Titel: | Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XIII., S. 52 |
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XIII.
Mittheilungen aus dem chemisch-technischen
Laboratorium des Carolinum zu Braunschweig.
Der sogenannte H. Y. D.Scott'sche Cement; von Friedrich Schott.
Schott, über den Scott'schen Cement.
1) Herstellung und Natur
desselben.
Im Frühjahr 1854 machte der Ingenieurcapitän H. Y. D. Scott die Beobachtung, daß Aetzkalk, in der Rothglühhitze den Dämpfen von
brennendem Schwefel ausgesetzt, sich nicht mehr löscht, aber zerrieben und mit
Wasser angemacht hydraulische Eigenschaften zeigt.Dieses Journal, 1857, Bd. CXLVI S. 292. Das inzwischen patentirte Verfahren besteht nach einer Mittheilung von Delesse
Dieses Journal, 1863, Bd. CLXX S. 212. darin, daß man auf der durchbrochenen Sohle eines Ofens Aetzkalk zum Glühen
bringt, während unterhalb dieser Sohle bei möglichst geschlossenen Zügen Schwefel in
eisernen Töpfen brennt, so daß die Verbrennungsgase des Schwefels durch den
glühenden Kalk ziehen. Das Product ist von licht-ledergelber Farbe, erhärtet
gemahlen und mit Wasser angemacht langsam aber stark; es wird angeblich in England
in großem Maaßstab, namentlich im Militärbauwesen unter dem Namen „Scott'scher Cement“ angewendet. An sich
hydraulische Kalksteine sollen einen noch besseren Cement liefern, als gewöhnliche
sich fett löschende Kalksteine.
Bei Gelegenheit der Londoner Industrie-Ausstellung vom Jahr 1862 untersuchte
Herv´r Mangon
Dieses Journal, 1865, Bd. CLXXV S. 292. eine nach Frankreich mitgebrachte Probe von Scott'schem Cement. Er fand darin neben Kalk als vorwiegendem Bestandtheil
(63,7 Proc.), viel Kieselerde (10,4 Proc.), Thonerde und Eisenoxyd (4,9 Proc), dann
nahe 2 Proc. Schwefel, wovon die Hälfte als Schwefelwasserstoff durch Säuren
entwickelbar, die Hälfte als fertig gebildete Schwefelsäure vorhanden. Mangon bemerkt weiterhin, daß die eigentlich wirksame
Verbindung des Scott'schen Cementes das Ergebniß
„der Einwirkung von Wärme auf schweflige Säure bei Gegenwart von
Kalk“ sey und ebenso gut erhalten werde durch Glühen von Gemengen aus
schwefligsaurem Kalk mit Aetzkalk. Die Beweise dafür hat der Verf. noch nicht
gebracht, auch „die Aufstellung einer begründeten Theorie“ der
Bildung dieses Cementes auf seine Beobachtungen hin noch nicht gewagt. Dazu
erscheinen sie in der That, besonders aber die oberflächliche Analyse einer noch
dazu sehr thonhaltigen und darum zu weiteren Schlußfolgerungen nicht geeigneten
Probe, nicht angethan. Es blieb also noch wahr, was schon Delesse über den Scott'schen Cement gesagt,
hat, daß „seine Theorie zur Zeit noch sehr unklar ist.“
Die nachstehende Untersuchung ist zur Aufklärung des Vorganges bei der Bildung dieses
Cementes, sowie zum Verständniß der Grundlagen und Bedingungen seiner hydraulischen
Eigenschaften unternommen.
Die Darstellung des Scott'schen Cementes gelingt ebenso
leicht im Kleinen als Laboratoriumsversuch, wie im Großen. Seine hydraulische
Eigenschaft soll nach allen Angaben schon an die bloßen Kalkverbindungen geknüpft
und von thonigen oder kieseligen Gemengtheilen ganz unabhängig seyn. Man wählte
daher als Ausgangspunkt einen völlig reinen kohlensäurefreien gebrannten Kalk aus
Carraramarmor, der sich in Wasser augenblicklich unter Zischen löschte und trug Sorge sich bei dem Versuch
zunächst möglichst an das patentirte Verfahren zu halten. Zu dem Ende erhitzte man
eine mit haselnußgroßen Stücken von Aetzkalk gefüllte strengflüssige böhmische
Glasröhre in dem sogen. Verbrennungsofen mit Gasfeuer bis auf die am Tage deutlich
sichtbare Rothgluth. In diesem Zeitpunkte saugte man mit dem Aspirator einen
Luftstrom durch das Rohr, während man zu gleicher Zeit in das vordere offene und
kalkleere Ende des Rohres Schwefel in kleinen Stückchen einschob. Sie entzündeten
sich sofort, während die Verbrennungsproducte über den glühenden Kalk wegstrichen.
