Titel: | Untersuchungen über die alkoholische Gährung und die Ernährung des Bierhefepilzes; von Dr. Adolph Mayer. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. XXIII., S. 69 |
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XXIII.
Untersuchungen über die alkoholische Gährung und
die Ernährung des Bierhefepilzes; von Dr. Adolph Mayer.
Mayer, Untersuchungen über die alkoholische Gährung.
Der Genannte hat in einer in Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, Bd. CXLII, S.
293–305, abgedruckten Abhandlung von selbstständigen
Untersuchungen über die alkoholische Gährung und die Ernährung einer sie
veranlassenden Pilzspecies, des Bierhefepilzes,
Saccharomyces cerevisiae, welche theils schon
anderweitig veröffentlicht wurden,Untersuchungen über die alkoholische Gährung, Heidelberg 1869, und
„Landwirthschaftlicke Versuchsstationen,“ 1869 S.
443. theils soeben in der Veröffentlichung begriffen sind, auszugsweise Bericht
erstattet. Wir theilen diese Abhandlung, hier und da etwas abgekürzt, nachstehend
mit.
In Bezug auf die Ursächlichkeit der alkoholischen Gährung kann heute so viel als
allgemein zugegeben angesehen werden, daß die so bezeichnete Erscheinung, so viel
man weiß, ausschließlich veranlaßt wird durch die Anwesenheit und Entwickelung
niederer vegetabilischer Organismen aus der Classe der Pilze, von welchen der
Bierhefepilz der hervorragendste RepräsentantDaß es mehrere Pilzspecies gibt, welche die alkoholische Gährung veranlassen
können, kann nach den neuesten botanischen Untersuchungen über diesen
Gegenstand nicht mehr bezweifelt werden; man vergl. Reeß, botanische Untersuchungen über die Alkohol-Hefepilze,
Leipzig 1870. ist; denn selbst v. Liebig, der bisher als der
entschiedenste Vertreter der entgegenstehenden Ansicht angesehen wurde, hat sich
neuerdings unzweideutig für diese Auffassung bekannt.v. Liebig's Abhandlung über Gährung, in den
Annalen der Chemie und Pharmacie, 1870, Bd. CLIII S. 30 (im Auszug im polytechn.
Journal Bd. CXCV S. 537). Die noch bestehenden Controversen beziehen sich zum Theil auf die Art und
Weise der Wirksamkeit jener Organismen. v. Liebig glaubt
das Wesen seiner älteren Anschauung von der Fermentwirkung dadurch retten zu können,
daß er den wirksamen Organismus den Fermentkörper produciren läßt; seine Gegner
fassen dagegen den ganzen Gährungschemismus als das unmittelbare Resultat des
Stoffwechsels jenes Organismus auf.
Wie diese Frage auch zu beantworten seyn mag, jedenfalls ist der Verlauf der Gährung
von der Ernährung des sie verursachenden Organismus abhängig. Ernährungsversuche am
Hefepilze haben daher für unsere nähere Kenntniß der Bedingungen der alkoholischen
Gährung sicherlich eine große Bedeutung, abgesehen von ihrem hohen physiologischen
Selbstzweck, auf welchen hier nur hingedeutet werden mag. Der Verfasser hat nun
vielfältige Ernährungsversuche am Hefepilze angestellt, und Folgendes kann zunächst
als das Resultat derselben angesehen werden.
Von den vielen Vergleichungsweise angewendeten Aschenbestandtheilen steht das saure phosphorsaure Kali zu derjenigen physiologischen
Function des Hefepilzes, welche mit der Zerlegung des Zuckers in Alkohol und
Kohlensäure (und einige andere Substanzen) ursächlich zusammenhängt, allein in einer
innigen Beziehung; denn die Ausschließung dieses Salzes hatte immer ganz
unmittelbare schädliche Folgen für die beobachteten Gährungs-Intensitäten. Dieses Salz
konnte in seiner Wirksamkeit nicht durch phosphorsaures Natron oder Ammoniak, und
auch nicht durch ein anderes Kalisalz ersetzt werden.
Zur vollständigen Ernährung des Hefepilzes sind jedoch
jedenfalls noch andere mineralische Stoffe erforderlich, als das phosphorsaure Kali.
