Titel: | Ueber die Einflüsse der secundären Extracbildung in gährenden Maischen; von Dr. W. Schultze. |
Autor: | W. Schultze |
Fundstelle: | Band 201, Jahrgang 1871, Nr. CXIII., S. 439 |
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CXIII.
Ueber die Einflüsse der secundären Extracbildung
in gährenden Maischen; von Dr. W.
Schultze.
Schultze, über die Einflüsse der secundären Extractbildung in
gährenden Maischen.
I. Die
secundäre Extractbildung und die Attenuationsverhältnisse der
Alkoholmaischwürzen.
Das Extract der Getreide-Kartoffelmaischwürzen liefert bei der Alkoholgährung
Alkohol und Kohlensäure, Hefe und noch andere Producte. Ein Theil der Extractmenge
entgeht stets der Umwandlung und bleibt also unvergohren in wässeriger Lösung
zurück.
Bezeichnet man mit E die vor Beginn der Alkoholgährung
vorhandene Gesammtmenge des Extractes; mit z denjenigen
Theil derselben welcher in Alkohol und Kohlensäure, mit b denjenigen welcher in Hefe und andere Producte verwandelt, und mit c denjenigen welcher unzersetzt übrig geblieben ist, so
ist
E = z +
b + c, daraus folgt
E > z.
Oder mit Worten: diejenige Extractmenge, aus welcher Alkohol
und Kohlensäure entstanden sind, muß stets kleiner seyn, als die ursprünglich
vorhanden gewesene.
Die nachstehende Beobachtungsreihe beweist ausnahmslos die Richtigkeit dieses Satzes.
—
Vergleich
zwischen den nach der Attenuationsmethode bestimmten
zersetzten, absoluten Maischextractmengen und den aus der wirklich erhaltenen
Alkoholausbeute berechneten Traubenzuckermengen.
Textabbildung Bd. 201, S. 439
Nr. Der Beobachtung; Absolute
Extractmengen der Maischwürzen bei der Anstellung in Centnern. = E.; Wirklicher Vergährungsgrad in Procenten. = V′. Durch die Gährung zersetzte, absolute
Extractmengen in Centnern. = e.; Die Alkoholausbeute
setzt zersetzte Traubenzuckermengen voraus in Centnern. = z.; Die zersetzte Extractmengen ist; größger; kleiner; als die
Traubenzuckermenge um Centner.; Die Bestimmung der Traubenzuckermengen geschah
nach der Norm, daß 51,111 Pfd.; Alkohol 100 Pfd. Zucker voraussetzen. Man s. Balling's Gährungschemie, Bd. I.
Durch die Alkoholgährung wird immer nur ein Theil der ursprünglich gegebenen
Extractmenge E zersetzt. Die zersetzte Extractmenge
werde durch e dargestellt. Aus dieser entsteht
zweierlei: Alkohol und Kohlensäure einerseits und Nichtalkohol (Hefe u. s. w.)
andererseits. Bezeichnet man wiederum die in Alkohol und Kohlensäure verwandelte
Extractmenge mit z und die in Nichtalkohol verwandelte
mit b, so ist
e = z +
b, daraus folgt
e > z.
z aber ist Traubenzucker.
Also: die in Alkohol und Kohlensäure verwandelte Traubenzuckermenge muß immer kleiner
seyn, als die ganze, zersetzte Extractmenge. —
Vergleicht man nun in vorstehender Beobachtungsreihe die in Alkohol etc. verwandelten
Traubenzuckermengen, mit den überhaupt zersetzten Extractmengen, so findet man, daß
die ersteren in 14 Fällen wirklich kleiner, dagegen in 4 Fällen größer sind, als die
letzteren.
Dieses Größerseyn der Traubenzuckermengen aber streitet gegen den so eben deducirten,
zweifellos richtigen Grundsatz. Wie ist diese Ausnahme zu erklären?
Die den 4 Ausnahmefällen angehörigen Maischen zeigten bei der Anstellung eine
kräftige Stärkmehlreaction.
Es ist bekannt, daß bei der Darstellung hochconcentrirter Maischen stets ein Theil
des zur Einmaischung gelangten Stärkmehls der Extractbildung entgeht. Es ist ferner
bekannt, daß von diesem durch die Einmaischung nicht extractificirten Stärkmehl
während der Gährung durch den Einfluß überschüssigen Malzsaftes und verminderter
Concentration stets mehr oder weniger in Extract verwandelt wird (secundäre
Extractbildung).
Diese beiden Thatsachen erklären jene Ausnahme in der Differenz e — z.
Die in der vorstehenden Beobachtungsreihe angegebenen zersetzten, absoluten
Extractmengen e sind die Producte aus den in den
Maischwürzen bei der Anstellung angetroffenen, absoluten Extractmengen E und aus den, nach den Regeln der Attenuationslehre
ermittelten wirklichen Vergährungsgraden V1, also e = E · V1.
Die Größe E wurde ermittelt, indem man sofort nach der
Anstellung die procentische Saccharometeranzeige = p und
das absolute, in Centnern ausgedrückte Gewicht = w der
Maischwürze feststellte und diese beiden Zahlen miteinander multiplicirte, also E = p · w.
Nach der Anstellung beginnt die Alkoholgährung. In dem Maaße nun, als die Concentration der
Maischwürze durch die Gährung vermindert wird, wird das rückständige Stärkmehl durch
den Einfluß des vorhandenen Malzsaftes in Maischextract verwandelt, vom Wasser
aufgelöst und dadurch in die Wirkungssphäre der Alkoholhefe gebracht.
Durch diese secundäre Extractbildung in der Maische während der Gährung wird aber
natürlich die von uns bei der Anstellung ermittelte, absolute Extractmenge E vermehrt und zwar um einen Betrag, den wir a priori nicht messen können. Folglich fällt unsere
Bestimmung sowohl der relativen = p, wie auch der
absoluten Extractmengen = E einer Stärkmehl enthaltenden
Maischwürze unmittelbar nach der Anstellung zu klein aus. Dieses einerseits.
Andererseits: Nach Beendigung der Gährung ermitteln wir die Saccharometeranzeige der
gegohrenen Maischwürze = m. Durch Subtraction der Größe
m von p gelangen wir
darauf zu der scheinbaren Attenuation = p — m. Aus dieser berechnet sich dann mit Hülfe der von Balling aufgestellten Attenuationsquotienten der
wirkliche Vergährungsgrad = V1, jene Zahl welche angibt, wie viele von 100
ursprünglich vorhanden gewesenen Gewichtstheilen Extract durch die Gährung zersetzt
worden sind.
Wäre nun die ganze während der Gährung, also nach der Ermittelung von p allmählich entstandene, unbekannte Extractmenge schon
bei der Anstellung der Maische vorhanden gewesen, so wäre auch die procentische
Saccharometeranzeige p größer ausgefallen. Oder,
as dasselbe sagt, p wächst während der Gährung.
Wenn aber m unverändert bleibt, dagegen p wächst, so wachsen natürlich auch die scheinbare
Attenuation p — m und
der wirkliche Vergährungsgrad V1.
Den Inhalt dieser Betrachtungen formulire ich also: Die secundäre Entstehung von
Extract aus rückständigem Stärkmehl in der gährenden Maischwürze beeinflußt die
Controlle der Attenuationsverhältnisse in solcher Weise, daß die aus den beim
Beginne und am Ende der Gährung beobachteten Saccharometeranzeigen p und m nach den Principien
der Attenuationslehre berechneten: scheinbaren Attenuationen p — m, ursprünglichen absoluten = E und zersetzten absoluten = e Extractmengen und wirklichen Vergährungsgrade = V1 stets kleiner ausfallen, als sie in
Wirklichkeit sind. —
Somit zur Erkenntniß der Ursache der beobachteten Ausnahme gekommen, wollen wir nun
den Versuch machen, durch Calcul zu ermitteln, wie groß in den 4 Ausnahmefällen die
zersetzten absoluten Extractmengen = e wirklich gewesen
seyen. Ich beginne mit der Beobachtung Nr. 5.