Es wurde sorgfältigst darauf geachtet den verzehrten Schwefel stetig zu ersetzen, so
daß vor dem Kalk stets brennender Schwefel vorhanden war, und so anderthalb Stunden
fortgefahren. Das nach dem Erkalten aus dem Glasrohr genommene Product war gelbbraun
von Farbe, mürbe, leicht zerdrückbar zwischen den Fingern; zerrieben und mit Wasser
angemacht, zog es unter sehr merklicher Erwärmung alsbald an zu einem
zusammenhängenden Guß, der unter Wasser versenkt in acht Tagen eine beträchtliche
Härte annahm. Es entsprach in jeder Beziehung der Beschreibung des Scott'schen Cementes, nicht minder auch in dem chemischen
Verhalten: Chlorwasserstoffsäure löst es vollständig unter Entwickelung von
Schwefelwasserstoff und Abscheidung von etwas Schwefel; ebenso gibt eine Lösung von
Chlorammonium, einige Zeit damit gekocht, eine vollkommen klare Flüssigkeit ohne
Rückstand. Der Umstand, daß Schwefelkohlenstoff dem Product etwas Schwefel entzog,
ließ schließen daß bei dem Versuch unmittelbare Berührung zwischen Schwefel und Kalk
nicht ganz vermieden war. Eine Wiederholung des Versuches, wobei zwischen dem Kalk
und dem brennenden Schwefel ein Asbestpfropf eingeschoben war, bestätigte die
Vermuthung. Das Product fiel nun rein weiß aus, verhielt sich aber im Wesentlichen
wie vorher. Als man das Product eines Versuches nach der Länge des Rohres in drei
Antheile schied, nämlich den Theil zunächst dem Schwefel, den mittleren und den
Theil nach dem Aspirator zu, so fand sich, daß die hydraulischen Eigenschaften
dieser drei Theile in der Richtung des durchgesogenen Stromes stark abnahmen. Jene
Eigenschaft setzt demnach eine reichliche Absorption von schwefliger Säure, eine
möglichst vollständige Sättigung des Kalkes voraus, wozu ein anderthalbstündiges
Brennen von Schwefel in obiger Art noch nicht ausreicht. Dieß geht aus einem anderen
Versuche hervor, wobei der Schwefel gar nicht in dem Glasrohr, sondern in einer
kleinen Porzellanschale verbrannt und das Verbrennungsproduct mittelst eines
umgekehrten Trichters durch den Kalk gesaugt wurde. Das Product löschte sich noch
mit Wasser und zeigte nur schwache Anfänge von hydraulischer Eigenschaft, offenbar weil unter diesen
Bedingungen für gleiche Versuchsdauer viel mehr überschüssige Luft und viel weniger
schweflige Säure über den Kalk gegangen waren, als bei den früheren. Es kommt mithin
auf eine reichliche Zufuhr dieser Säure an; zudem war mittelst Verbrennen von
Schwefel kein zu festen Schlußfolgerungen geeignetes Präparat zu erwarten, theils
weil dabei fortwährend etwas Schwefel sublimirt, theils weil dabei auch eine Menge
Schwefelsäureanhydrid gebildet wird. Darnach war es angezeigt, reine schweflige
Säure, aus Kupferspänen und Schwefelsäure, zu versuchen. Die schweflige Säure wurde
zuerst durch ein Rohr mit Glasstücken geleitet, welche mit concentrirter
Schwefelsäure befeuchtet waren, dann durch ein zweites Rohr mit Asbest und
Bimssteinstücken. Auf diese Weise getrocknet und von etwa mit übergerissenen
Tröpfchen aus dem Entwickelungsgefäß befreit, ließ man das Gas über den wie vorher
im Verbrennungsrohr auf die eben sichtbare Dunkelrothglühhitze gebrachten Kalk
streichen. Die Erscheinungen traten nun in ihrer vollen Ausprägung ein. Mit der
Ankunft der schwefligen Säure kam der zuerst getroffene Theil des Kalkes (etwa auf
die Länge von 3/4 Zoll) zum hellen Rothglühen, es trat eine Feuererscheinung ein,
die stetig bis zum entgegengesetzten Ende des Kalkrohres vorrückte. Dabei wurde die
schweflige Säure so vollständig absorbirt, daß während der Dauer des Versuches nicht
der leiseste Geruch nach diesem Gas wahrnehmbar war. Die Feuererscheinung ließ sich
mit dem Strom der schwefligen Säure unterbrechen, verlangsamen und beschleunigen.
Das am Austrittsende des Rohres mit Kalk vorgeschlagene destillirte Wasser zeigte
keinerlei saure Reaction so lange die Feuererscheinung währte. Nach dem Verschwinden
derselben ließ man zur Vorsicht noch einige Zeit schweflige Säure über den Kalk
streichen und diesen letzteren in dem Strom dieses Gases zuletzt erkalten. Der
gebrannte Kalk, welcher aus dem krystallinischen Marmor gewonnen bekanntlich immer
etwas körnig ausfällt, hatte sein äußeres Ansehen so gut wie nicht geändert, das
Product war eben so weiß und eben so körnig; aber die Körner zeigten sich unter dem
Stempel des Mörsers knirschend hart. Das Pulver, mit Wasser zu einem Brei angerührt,
verhielt sich kurz, wie Sand, und löschte sich nicht, obwohl merkliche Entwickelung
von Wärme eintrat. Nach einiger Zeit zog die Masse an und der entstandene Kuchen,
nach 12 Stunden unter Wasser versenkt, nahm nach acht Tagen eine ungleich
bedeutendere Härte, als bei den vorhergehenden Versuchen und zwar die eines guten
Cementes der gewöhnlichen Art an. Durch Kochen des Pulvers mit concentrirter
Salzsäure und Verdünnen mit heißem Wasser erhielt man eine vollkommen klare Lösung;
ebenso durch Kochen mit
einer Lösung von Chlorammonium, wobei Ammoniak und Schwefelammonium entwich. In
verdünnter Chlorwasserstoffsäure löste sich das Pulver, selbst bei andauerndem
Sieden, nur langsam und zwar unter Entwickelung von Schwefelwasserstoff zu einer von
ausgeschiedenem Schwefel etwas milchigen Flüssigkeit.
Die Absorption der schwefligen Säure durch den glühenden Kalk geschieht mit solcher
Stärke, daß das Quecksilber einer dem Rohr mit Kalk angehängten dünnen Röhre von 30
Zoll fast ohne Schwankung den herrschenden Barometerstand behauptete. Durch einen
solchen mit Barometerröhre versehenen Apparat leitete man in der Kälte schweflige
Säure bis zur völligen Vertreibung der Luft. Als man nun das Kalkrohr auf der dem
Barometer entgegengesetzten Seite luftdicht abschloß und erhitzte, stieg das
Quecksilber sofort auf die Höhe des herrschenden Barometerstandes. Ein auf etwa 1/4
seiner Länge mit Kalk, dann ganz mit schwefliger Säure bis zur vollständigen
Verdrängung der Luft gefülltes, zuletzt an beiden Enden zugeschmolzenes langes Rohr
wurde einige Zeit rothglühend erhalten, dann am Ende der Kalkbeschickung
abgeschmolzen. Als man nun die Spitze des abgeschmolzenen kalkleeren Theiles unter
Wasser abbrach, stieg dasselbe auf und erfüllte den ganzen inneren Raum bis auf eine
erbsengroße Blase, wie sie ein gleiches Volum schwefliger Säure ebenfalls
hinterließ. Es steht demnach fest, daß bei der Reaction der schwefligen Säure, auch
bei dem stärksten Strom dieses Gases auf den glühenden Kalk, keinerlei permanentes
Gas entwickelt wird. Insofern die schweflige Säure bei den letzten Versuchen
sorgfältig von Schwefelsäure (durch neutral schwefelsaures Natron) befreit und
(durch Chlorcalcium) getrocknet war, beruht die Reaction auch nicht auf dem
zufälligen Vorhandenseyn von einem dritten Körper, insbesondere nicht auf der
Vermittelung von Wasser.
