Titel: | Ueber die Bildung durchsichtiger, dem Steinsalze ähnlicher Salzwürfel; von Dr. I. A. Buchner. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. LXV., S. 247 |
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LXV.
Ueber die Bildung durchsichtiger, dem Steinsalze
ähnlicher Salzwürfel; von Dr. I. A.
Buchner.
Buchner, über Bildung durchsichtiger Salzwürfel.
Herr Mohr hat vor ein paar Jahren durch einige
Beobachtungen welche in Poggendorff's Annalen der Physik
und Chemie, 1868, Bd. CXXXV S. 667 in einem Aufsatze
„Ueber Steinsalzbildung“ beschrieben sind, die Bedingungen
ausgemittelt, unter welchen das Kochsalz aus einer reinen Lösung in durchsichtigen
Würfeln wie das Steinsalz zu krystallisiren vermag. Er bemerkte nämlich in einer
gesättigten Kochsalzlösung, welche mehrere Monate lang in einem hohen Glase an einem
kühlen Orte stehen geblieben war, eine Anzahl regelmäßiger kleiner Würfel auf dem
Boden des Glases. Da die Krystalle hier fest hafteten, alle einzeln saßen und nicht
in Krusten zusammenhingen, so war klar, daß dieselben sich nicht an der Oberfläche
der Salzlösung, sondern auf dem Boden gebildet hatten. Es mußte in diesem Falle eine
den Sättigungspunkt überschreitende Concentration, eine Uebersättigung der
Salzlösung stattgefunden haben, deren Ursache Hr. Mohr
durch die Annahme erklärt, daß eine Salzlösung in Berührung mit anderen Körpern, z.
B. Glas, eine größere Menge Kochsalz müßte enthalten können, als wenn noch Kochsalz
vorhanden ist.
Die Theorie der Steinsalzbildung besteht nach Hrn. Mohr
darin, daß die Kochsalzlösung durch Verdunstung eine Uebersättigung annehmen kann,
die aber in Berührung mit Kochsalz nicht bestehen zu bleiben vermag. An der
Oberfläche findet durch Verdunstung die Uebersättigung statt, durch Diffusion
gelangt sie an den Boden der Flüssigkeit, wo die Steinsalzkrystalle liegen und der
übersättigten Lösung ihren Ueberschuß von Kochsalz wieder entziehen, wodurch diese
leichter gewordene Flüssigkeit mit der oberen übersättigten wieder wechselt; dieß
findet so lange statt, als die Verdunstung dauert, und die Salzmenge welche sich in
der Flüssigkeit über den Sättigungspunkt ansammelt, wird ihr am Boden immer wieder
durch Steinsalzbildung entzogen.
Ich hatte in letzter Zeit ebenfalls Gelegenheit, einige Beobachtungen über die
Bildung regelmäßiger durchsichtiger Salzwürfel zu machen. Während Hr. Mohr die Bedingungen der Steinsalzbildung in reiner
Kochsalzlösung ausmittelte, sind aber meine Beobachtungen über die Entstehung
durchsichtiger Krystalle und zwar nicht nur von Chlornatrium, sondern auch von
diesem isomorphen Chloriden mit Salzgemischen gemacht worden.
So beobachtete ich, daß sich sehr schöne Kochsalzwürfel auf dem Boden eines Fasses
gebildet hatten, in welchem ein paar Jahre lang Salzmutterlauge von der Saline zu
Berchtesgaden in meinem Laboratorium stehen geblieben war. Das Faß war, nachdem man
den zur Analyse nöthigen Theil der Mutterlauge herausgenommen hatte, wieder gut
verschlossen worden, aber mit der Zeit sickerte ein Theil der Flüssigkeit am unteren
Theile des Fasses heraus und kam hier zur Verdunstung, was durch das poröse
Ziegelpflaster, auf welchem das Faß stand, begünstigt wurde.
Diese Salzwürfel bildeten sich ganz unter den von Hrn. Mohr ausgemittelten Bedingungen für die Steinsalzbildung. Eine Verdunstung
nach Oben konnte in dem gut verschlossenen Fasse nicht stattfinden, mithin war auf
der Oberfläche der gesättigten Salzlösung auch keine Krystallisation möglich. Diese
erfolgte sehr langsam und ruhig in den untersten Schichten der Flüssigkeit, wo in
Folge des Durchsickerns durch die Poren des Fasses Verdampfung und Uebersättigung
der Salzlauge statt hatte. In dem Maaße als das Salz herauskrystallisirte und die
Lauge wieder auf den früheren Grad der Sättigung zurückkehrte, trat auch durch
weiteres Durchsickern und Verdunsten von Wasser wieder Uebersättigung der die
Salzkryställchen umgebenden Flüssigkeit ein; die Salzwürfel konnten hier mitten in
einer lange auf ziemlich gleichem Grade der Concentration bleibenden Flüssigkeit
langsam unter Bedingungen wachsen, welche zur Bildung regelmäßiger Krystalle kaum
günstiger gedacht werden können.
