Titel: | Ensom und Spence's Verfahren zur Wollwäscherei und Färberei; von C. Bollé in Manchester. |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. CXII., S. 436 |
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CXII.
Ensom und Spence's Verfahren zur
Wollwäscherei und Färberei; von C.
Bollé in Manchester.
Aus der deutschen Industriezeitung, 1871, Nr.
29.
Bollé, über Ensom und Spence's Verfahren zur Wollwäscherei und
Färberei.
Die bisherigen Wollwaschmaschinen beruhen wesentlich auf der Nachahmung der bei den
einfachsten Bäuchkesseln vom Arbeiter verrichteten Operationen des Umrührens und
Zertheilens der Wolle durch entsprechende selbstthätige Mechanismen. So haben die
Wollwaschmaschinen von Petri, von welchen sich eine auf
der Londoner Ausstellung befindet, außer dem Cylinder noch drei bewegliche Rechen in
jeder Kufe, welche die Wolle vom Boden aufkehren und umwenden und schließlich auf
einen Abführungsapparat bringen, der sie den Preßwalzen zuführt, von denen sie dann
in eine zweite und dritte Kufe gebracht werden, in welchen sich die Operation
wiederholt. Ein von diesem ganz abweichendes Verfahren ist in den Prospect Mills bei Huddersfield in praktischer Anwendung
und wurde vor kurzer Zeit von einer Anzahl Interessenten besichtigt. Es besteht im
Wesentlichen im Durchblasen von comprimirter atmosphärischer Luft durch die
Bottiche, während sich die Wolle in den verschiedenen Laugen darin befindet, um
letztere dadurch zu zertheilen und umzuwenden.
Zur Anlage gehört zunächst eine Anzahl von Wasch- und Färbebottichen, welche
auf gleichem Niveau stehen und durch Rohre mit Ventilabschluß mit einander in
Verbindung stehen. Jeder derselben ist mit Röhren und Ventilen zum Ein- sowie zum Ablassen
von Dampf und Wasser versehen. Außer diesen bedarf man noch einer Anzahl von
kleineren Bottichen, in welchen sich concentrirte Lösungen der verschiedenen zum
Färben nöthigen Flüssigkeiten befinden; diese stehen höher als die Waschbottiche und
hat jeder derselben eine Rohrleitung mit Ventil nach jedem der letzteren. Zum
Durchblasen der Luft dient eine einfach wirkende Dampfmaschine von 34 Zoll
Cylinderdurchmesser und ca. 3 Fuß Hub. Der Dampf tritt
nur unter den Kolben und hebt denselben; ein direct an der Kolbenstange angebrachtes
Gegengewicht bewirkt den Niedergang; die Steuerung ist eine einfache Hebelsteuerung,
ähnlich wie bei Wasserhaltungsmaschinen. Das obere Ende des Cylinders hat mit der
Hand zu öffnende Ventile zum Einlaß für atmosphärische Luft, Wasser oder andere
Flüssigkeiten, sowie Rohrleitung mit Ventilverschluß nach jedem der Waschbottiche.
Eine solche Maschine soll für 35 bis 40 Bottiche ausreichen, doch wurde das
Verfahren nur in Verbindung mit vier Wasch- und Färbebottichen gezeigt,
welche von Holz, 7½ Fuß lang und 6 Fuß breit und tief waren, und ungefähr
1700 Gallons (à 4,5 Liter) faßten. Dieselben enthalten
einen eisernen falschen Boden; der Abstand desselben vom wahren Boden und die Größe
und Anordnung der Löcher sind wesentlich zum Gelingen der Operation und durch
fortgesetzte Versuche ermittelt worden. Die verschiedenen Ventile sind so
angeordnet, daß sie von einer Stelle aus durch einen Wärter geöffnet werden können,
und mit Nummern und sonstigen Bezeichnungen versehen. Zur Verbindung dienten
durchweg vierzöllige Rohre; der angewendete Dampf hatte etwa 40 Pfund Spannung und
war in einem gewöhnlichen cornischen Kessel erzeugt.