Es erübrigt noch die Ermittelung des chemischen Bestandes des bis dahin besprochenen
Productes. Die qualitative Analyse erwies Vorhandenseyn von Kalk und fertig gebildeter Schwefelsäure in
größerer Menge; die Entwickelung von Schwefelwasserstoff mit Säuren, das
Vorhandenseyn von Schwefelcalcium; die Abscheidung von
Schwefel bei Anwendung von verdünnter nicht aber concentrirter
Chlorwasserstoffsäure, die Anwesenheit von etwas schwefligsaurem Kalk neben Schwefelcalcium. In Folge der Erhitzung der
Substanz mit concentrirter Chlorwasserstoffsäure wird nämlich die schweflige Säure
augenblicklich ausgetrieben und kann sich nicht in der Flüssigkeit lösen; umgekehrt
bei verdünnter Chlorwasserstoffsäure. Je nachdem nun der erst in zweiter Linie frei
werdende Schwefelwasserstoff in der Flüssigkeit schweflige Säure vorfindet oder nicht,
findet Ausscheidung von Schwefel statt oder das Gegentheil. Die Anwesenheit von
etwas schwefligsaurem Kalk, im Gegensatz von Calciumpolysulfuret, woran man denken
könnte, ergibt sich auch schon daraus, daß dieses letztere nicht gut bei einer
geraden Anzahl Atome schwefliger Säure und Kalk zu Stande käme. Zur quantitativen
Analyse dienten frisch bereitete, in dichtverschlossenen Gläsern aufbewahrte
Präparate. Man bestimmte die fertig gebildete Schwefelsäure durch Aufschließen mit
Chlorwasserstoffsäure, ferner die Schwefelsäure nach vorausgegangener Oxydation
durch Schmelzen mit Salpeter als Summe der fertig gebildeten Schwefelsäure und der
aus dem als Schwefelwasserstoff entwickelbaren Schwefel hervorgegangenen; alsdann
das Gewicht der mit Ueberschuß von Schwefelsäure versetzten, zur Trockne gebrachten
und geglühten Substanz; endlich den Kalk als solchen.
Stücke von drei verschiedenen Darstellungen, im Mörser zerrieben und möglichst
gleichmäßig gemischt, gaben auf diese Weise:
a) fertig gebildete Schwefelsäure: 30,58 Proc. –
30,72 Proc.; im Mittel 30,65 Proc.;0,3985Grm.Substanzgaben0,3550 Grm.schwefelsauren Baryt0,5665„„„0,5070 „ „ „
b) Schwefelsäure nach vorausgegangener Oxydation: 47,37
Proc. – 46,86 Proc.; im Mittel 47,11 Proc.;0,200Substanzgaben0,276schwefelsauren Baryt0,1000„„0,1365 „ „
c) 100 Gewichtstheile Substanz, in schwefelsauren Kalk
verwandelt, wogen: 158,07 – 158,56 – 158,80 – 158,82; im Mittel
158,56 Gewichtstheile.0,13954,26851,37340,8198Substanz„„„gaben„„„0,08102,49950,80760,4822Gewichtszunahme mit Ueberschußan
Schwefelsäure
Aus (c) berechnet sich ein Gehalt im Ganzen von 46,59
Procent Calcium, entsprechend 65,23 Proc. Kalk; die directe Bestimmung ergab 64,75
und 64,50 Proc.0,200Substanzgaben0,1295caustischen Kalk0,100„„0,0645
„
„ Der Unterschied der beiden Schwefelsäurebestimmungen (a) und (b) = 16,46 Proc. entspricht 8,23 Proc.
Calcium, theils an Schwefel, theils an schweflige Säure gebunden. Zieht man diesen
Antheil Calcium von dem ganzen Betrag ab, so bleiben (46,59 – 8,23 =) 38,36
Proc., welche als Kalk (= 53,70 Proc.) vorhanden sind. Die Menge des schwefligsauren
Kalkes gegenüber dem Schwefelcalcium ist schwierig zu bestimmen, aber leicht aus
vorstehenden Daten zu berechnen. Die fertig gebildete Schwefelsäure (30,65) und die
53,70 Proc. Kalk machen
zusammen 84,35 Proc., so daß für Schwefelcalcium und schwefligsauren Kalk zusammen
15,65 Proc. übrig bleiben; wie oben schon nachgewiesen, kommt diesen ein Gehalt von
Calcium = 8,23 Proc. zu. Daraus folgt,Wenn d die Summe der beiden Kalkverbindungen, a die Summe ihres Gehaltes an Calcium und x den Betrag von Schwefelcalcium in Procenten
bedeutet, so ist x = (3 a – d)/0,6667, also oben x = (3 × 8,23 – 15,65)/0,6667 =
13,56 Proc. daß jene 15,65 Proc. bestehen aus: 13,56 Schwefelcalcium und 2,09
schwefligsaurem Kalk. Man hat somit, Alles zusammengefaßt:
Fertig gebildete Schwefelsäure
30,65
Kalk
53,70
Schwefelcalcium
13,56
schwefligsauren Kalk
2,09
––––––
100,00
Die als solche vorhandene Schwefelsäure verlangt zu neutralem Kalksalz 21,45 Proc.
Kalk, während mehr als das 2 1/2 fache vorhanden ist; beide stehen in keinem
einfachen Atomverhältniß.
Ein anderer Antheil des analysirten, aus drei Darstellungen gemengten Productes gab,
in Folge unvollkommener Mengung, etwas abweichende Zahlen: fertig gebildete
Schwefelsäure = 29,68; Kalk im Ganzen = 65,15; Schwefelsäure nach vorausgegangener
Oxydation = 45,39 Proc.Herr Assistent Reimer hatte die Güte diese
Bestimmungen mit folgendem unmittelbaren Ergebniß auszuführen:a0,523 Grm.0,664 „ Substanz„gaben„0,458
Grm.0,570 „fertig„gebildete„Schwefelsäure„b1,3200 „1,5850 „„„„„1335
„1,3715 „„„„„„„ a) mit Chlorwasserstoffsäure, b) mit Salmiak aufgeschlossen.0,789 Grm. Substanz gaben nach vorausgegangener Oxydation1,043 schwefelsauren Baryt und 0,517 Kalk.
