Titel: | Chemische Veränderungen am Hildesheimer Silberfunde; von A. Schertel |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XVII., S. 52 |
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XVII.
Chemische Veränderungen am Hildesheimer
Silberfunde; von A.
Schertel
Aus dem Journal für praktische Chemie, 1871, Bd. III S.
317.
Schertel, über chemische Veränderung antiker
Silbergefäße.
An den antiken Silbergefäßen, welche im October 1868 bei Hildesheim aufgefunden
worden sind, konnte man eine sehr weit gehende Veränderung des Metalles beobachten.
Jede Spur von Dehnbarkeit oder Zähigkeit war verschwunden; leicht konnte man die
kleinsten Stücke abbrechen und die Bruchflächen hatten nicht mehr das sehnige
Ansehen eines getriebenen Metalles, sondern zeigten sich meist körnig. Da durch
Gefälligkeit einige Gramme kleiner Bruchstücke in meinen Besitz gekommen waren, so
stellte ich einige Versuche an, um die Ursachen dieser Veränderung aufzuklären.
Die Außenseite der Gefäße, wo sie von den Thonschichten, zwischen welchen sie
eingebettet waren, berührt wurden, bedeckte eine Kruste Chlorsilber von wechselnder
Stärke. Diese Schichte zeigte sich bei genauerer Betrachtung ungleichartig. Man
unterscheidet zunächst auf dem Silber eine meist sehr dünne, fast schwarze Schichte,
welche sich mit dem Messer nicht schneiden läßt, sondern zerbröckelt. Die Analyse
ergab 87 Proc. Silber und 12,8 Proc. Chlor; das Halbchlorsilber enthält 85,89 Proc.
Silber und 14,11 Proc. Chlor. Auf dieser Schichte liegt eine stärkere, an Farbe
hellere, mit dem Messer schneidbare, welche sich schon durch ihr Ansehen als
Hornsilber bekennt; die Analyse wies 75,43 Proc. Silber und 24,51 Proc. Chlor nach.
Zwischen dem Silberchlorür und dem noch unangegriffenen Metalle bemerkt man eine
geringe Menge eines dunklen, wenig glänzenden Pulvers, welches in Königswasser sich
löst und dann mit Oxalsäure einen purpurfarbigen Niederschlag gibt, also aus Gold
besteht. Eines der Stückchen wog mit dem anhaftenden Chlorsilber 1,665 Grm., ohne
dasselbe 1,150 Grm.; es waren also stellenweise über 25 Proc. des Metalles in die
Chlorverbindung übergegangen. Im Folgenden theile ich unter I. und II. die beiden Analysen mit, welche ich
von zwei, verschiedenen Gefäßen angehörenden Stückchen des Metalles ausführte; die
unter III. angeführte Analyse ist einer aus dem
Laboratorium zu Göttingen veröffentlichten Notiz entnommen:
I.
II.
III.
Silber
94,00
98,20
94,78
Gold
2,70
Spur
3,18
Kupfer
3,26
1,56
1,92
Aus dem geringen Kupfergehalte kann man wohl folgern, daß man eine mehr zufällige als
absichtliche Legirung vor sich hat. Immerhin aber darf in dem Kupfergehalte die
erste Ursache der Veränderung, welche das Metall erlitt, gesucht werden. Die
Schichte Silberchlorür weist deutlich darauf hin, daß die Chloride enthaltenden, den
Thon durchsickernden Wässer zuerst das Kupfer in Kupferchlorid umwandelten, und daß
hierauf das Kupferchlorid mit dem Silber Silberchlorür und Kupferchlorür bildete.
Wenn das Kupferchlorür wieder zu Chlorid werden konnte, so vermochte es auf's Neue
den Angriff auf das Silber zu unternehmen. Der aufliegende Thon ließ die
Flüssigkeiten in langer Berührung mit dem Metalle, und so konnte mit wenig Kupfer
eine große Menge Silbers in die Chlorverbindung übergeführt werden. Da der Thon
ferner wie ein Filter das Chlorsilber zurückhielt, so bedingte er auch die starke
Incrustation der Gefäße. Der langsame Fortgang des Processes ermöglichte ferner, daß
das Gold, nachdem die mit ihm verbundenen Silber- und Kupfertheilchen in
Chlorüre verwandelt waren, als feines Pulver sich auf das noch unangegriffene Metall
setzte.
Ich habe ein Frankenstück zu dünnem Bleche gewalzt und einen Theil desselben sechs
Monate in einer mäßig starken Lösung von Kochsalz aufbewahrt. Als ich es herausnahm,
zeigte es sich, besonders an den dünneren Stellen, brüchig. 0,830 Grm. hatten 0,027
Grm. an Gewicht verloren. Der grüne Niederschlag am Boden des Gefäßes löste sich in
Salpetersäure unter Gasentbindung; die Lösung bleibt weißlich getrübt. Nach dem
Filtriren wurden durch Einleiten von Schwefelwasserstoff 0,023 Grm. Kupfer
ausgefällt. Die Legirung hatte also 27,7 Proc. ihres gesammten Kupfergehaltes
abgegeben. Da das Kupfer in stärkerem Verhältniß aus der Legirung herausgefressen
wird, so muß der innige Zusammenhang der Theilchen aufgehoben seyn. Hieraus erklärt
sich auch die Brüchigkeit der Gefäße und man könnte von einer schlechthin
„molecularen Veränderung“ Abstand nehmen. Die Praxis der
Goldschmiede bietet eine hierfür beweisende Erfahrung. Sie bedienen sich, um
Goldwaaren zu färben, unter anderen einer Mischung von 4 Theilen Kalisalpeter, 2
Theilen Kochsalz und 3 Theilen Salzsäure. Die beiden ersteren Bestandtheile werden
mit wenig Wasser angemacht und so lange gekocht, bis die Masse fast dick ist;
hierauf wird die Salzsäure zugegeben und die zu färbenden Gegenstände werden kurze
Zeit in die Mischung
getaucht. Dauert die Einwirkung nur um Weniges zu lange, oder ist, was vor Allem
Gefahr bringt, die Mischung zu dünnflüßig, so werden die Gegenstände, brüchig. Diese
Erscheinung ist wohl nur durch den ungleichen Angriff zu erklären, welchem das Gold
und das Kupfer der Legirung ausgesetzt sind.