Wird einem Gährungsgemisch, welches Wasser, Zucker und einen assimilationsfähigen
stickstoffhaltigen Körper in geeigneten Verhältnissen enthält, kein anderer
Aschenbestandtheil als phosphorsaures Kali zugesetzt, so tritt nach einer minimalen
Hefe-Aussaat zwar eine ziemlich intensive Gährung ein; aber die Hefezellen
werden nach einer gewissen Reihe von Generationen so unvollkommen in ihrer
Ausbildung, daß sie nun nicht mehr zur Unterhaltung einer kräftigen Gährung geeignet
sind, obgleich ihnen dieselben Bestandtheile wie vorher zur Verfügung stehen.
Als Salze, welche diese Degeneration des Hefepilzes zu verhüten im Stande sind, und
welche somit als Nährstoffe dieses Organismus betrachtet werden müssen, obgleich sie
zu dem Processe der Zuckerzerlegung in keiner so unmittelbaren Beziehung zu stehen
scheinen, haben sich die Magnesiasalze erwiesen, während
der Schwefel jedenfalls in den geringen Spuren für die
Ernährung des Hefepilzes genügt, in welchen derselbe auch im reinsten Candiszucker
vorhanden ist, und der Kalk allem Anschein nach völlig
entbehrt werden kann. Alle übrigen Aschenbestandtheile haben für die Ernährung des
Hefepilzes keinerlei Bedeutung.
Die Resultate zeigen, daß das Aschenbedürfniß des Hefepilzes im Verhältniß zum Bedarf
höherer Pflanzen oder gar der höheren Thiere ein einfaches ist.
Die von dem Verfasser über die Ernährung des Hefepilzes durch stickstoffhaltige
Substanzen unternommenen Versuche ergaben, theilweise im Gegensatz zu der bisher
üblichen Annahme, Folgendes:
Die eiweißartigen Stoffe und viele andere sogenannte hoch
organisirte stickstoffhaltige organische Stoffe erwiesen sich, soweit sie bis jetzt
Verwendung fanden, als schlechte Nahrungsmittel des
alkoholischen Hefepilzes. Gährungsansätze, welchen diese eiweißartigen oder die
anderen genannten Stoffe als einzige stickstoffhaltige Substanzen zugesetzt waren,
zeigten sich nach minimaler Hefe-Aussaat in allen beobachteten Fällen als
untauglich zu einer irgendwie erheblichen alkoholischen Gährung. Ammoniaksalze und stickhoffhaltige organische Stoffe,
welche in ihrer Constitution dem Ammoniak nahe stehen (anscheinend ungefähr
dieselben, welche auch gelegentlich die höhere grüne Pflanze mit Stickstoff zu
versorgen vermögen), sind vollkommen im Stande, den Hefepilz
bezüglich seines Stickstoffgehaltes zu ernähren, wenn sie auch keine sehr üppige
Entwickelung desselben, keine sehr intensive Gährung ermöglichen. Dennoch verhält
sich der Hefepilz in seiner Stickstoffernährung nicht der
höheren grünen Pflanze analog; denn derselbe ist absolut unfähig, sich auf
Kosten von Salpetersäure, der Hauptbezugsquelle des
Stickstoffes für jene, mit Stickstoff zu versorgen.
Als stickstoffhaltiger Körper von ganz ausgezeichneter
Fähigkeit, den Hefepilz zu ernähren und starke alkoholische Gährungen zu
unterstützen, wurde in vielen Versuchen das nach der französischen und Waßmann'schen Methode dargestellte Pepsin erkannt. Ebenso erwies sich die in der Bierwürze enthaltene Diastase als ein guter stickstoffhaltiger Nährstoff jenes
Pilzes. Es wurde aber zugleich ausdrücklich nachgewiesen, daß diese Befähigung in keinerlei Zusammenhang steht mit der Fermentbefähigung dieser Körper; denn es war für die
beobachtete Wirksamkeit ganz und gar gleichgültig, ob man jene Fermentbefähigung
zuvor durch Erhitzen auf den Kochpunkt zerstörte oder nicht, und gerade diejenigen
Darstellungsweisen jener als chemische Individuen noch unbekannten Stoffe, welche
die größte Fermentwirkung sicher stellten, erwiesen sich mehrfach für die
Nährfähigkeit derselben am untauglichsten und umgekehrt.
Die meisten der hier für die Stickstoffernährung des Hefepilzes aufgestellten Sätze
sind ausschließlich Resultate der Versuche des Verfassers und noch nicht Gegenstand
einer öffentlichen Discussion gewesen. Nur einer, die Nährfähigkeit der
Ammoniaksalze, ist ursprünglich von PasteurAnnales de Chimie et de Physique (3. série), t. LVIII
p. 381. aufgefunden, dann von DuclauxComptes rendus, t. LIX p. 450. bestätigt worden und hat kürzlich in der citirten Liebig'schen Abhandlung Angriffe erfahren. Auf diese Angriffe ist in
unserer Quelle Rücksicht genommen.