Eine Probe aus Kalk mit brennendem Schwefel dargestellt, nach dem Erhärten in Wasser
analysirt (s. weiter unten), gab auf wasserfreie Substanz berechnet: Schwefelsäure
nach vorausgegangener Oxydation 60,6 neben 53,9 Proc. Kalk, also weit verschiedene
Werthe. Das ganze Product der Einwirkung des Schwefels und der schwefligen Säure auf
den Kalk hat augenscheinlich den Charakter eines Gemisches. Es ist klar, die
Producte verschiedener Darstellungen sind verschieden. Nur von der Analyse eines
Productes ein und derselben Darstellung, bei möglichst vollständiger Einwirkung der
schwefligen Säure, könnten weitere Aufschlüsse erwartet werden.
Bei der zu einer solchen Analyse unternommenen Darstellung erhitzte man den Kalk im
Verbrennungsrohr mit der Flamme des Gasofens so stark als möglich, d.h. bis zur
Temperatur der hellen Rothgluth. Die schweflige Säure brachte auch in diesem Falle
die oben erwähnte Feuererscheinung hervor. Mit dem Durchleiten der schwefligen Säure
wurde lange über das Verschwinden jener Glüherscheinung hinaus fortgefahren. Man
erhielt, nach dem Verfahren wie zuvor:
a) Schwefelsäure, fertig gebildet: 24,69 – 24,46
– 24,65 – 24,97; im Mittel 24,69 Proc.;0,865Substanzgaben0,622schwefelsauren Baryt0,4885„„0,3480 „ „0,539„„0,387 „ „0,3940„„0,2865 „ „
b) Schwefelsäure nach vorhergegangener Oxydation mit
Salpeter: 33,02 – 33,46 – 33,39; im Mittel 33,62;0,5930Substanzgaben0,5875schwefelsauren Baryt0,275„„0,268 „ „1,675„„1,629 „ „
c) Gewicht von 100 Gewichtstheilen Substanz, durch
Abdampfen und Glühen mit Ueberschuß von Schwefelsäure in schwefelsauren Kalk
verwandelt: 176,38 – 176,13 – 176,19 – 176,28; im Mittel 176,24
Gewichtstheile.0,1905Substanzgaben0,1455Uebergewicht0,3875„„0,2950„0,273„„0,208„0,4870„„0,3715„
Der Unterschied von a) und b)
gibt 33,62 – 24,69 = 8,93 Proc. Schwefelsäure, entsprechend 4,46 Calcium im
Schwefelcalcium und schwefligsauren Kalk zusammen. Aus c) folgt ein Gehalt von Calcium im Ganzen = 51,83; zieht man davon jene 4,46
Proc. ab, so bleibt 47,37 Proc. Calcium, entsprechend 66,32 Proc. Kalk. Diese mit
der vorhandenen Schwefelsäure zusammengerechnet, geben (24,69 + 66,32 =) 91,01 Proc.
und es bleiben mithin 8,99 Proc. als Summe von Schwefelcalcium und schwefligsaurem
Kalk. Aus dieser letzteren Zahl und aus dem Calciumgehalt beider Verbindungen folgt
6,58 Proc. Schwefelcalcium neben 2,41 Proc. schwefligsaurem Kalk, und für den
Bestand im Ganzen:
vorige Analyseder Probe:
Schwefelsäure, als solche vorhanden
24,69
30,65
Kalk
66,32
53,70
Einfach-Schwefelcalcium
6,58
13,56
schwefligsaurer Kalk
2,41
2,09
–––––
––––––––––
100,00
100,00
Also abermals völlig verschiedene Mischungsverhältnisse. Es geht aus diesen
Beobachtungen mit Bestimmtheit hervor: daß jede Bereitung je nach den Umständen,
höchst wahrscheinlich je nach der Temperatur, verschieden gemischte Producte
liefert. Ferner war die naheliegende Vermuthung zu prüfen, ob diese Producte
möglicher Weise nur Zersetzungsproducte von schwefligsaurem Kalk sind.
Nach der Schulformel zerfallen in der That 4 At. schwefligsaurer Kalk bei Glühhitze
in 3 At. schwefelsauren Kalk und 1 At. Schwefelcalcium. Diesem Verhältniß von 3: 1
entspricht zwar keine der obigen Analysen; diese enthalten vielmehr sehr
beträchtliche Mengen von überschüssigem Kalk, welchen jene Formel geradezu
ausschließt; aber die Schulformel mochte irrig oder doch nicht für alle Bedingungen
richtig seyn. Außerdem müßte selbstverständlich die Einwirkung der schwefligen Säure
auf Kalk mit der Bildung von schwefligsaurem Kalk beginnen und mit seiner Zersetzung
endigen; das Vorausgehen der Bildung dieses Salzes mußte durch den Versuch erwiesen
werden.
Das Material zu den in dieser Frage erforderlichen Versuchen verschafft man sich
leicht durch Einleiten von schwefliger Säure in mit Wasser angerührten reinen
kohlensauren Kalk bis zur vollkommenen Sättigung. Es schied sich der schwefligsaure
Kalk als krystallinisches Pulver ab. Von der Flüssigkeit getrennt, trocknete man ihn
in einem Strom von Kohlensäure bei 120–130° C. Das so erhaltene
gelbliche Pulver ist nicht trockenes Salz, es gab vielmehr noch 8,66 Proc. Wasser im
Chlorcalciumrohr aufgefangen. Beim Glühen im Platintiegel verflüchtigt sich anfangs
dieses Wasser; später tritt ein Geruch von schwefliger Säure unter starkem
Gewichtsverlust auf, der in verschiedenen Versuchen zwischen 15 und 27 Proc. je nach
der Dauer des Glühens und der Temperatur schwankte, also weit über den Verlust an
Wasser hinausging. Gegen Ende des Glühens nahm das Gewicht wieder langsam zu, so daß
eine bestimmte Gewichtsänderung sich nicht feststellen ließ. Mit steigender Hitze
wird die Masse anfangs körnig, beginnt bei sehr starkem Glühen zu sintern und sich
im Feuer der Gebläselampe nach dem Platintiegel zu formen. Eine Probe von solcher in
stärkstem Feuer hergestellten Masse A, sowie eine zweite
im sehr gelinden Feuer B sind zu den folgenden Analysen
verwendet. Die letztere Probe B (bei mäßiger Hitze) ist
in einem in einen hessischen Tiegel eingesetzten Porzellantiegel im Windofen
hergestellt.Ein Theil der Masse war an der Tiegelwand durch Einwirkung des Kalkes auf den
Thon der letzteren verglast; dieser Theil ist bei der Analyse sorgfältigst
ausgehalten, was um so weniger Schwierigkeit bot, als er fest am Tiegel
haftend von der inneren Masse leicht zu trennen war. Die Masse war leise zusammengebacken, aber nicht gesintert. Die
hartgeglühte gesinterte Masse A erhärtete mit Wasser
angemacht, die leicht geglühte Masse B nicht, löschte
sich aber auch nicht; sie verhielt sich wie todtgebrannter Gyps.