Beobachtet wurden an der bei der Anstellung stärkmehlhaltigen Maischwürze: p = 12,84 Proc., m = 1,35
Proc.: also p — m =
11,49 Proc.; E = 40,25 Ctr., V1 = 72,59 Proc.; also e = 29,22 Ctr.
Da die vergohrene Maischwürze 293,22 Ctr. und die daraus durch Destillation erhaltene
Alkoholmenge 1561,88 Pfd. betrug, so enthielt 1 Ctr. vergohrener Würze = 1561,88/293,22 = 5,326 Pfd. absoluten Alkohol =
A.
Nach der Attenuationslehre ist
A = (p
— m) a.
Substituiren wir daher die bereits bekannten Werthe von A
und m, so erhalten wir den Ausdruck
5,326 = (p — 1,35) a.
Es bleiben also noch p und a
zu bestimmen übrig. Um die Zahlenwerthe dieser zu erhalten, substituiren wir für p einen beliebigen, jedoch 12,84 übersteigenden Werth,
und für a entnehmen wir der Balling'schen Alkoholfactorentabelle den jener für p willkürlich gesetzten Procentzahl entsprechenden Alkoholfactor für die
scheinbare Attenuation. Durch allmähliche Interpolation suchen wir uns dann dem
wahren Werthe von p und a
immer mehr und mehr zu nähern. Wie haben sie erreicht, wenn die obige Gleichung sich
auflöst.
Auf diese Weise erhalten wir schließlich den Ausdruck
5,326
=
(13,96–1,35)
·
0,4225
oder
5,326
=
12,61
·
0,4225.
Hieraus ergibt sich nun, daß, wenn bei der Einmaischung kein Stärkmehl der
Extractbildung entgangen wäre, so wäre die ursprüngliche Saccharometeranzeige der
Würze p = 13,96 Proc., die scheinbare Attenuation p — m = 12,61 Proc.,
die ursprüngliche, absolute Extractmenge E = 43,75 Ctr.
(das Gewicht der angestellten Maischwürze war w = 313,37
Ctr.), der wirkliche Vergährungsgrad V1 = 73,20 Proc. und endlich die zersetzte,
absolute Extractmenge e = 32,02 Ctr. gewesen.
Diese zersetzte Extractmenge e = 32,02 Ctr. aber ist
größer, als die Traubenzuckermenge z = 30,56 Ctr. Die
Differenz e — z steht
nun also im Einklange mit dem Gesetze Zugleich ersehen wir daraus, welch' eine
bedeutende Stärkmehlmenge der primären Extractbildung entgangen war; ebenso die
große Bedeutung der secundären Bildung. —
Dieselbe corrigirende Berechnungsweise ergibt die zersetzte absolute Extractmenge für
die Beobachtung:
Nr.
6
zu
30,46
Ctr.
Nr.
10
zu
30,89
Ctr.
Nr.
16
zu
37,15
Ctr.
Im zweiten Theile dieser Arbeit wird die Correction durch die Alkoholausbeute noch
einmal zur Sprache kommen. —
Nicht allein in den bisher betrachteten 4 Ausnahme-, sondern auch in den sich
von vornherein dem Gesetze fügenden 14 Beobachtungsfällen wurde Stärkmehl in den
angestellten Maischen beobachtet; daher man als sicher annehmen darf, daß auch in
diesen eine nachträgliche Extractbildung stattgefunden habe und eine größere, als
die berechnete Extractmenge zersetzt worden sey. Im Vergleich mit diesen letzteren
stellen sich dann die ersteren als solche Fälle dar, in welchen größere Mengen Stärkmehl der primären Extractbildung, der
Extractbildung im Vormaischbottiche entgangen waren.
II. Die
secundäre Extractbildung und die Vorausberechnung der
Alkoholausbeute.
Balling hat uns in seiner sinnreichen Attenuationstheorie
mehrere Methoden zur Bestimmung des Alkoholgehaltes gegohrener Flüssigkeiten
geliefert.
Unter diesen befindet sich eine, welche den Alkoholgehalt aus der scheinbaren
Attenuation p — m der
gegohrenen Flüssigkeit bestimmt, mit Hülfe der sogenannten, ebenfalls von Balling ermittelten Alkoholfactoren a für die scheinbare Attenuation.
Diese Alkoholfactoren a sind unter sonst gleichen
Umständen andere für die scheinbaren Attenuationen reiner, andere für die
scheinbaren Attenuationen hefebildender Zuckerlösungen, wie z. B. der Maischwürzen;
sie sind ferner auch für eine und dieselbe Gattung gegohrener Flüssigkeiten
verschieden, je nach der Größe der ursprünglichen Concentration oder
Saccharometeranzeige p.
Deßhalb hat Balling uns eine Tabelle über die
Alkoholfactoren für die Gährung reiner Zuckerlösungen und eine andere über die bei
gegohrenen Alkoholmaischwürzen anzuwendenden geliefert. —
Die Formel nun, nach welcher der Alkoholgehalt in 100 Gewichtstheilen Maischwürze aus
der scheinbaren Attenuation p — m und dem Alkoholfactor a
bestimmt werden foll, ist die bereits im ersten Theile dieser Arbeit genannte:
(p — m) a = A.
Wenn wir auf diese Weise den Procentischen Alkoholgehalt einer Maischwürze ermittelt
haben, und wir kennen das absolute Gewicht derselben, so können wir durch ein
einfaches Proportionsexempel den ganzen Alkoholgehalt der Würze berechnen. Indem wir
diese Rechnung ausführen, machen wir eine Anwendung von Balling's Lehre der Vorausberechnung der Alkoholausbeute aus vergohrenen
Maischwürzen. —
Vorausgesetzt nun, daß wir keinen Fehler begingen, indem wir, Balling's Vorschrift streng folgend, die im III ten Bande der Gährungschemie mitgetheilten Alkoholfactoren a auf unsere Getreide-Kartoffelmaischwürze, diese
mag nun innerhalb ihrer scheinbaren Attenuation viel Hefe und weniger Alkohol, oder
wenig Hefe und mehr Alkohol gebildet haben, anwendeten: so haben wir nach der
Destillation der Würze eine solche wirkliche AIkoholausbeute zu erwarten, welche um
so viel kleiner, als die vorausberechnete ist, als der unvermeidliche Alkoholverlust
durch Verdunstung, Oxydation, Aetherbildung, Destillation u. s. w. beträgt.
Stets also muß nothwendig die berechnete Alkoholausbeute größer seyn, als die
wirkliche.
Ein Blick aber, den wir auf die nachstehende Beobachtungsreihe werfen, belehrt uns
eines Anderen. Wir sehen dort, daß meine Deduction nicht zutrifft; daß vielmehr die
wirkliche Alkoholausbeute größer war, als die berechnete.
Vergleich
zwischen der berechneten und der wirklichen Alkoholausbeute.
Textabbildung Bd. 201, S. 444
Berechnete Alkoholausbeute Pfd.;
Wirkliche Alkoholausbeute Pfd.; Die wirkliche Ausbeute ist also größer, als die
berechnete um Pfd.
Welche Ursache hat diese Abweichung von dem unbedingt richtigen Principe?
In all' den Maischwürzen, welche diese principwidrige Erscheinung des überschüssigen Alkohols
zeigten, war bei der Anstellung mehr oder weniger Stärkmehl beobachtet worden.
Da aber Stärkmehl vorhanden war, so fand auch eine secundäre Extractbildung und in
weiterer Folge eine Alkoholbildung aus der nicht controllirten, secundär gebildeten
Extractmenge statt.
Der Werth von A in der Formel
(p — m) a = A
wird, da m unmittelbar vor der
Destillation der Maischwürzen mit Sicherheit ermittelt und nunmehr auch
unveränderlich ist (siehe Theil IV), bedingt von den
Werthen p und a.
a aber, als Alkoholfactor, ist bedingt von p, und zwar in der Weise daß, wenn p wächst, auch a.
wächst.