In Bezug auf den Stoffwechsel, welchen die Hefepflanze unterhält, betrachtet der
Verfasser Folgendes als nunmehr experimentell festgestelltes Resultat.
Die Ernährung des Hefepilzes und die alkoholische Gährung steht nicht bloß mit der
Aufnahme ganz gewisser stickstoffhaltiger Nahrungsmittel durch ersteren in
Beziehung, sondern ist auch an einen wahren
Stickstoffumsatz unabänderlich geknüpft, d. h. der Hefepilz scheidet bei
der alkoholischen Gährung nicht bloß stickstofffreie Stoffe, wie Alkohol,
Kohlensäure und einige andere, sondern auch regelmäßig stickstoffhaltige Stoffe unbekannter Natur, die nun
nicht wieder zu seiner Ernährung dienen können, aus.
Dieser schon durch ältere Versuche wahrscheinlich gemachte Sachverhalt wird nach der
Ansicht des Verfassers zur Gewißheit erhoben durch neuere Versuche von ihm, aus
denen hervorgeht, daß in mehreren Gährungsansätzen, welche sich durch nichts von
einander unterscheiden, als durch die verschiedenen Mengen stickstoffhaltiger
Nährstoffe (wovon aber selbst der geringste Zusatz genügen muß, um für die möglichst
intensive Vergährung des anfänglich vorhandenen Zuckers auszureichen), nach
regelmäßig erneutem Zuckerzusatz und Entfernung der stickstofffreien
Gährungsproducte derjenige Ansatz sich am frühesten unfähig erweist, den Hefepilz weiter zu ernähren,
welcher die geringste Menge stickstoffhaltiger Nährstoffe einschließt.
Dieses Resultat, zusammengehalten mit dem längst erbrachten Nachweis, daß unter
diesen Verhältnissen die Hefe nicht bloß relativ, sondern auch absolut fort und fort an Stickstoff verarmt,
zeigt unwiderleglich daß bei der alkoholischen Gährung ein solcher Stickstoffumsatz
in dem vorhin erläuterten Sinne thatsächlich besteht.
In Bezug endlich auf die Hauptfrage der Discussion, die Art und
Weise des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Hefepilz-Ernährung und
alkoholischer Gährung, läßt sich nach dem Verfasser auf Grund aller
einschlagenden Untersuchungen die folgende Auffassung mit dem größten Erfolge
vertheidigen. Der Verfasser nimmt dabei von einem scheinbar nicht hierher gehörigen
Punkte Ausgang.
Der Hefepilz bedarf zu seinem Leben und zur Erfüllung seiner
normalen Functionen (wenigstens in dem Vegetationsstadium, in welchem
allein wir mit ihm zu schaffen haben), abweichend von den Existenzbedingungen fast
aller anderen Classen von Organismen und selbst aller in Bezug auf die Vorgänge bei
ihrer Ernährung einigermaßen studirten Pilze, nicht der
Zuführung von freiem Sauerstoff, er athmet nicht in dem Sinne, wie dieß
alle höheren Pflanzen und Thiere, wie dieß ferner von den ihm nahe stehenden
Organismen z. B. die Hutpilze, die Schimmelarten und die (an der Oberfläche von
Flüssigkeiten) Häute bildenden mycoderma-artigen
Formen thun. Aus diesem Grunde darf der Satz, dessen durchgehende Gültigkeit
namentlich nach der Entdeckung der Sauerstoff-Athmung aller grünen Gewächse
ziemlich allgemein als bewiesen angesehen wurde, daß ein jeder
Organismus in dem Grade, als er gewisse intensive Lebensäußerungen
vollziehe, der Aufnahme von Sauerstoff unumgänglich nothwendig
bedürftig sey, in dieser engen Form nicht aufrecht erhalten werden. Es kann
derselbe aber im Einklang mit allen auf diesem Gebiete vorliegenden Untersuchungen
dahin abgeändert werden,
daß einem jeden Organismus zum Vollzug seiner
Lebenserscheinungen chemische Spannkräfte zur Verfügung stehen müssen, und daß
es ein wesentliches Merkmal jener bestimmten Lebenserscheinungen ist, daß solche
chemischen Spannkräfte dabei in die Form von Wärme oder mechanischer Bewegung
übergehen. Daß diese chemischen Spannkräfte in der Affinität von Sauerstoff
zu organischer Substanz bestehen, muß als ein specieller
Fall jener allgemeinen Gesetzmäßigkeit, freilich als der gewöhnlichst
eintretende, betrachtet werden; sie können aber theoretisch ebenso gut und
thatsächlich durch die Affinitäten, welche durch innere
Spaltungen organischer Körper ohne Sauerstoffzutritt frei werden,
repräsentirt werden.