Man erhielt bei der wie oben ausgeführten Analyse:
A0,4930 Grm.0,332
„Substanz„gaben„0,37950,255schwefels.
Baryt
„
„entsprechend der
fertiggebildeten Schwefelsäure0,7555
Grm.0,6525 „Substanz„gaben„0,66300,5740schwefels.
Baryt
„
„nach
vorhergegangenerOxydation0,5865
Grm.0,5815 „Substanz„nahmen zu durch Umwandlungin
Schwefelsauren Kalk, um:0,4400 Grm.0,4370 „
B0,6875
Grm.1,437 „Substanz„gaben„0,9985 Grm.2,080
„schwefels.
Baryt
„
„entsprechend derfertig
gebildetenSchwefelsäure0,7715
Grm.0,7720 „Substanz„gaben„1,4950 Grm.1,5025 „schwefels.
Baryt
„
„nach
vorhergegangenerOxydation0,5020
Grm.0,6285 „0,4800 „ Substanz„„nahmen bei der Umwandlung in schwefelsauren Kalk,
um:0,0635
Grm.0,0800 „0,0615 „
a) Vorhandene Schwefelsäure
26,43 Proc.
49,87 Proc.
26,37 „
49,70 „
–––––––––––––––––––––––––
im Mittel
26,40 Proc.
49,78 Proc.
A
B
b) Schwefelsäure nach Oxydation
30,13 Proc.
66,53 Proc.
30,20 „
66,82 „
–––––––––––––––––––––––––
im Mittel
30,16 Proc.
66,68 Proc.
c) Gewicht von 100 Gewichtstheilen
nach Umwandlung in schwefelsauren Kalk
A
B
175,02
112,65
175,15
112,73
–––––––––
112,81
im Mittel
175,08
–––––––––
112,73
Es berechnen sich aus diesen Zahlen, in gleicher Art wie oben:
in A
in B
Gesammtgehalt an Calcium
51,49
33,15 Proc.
Calcium im schwefligsauren Kalk und
Schwefelcalcium
1,88
8,45 „
–––––––––––––––––
Calcium als Kalk
49,61
24,70 Proc.
wornach 100 Gew. Th. beider Massen bestehen aus:
A
B
Schwefelsäure, als solche vorhanden
26,40
49,78
Kalk
69,45
34,58
schwefligsaurer Kalk
1,67
1,08
Einfach-Schwefelcalcium
2,48
14,56
––––––
––––––
100,00
100,00
Das Product B bestätigt die Schulformel, denn sein
chemischer Bestand entspricht gerade 3 At. Schwefelsäure, 3 At. Kalk und 1 At.
Schwefelcalcium, welche fordern:
Schwefelsäure 49,17; Kalk 34,42; Schwefelcalcium 14,70 Proc.
Aber die Schulformel ist nur für den einen im obigen Versuch glücklich getroffenen
Fall des niedrigsten Hitzegrades wahr. Mit steigender Temperatur nimmt der Kalk zu,
die Schwefelsäure ab, bis zuletzt vor dem Gasgebläse bei A auf 3 Atome Schwefelsäure über 11 At. Kalk und nur 1/5 At.
Schwefelcalcium kommen. In beiden Fällen ist ein kleiner Rückhalt von
schwefligsaurem Kalk geblieben. Der Scott'sche Cement ist
sonach nicht verschieden von den Zersetzungsproducten des schwefligsauren Kalkes bei
starker Glühhitze, aber wesentlich verschieden von den Zersetzungsproducten jenes
Salzes bei mäßiger Glühhitze. Namentlich setzen die hydraulischen Eigenschaften in
dem einen wie dem anderen Fall höhere Hitzegrade voraus.
Die Annahme, daß der Scott'sche Cement lediglich das
Zersetzungsproduct des schwefligsauren Kalkes bei hohen Temperaturen vorstellt, ist
bis dahin in vollem Einklang mit den Thatsachen.
Es ist noch nachzuweisen daß der Proceß der Cementbildung, unter den dabei
obwaltenden Bedingungen, mit der Bildung von schwefligsaurem Kalk beginnt. Folgende
Versuche enthalten die Lösung dieser Frage.