Das Verfahren ist nun folgendes. Ein Bottich wird mit Wasser gefüllt, in welches
Dampf eingelassen wird, bis es eine Temperatur von circa
75° C. erreicht hat; die zum Waschen je nach Beschaffenheit der Wolle
nöthigen Chemikalien werden inzwischen zugesetzt. Die Dampfmaschine wird dann
angelassen und preßt eine oder zwei Füllungen von Luft in den Raum unter dem
falschen Boden des Bottiches, welche in Folge der Verhältnisse des Fassungsraumes
des Cylinders zu den Auslaßöffnungen und der geeigneten Kolbengeschwindigkeit mit
einer Pressung von etwa 25 Pfd. pro Quadratzoll in das
Wasser tritt, daselbe in heftige Wallung versetzt und dabei alle Materialien
vollkommen mischt; die Luft entweicht natürlich an der Obersläche. Ein Ballen Wolle
wird dann von der Emballage befreit und ohne weitere Zertheilung in den Bottich
geworfen. In drei Minuten und mit einem Dutzend Durchblasungen wird derselbe mit
geringer Nachhülfe des Arbeiters vollkommen zertheilt, durchnäßt und eingetaucht. Dann wird Dampf
eingelassen und die Wolle etwa eine Viertelstunde lang gekocht, wobei ab und zu ein
oder zwei Mal durchgeblasen wird, um die Wolle in der Flüssigkeit umzuwenden und die
Temperatur in dem ganzen Bottich auszugleichen. Wenn die Wolle genug gewaschen ist,
so wird die heiße Flüssigkeit in den nächsten Bottich gelassen, der, auf gleichem
Niveau stehend, sich halb füllt; durch Wechsel der Ventile wird der Cylinder dann
anstatt mit der Luft mit dem ersten Bottich in Verbindung gesetzt und pumpt den Rest
der Flüssigkeit aus diesem in den zweiten Bottich, was etwa 12 Hübe erfordert. Die
Lauge wird dann durch Zusatz von Chemikalien verstärkt und kann ein zweiter Ballen
in dem zweiten Bottich gleich in Angriff genommen werden. Die Wolle im ersten
Bottich muß nun gespült werden. Dazu wird derselbe mit Wasser gefüllt, wieder ab und
zu Luft durchgeblasen und die Wolle umhergeschlendert. Nach etwa 10 Minuten wird
dieses Wasser abgelassen und durch frisches ersetzt, mit welchem dasselbe Verfahren
etwa 15 Minuten lang wiederholt wird. Darauf wird dasselbe abgelassen und das Färben
begonnen. Aus den höher gelegenen Bottichen mit concentrirten Laugen wird dann je
nach Bedarf die eine oder andere Flüssigkeit nebst Wasser und Dampf auf die Wolle
gelassen, das Ganze im Kochen erhalten und ab und zu durchgeblasen; die gebrauchte
Flüssigkeit wird dann in den zweiten Bottich, in welchem der zweite Ballen
inzwischen gewaschen und gespült worden ist, theils durch Gravitation und theils
durch Pumpen mittelst des Cylinders übergeführt und durch Zusatz der Mutterlauge
verstärkt. Der erste Ballen wird darauf in gleicher Weise mit der Farbstofflösung
behandelt und ist es ersichtlich, daß die Wolle auf diese Weise mit einer beliebigen
Anzahl von Flüssigkeiten nach einander behandelt werden kann, von denen jede nach
der Anwendung von dem ersten Bottich in den zweiten, von dort in den dritten etc.
übergeführt wird, und nur jedesmal der erhaltenen Verdünnung entsprechend verstärkt
werden muß.
Der Hauptvortheil dieses Verfahrens liegt wohl darin, daß die Wolle während des
ganzen Vorganges in einem und demselben Bottich liegen bleibt, also die Arbeit des
Herausnehmens aus den verschiedenen sonst angewendeten Kufen, sowie die Arbeit des
Umwendens erspart wird. Eine Färberei mit einer Dampfmaschine und 40 Bottichen würde
einen Heizer, einen Maschinisten an den Ventilen, einen Färber und vier Taglöhner
zum Füllen und Entleeren der Bottiche, sowie vielleicht einen oder zwei Leute an der
Walzenpresse und Trockenmaschine nöthig haben und könnten mehrere Ballen täglich in
jedem Bottich fertig gemacht werden. Auch dürfte das Durchblasen der comprimirten
Luft durch die
Farbstofflösungen bei vielen Farben vortheilhaft seyn, indem die Wolle dabei mehr
der Einwirkung der Luft ausgesetzt wird als bei der Handmanipulation mit Stangen
oder Abschlagen von den Preßwalzen. Die Erfinder beanspruchen auch eine Ersparniß an
Brennmaterial, resp. geringsten Hitzeverlust bei einer genügenden Zahl von
Bottichen, sowie Ersparniß an Färbmaterialien, indem die Flüssigkeiten heiß von
einem Bottich zum anderen übergeführt und nur nach Bedarf an Hitze und Gehalt
verstärkt werden. Es scheint dieß nicht motivirt, wenigstens ist der Hitze-
und Materialaufwand nicht größer, sondern eher geringer, wenn die Wolle der Reihe
nach in verschiedene Bottiche mit je einer Lauge gebracht und die ausgepreßte Lauge
jedesmal in dieselben zurückgeführt wird. Die directe Feuerung der Färbekessel wird
von manchen Färbern dem hier angewendeten Kochen durch eingelassenen Dampf
vorgezogen, indem sie die dabei erzielbare etwas höhere Temperatur für wesentlich
vortheilhaft für das Färben halten. Dasselbe Resultat ließe sich wohl durch
Anwendung überhitzten Dampfes erreichen, jedenfalls aber läßt sich das Durchblasen
von comprimirter Luft auch bei mit Feuer geheizten Pfannen anwenden, wodurch
namentlich auch eine vollkommene Gleichmäßigkeit der Farbe erzielt werden soll. Im
Ganzen war das Urtheil der den Versuchen beiwohnenden Färber günstig für das
beschriebene Verfahren.
Was die mechanische Einrichtung betrifft, so trägt die Verwendung des Dampfcylinders
gleichzeitig als Luft- und Flüssigkeitspumpe wohl zur Vereinfachung der
Maschinerie bei, ist indessen der Conservirung desselben entschieden nachtheilig und
empfiehlt sich die Anlage eines besonderen Pumpcylinders oder Monte-jus zur
Uebertragung der Flüssigkeiten aus einem Bottich in den anderen.