Titel: | Behandlung der Fruchtsäfte, nach N. Gräger. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. LXX., S. 266 |
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LXX.
Behandlung der Fruchtsäfte, nach N. Gräger.
Gräger, über Behandlung der Fruchtsäfte.
Für die Behandlung der Fruchtsäfte hat N. Gräger in dem
empfehlenswerthen Buche „Schedel's
Destillirkunst“ (Weimar, B. F. Voigt,
1871), dessen 7. Auflage er bearbeitete, folgende neue Methoden angegeben, durch
welche man sehr klare, schön gefärbte Säfte von besonders angenehmem Geschmack und
Arom erhalten soll.
1) Himbeersaft. Völlig reife und von allen angegangenen
Beeren befreite Himbeeren werden in einer großen irdenen Schale mittelst einer
hölzernen Reibkeule zu einem gleichförmigen Maisch gerieben. Dann setzt man zu
demselben 5 bis 10 Proc. Trauben- oder Rohrzucker, und überläßt das Ganze,
während man es von Zeit zu Zeit umrührt, sich selbst. Durch den bei der Gährung
entstehenden Alkohol werden nicht nur die Pectinstoffe abgeschieden, so daß der von
den Kernen abgepreßte Saft sich sehr vollkommen klärt, sondern der Saft selbst nimmt
auch außer dem Himbeergeruch einen sehr angenehmen Geruch nach Essigäther oder einer
anderen Verbindung des Aethyloxydes mit einer Säure an.
Man kann den Saft, auf einzelne Flaschen gefüllt, für sich aufbewahren und ihn zur
Darstellung von Himbeersyrup oder auch, mit gleichen Theilen Weingeist von 90 Proc.
Tr. vermischt, zur Anfertigung von Ratafia benutzen.
2) Heidelbeersaft. Nach der bei der Bereitung des
Himbeersaftes befolgten Methode läßt sich auch ein sehr schöner Heidel- oder
Blaubeersaft erhalten. Man zerdrückt die von allen fremdartigen Theilen befreiten
Heidelbeeren in einer großen irdenen Schüssel oder einem hölzernen Eimer, setzt 10
Proc. Traubenzucker und etwas Weinsäure hinzu, und läßt den Zucker vergähren. Der
hier entstandene Alkohol, in Verbindung mit der Säure, löst den Farbstoff der
Heidelbeeren, so daß der von denselben abgepreßte Saft eine tief gesättigte,
prachtvoll rothe Farbe besitzt, und man ein Product erhält, mit welchem der auf die
gewöhnliche Weise dargestellte Heidelbeersaft sich nicht vergleichen läßt.
3) Erdbeersaft. Zur Darstellung dieses Saftes verdient die
Wald-Erdbeere (Fragaria vesca) ihres äußerst
angenehmen Geruches, sowie auch ihres geringen Wassergehaltes wegen vor allen
anderen Sorten den Vorzug.
Man bringt 2 Pfund der durch sorgfältiges Auslesen gereinigten Erdbeeren, ohne sie zu
zerquetschen, in eine weithalsige Flasche, welche davon nur etwa bis zur Hälfte
oder zu 2/3 angefüllt wird, setzt 2½ pfd. fein gestoßenen Zucker zu,
schüttelt gut durcheinander und läßt die Flasche mit öfterer Wiederholung des
Umschüttelns, ohne sie zu erwärmen, bei gewöhnlicher Temperatur stehen. Der Zucker
bemächtigt sich nach und nach des Wassers der Erdbeeren, einen klaren gewürzhaften
Syrup bildend, während die Erdbeeren zu einer trockenen Masse ohne allen Geruch und
Geschmack zusammenschrumpfen, worauf man sie mittelst Colirens durch ein leinenes
Tuch leicht vom Safte trennt, den man entweder für sich oder mit dem fünften Theile
Weingeist gemischt aufbewahrt.
Das Erdbeer-Aroma ist ein so zartes, daß es durchaus kein Erwärmen, überhaupt,
ohne sich zu verflüchtigen, keine Operationen verträgt, die es längere Zeit mit der
Luft in Berührung bringen.
4) Kirschsaft. Zur Darstellung des Kirschsaftes verwendet
man stets eine Sauerkirsche, und zwar am besten die Amarelle; sie ist die einzige
Kirsche, bei welcher durch Gährung ein eigenthümliches starkes und angenehmes
Bouquet entwickelt wird.