Unter diesen Umständen darf man daher sagen, daß p allein
den Werth von A bestimme.
Da nun aus Obigem bekannt ist, daß die Saccharometeranzeige p in stärkmehlhaltigen Würzen nach der Anstellung stets um eine nicht
controllirbare Größe wächst, so folgt daraus, daß der mit Zugrundelegung derselben
nach obiger Formel berechnete procentische Alkoholgehalt = A der Würze stets hinter dem wirklichen zurückbleiben müsse. Natürlich muß
dann auch die berechnete absolute Alkoholausbeute kleiner, als die durch die
Destillation erhaltene wirkliche ausfallen. —
Im ersten Theile dieser Arbeit wurde gezeigt, daß der ursprünglich beobachtete Werth
der Saccharometeranzeige p nachträglich durch die
erhaltene wirkliche Alkoholausbeute corrigirt werden könne. Aus dem in diesem Theile deducirten Grundsatze, daß die durch die
Destillation erhaltene Alkoholmenge stets kleiner seyn müsse, als die durch die
Gährung in der Maischwürze gebildete, für uns ideale, folgt nun, daß jene Correction
immer eine nur approximative sey. Die Differenz zwischen dem idealen p und dem durch die approximative Correction erhaltenen
p ist natürlich um so kleiner, je kleiner die
Differenz zwischen der idealen und der Destillationsausbeute ist. Aus demselben
Grunde sind auch alle die im ersten Theile angegebenen Traubenzuckermengen um ein
Geringes zu klein ausgefallen; das jedoch ist einflußlos. —
Wir wissen, daß die in der revidirten Beobachtung Nr. 5 genannte Saccharometeranzeige
p = 12,84 Proc. durch die Correction aus der
Destillationsausbeute auf 13,96 Proc. stieg. Angenommen nun, daß der Alkoholverlust
der der Beobachtung Nr. 5 zu Grunde liegenden Maischwürze durch Verdunstung,
Oxydation, Aetherbildung, Destillation u. s. w. 24 Pfd. betragen habe, so ist die
ideale Alkoholausbeute dieser Maischwürze = 1585,88 Pfd. Hieraus berechnet sich
dann: p = 14,14 Proc.,
p — m = 12,79 Proc.,
E = 44,31 Ctr., V1 = 73,30 Proc. und e
= 32,48 Ctr.
Das unter dieser Voraussetzung aus der idealen Alkoholausbeute hervorgehende p ist also um 0,18 größer, als das der wirklichen
entsprechende.
Für die Praxis genügt und muß genügen die Correction aus der wirklichen
Alkoholausbeute.
III. Die
secundäre Extractbildung und die Ermittelung des Einflusses der Kartoffeln auf
die Schwankungen der Alkoholausbeute.
Die Alkoholausbeute aus Kartoffelmaischen ist im Allgemeinen bedingt von zwei
Momenten: a) von dem Stärkmehlgehalte der Kartoffeln und
b) von dem Gange der Fabrication.
Aus gleichen Mengen Rohmaterial erhielt man gestern eine hohe, heute erhält man eine
geringe Alkoholausbeute. Da entsteht dann immer die Frage: ist die gestrige hohe
Ausbeute die Folge besserer Kartoffeln, oder einer gelungenen Fabrication, und ist
die heutige niedrige Ausbeute veranlaßt durch stärkmehlarme Kartoffeln, oder durch
eine mißglückte Fabrication?
Diese Frage legt sich der aufmerksame Fabrikant bei jeder Spiritusaufmessung vor,
ohne jedoch in der Mehrzahl der Fälle eine sichere, zufriedenstellende Antwort
darauf finden zu können. Deßwegen ist sie eine quälende, eine unangenehme. Sie zeigt
ein Bedürfniß an.
Sieht man von allen Nebenumständen ab, so ist es klar, daß man, um diese Frage
möglichst genau beantworten zu können, zweierlei kennen müsse, nämlich: a) die absolute Stärkmehlmenge in den, oder die absolute
Extractausbeute aus den eingemaischten Kartoffeln, überhaupt aus dem Rohmaterial,
und b) den Vergährungsgrad dieser Extractausbeute. a liefert den Maaßstab für die Alkoholausgiebigkeit des
Rohstoffes; b dagegen läßt den Gang der Fabrication
erkennen.
Da nun die Größe an Extractausbeute, unter sonst gleichen Umständen, bedingt wird von
dem Stärkmehlgehalte der eingemaischten Kartoffeln und das meist Variirende die
Kartoffelqualität ist, so hat man, über die Ermittelung der absoluten
Extractausbeute hinweggehend, als Controlle der Alkoholausbeute vorgeschlagen die
Bestimmung des Stärkmehlgehaltes der Kartoffeln. Dieser Vorschlag ist im Principe
durchaus richtig, und man folgt ihm auch in mit Aufmerksamkeit geleiteten
Brennereien.
Dieselben bestimmen den Stärkmehlgehalt einer jeden zur Einmaischung gelangenden
Kartoffelportion. Aber wie bestimmen sie diesen? Sie untersuchen 10, 20, 40, 100
Stück Kartoffeln in mehreren Versuchen. Sie berechnen dann aus all' den hierdurch
erhaltenen Stärkmehlprocenten eine Durchschnittszahl, und von dieser letzteren
nehmen sie an, daß sie den relativen Stärkmehlgehalt der ganzen, im Kochfasse
befindlichen Kartoffelmenge repräsentire.
Diese Annahme nun trifft erfahrungsgemäß nur in den allerseltensten Fällen, ja ich
darf sagen, nie zu. Die Abweichung des berechneten Stärkmehlgehaltes von dem
wirklichen kann mehrere Procente betragen, und die Richtung nach welcher sie
stattfindet, ist gar nicht vorauszusagen.
Das darf uns nicht wundern; denn da die ganze, zu einer Einmaischung gegebene
Kartoffelmenge ein im chemischen Sinne ungleichartiger Körper ist, so haben wir ja
gar kein Recht, aus der Zusammensetzung eines Theiles auf die Zusammensetzung des
Ganzen zu schließen.
Da es also unmöglich ist, zur Kenntniß des wahren, mittleren, procentischen und des
absoluten Stärkmehlgehaltes größerer, zur Einmaischung gelangender Kartoffelmengen
zu kommen, so kann die nach dem bisherigen Verfahren berechnete Durchschnittszahl
auch nicht als Mittel zur Beurtheilung der Berechtigung der
Alkoholausbeute-Schwankungen dienen.
Allein das Bedürfniß nach einem solchen Mittel ist in hohem Grade vorhanden und
erheischt Befriedigung.
Balling hat uns gelehrt, die Alkoholausgiebigkeit der
rohen Getreidearten dadurch zu bestimmen, daß wir einen geringen Theil derselben mit
Malz maischen, Würze ziehen, und den Gehalt der Würze an wasserfreiem Extract
feststellen.
Er hat diese Methode nur als eine im Laboratorium anzuwendende beschrieben. Was aber
sollte uns wohl hindern, dieselbe, modificirt nach den Verhältnissen welche aus der
größeren Masse des zu untersuchenden Objectes entspringen, auch bei unseren
fabrikmäßig dargestellten Kartoffelmaischen anzuwenden? Nichts steht im Wege.
Deßwegen habe ich mich ihrer seit schon längerer Zeit bedient, und demjenigen
welcher mit Maischextractbestimmungen vertraut ist, brauche ich nicht erst
nachzuweisen, daß die absolute Extractausbeute aus 50, 90, 100 Ctr. Kartoffeln incl.
Malz zutreffend, bequem und schnell festzustellen sey. Der Gang des Verfahrens
ergibt sich aus der im ersten Theile dieser Arbeit angegebenen und erklärten Formel:
E = p · w.