Eine weitere, am einen Ende zugeschmolzene, im Winkel abgebogene Glasröhre wurde mit
Quecksilber gefüllt. Zugleich hatte man einige Stückchen reinen kohlensäurefreien,
völlig trockenen gebrannten Kalkes in einen dünnen Glascylinder mit dünn
ausgezogener Spitze eingeschmolzen. Man ließ nun diesen Glascylinder so in dem mit
Quecksilber gefüllten Rohr aufsteigen, daß er in das geschlossene obere Ende zu
liegen kam und füllte die mit Quecksilber gesperrte Röhre mit trockener schwefliger
Säure. Durch Schütteln des Rohres gelangte man leicht dahin, den dünnen Cylinder
darin zu zerbrechen und die Berührung des Kalkes mit der schwefligen Säure
herzustellen. Bei gewöhnlicher Temperatur blieb der Stand des Quecksilbers gänzlich
und auf die Dauer unverrückt; als man aber das umgebogene Ende mit dem Kalk mittelst
der Flamme eines Gasbrenners allmählich erhitzte, begann es stetig zu steigen. Die
schweflige Säure wird also von trockenem Kalk bei gewöhnlicher Temperatur gar nicht,
bei erhöhter Temperatur aber kräftig aufgenommen. Wie Abänderungen des Versuches
ergaben, liegt die Temperatur bei welcher die schweflige Säure von dem Kalk gebunden zu
werden anfängt, höher als die des siedenden Wassers, aber noch unterhalb der
Glühhitze.Gegenüber der sonst so großen Analogie zwischen schwefliger Säure und
Kohlensäure ließ diese gewiß bemerkenswerthe Thatsache erwarten, daß die
Kohlensäure vielleicht dasselbe Verhalten zeige. Das trockene Gas und
trockener gebrannter Kalk reagiren bekanntlich in der Kälte nicht auf
einander, aber ein Versuch wie der obige zeigte sogleich daß die Absorption
der ersteren bei derselben Temperatur wie die schweflige Säure mit Macht
eintritt. In der gewöhnlichen Temperatur nimmt der Kalk beide Säuren nur
unter Vermittelung von Wasser, bei einer höheren Temperatur aber noch unter
der Rothgluth, ohne diese Vermittelung und unmittelbar auf. Mit der
eingetretenen Rothgluth beginnt andererseits die Dissociation des
schweflig- und kohlensauren Kalkes.
Wird der Versuch zur Darstellung des Cementes so angestellt, daß man das Rohr mit
Kalk im Gasofen zwar erhitzt, aber nicht bis zur sichtbaren Glühhitze, so entsteht
beim Hinüberleiten von schwefliger Säure ein Product ohne hydraulische
Eigenschaften, welches sich jedoch nicht mehr in Wasser löscht, aber mit verdünnter
Chlorwasserstoffsäure reichlich schweflige Säure entwickelt. – Leitet man den
Versuch ganz so wie bei der Darstellung des Cementes, unterbricht ihn aber in dem
Augenblick wo die zuströmende schweflige Säure am vorderen Ende die Glüherscheinung
hervorgebracht hat, so hat man dreierlei Inhalt in dem Rohr. Der vordere Theil der
Kalksäule entwickelt mit Säure Schwefelwasserstoff, der mittlere Theil schweflige
Säure, der hintere Theil keines von beiden, löscht sich dagegen im Wasser, was die
beiden vorhergehenden nicht thun.
Was die Temperatur anbelangt bei welcher die Zersetzung des schwefligsauren Kalkes
eintritt, so gaben darüber folgende Versuche Aufschluß. Für diese Versuche ist die
Pulverform ungeeignet; sehr gut eignen sich dagegen kleine Stängelchen, durch
Einpressen des pulverigen Salzes in eine Glasröhre erhalten. Man erhitzte ein damit
gefülltes Glasrohr im Gasofen sehr allmählich bis zur Austreibung des gebundenen
Wassers, beseitigte dieses durch einen Luftstrom mit dem Aspirator, und steigerte
dann die Temperatur langsam bis zu der in voller Dunkelheit eben sichtbar werdenden
Rothgluth. Mit dem Eintritt dieses untersten Grades von Glühhitze zeigte sich eine
Feuererscheinung, eine Art Verglimmung; von irgend einem Punkte der einzelnen
Stängelchen begann ein helleres Glühen und verbreitete sich von da aus über die
ganze Länge. Obwohl vollkommen deutlich und in die Augen springend, war diese
Verglimmung nicht so stark wie bei der Cementbildung aus Kalk und schwefliger Säure.
– Ein zweiter Versuch wurde genau so vorbereitet wie zur Darstellung von
Cement aus Kalk, nur mit dem Unterschied, daß in der Mitte des Rohres statt Kalk
einige Stängelchen von schwefligsaurem Kalk eingelegt wurden. Nach dieser
Vorbereitung entwässerte man den letzteren bei gelinder Hitze wie oben, brachte das Rohr auf
die Rothglühhitze und ließ dann einen starken Strom von schwefliger Säure
durchgehen. Der gebrannte Kalk am vorderen und hinteren Ende zeigte sofort die
Glüherscheinung wie gewöhnlich, der schwefligsaure Kalk dagegen in der Mitte nicht.
Auch bei diesem trat die Erscheinung alsbald ein, aber erst als man den Strom von
schwefliger Säure abstellte und das in dem Rohr befindliche Gas durch Luft
verdrängte.
Wenn somit die Aufnahme von schwefliger Säure durch Aetzkalk bei Hitzegraden unter
der Rothgluth, sowie die Zersetzung des schwefligsauren Kalkes in der Rothgluth
unter Hinterlassung eines hydraulischen Rückstandes erwiesen ist, so erübrigt noch
die Untersuchung über die Art der Zersetzung selbst. Zunächst erhellt aus der
Vergleichung der beiden zuletzt vorhergegangenen Analysen, daß die beiden Producte
der Zersetzung des schwefligsauren Kalkes – das bei niederer (B) und das bei hoher Temperatur (A) – entsprechen:
B
46,4 Proc.
Kalk bei einem gesammten Gehalt an Schwefel von
26,7 Proc.
A
64,7 Proc.
„
„
„
„ „
„ „
„
12,1 Proc.
Auf 100 Gew. Th. Kalk sind in (B) 57,5, in (A) nur noch 18,6 Gew. Th. Schwefel enthalten, folglich
38,8 Gew. Th. verloren gegangen.
Es fragt sich, in welcher Gestalt. Um dieß zu erfahren, bog man ein an einer Seite
zugeschmolzenes Rohr aus strengflüssigem Glas winkelrecht um, brachte in den
waagrechten Schenkel schwefligsauren Kalk, und setzte den offenen senkrechten
Schenkel in Kalilauge als Sperrflüssigkeit. Man erhitzte nun die das Kalksalz
enthaltende Stelle anfangs langsam bis die Verglimmung eintrat; die Kalilauge hatte
so gut wie nichts aufgenommen; als man dagegen jene Stelle stark mit der Flamme des
Leuchtgasgebläses erhitzte, gingen Blasen durch die Lauge welche sich mit
knatterndem Geräusche verdichteten, die Lauge begann alsbald trotz des heftigen
Feuers zu steigen, die heißesten Stellen des Rohres bauchten sich stark ein, während
die Kalkmasse darin zu sintern begann und sich von den Wänden abzuziehen. In der
Kalilauge fand sich viel schweflige Säure, neben Schwefelsäure in geringer
Menge.