Die von den Stielen befreiten Kirschen werden in den sogenannten Kirschmühlen, welche
der Traubenmühle ganz ähnlich sind und im Wesentlichen aus zwei in entgegengesetzter
Richtung um ihre Achse sich drehenden, so weit genäherten Walzen bestehen, daß auch
die Steine der Kirschen zerdrückt werden, gemahlen. Der Obstbrei kommt hierauf in
eine 4 Zoll über ihrem Boden mit einem Siebboden versehene Bütte; der Siebboden wird
entweder mit sehr grober Leinwand oder auch glatt mit Stroh belegt; dicht unter
diesem Blindboden findet sich in einer Daube eine kleine Oeffnung für das Entweichen
der durch den Saft verdrängten Luft zwischen dem Sieb- und dem unteren Boden;
ohne diese Oeffnung würde der Saft nicht durch den Siebboden gehen; dicht über dem
Boden ist ein hölzerner Hahn zum Ablassen des Saftes eingesetzt. Nachdem aller Saft
abgetropft ist, kommt der Brei unter die Presse, damit man den noch darin
enthaltenen Saft gewinne. Um dem Safte einen bittermandelartigen Geschmack zu
ertheilen, muß man die Kerne für sich mit etwas Saft oder
Wasser zu einem Brei zerquetschen und diesen dem Safte zusetzen.
Auch den Kirschsaft kann man nach Zusatz von 4 bis 5 Procent Traubenzucker eine
Gährung überstehen lassen; man erhält alsdann einen schwachen Kirschwein, der nicht
nur viel haltbarer ist als der nicht gegohrene Saft, sondern auch, besonders wenn
man Amarellen genommen hat, ein sehr angenehmes Bouquet besitzt.
Johannisbeersaft. Bei der Darstellung des
Johannisbeersaftes kann man ebenso verfahren, wie beim Himbeersaft angegeben ist;
man zerquetscht die von
ihren Kämmen entfernten Beeren in einem hölzernen Mörser, setzt 10 Proc.
Traubenzucker zu, und läßt vergähren. Der hier sich bildende Alkohol mit der
vorhandenen Säure ist genügend, den rothen Farbstoff besser zu lösen, als es der
Saft ohne Weingeist thun würde. Man erhält also einen Saft nicht nur von schönerer
rother Farbe, sondern auch von größerer Haltbarkeit, neben einem gewissen angenehmen
Bouquet. Man würde auch 20 Proc. Zucker anwenden können und dann einen
Johannisbeerwein, freilich sehr sauer, was jedoch hier nicht schadet, erhalten.
Bereitung der Zuckersäfte. — Bei Befolgung
nachstehender Regeln wird man stets in jeder Beziehung tadellose Syrupe
erhalten.
Als ein richtiges Verhältniß zwischen dem Safte und dem dazu zu nehmenden Zucker hat
sich das von 5:8, d. h. auf 5 Gewichtstheile Saft 8 Gewichtstheile Zucker,
herausgestellt.
Man vermeide, so weit es immer angeht, bei Bereitung der Frucht-Zuckersyrupe
die Anwendung metallener Geräthschaften; sie wirken nicht nur oft nachtheilig auf
die Farbe des Saftes, sondern dieser wird auch sehr oft durch das Metall, gewöhnlich
Kupfer, verunreinigt, welches von der Säure des Saftes aufgelöst wird.
Man wende stets eine gute Raffinade an, und zwar nicht, wie gewöhnlich vorgeschrieben
wird, gepulvert, sondern in großen Brocken, auf die man nur eben so viel Wasser oder
Saft aufgießt, daß sie sich voll saugen, sie zergehen dann nach einiger Zeit von
selbst, worauf man die noch rückständige Flüssigkeit hinzu gießt und das Ganze schnell zum Sieden bringt. Man lasse nur wenige Minuten
kochen und gebe alsdann den Zuckersaft durch das auf einem Tenakel aufgespannte und
vorher in mit etwas verdünnter Schwefelsäure versetztem Wasser ausgewaschene und gut
wieder ausgerungene wollene Tuch, oder auch durch einen ebenso behandelten wollenen
Spitzbeutel. Das Abschäumen, was gewöhnlich mittelst eines metallenen Schaumlöffels
geschieht und schon aus diesem Grunde nicht empfehlenswerth ist, ist ganz
überflüssig. Getheilte Arbeit ist auch hier von Segen, und der
Liqueur-Fabrikant soll nicht den Zuckerraffineur machen, schlechten Zucker
anwenden und ihn durch Eiweiß klären wollen, wobei oft ein größerer Verlust
stattfindet, als dem Preisunterschiede zwischen Raffinade und Melis- oder gar
Krümelzucker angemessen ist.