Sind alle Einrichtungen dazu auf's Bequemste getroffen, so ist die Bestimmung des
Extractes aus 100 Ctr. Kartoffeln innerhalb 20 Minuten ausgeführt.
Zeigt die eine Würze bei der Anstellung 44 Ctr., die andere dagegegen 43 Ctr.
Extract, so ist schon dadurch die Berechtigung der letzteren, eine geringere
Alkoholausbeute zu liefern, im Voraus mit Zuverlässigkeit nachgewiesen.— Zu
beiden Würzen seyen gleiche Kartoffelmengen verbraucht. Niemand hätte auf Grund von
Stärkmehlbestimmungen einen solch' geringen Unterschied in der Extract-,
resp. Alkoholausbeute voraussagen können.
Ungeachtet der in diesem Falle angenommenen ungleichen Extractmengen, kann es doch
eintreffen, daß die geringere Extractmenge ebenso viel, ja sogar mehr Alkohol
liefert, als die größere. Die Ursache hiervon liegt dann in der Fabrication, in der
Extractzersetzung, in welchem Falle sie durch den sogenannten wirklichen
Vergährungsgrad angezeigt wird.
Die Methode, die Ausgiebigkeit des gemaischten Rohmateriales durch die erhaltene
absolute Extractmenge zu messen, hat, wenn sie genaue Resultate geben soll, eine Voraussetzung, und diese ist, daß kein Stärkmehl bei
der Einmaischung der Extractbildung entgangen sey. Wird diese Voraussetzung nicht
erfüllt, so werden einerseits die Ausgiebigkeit des Rohstoffes und die Größe des
Vergährungsgrades stets zu klein bestimmt, andererseits überholt die wirkliche
Alkoholausbeute unsere Erwartungen.
Vorausgesetzt, daß die Maischen nicht an der Malzarmuth, einer modernen, deutschen
Krankheit litten, können diese Beobachtungsfehler indessen späterhin aus der
wirklichen Alkoholausbeute mit für die Praxis ausreichender Genauigkeit corrigirt
werden. Es treten dann die Verhältnisse ein, welche in den vorangegangenen Theilen
dieser Arbeit bereits besprochen sind.
Der Spiritusfabrikant ersieht hieraus, daß ihm für seine Zwecke hinreichend scharfe
Controlmittel zu Gebote stehen, um zu entscheiden ob die täglichen
Alkoholausbeute-Schwankungen durch die Beschaffenheit des Rohmateriales, oder
durch den Gang der Fabrication, oder durch beide zugleich bedingt sind.
IV. Die
secundäre Extractbildung und die Unregelmäßigkeiten der
Saccharometeranzeige.
Denken wir uns eine so eben angestellte Maische. Die Gährung beginnt. Das specifische
Gewicht oder die Saccharometeranzeige der Maischwürze sinkt in stetiger Folge. Nach
40stündiger Gährung sey die Saccharometeranzeige 1,00 Proc.; 8 Stunden später soll
die Destillation beginnen: wir prüfen die Saccharometeranzeige noch einmal in der
festen Erwartung, sie
entweder constant, oder vermindert zu finden. Aber was finden wir? Keine Constanz,
keine Verminderung, sondern ein gegen alle unsere Vorstellungen streitendes Steigen
der Saccharometeranzeige auf 1,5 Proc. Jedenfalls haben wir es hier mit einer neuen
Erscheinung zu thun!
Ich muß hier eine Bemerkung einschalten. Bei einem zufälligen Zusamentreffen im
Sommer 1869 theilte mir Herr Louis Siemens in Berlin mit,
daß er sowohl, wie auch Hr. Professor Weber in Berlin,
bei Versuchen in der Brennerei Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Carl auf Düppel, vielfach die eben beschriebene
Erscheinung des Steigens der Saccharometeranzeige am Ende der Alkoholgäh rung
beobachtet haben. Hierdurch wurde ich zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam
gemacht. Den Herren Siemens und Weber gebührt mithin die Priorität dieser Beobachtung.
Da seit jener mündlichen Mittheilung zwei Jahre verflossen sind, da ferner meines
Wissens weder Hr. Siemens, noch Hr. Weber während dieses Zeitraumes auf literarischem Wege Mittheilungen über
die genannte Erscheinung gemacht haben, so hoffe ich, daß jene Herren mich keiner
Rechtskränkung zeihen werden, wenn ich mir heute gestatte, eine denselben Gegenstand
betreffende kleine Studie zu veröffentlichen.
Ich will nun zunächst versuchen, die Leser mit der Erscheinung der steigenden
Saccharometeranzeige m näher bekannt zu machen.
Die Maischwürzen, an welchen die zunächst folgenden Beobachtungen gemacht wurden,
waren bereitet aus Kartoffeln und Gerstengrünmalz, und angestellt mit Alkoholhefen,
erzeugt in Maischen aus Roggenschrot und Gerstengrünmalz. Sie zeigten nach der
Extractbildung im Vormaischbottich circa 18 u. 23 Proc.,
und nach der Anstellung, also nach dem Zusatze des Zukühlwassers, durchschnittlich
13 Proc. am Saccharometer. Die Kartoffeln enthielten zwischen 11 und 22 Proc.,
vorzugsweise 15 Proc. Stärkmehl. Per 100 Pfd dereslben
wurden 8 Pfd. Gerstengrünmalz angewandt. — Mehr oder weniger Stärkmehl war in
allen Maischen nach der Anstellung nachweisbar. Bei einem jedesmaligen Maischvolumen
von circa 5800 Quart, einer mittleren Gährraumtemperatur
von 9° R. und einer Anstellungstemperatur von circa 15° R., betrug die höchste Temperatur der Maische während der
Gährung circa 23° R. und die Temperatur
unmittelbar vor der Destillation circa 18° R. Der
Zeitraum zwischen der Anstellung und der Destillation war wenigstens 72 und
höchstens 120 Stunden.
Unter 91 unter den eben beschriebenen Verhältnissen stehenden Maischwürzen zeigten 50 die
oben beschriebene Erscheinung der steigenden Saccharometeranzeige m.
Unter diesen zeigte z. B.
die Maischwürze:
Nr. 1.
Nr. 2.
nach
40
Stunden
=
0,89
Proc.
nach
40
Stunden
=
2,70
Proc.
nach
48
Stunden
=
1,30
Proc.
nach
56
Stunden
=
3,26
Proc.
Nr. 3.
Nr. 4.
nach
40
Stunden
=
1,68
Proc.
nach
48
Stunden
=
0,26
Proc.
nach
120
Stunden
=
2,02
Proc.
nach
62
Stunden
=
1,34
Proc.
Nr. 5.
Nr. 6.
nach
48
Stunden
=
1,13
Proc.
nach
48
Stunden
=
1,04
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,23
Proc.
nach
87
Stunden
=
1,36
Proc.
Nr. 7.
Nr. 8.
nach
57
Stunden
=
1,54
Proc.
nach
58
Stunden
=
3,00
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,84
Proc.
nach
82
Stunden
=
3,33
Proc.
Nr. 9.
Nr. 10.
nach
58
Stunden
=
0,74
Proc.
nach
64
Stunden
=
1,24
Proc.
nach
82
Stunden
=
1,98
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,66
Proc.
Nr. 11.
Nr. 12.
nach
73
Stunden
=
1,04
Proc.
nach
82
Stunden
=
1,80
Proc.
nach
120
Stunden
=
1,54
Proc.
nach
98
Stunden
=
2,11
Proc.
Der Zuwachs der beobachteten niedrigsten Saccharometeranzeige m innerhalb der der Beobachtung nächstfolgenden 24 Stunden betrug im
Minimo 0,08 Proc., im Maximo 1,24 Proc., im Durchschnitt 0,42 Proc.
Saccharometeranzeige.