Gesteht man diese (theoretisch ja so unwesentliche) Abänderung jenes bekannten Satzes
zu, so tritt der gesammte Lebensproceß des Hefepilzes in der Zuckerlösung durchaus
in die Reihe der uns geläufigen Stoffwechsel-Vorgänge der höheren Organismen
ein, und zugleich wird uns eine Reihe von Erscheinungen bei der Ernährung des
Hefepilzes leicht verständlich. Der Zerfall eines Kohlehydrats in Alkohol und
Kohlensäure ist mit einem Verluste an chemischen Spannkräften verbunden;Berthelot im Jahresbericht der Chemie, Bd. XVIII S. 602; man vergl. auch des Verfassers
Lehrbuch der Agricultur-Chemie, Bd. I S.
96. der gebildete Alkohol hat eine erheblich kleinere Verbrennungswärme, als
derjenigen Menge Zucker, aus welcher er bei der Gährung hervorgegangen ist,
entspricht. Somit bietet dieser Zerfall in dem erläuterten Sinne die größte
Aehnlichkeit mit einer Verbrennungs-Erscheinung dar, und man könnte ihn
vielleicht, um hieran zu erinnern, als innere Verbrennung
bezeichnen.
Machen wir nun Anwendung von dieser Analogie für einen ganz bestimmten Fall. Das
Protoplasma, jener dickflüssige oder körnige, (vermuthlich) eiweißreiche Theil des
Zellsaftes, von dem alle pflanzlichen Lebenserscheinungen direct oder indirect
auszugehen scheinen, aller der Sauerstoffzufuhr bedürftigen Pflanzen ist der
eigentliche Sitz der Athmungserscheinungen bei denselben. Es ist eine jedem
Pflanzenphysiologen geläufige Thatsache, daß ein Protoplasma, welches vegetabilische
Neubildungen, d. i. zunächst Ablagerungen von Zellhäuten aus seinem zuckerhaltigen
Bildungssafte vollzieht, nothwendig eine Verbrennung von erheblicher Stärke in sich
unterhält, und daß in Folge dessen protoplasmareiche Pflanzentheile, welche in sehr
intensiver Organvermehrung, also in neuer Zellbildung begriffen sind, auch eine
besonders intensive Athmung unterhalten. Die Bildung von Cellulose aus den
zuckerartigen Bestandtheilen des Bildungssaftes ist ein Vorgang, dessen Chemismus wir
zur Zeit nicht kennen, der aber, wie wir sehen, in der allerengsten Abhängigkeit steht von einem
anderen Chemismus, in Folge dessen ein weiterer Theil der organischen
Substanz des Bildungssaftes durch Oxydation zerstört wird.
Die Neubildung der Hefezellen geschieht bei näherem Hinblick in genau analoger Weise.
Auch hier ist der Proceß der Ablagerung der Cellulose der neu entstehenden
Sprossungen aus einem zuckerhaltigen Protoplasma unabänderlich an einen anderen
chemischen Vorgang geknüpft, welcher aber dießmal nicht in einer vollständigen Verbrennung eines anderen Theiles der
organischen Substanz des Zellsaftes, sondern in einer inneren
Spaltung eines anderen Theiles des Zuckers des Zellsaftes in niedriger und
in höher oxydirte Producte besteht, bei welcher aber gleichfalls, wie bei jener
Verbrennung, chemische Spannkräfte verloren gehen. Durch die gemachte Generalisation
wird also eine einzelne, für sich räthselhafte Naturerscheinung zwanglos einer
bekannten Classe von Erscheinungen eingereiht, und auf diese Weise glücklich der
Causalnexus zwischen Zuckerzerfall und Hefesprossung mit einer großen
Wahrscheinlichkeit nachgewiesen.
