dieselben vertheilt wird, und von denen das eine einen bekannten
und beständigen Widerstand, das andere aber den unbekannten, zu messenden Widerstand
einschließt. Da der Widerstand und die Polarisation gleich sind und die beiden
Zweige eine gemeinschaftliche Batterie haben, so müssen die Wirkungen dieser
unconstanten Elemente sich ausgleichen, wodurch ein Ausdruck für den unbekannten
Widerstand X in den bekannten Widerständen C und γ des Voltameters, einschließlich der
Verbindungsdrähte und der Volume V und V1 der in einem
beliebigen Zeitraume in den Röhren entwickelten Gas-Quantitäten gefunden
wird, nämlich:
X = V/V1 (C +
γ) - γ.
Wechsel im atmosphärischen Drucke machen auf beide Seiten gleichen Eindruck und haben deßhalb
keinen Einfluß auf die Resultate. Eine Ablesung unter gleichem Druckverhältnisse wie
das der herrschenden Atmosphäre wird erlangt, indem man die kleinen, angesäuertes
Wasser enthaltenden Reservoirs bis auf das Niveau der Flüssigkeit der
correspondirenden Röhre hinabschiebt. Die oberen Enden der Voltameter-Röhren
werden durch kleine, von Gewichten herabgedrückte Gummi-Kissen verschlossen;
nach jedem Versuche werden jedoch diese Verschlüsse geöffnet und durch
Hinaufschieben der Reservoire die Röhren von dem angesammelten Gase entleert und die
Flüssigkeit wieder mit dem Nullpunkt der Scala nivellirt, wodurch das Instrument für
einen anderen Versuch bereit ist. Eine Reihe von Messungen zwischen 1 und 10,000
Einheiten sind gegeben, aus welchen hervorgeht, daß die Resultate höchstens ½
Proc. von den Messungen derselben Widerstände mit einer Wheatstone'schen Brücke abweichen.
Die Vortheile dieses Apparates bestehen darin, daß er weder durch magnetische
Einflüsse, noch, falls er auf der See angewandt wird, durch das Schwanken des
Schiffes Störungen erleidet, ferner daß er von Personen gehandhabt werden kann,
welche nicht mit dem Gebrauche elektrischer Instrumente vertraut sind, und endlich
seine höchst einfache Construction.