2) Einfachere Darstellung aus Gyps und
Kalk.
Insofern der Gehalt des Scott'schen Cementes an
Schwefelcalcium von mehr als 14 Proc. auf beinahe 2 Proc. sinken kann ohne
Beeinträchtigung seiner Erhärtungsfähigkeit, insofern im Gegentheil die (sey es
durch Behandlung von Aetzkalk mit schwefliger Säure, sey es durch Glühen von
schwefligsaurem Kalk) erhaltenen Präparate um so hydraulischer waren, je mehr das
Schwefelcalcium zurücktrat, – erschien das letztere als ein für diese Eigenschaft
unwesentlicher Gemengtheil. In der That verhielten sich Gemenge von 1 At.
Schwefelcalcium (durch Reduction von Gyps erhalten) mit 2 At. Kalk, ebenso mit 3 At.
Kalk, nach vorhergegangenem Glühen nicht im Geringsten hydraulisch. Dieß war jedoch
schon sehr merklich der Fall, als man dem Gemenge gebrannten schwefelsauren Kalk
zusetzte; es war in hohem Grade der Fall, als man das Schwefelcalcium gänzlich
unterdrückte und lediglich Aetzkalk mit gebranntem schwefelsaurem Kalk
zusammenschmolz. Das von Scott angegebene Verfahren zur Darstellung von Cement ist
demnach nur ein weiter und kostspieliger Umweg, indem dasselbe Product weit
einfacher und billiger durch Glühen von Gyps und Kalk erhalten wird.
Bei der Herstellung von hydraulischen Massen auf diesem einfachen Wege machten sich
gleich von vornherein folgende entscheidende Erfahrungen geltend: 1) Wie schon die
Analysen des Cementes nach Scott's Darstellung an die
Hand gegeben haben, ist die hydraulische Beschaffenheit an kein festes Verhältniß
von Gyps und Kalk gebunden; ein Gemenge von 2 At. gebranntem schwefelsaurem Kalk mit
1 At. gebranntem Kalk, aber auch mit 2 At., mit 3 At., selbst mit 4 At. und sogar
mit 6 At. gebranntem Kalk, verhielten sich alle hydraulisch; 2) die Gemenge der
beiden Körper sind an sich nicht hydraulisch, sie erhalten diese Eigenschaft erst
durch vorausgehendes Glühen; 3) die Hydraulicität der verschiedenen Gemenge ist in
hohem Grade abhängig von der Temperatur welcher sie beim Glühen ausgesetzt werden.
Folgende sind die experimentellen Belege zu diesen Sätzen.
Gemenge innerhalb obiger Atomverhältnisse von gebranntem Kalk und schwefelsaurem
Kalk, innigst zusammengerieben, erhärteten mit Wasser nicht wie der Scott'sche Cement, gleichviel ob der schwefelsaure Kalk
in gewässertem Zustand angewendet wurde, oder entwässert. Auch darin zeigte sich
kein Unterschied, ob diese Entwässerung des schwefelsauren Kalkes in der Glühhitze
oder ob sie nur bei niederer Temperatur (wie bei Modellirgyps) vor sich gegangen. In
dem letzteren Falle ließ sich das Gemenge gießen wie gewöhnlicher Gyps, um so
schlechter je mehr Kalk es enthielt, aber es nahm keine nennenswerte Härte an.
– Um den Einfluß der Glühtemperatur festzustellen, bediente man sich eines
Gemenges welches sich bis dahin als das günstigere erwiesen hatte, nämlich von 2 At.
schwefelsaurem Kalk mit 3 At. gebranntem Kalk (Marmor). Im tragbaren Windofen mit
aufgesetztem Dom bei Kohksfeuer eine Stunde lang geglüht, ergab das Gemenge eine
hydraulische Masse, die sich mit Wasser angemacht fühlbar erwärmte, aber ohne sich
zu löschen. Ebenso behandelte Proben mit weniger Kalk (1 At. und 2 At.) zeigten sich gar nicht
hydraulisch, mit mehr Kalk (4 At. und 6 At.) noch ziemlich hydraulisch; letztere
löschten sich jedoch wie magerer Kalk. Als man diese Gemische in einem feststehenden
Schmelzofen mit 40 Fuß hohem Zugkamin bei Kohksfeuer und bei beginnender Weißgluth
erhitzte, verloren sie sämmtlich die Eigenschaft, sich beim Anmachen mit Wasser zu
erwärmen oder zu löschen. Während bei dem schwächeren Feuer sich nur einige der
Gemenge, nämlich die mit mittlerem Kalkgehalt hydraulisch erwiesen, so thaten dieß
nunmehr bei dem strengeren Feuer alle; während die beim schwächeren Feuer
hydraulisch gewordenen Gemische an Härte dem Cement nach der Darstellung von Scott nicht gleich kamen, so hatten sie ihn nunmehr bei
dem strengeren Feuer eher noch übertroffen. Zur genaueren Feststellung des
Einflusses der Glühhitze setzte man eine größere Menge der Mischung von 2 At.
schwefelsaurem Kalk mit 3 At. gebranntem Kalk in das strengere Feuer ein und zog,
nachdem der Inhalt glühend geworden war, von halber Stunde zu halber Stunde eine
Probe. Die erste Probe, welche noch keine wesentliche Veränderung zeigte, erhitzte
sich noch beim Anmachen mit Wasser, die folgenden nicht mehr. Diese zeigten eine
allmählich zunehmende Sinterung, mit der sich die hydraulische Eigenschaft in
gleichem Schritt entwickelte. Der zuletzt im Tiegel gebliebene Rest, welcher am
längsten im Feuer gewesen und dem höchsten Hitzegrad (Anfang der Weißgluth, höher
als der Schmelzpunkt des Roheisens) ausgehalten hatte, war teigartig erweicht, so
daß er Eindrücke mit der Zange annahm, nach dem Erkalten gelblich-grau, durch
und durch krystallinisch und schwerer zu zerreibender erhärtete am besten.Das Glühen der Gemische geschah in hessischen Tiegeln, welche von dem Kalk
bei der hohen Temperatur stark angegriffen (oft durchlöchert) werden.