Die Erscheinung trat auf sowohl in sogenannten gut, als auch in sogenannten schlecht
vergohrenen Maischen, und ihre Intensität war in beiden Fällen nicht merklich
verschieden. Sie zeigte sich bei der Anwendung von stärkmehlreichen und armen, von
gesunden und kranken (trockenfaulen), von gefrorenen und nichtgefrorenen Kartoffeln;
ebenso bei der Anwendung von 50 Proc. mehr Stellhefe und 50 Proc. mehr Malz.
Ferner: Es wurden 98 Getreidemaischen (aus Weizen, Roggen, Gerste und Hafer)
beobachtet und unter diesen nur 2 entdeckt mit steigender Saccharometeranzeige,
nämlich:
a.
b.
nach
40
Stunden
=
1,35
Proc.
nach
46
Stunden
=
1,75
Proc.
nach
70
Stunden
=
1,60
Proc.
nach
61
Stunden
=
1,82
Proc.
Diese Maischen waren dargestellt worden aus außerordentlich sein geschrotenem
Getreide und sein gequetschtem Grünmalze. Die ganze Wassermenge welche die Maische
nach der Anstellung enthalten sollte, minus Spülwasser
für den Vormaischbottich und das Kühlschsff etc., wurde gleich von vornherein zur
Einmaischung und zwar circa 44° R. warm
angewandt; es wurde also ein Dünnmaischverfahren eingeschlagen. Mit dieser
bedeutenden Wassermenge wurde das Grünmalz vor der eigentlichen Einmaischung durch
die Maischmaschine so lange auf das Innigste gemischt und zusammengerührt, bis keine
Malzhülse mehr entdeckt werden konnte, welche ihren mehligen Inhalt nicht abgegeben
hätte. Darauf geschah der Zusatz des Getreideschrotes. Das Gemenge, welches jetzt
ungefähr 32° R. warm war, wurde wiederum so lange durch die Maischmaschine
gemischt, bis man versichert seyn konnte, daß jedes Schrotpartikelchen sich mit
Wasser vollständig getränkt hatte. Erst nun fand die Aufwärmung der Maische durch
einströmenden Dampf auf 52° R. statt. Per 100
Pfd. Getreideschrot wurden 50 Pfd. Grünmalz angewandt. Nach 2½ stündiger
Extractbildung im Vormaischbottiche zeigten die Würzen durchschnittlich 11 Proc am
Saccharometer.
Ich muß hier bemerken, daß die Erscheinung der aufwärtssteigenden
Saccharometeranzeige nicht im Entferntesten den Beweggrund zu dieser von der in
Deutschland gewöhnlichen so sehr abweichenden Art und Weise der Maischbereitung
geliefert hatte. Hier lagen Absichten ganz anderer Natur vor. Die Beschreibung
derselben an dieser Stelle wird sich im weitern Verlaufe der Betrachtungen
rechtfertigen.
Von den Folgen, welche diese vielleicht pedantisch erscheinende Maischbereitung
hatte, nenne ich, als für die Behandlung des hier vorliegenden Falles von Werth, nur
eine, nämlich die, daß bei der aufmerksamsten Untersuchung des großen Maischvolumens
Stärkmehl durch Jod nicht nachweisbar war.
Bei einem Maischvolumen von circa 7500 Quart, einer
mittleren Gährraumtemperatur von 5° R. und einer Anstellungstemperatur von
durchschnittlich 17° R., betrug die höchste Temperatur während der Gährung
durchschnittlich 23° R. und die Temperatur unmittelbar vor der Destillation
circa 19° R. Die wirkliche Gährdauer betrug
24 bis 32 Stunden. Die Destillation ließ man 72 Stunden nach der Anstellung
ausführen. —
Endlich: Unter den eben beschriebenen Concentrationsverhältnissen wurden 4 Bottiche
Kartoffeln gemaischt. Die Kartoffeln waren außerordentlich stärkmehlarm: der
mittlere Stärkmehlgehalt der untersuchten Proben war 10,52 Proc. 15 Pfd. Grünmalz
per 100 Pfd. Kartoffeln kamen zur Anwendung. Die
Einmaischungsmanipulation war dieselbe wie oben, nur mit den Abänderungen welche daraus
entsprangen, daß gekochte Kartoffeln kein rohes Getreide sind.
In dem flüssigen Theile dieser Maischen brachte Jod keine Reaction hervor; dagegen
fanden sich unter dem festen Rückstande hier und da einige Stückchen Fasermasse,
welche nach der Zerquetschung mit dem Glasstabe eine blaue Färbung durch Jod
annahmen.
Die auf diese Weise dargestellten, ebenfalls jedesmal circa 7500 Quart betragenden Kartoffelmaischen wurden angestellt mit
gleichen Raumtheilen der obigen Getreidemaischen, wodurch 8 einzelne
Bottich-Maische entstanden; und zwar geschah die Mischung mit der gährenden
Getreidemaische in dem Momente, in welchem in der letzteren der Auftrieb der
Alkoholhefenzellen begann. Die Temperatur nach vollbrachter Mischung war
19–20° R. Eine außerordentlich energische Gährung entstand; innerhalb
der der Mischung nächstfolgenden 12 Stunden attenuirten die Würzen auf 1,32 Proc.,
1,07 Proc., 1,05 Proc., 1,33 Proc., 1,40 Proc., 1,45 Proc., 0,87 Proc., 0,85 Proc.
Saccharometeranzeige. Die Temperatur stieg während dieser Zeit bis auf 25° R.
und sank dann allmählich zurück auf 20° R Ehe zuc Destillation geschritten
wurde, verliefen 48 Stunden, von der Anstellung an gerechnet.
Unter diesen, zur Erreichung anderer Absichten hervorgerufenen Verhältnissen wurde an
diesen 8 Kartoffel-Getreidemaischen kein Aufwärtssteigen der beobachteten
niedrigsten Saccharometeranzeige wahrgenommen. Ich erinnere daran, daß oben unter 91
Kartoffelmaischen 50 diese Erscheinung zeigten.
Wir wollen uns vor der Hand mit diesem Beobachtungsmaterial begnügen und nun
versuchen, die Ursache der Erscheinung aufzufinden.
Die Erscheinung besteht darin, daß das specifische Gewicht oder die
Saccharometeranzeige der Würze wächst. Dieses Wachsen aber kann die Wirkung nur
einer einzigen Ursache seyn, nämlich der, daß die Würze sich concentrirt.
Die Würze kann sich nur auf zweierlei Weise concentriren: a) dadurch daß sie ihren Wasser- und Alkoholgehalt durch
Verdunstung vermindert; b) dadurch daß sie die Menge der
in ihr gelösten Substanz vermehrt.
Jede gährende, mit der Atmosphäre in unmittelbarer Berührung stehende Würze erleidet
durch Verdunstung einen Wasser- und Alkoholverlust und wird dadurch
concentrirt. Folglich fand dieser Verlust und diese Concentrirung auch bei allen
oben aufgezählten saccharometrischnormalen und saccharometrisch-anormalen
Würzen statt.
Da aber die Verdunstung den Erfolg ihrer concentrirenden Thätigkeit nicht in der
Saccharometeranzeige der normalen Würzen zur Wahrnehmung brachte, so folgt daraus,
daß sie bei diesen viel weniger thätig seyn mußte, als bei den anormalen.
In der That, so gleichartig auch die Verdunstungsverhältnisse in dem Gährraum einer
Brennerei erscheinen, so zeigt sich doch bei der näheren Ermittelung des
Verdunstungsverlustes der gährenden Maischen, daß er sehr verschieden ist; er kann
in dem einen Falle das Zehnfache des anderen Falles betragen; doch, was die
Hauptsache ist, in allen Fällen ist er relativ außerordentlich klein. In der
Brennerei, in welcher die 91 Kartoffelmaischen beobachtet wurden, war der
durchschnittliche Verlust 0,02 Proc. vom Gewichte der angestellten Maischen.