Es ist unbekannt, wie viele Gewichtstheile organischer
Substanz in jenem ersteren Falle der Sauerstoffathmung von Pflanzen nothwendig
zerstört werden müssen, damit ein Gewichtstheil in der Form von Cellulose abgelagert
wird; aber jedenfalls erscheint uns — wenn wir die gezogene Parallele weiter
verfolgen — diejenige Menge des Zuckers, welche in Alkohol und Kohlensäure
zerfallen muß, damit ein Gewichtstheil desselben als Zellhaut der neuen Sprossungen
Verwendung findet, unverhältnißmäßig groß.Man vergl. v. Liebig's citirte Abhandlung über
Gährung S. 15. Allein auch dieses scheinbare Mißverhältniß wird uns leicht verständlich,
wenn wir den Gesichtspunkt, auf dem jene Vergleichung beruhte, im Auge behalten, und
bedenken daß bei dem vorliegenden Spaltungsprocesse eine sehr viel kleinere Menge
von chemischen Spannkräften verfügbar wird, als bei einer vollständigen Verbrennung,
indem doch die Voraussetzung sehr nahe liegt, daß die Gleichheit der verlorenen
Spannkräfte für die analogen Fälle als Maaßstab dienen müsse.
Bei dem ganzen Vorgange ist es nothwendig, sich den Zucker des
protoplasmatischen Zellsaftes der Hefe als einerseits zur neuen
Zellstoff-Ablagerung dienend, andererseits jene Spaltung erleidend zu denken,
und nur anzunehmen, daß der Verlust dieses Zuckers bei der gewöhnlichen Gährung in
zuckerhaltigen Flüssigkeiten durch Aufnahme von Zucker von Außen immer wieder gedeckt werde. Dieser
letztere Vorgang würde ein einfach osmotischer seyn.
Die so gewonnene Vorstellung erscheint als die einfachste und natürlichste, und sie
erlaubt uns auch, wie sich durch einiges Nachdenken ergibt, diejenigen Vorgänge bei
der alkoholischen Gährung auf jenen gemeinschaftlichen Gesichtspunkt zurückzuführen,
welche Pasteur anfangs so befremdlich entgegen getreten
sind,Annales de Chimie et de Physique (3. série), t. LVIII p.
354. und die auch LiebigMan vergl. seine Abhandlung über Gährung S. 14. als eine
unüberwindliche Schwierigkeit für die Pasteur'sche
Theorie anzusehen geneigt erscheint, nämlich jene Vorgänge der Alkohol- und
Kohlensäurebildung aus der Substanz der Hefe selbst in Abwesenheit einer
Zuckerlösung, die Erscheinung der Selbstgährung der Hefe, welche in dieser eintritt,
wenn nur die übrigen Bedingungen der Vegetation des Hefepilzes erfüllt sind.Poggendorff's Annalen, Bd. LXVII S. 408.
Liebig sucht trotz des Zugeständnisses des ursächlichen
Zusammenhanges zwischen Hefepilz-Ernährung und alkoholischer Gährung die
früher vertretene mechanische Gährungstheorie auch für diesen speciellen Fall in
einem gewissen höheren Sinne aufrecht zu erhalten, indem er dem Hefepilz die
Erzeugung des fermentartigen, auf Zuckerzerspaltung wirtenden Körpers zuschreibt,
und darauf hindeutet, daß die Ausscheidung eines ähnlichen, die Intervertirung des
Rohrzuckers bewirkenden Fermentkörpers durch jenen Organismus Thatsache sey. Gegen
die dahin gerichteten Ausführungen läßt sich geltend machen, daß der letztere
Fermentkörper getrennt von der Hefezelle erhalten werden kann und seine Wirkungen
ausübt, mährend jener hypothetische noch auf keine Weise getrennt von seinem
Mutterorganismus dargestellt werden konnte, daß mithin neue Hypothesen zur
Aufrechthaltung jener ersten nothwendig werden. Ganz ähnliche, die
Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese auf ein Minimum herab drückende Einschränkungen
sind für dieselbe in Folge des Resultates des bekannten Lüdersdorff'schen VersuchesBezüglich der näheren Begründung verweist der Verfasser auf die ausführliche
Veröffentlichung, die in den „Landwirthschaftlichen
Versuchsstationen“ so eben erfolgte. und der
Resultate einiger kürzlich von dem Verfasser angestellten Versuche nothwendig,
welche letzteren zeigen, daß die Gährungsbefähigung der Hefe bei einer niedrigeren
Temperatur erlischt, als das Intervertirungsvermögen jenes Fermentkörpers, mithin
die Analogie, auf welche hin die Hypothese einige Wahrscheinlichkeit zeigte, gar
nicht vorhanden ist. (Polytechnisches Centralblatt, 1871 S. 578.)