Eine zweite Beobachtung der Bildung durchsichtiger Kochsalzwürfel machte ich an einer
Mischung von flüssigem Eisenchlorid und Chlornatrium, welche ich herstellte, um zu
sehen ob sich nicht durch langsame Verdampfung derselben ein Doppelsalz in
Krystallen erhalten lasse, welches als blutstillendes Mittel besser angewendet
werden könnte, als das immer mehr oder weniger freie Säure enthaltende flüssige
Eisenchlorid, welches auf den Wunden einen brennenden Schmerz verursacht. Nachdem
die Mischung in der Wärme concentrirt worden war, schied sie in der Kälte ein
Haufwerk kleiner Kochsalzkrystalle ohne Eisenchlorid aus.
Die davon abgegossene dicke Eisenflüssigkeit blieb dann bei gewöhnlicher Temperatur
mehrere Wochen lang in einer mit Papier bedeckten Schale stehen und als sie hierauf
in ein anderes Gefäß gegossen wurde, fanden sich auf dem Boden der Schale ganz
schöne kleine Kochsalzwürfel, welche nach dem Abpressen zwischen Fließpapier
vollkommen klar und farblos wie das reinste Steinsalz erschienen.
Ich glaube, daß gerade die Eigenschaft des Eisenchlorides, den es umgebenden Medien
Wasser zu entziehen, in dem gegebenen Falle die Bildung regelmäßiger
Kochsalzkrystalle begünstigt habe. Hier befand sich eine gesättigte Lösung von
Eisenchlorid neben einer solchen von Kochsalz; indem die Theilchen der ersteren
denjenigen der letzteren in den unteren Schichten der Mischung langsam Wasser
entzogen, trat bei diesen eine allmähliche Uebersättigung und mithin die Bedingung
zu einer regelmäßigen Krystallbildung ein. Auch andere zerfließliche Salze scheinen
aus derselben Ursache der Steinsalzbildung günstig zu seyn. Bei der oben
beschriebenen Bildung von schönen Steinsalzwürfeln in einer Salinenmutterlauge
befanden sich die Theilchen der gesättigten Kochsalzlösung in Berührung mit
denjenigen einer concentrirten Lösung des Chlormagnesiums, welches bekanntlich eines
der hygroskopischsten Salze ist und deßhalb der damit gemischten Kochsalzlösung
Wasser entziehen kann.
Ebenso wie das Chlornatrium läßt sich nach meiner Erfahrung auch das Chlorkalium in
ganz durchsichtigen Würfeln erhalten, wenn man Sorge trägt daß die Flüssigkeit sehr
langsam verdunste und die Krystallisation am Boden stattfinde.
Mit Theertheilen verunreinigten Salmiak hat man schon öfters in wohlausgebildeten
braun gefärbten Würfeln krystallisirt erhalten, aber aus einer reinen Auflösung
krystallisirt dieses Salz in der Regel nicht deutlich. Glasartig durchsichtige,
obwohl nicht vollkommen regelmäßige Krystalle von Chlorammonium fand ich in einem
Glase vor, in welchem viele Jahre lang eine Auflösung von Kupferchlorid und Salmiak,
der sogenannte Köchlin'sche Kupferliquor, Liquor Cupri ammoniatomuriatici, aufbewahrt worden war.
Wegen nicht vollkommenen Verschlusses dieses Glases mit einem Glasstöpsel
verdunstete nach und nach das Wasser der Flüssigkeit und die Salze blieben im
krystallisirten Zustand zurück. Auch bei dieser Krystallisation fand theilweise eine
scharfe Trennung der Salze statt. Die den größten Theil des Bodens vom Glase
bedeckenden Salmiakkrystalle erschienen nicht nur durchsichtig, sondern auch ganz
farblos und kupferfrei; alles Kupferchlorid war, mit einem Theile Chlorammonium zu
Kupfersalmiak verbunden, an den Seiten als wohlausgebildete blaue oktraëdrische
Krystalle abgelagert.
Die hier mitgetheilten Beobachtungen beweisen also, daß auch aus gemischten
Salzlösungen dem Steinsalze ähnliche durchsichtige Salzwürfel krystallisiren können,
wenn die Verdunstung des Wassers sehr langsam erfolgt und die Krystallisation des
Salzes am Grunde der Flüssigkeit vor sich geht. Auch das natürliche Steinsalz hat
sich aus einer gemischten Salzlösung abgelagert. Ja es scheint den oben
beschriebenen Beobachtungen zufolge die Gegenwart gewisser anderer, besonders
hygroskopischer Salze die Steinsalzbildung eher zu begünstigen, als zu hemmen. Das
bei der Krystallisation aus gemischten Lösungen stattfindende gegenseitige Abstoßen
ungleichartiger Molecüle neben gleichzeitiger Anziehung der gleichartigen bringt,
wie obige Fälle zeigen, manchmal eine scharfe Trennung der aus der Lösung
krystallisirenden Salze hervor. (Im Auszuge aus den
Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften in München; durch das bayer.
Industrie- und Gewerbeblatt, 1871 S. 157.)