Wenn nun schon aus der Winzigkeit des totalen Verdunstungsverlustes fürden ganzen langen Zeitraum von der Anstellung bis zur
Destillation klar hervorgeht, daß derselbe keinen merklichen Einfluß auf
die Saccharometeranzeige sowohl der normalen als auch der anormalen Würzen ausüben
könne, so leuchtet dieß noch viel mehr ein, wenn man bedenkt daß der allergrößte
Theil dieses totalen Verlustes schon vor der Constatirung der tiefsten
Saccharometeranzeige, also gerade zu derjenigen Zeit aufsteht, wo diese unaufhörlich
sinkt, nämlich während der ersten Gährungsperiode mit ihrer heftigen
Kohlensäureausströmung.
Hat aber die Verdunstung keinen merklichen Einfluß auf die Saccharometeranzeige der
anormalen Maischen, so ist es gleichfalls klar, daß hier eine andere, mächtigere
Ursache wirken müsse; und diese kann jetzt, zufolge der obigen Deduction, nur darin
bestehen, daß das Würzenwasser die Menge seiner aufgelösten Substanz vermehre.
Die bemerkbare Concentrirung vergohrener Maischwürzen hat also ihre Ursache
ausschließlich in einer Auflösung fester Substanzen.
Was wird aufgelöst? Und wodurch wird das vorher Unlösliche löslich gemacht?
Hr. Louis Siemens nahm als veranlassende Ursache der
Concentrirung die Milchsäuregährung an. Er meinte: nach Vollendung der
Alkoholgährung trete Milchsäuregährung ein, das Product derselben, die Milchsäure,
veranlasse das Würzenwasser, von den vorhandenen Proteinkörpern aufzulösen; die
natürliche Folge dieses Vorganges sey dann das Steigen des specifischen Gewichtes,
resp. der Saccharometeranzeige.
Die Siemens'sche Hypothese erscheint im ersten Augenblicke
sehr annehmbar; denn a) alle zum Zwecke der
Spiritusfabrication dargestellten Maischen enthalten Milchsäurehefe und b) alle diese Maischen bieten der Milchsäurehefe jene
Umstände dar, unter welchen sie ihre Thätigkeit ausüben muß. Ja, noch mehr! In
dem Maaße als die Alkoholgährung in den Maischen sich ihrem Ende nähert, gestalten
sich die Bedingungen für die Milchsäuregährung günstiger und günstiger: die
Anstellungstemperatur steigt auf 23 bis 30° R.; die anfänglich hohe
Concentration sinkt, die Flüssigkeit wird also verdünnter; das anfängliche
Uebergewicht der Kohlenhydrate über die Proteinkörper verschwindet u. s. w.
Wenn aber alle Maischen die Bedingungen zur Milchsäuregährung in sich tragen, und
mithin nothwendig von ihr ergriffen werden, so müssen diesem zufolge auch alle
Maischen die Erscheinung der steigenden Saccharometeranzeige darbieten. Der
Ausnahmelosigkeit dieser Folgerung widerspricht indessen die Thatsache der
constanten Saccharometeranzeige m. Man muß daher zu der
Annahme greifen, daß die Milchsäuregährung in den saccharometrisch-normalen
Maischen unmerklich gering, hingegen in den saccharometrisch-anormalen mehr
oder weniger heftig auftrete. Prüfen wir die Zuverlässigkeit dieser Annahme!
Ob ein so großes Maischvolum, wie es jedesmal in den Brennereien zur Verarbeitung
gelangt, heftiger als ein anderes gleiches, von der Milchsäuregährung ergriffen sey,
läßt sich nicht direct mit jener Sicherheit entscheiden, mit welcher z. B. der
Unterschied in den Concentrationen dieser Volumina festgestellt werden kann. Es muß
daher hier eine indirecte Beantwortung der Frage versucht werden.
Der größte Theil der in einer gährenden Hauptmaische A
vorkommenden Milchsäurehefe stammt her aus der Hefenmaische a, mit welcher A angestellt wurde.
Ehe die Hefenmaische a zur Anstellung von A verwandt wird, wird ein Theil der ersteren reservirt,
die sogenannte Mutterhefe a.
Erzeugt nun die Hefenmaische a eine heftige
Milchsäuregährung in A, so erzeugt erfahrungsgemäß auch
die Mutterhefe a in der mit ihr angestellten Hefenmaische b, und diese darauf in der mit ihr angestellten Hauptmaische B dieselbe Erscheinung; und so lange pflanzt sich die
Milchsäuregährung mit gleicher Heftigkeit von der einen zur anderen Hauptmaische,
also auf C, D, E u. s. w. fort, als diese letzteren mit
Ferment eines und desselben Ursprunges angestellt werden.
Gesetzt nun, die Hauptmaische A zeige eine bedeutend
gestiegene Saccharometeranzeige, so setzt diese Erscheinung, zufolge obiger Annahme,
eine heftige Milchsäuregährung in A voraus. Da nun die
Maischen B, C, D, E u s. w. mit Ferment eines und
desselben Ursprunges angestellt werden, so wird nothwendig auch in ihnen dieselbe
heftige Milchsäuregährung auftreten und sich einen wahrnehmbaren Ausdruck durch das Steigen der
Saccharometeranzeige verschaffen müssen. Die Beobachtung aber zeigt später, daß B, C, D, E ohne steigende Saccharometeranzeige gähren.
Daraus folgt, daß die in A vorausgesetzte heftige
Milchsäuregährung gar nicht stattgefunden hatte; dann aber war das beobachtete
Steigen der Saccharometeranzeige auch nicht die Wirkung derselben.
Da demnach das Steigen der Saccharometeranzeige auftreten kann, ohne verursacht zu
seyn durch eine heftige Milchsäuregährung, so beweist dieß, daß unsere obige Annahme
zu eng sey, und daß die in Frage stehende Erscheinung außer der Milchsäuregahrung
noch eine andere Ursache haben müsse.
Die steigende Saccharometeranzeige kümmert sich, was ihr Auftreten betrifft, gar
nicht um die strenge, lückenlose Reihenfolge, welche mit Nothwendigkeit aus der
Milchsäuregährungshypothese folgt. Sie tritt einmal auf und verschwindet; sie tritt
zweimal hintereinander auf und verschwindet; sie bleibt mehreremale hintereinander
aus, um einmal aufzutreten und dann wieder zu verschwinden.
Nr. 4 in der vorn mitgetheilten Veobachtungsreihe zeigt eine Maischwürze, welche
innerhalb 48 Stunden auf 0,26 Proc. Saccharometeranzeige attenuirte und darauf
innerhalb 14 Stunden die Saccharometeranzeige auf 1,34 Proc., also um 1,08 Proc.,
steigen ließ. Nr. 5 attenuirte innerhalb 58 Stunden auf 0,74 Proc. und stieg dann
innerhalb 24 Stunden auf 1,98 Proc., also um 1,24 Proc.
1,08 Proc. und 1,24 Proc. sind die größten Zuwüchse, welche ich je beobachtet habe.
0,26 Proc. und 0,74 Proc. zeigen gute Vergährungen an. Gute Vergährungen und heftige
Milchsäuregährungen aber sind unvereinbar. Folglich müssen die beiden eben
berechneten Zuwüchse eine andere Ursache als die der heftigen Milchsäuregährung
haben. —
Nr. 8 zeigt nach 58 Stunden die Saccharometeranzeige = 3 Proc., welche innerhalb 24
Stunden auf 3,33 Proc. stieg. Die Vergährung auf 3 Proc. ist eine sehr geringe; sie
kann ihre Ursache in einer heftigen Milchsäuregährung haben; dann aber dürfte man,
angesichts des langen Zeitraumes von 24 Stunden, einen größeren Zuwachs als 0,33
Proc. erwarten. —
Es wurde im unmittelbar Vorangehenden bewiesen, daß das Steigen der
Saccharometeranzeige nicht in allen Fällen durch eine heftige Milchsäuregährung
veranlaßt seyn könne, und daß mithin noch eine andere Ursache existiren müsse. Um
dieses Resultat noch mehr zu bekräftigen und um zur Entdeckung dieser anderen
Ursache zu gelangen,
will ich jetzt einige andere Erscheinungen, welche ausschließlich an den 91
Kartoffelmaischen beobachtet wurden, mittheilen.