Man bringe die Säfte nur vollkommen abgekühlt in die zu ihrer Aufbewahrung bestimmten
Gefäße. Muß man die Säfte heiß einfüllen, so darf man nicht vergessen, nachträglich
noch den leeren Raum auszufüllen, welcher durch die Abkühlung des Saftes entstanden
ist. Unterläßt man diese Vorsicht, so kann ein theilweises Verderben des Saftes
dadurch herbeigeführt
werden, daß die Wasserdämpfe, welche sich aus dem noch heißen Safte entwickeln und
in dem leer gebliebenen Raume ansammeln, sich bei der Abkühlung an der Wand des
Gefäßes niederschlagen und die obere Schicht des Syrupes dergestalt verdünnen, daß
dieser, wenn er nicht sehr kühl aufbewahrt wird, oberflächlich in Gährung geräth und
dann oft durch seine ganze Masse von sich ausscheidender Hefe trübe wird.
So zubereitete Zuckersäfte enthalten 70 Proc. Zucker, und ihr specifisches Gewicht
ist 1,35. In einem Liter Saft = 2,7 Pfd. sind daher 2,7 × 0,7 = 1,89 Pfd.
Zucker enthalten, oder man braucht für 10 Pfd. Zucker 5¼ Liter Saft. Soll 1
Liter Liqueur 1 Pfd. Zucker enthalten, so hat man daher 0,525 Liter Zuckersaft mit
0,475 Liter Liqueurspiritus zu vermischen; enthielt letzterer 76 Proc. Tr., was man
als Durchschnitt annehmen darf, so besitzt der mit dem Safte gemischte Liqueur 36
Proc. Tr., also die gewöhnliche Stärke der Liqueure.
Das Zuckerkochen.— Obgleich, wie man sieht, die auf
vorstehende Weise dargestellten Zuckersäfte noch gehaltreich genug sind, daß man
vermittelst derselben selbst einem verhältnißmäßig schwachen Liqueurspiritus die
wohl selten zu überschreitende Menge von 1 Pfd. Zucker auf 1 Liter Liqueur à 36 Proc. Tr. geben könne, zieht man doch für die
feineren Liqueure einen Saft vor, welchen man längere Zeit hat kochen lassen, indem
man behauptet, daß ein solcher Saft dem Liqueur einen milderen, gleichsam öligen
Geschmack ertheile. Und allerdings ist es eine bekannte Thatsache, daß die Liqueure,
ähnlich wie die Weine, durch längeres Lagern milder werden und eine ölige Consistenz
annehmen.
Wenn wirklich ein länger im Kochen erhaltener Zuckersaft die gleiche oder ähnliche
Wirkung erzeugt, so kann dieß wohl nur darauf beruhen, daß dadurch der Zucker an
seiner Krystallisationsfähigkeit verliert und in eine andere Modification übergeht.
Hiernach würde also der Zweck des längeren Kochens nicht darin bestehen, eine
concentrirte Zuckerlösung zu erhalten, sondern darin, jene Umwandlung
herbeizuführen. Das starke Sieden einer concentrirten Zuckerlösung ist jedoch stets
mit einer gewissen Gefahr für die Farbe und den Geschmack des Zuckers verbunden;
auch sind die Angaben, es solle 1, 1½ oder 2 Stunden gekocht werden, so vage,
daß sie wenig Anhalt bieten. Viel sicherer wird man den erwähnten Zweck erreichen,
wenn man das verkochende Wasser immer wieder ersetzt und eine gewisse Zeit hindurch
ein mäßiges Sieden unterhält. Man würde zu dem Ende den Zucker in seinem gleichen
Gewicht Wasser lösen, zum Sieden bringen, in Wasser aufgelöstes Eiweiß zusetzen, den
entstehenden Schaum mit dem Schaumlöffel entfernen, und bis zu einer beliebigen
Consistenz einkochen, unter zeitweiliger Erneuerung des verdampften Wassers. Das specifische Gewicht
des Saftes ergibt seinen Gehalt an Zucker, wornach dann der Zusatz an Saft zu einem
Liqueure zu bemessen ist. (Industrieblätter, 1871, Nr. 14.)