Ich habe bisher immer nur davon gesprochen, daß die Saccharometeranzeige m steigen könne. Dieß ist jedoch nicht die einzige
Erscheinung, welche sich zeigen kann.
Die Saccharometeranzeige m kann:
a) bei zwei aufeinander folgenden Beobachtungen constant
und bei der dritten Beobachtung gefallen seyn. Von zwei Maischwürzen zeigte z.
B.
a.
b.
nach
72
Stunden
=
2,30
Proc.
nach
49
Stunden
=
2,20
Proc.
nach
88
Stunden
=
2,30
Proc.
nach
58
Stunden
=
2,20
Proc.
nach
96
Stunden
=
2,04
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,91
Proc.
b) Sie kann bei zwei aufeinander folgenden Beobachtungen
constant, bei der dritten gefallen und bei der vierten gestiegen seyn. Von zwei
Maischwürzen zeigte z. B.
a.
b.
nach
40
Stunden
=
1,60
Proc.
nach
50
Stunden
=
1,94
Proc.
nach
48
Stunden
=
1,60
Proc.
nach
58
Stunden
=
1,94
Proc.
nach
64
Stunden
=
1,43
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,46
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,60
Proc.
nach
82
Stunden
=
1,60
Proc.
c) Sie kann bei der nächsten Beobachtung gestiegen, bei
der dritten gefallen, und bei der vierten constant seyn. Von vier Maischwürzen
zeigte z. B.
a.
b.
nach
48
Stunden
=
1,96
Proc.
nach
38
Stunden
=
1,70
Proc.
nach
62
Stunden
=
2,11
Proc.
nach
47
Stunden
=
1,94
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,76
Proc.
nach
61
Stunden
=
1,58
Proc.
nach
84
Stunden
=
1,76
Proc.
nach
70
Stunden
=
1,58
Proc.
c.
d.
nach
39
Stunden
=
1,84
Proc.
nach
48
Stunden
=
1,04
Proc.
nach
48
Stunden
=
1,96
Proc.
nach
72
Stunden
=
2,04
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,32
Proc.
nach
87
Stunden
=
1,36
Proc.
nach
80
Stunden
=
1,32
Proc.
nach
96
Stunden
=
1,36
Proc.
d) Sie kann bei der nächsten Beobachtung gestiegen, bei
der dritten constant, und bei der vierten gefallen seyn. Eine Maischwürze zeigte z.
B.
nach
33
Stunden
=
1,20
Proc.
nach
49
Stunden
=
1,97
Proc.
nach
57
Stunden
=
1,97
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,87
Proc.
e) Eie kann bei der nächsten Beobachtung gestiegen, bei
der dritten gefallen und bei der vierten wiederum gestiegen seyn. Von 6 Maischwürzen
zeigte z. B.
a.
b.
nach
48
Stunden
=
1,67
Proc.
nach
49
Stunden
=
1,28
Proc.
nach
58
Stunden
=
1,98
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,76
Proc.
nach
81
Stunden
=
1,00
Proc.
nach
81
Stunden
=
1,64
Proc.
nach
96
Stunden
=
1,26
Proc.
nach
105
Stunden
=
1,82
Proc.
c.
d.
nach
50
Stunden
=
1,96
Proc.
nach
26
Stunden
=
2,94
Proc.
nach
59
Stunden
=
2,12
Proc.
nach
34
Stunden
=
3,07
Proc.
nach
74
Stunden
=
1,86
Proc.
nach
50
Stunden
=
2,24
Proc.
nach
98
Stunden
=
2,21
Proc.
nach
57
Stunden
=
2,34
Proc.
e.
f.
nach
41
Stunden
=
1,84
Proc.
nach
64
Stunden
=
2,88
Proc.
nach
50
Stunden
=
2,23
Proc.
nach
72
Stunden
=
2,96
Proc.
nach
64
Stunden
=
1,24
Proc.
nach
96
Stunden
=
2,48
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,66
Proc.
nach
111
Stunden
=
2,66
Proc.
f) Sie kann steigen und fallen, wiederum steigen und
wiederum fallen, und noch einmal steigen. Zwei Maischwürzen zeigten z. B.:
a.
b.
nach
49
Stunden
=
1,66
Proc.
nach
40
Stunden
=
1,68
Proc.
nach
57
Stunden
=
2,04
Proc.
nach
48
Stunden
=
2,42
Proc.
nach
73
Stunden
=
1,04
Proc.
nach
72
Stunden
=
1,90
Proc.
nach
81
Stunden
=
1,48
Proc.
nach
88
Stunden
=
1,96
Proc.
nach
105
Stunden
=
1,18
Proc.
nach
96
Stunden
=
1,70
Proc.
nach
120
Stunden
=
1,54
Proc.
nach
120
Stunden
=
2,02
Proc.
Aus dieser Beobachtungsreihe ersieht man zunächst, daß die gestiegene
Saccharometeranzeige auch wieder fallen könne, und zwar tief unter den Punkt von
welchem aus sie aufwärts stieg. Ist dieß möglich, wenn das Steigen durch die
Milchsäuregährung bedingt war? Nein!
Es muß also noch eine andere Ursache geben; aber welche?
Ich habe oben, als ich die Bereitung der hier in Rede stehenden Kartoffelmaischen
beschrieb, angegeben daß die Maischen nach der Anstellung alle mehr oder weniger
Stärkmehl enthielten.
Ich habe ferner angegeben, daß die Kartoffeln vorzugsweise circa. 15 Proc. Stärkmehl enthielten, und daß pro 100 Pfd. dieser stärkmehlarmen Kartoffeln 8 Pfd. Grünmalz angewandt
wurden, ein so bedeutendes Malzquantum, daß die Anhänger der in der deutschen
Brennereischule herrschenden Malz Knickerei mich sür einen Malzverschwender erklären
werden.
Jede Erscheinung hat ihre Bedingungen. Werden die Bedingungen erfüllt, so muß die
Erscheinung mit Nothwendigkeit eintreten.
In den Maischen war Stärkmehl; in Folge der größeren Malzmenge war in ihnen dasjenige
Agens, welches das A und Z der secundären Extractbildung, der Verwandlung des
rückständigen Stärkmehles in Maischextract ausmacht, in bedeutender Menge vorhanden;
ihre Concentrationen wurden durch den Zusatz des Zukühlwassers einerseits und durch
die zersetzende Thätigkeit der Alkoholhefe andererseits vermindert: die Bedingungen
waren erfüllt — folglich war nun das Zustandekommen der Erscheinung, der
secundären Extractbildung nothwendig, unausbleiblich.
Unlösliches Stärkmehl wird nun in lösliches Maischextract verwandelt. Das
Maischextract wird vom Würzenwasser aufgelöst. Die Würze concentrirt sich: folglich
muß die Saccharometeranzeige derselben steigen.
Die secundäre Extractbildung ist also jene andere Ursache der steigenden
Saccharometeranzeige, nach welcher wir bisher suchten. —
Aus der letzten Beobachtungsreihe ersahen wir ferner, daß die Saccharometeranzeige in
dem letzten Stadium der Alkoholgährung die wunderlichsten Sprünge machen kann: bald
steigt sie, bald fällt sie, bald ist sie eine Zeitlang constant, um sich dann wieder
in die eine oder andere der beiden möglichen Richtungen zu bewegen.
Die Erklärung dieser Erscheinung ist jetzt leicht.
In der stärkmehlhaltigen, gährenden Maischwürze vollziehen sich vorzugsweise zwei
Processe: die Alkoholgährung und die Extractbildung.
Die Thätigkeiten beider haben entgegengesetzte Richtungen: die erstere ist
unausgesetzt bestrebt, die Saccharometeranzeige der Würze sinken zu machen, die
letztere ist unausgesetzt bestrebt, sie steigen zu machen.
Ist die Thätigkeit der Extractbildung größer, als die der Alkoholgährung, so steigt
die Saccharometeranzeige; ist das Umgekehrte der Fall, so sinkt sie. Sind beide
Thätigkeiten gleich, so tritt die Constanz ein, und diese dauert so lange, bis
wieder Ungleichheit eintrifft, in welchem Falle die Saccharometeranzeige der
Richtung der größeren Thätigkeit folgt. Dieses Spiel, dieses Rivalisiren währt
natürlich so lange, bis die eine oder die andere Thätigkeit erlischt.
Zeigt hingegen eine bei der Anstellung stärkmehlhaltige Maischwürze am sogen. Ende
der Alkoholgährung diese Schwankungen der Saccharometeranzeige nicht, so entsteht
die Alternative: entweder erreichte die secundäre Extractbildung ihr Ende bereits
während der ersten unbeobachteten Stadien der Alkoholgährung; oder beide Processe
endigten gleichzeitig, in welchem Falle dann das Thätigkeitsübergewicht während der
ganzen Zeit ihres
Zusammengehens auf der Seite der Alkoholgährung sich befand. Dieß die Erklärung der
Thatsache der 41 bei der Anstellung stärkmehlhaltigen, vergohrenen Maischwürzen ohne
Saccharometerschwankungen.
Daß die 91 Maischwürzen überhaupt in die zwei Gruppen: mit und ohne
Saccharometerschwankungen zerfielen, kann, da alle die Verhältnisse, wie Temperatur,
Malzmenge u. s. w., dieselben waren, vorzugsweise nur durch eine Ungleichheit in den
Stärkmehlmengen bedingt seyn, welche der primären Extractbildung bei der
Einmaischung entgingen. In der That, die Beobachtungsregister weisen nach, daß die
41 saccharometrisch-normalen Maischwürzen aus bedeutend stärkmehlärmeren
Kartoffeln bereitet sind, als die 50 saccharometrisch-anormalen. Außerdem
verweise ich nun auf die vorn gegebene Beschreibung der 98 Getreide- und der
8 Getreide-Kartoffelmaischen.
V. Die
secundäre Extractbildung und die deutsche Dickmaischbereitung.
Wir ersehen aus den Schwankungsbeobachtungen in Nr. IV
dieser Arbeit, daß, wenn größere Mengen Stärkmehl der secundären Extractbildung
vorliegen, dadurch der Abschluß der Alkoholgährung außerordentlich verzögert wird.
Folglich ist die Geschwindigkeit des Gährungsverlaufes mitbedingt von dem größeren
oder geringeren Umfange der primären Extractbildung, der Extractbildung im
Vormaischbottich.
Diese letztere aber ist, unter sonst gleichen Umständen, von der Quantität des in
Anwendung kommenden Wassers bedingt, so zwar, daß sie um so mehr unterdrückt, je
mehr das Wasserquantum vermindert wird.
In Deutschland verarbeitet man hochconcentrirte Maischwürzen. Dazu ist man gezwungen;
deßhalb ist dagegen nichts einzuwenden.
Diese hochconcentrirten Würzen werden dadurch erhalten, daß man noch höher
concentrirte (Urwürzen) durch ein gewisses Wasserquantum, das sogenannte
Zukühlwasser verdünnt. Hiergegen ist etwas einzuwenden.
Darf überhaupt, wenn hochconcentrirte Würzen vergährt werden sollen, nur wenig Wasser
zur Maischbereitung in Anwendung kommen, so wird die Menge des zur Darstellung der
Urwürze übrigbleibenden Wassers, des sogenannten Einmaischwassers, durch den
Gebrauch des Zukühlwassers noch mehr vermindert.
Erfahrungsgemäß ist nun, daß selbst bei der Anwendung des Einmaisch- und des
Zukühlwassers zur Einmaischung noch immer ganz bedeutende Stärkmehlmengen der
primären Extractbildung entgehen und mithin der secundären anheimgestellt werden.
Wievielmal größer muß
daher diese Stärkmehlmenge seyn, wenn ohne Mitanwendung des Zukühlwassers
eingemaischt wird!
Das würde nun vielleicht nichts schaden, wenn der deutsche Spiritusfabrikant seine
Maischen beliebig lang gähren lassen dürfte; allein hier tritt ihm die deutsche
Maischraumsteuergesetzgebung, dieser Hemmschuh für die vorwärtsrollende technische
Forschung, in den Weg. Ist die gesetzlich erlaubte Gährzeit abgelaufen, so muß die
Maische destillirt werden, sie mag in Folge secundärer Extractbildung wie viele
Procente immer am Saccharometer zeigen.
Das Gesetz ist gegeben; wir müssen ihm gehorchen. Mithin haben wir unsere
Fabricationsmethode dem Gesetze anzupassen. Damit ist jedoch noch nicht genug
gethan, daß wir möglichst viel Stärkmehl zur Einmaischung und möglichst kräftige
Stellhefen zur Anwendung bringen; wir haben vielmehr auch Alles zu vermeiden, was
die Extractzersetzung verlangsamen kann. Die Extractzersetzung aber kann verlangsamt
werden durch die secundäre Extractbildung.
Da wir nun wissen, daß in einer gährenden, stärkmehlhaltigen Maische die
Extractzersetzung um so rascher vollzogen wird, je weniger der secundären
Extractbildung zu thun übrig bleibt; da wir ferner wissen, daß der secundären
Extractbildung um so weniger zu thun übrig bleibt, je weniger wir die Menge des
Einmaischwassers vermindern: so empfiehlt es sich, den Gebrauch des Zukühlwassers
aufzugeben und die ganze dadurch disponibel gewordene Wassermenge mit zur
Einmaischung anzuwenden.
Hiergegen lassen sich folgende Einwürfe machen:
a) man hat ein größeres Maischvolumen auf die
Gahrbrühtemperatur zu bringen, was mehr Steinkohlen kostet;
b) da man ein größeres Maischvolumen zu kühlen hat, so
geht die Abkühlung desselben auf dem Kühlschiffe auch langsamer vor sich, das aber
vergrößert den Verlust an Zucker, Stickstoff und Salzen durch Milchsäuregährung.
Wir sehen also: auf der einen Seite hat man Gewinn, auf der anderen Verlust. Ob der
erstere größer sey als der letztere, oder umgekehrt, entscheidet der kaufmännische
Calcul. Dieser aber fiel bisher, soweit meine Erfahrungen reichen, stets zu Gunsten
des Nichtzukühlwassers aus.
Noch viel besser ist es, die Maische wie oben angegeben zu bereiten und dann mit der
Siemens'schen Kühlmaschine zu kühlen. In diesem Falle
ist man sehr theoretisch und zugleich sehr praktisch.
Uebrigens verweise ich auf die im IV. Theile dieser
Arbeit gegebene Beschreibung des Dünnmaischverfahrens und dessen Folgen.
Die Bereitung der Maischen ohne Zukühlwasser sah ich zuerst in Ungarn, einem Lande
welches in Folge einer liberaleren Gesetzgebung rasch eine sehr hohe Culturstufe in
Bezug auf die Spiritusfabrication erlangt hat. Auferzogen in den mannichfaltigen
Vorurtheilen der deutschen Brennereischule, sah ich anfänglich die Benutzung des
Zukühlwassers zur Einmaischung als eine nutzlose Erschwerung der
Einmaischungs- und der Abkühlungsarbeit an. Allein sehr bald erkannte ich
meinen Irrthum. Diese äußerst elegante, rasch und sicher zum Ziele führende
Gährmethode der Ungarn ist gar nicht möglich, wenn nach deutscher Weise zugekühlt
wird; und sicher ist, daß die deutsche Gährmethode eine namhafte Verbesserung
erfährt, wenn nach ungarischer Weise nicht zugekühlt wird.