Zunächst an der verglasten Wand ist eine weiße Schichte des Cementes, welche
schon Tiegelsubstanz, namentlich Thonerde enthält und deßhalb schwächer
hydraulisch ist. Diese Schichte wurde bei Versuchen, bei denen es darauf
ankam, stets ausgehalten.
Die richtige Temperatur zur Darstellung hydraulischer Massen aus Kalk und Gyps ist
daher die Glühhitze von den obersten Lagen der Rothgluth aufwärts, bei welcher die
Massen mehr oder weniger stark sinternd, nach dem Erkalten krystallinisch
erscheinen. Je höher der Kalkgehalt ist, um so höher muß die Glühtemperatur
steigen.
Die nächste zu erörternde Frage war die, ob von den verschiedenen Gemischen von Gyps
mit zunehmendem Kalkgehalt, welche sämmtlich hydraulisch und im gesinterten Zustande
äußerlich gar nicht von einander zu unterscheiden sind, eines den Vorzug verdient.
Um diese Frage zu entscheiden, stellte man eine Reihe von Mischungen aus 100 Grm.
gewöhnlichem (gebranntem) Modellirgyps mit folgenden Mengen Kalk dar:
Nr.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Grm.
5
–
10
–
25
–
35
–
45
–
55
–
65
–
75
–
85
10.
11.
––––––––––
100 – 125.
Sämmtliche elf Mischungen, innigst zusammengerieben, wurden nach einander in scharfem
Feuer geglüht. Man beobachtete dabei, daß bei den ersten Proben von Nr. 1 bis 4,
also mit steigendem Kalkgehalt, die Neigung im Feuer zu sintern und zu erweichen,
zunahm; zwischen der vierten und fünften Nummer war diese Neigung auf einen
Höhepunkt gekommen und fiel dann mit weiter zunehmendem Kalkgehalt wieder, so daß
die Proben von der fünften bis elften Nummer sich wieder merklich strenger
verhielten. Die vierte und fünfte Probe, jenem Höhepunkt entsprechend, waren in der
That nicht bloß erweicht, sondern in wirklichen Fluß gekommen,In allen Lehrbüchern ist die Angabe verbreitet, daß der Gyps in der Glühhitze
schmelze, was jedoch bei wiederholten Versuchen im stärksten Glühfeuer nicht
gelingen wollte. so daß sich der Inhalt in einem Strahl ausgießen ließ, welcher auf der
untergelegten Platte in Tropfen zerstob, die nach dem Erstarren als hohle Kugeln
oder Blasen erschienen. Während die nur gesinterten Proben sich durch einen
hochkrystallinischen Bruch auszeichnen, ist dieser bei den beiden in Fluß gekommenen
Proben im Gegentheil matt, feinkörnig erdig, wie bei den gemeinen Kalksteinen. Die
Thatsache der zunehmenden Leichtflüssigkeit der Gemische weist einigermaßen darauf
hin, daß dis verschiedenen hydraulischen Gemenge vielleicht in einem bestimmten
stöchiometrischen Verhältniß ihren höchsten Ausdruck finden, welches zwischen der
vierten und fünften Probe, d.h. zwischen 35 bis 45 Kalk auf 100 Gew. Th.
wasserleerem schwefelsaurem Kalk liegen müßte. Dieß ist in der That für das
Verhältniß von gleichen Atomen beider Körper der Fall, wornach auf 100 Gew. Th.
gebrannten schwefelsauren Kalk 41,2 Gew. Th. gebrannter Kalk kommen müssen. Ein
solches Gemenge ist wirklich noch leichtflüssiger als die beiden angrenzenden
Mischungen,Die Masse, im Augenblick wo sie in Fluß gekommen, durchfrißt den Tiegel in
kürzester Zeit, so daß die größte Vorsicht und Raschheit nöthig ist, um
diesem Uebel zuvorzukommen. und erhärtet vortrefflich.
Wie man sieht, ist die Temperatur bei Herstellung der hydraulischen Massen höher, als
die bei welcher der gewöhnliche Kalk seine Kohlensäure verliert. In der That gab der
Gyps, mit Kreide (statt Aetzkalk) gemengt, im Glühen eben solche krystallinische und
hydraulisch erhärtende Massen; bei der Fabrication des Scott'schen Cementes im Großen wäre ungebrannter Kalk zweckmäßiger, sofern
er nicht wegen der unerläßlichen Pulverung gegen den gebrannten, bezw. gelöschten Kalk
wiederum zurücksteht.
3) Die Erhärtung und ihre
Bedingungen.
Wenn man gewöhnlichen gebrannten Gyps mit Wasser zu Brei anmacht, so bildet dieser
bekanntlich nach einigen Minuten unter mäßiger Entwickelung von Wärme eine
zusammenhängende Masse, einen Gypsguß. In Wasser gelegt erlangt ein solcher Guß
keine größere Härte, er erweicht und zergeht vielmehr allmählich. Sehr anders
verhält sich der Cement aus Gyps und Kalk: nach dem Zerreiben mit Wasser zu Brei
angemacht, zeigt der richtig gemischte und richtig gebrannte Cement keinerlei
fühlbare Wärmeentwickelung, meist nach einigen Stunden noch keine Veränderung,
keinen Zusammenhang; erst nach einem halben Tag oder über Nacht beginnt er langsam
abzubinden und läßt sich aus der Form oder Papierkapsel herausnehmen. Der so
entstehende Kuchen ist zwar schon sehr zusammenhängend, etwa wie gewöhnlicher
Gypsguß, aber noch weich, leicht mit dem Messer zu schneiden und ritzbar mit dem
Fingernagel. Legt man einen solchen Kuchen in ein Gefäß unter Wasser, so ändert er
sich im Ansehen nicht, aber seine Härte nimmt mehr und mehr zu und erreicht zuletzt,
wenn auch nicht die des Portlandcementes, doch vollauf die Härte eines mittleren
hydraulischen Kalkes. Wenn die geglühte Masse vorschriftsmäßig, weder zu grob noch
zu fein zerrieben wird, so nimmt sie beim Erhärten nicht oder unerheblich zu, und
bildet einen völlig dichten, homogenen, äußerst feinkörnigen, politurfähigen Stein
von einem sehr ansprechenden warmen Farbeton zwischen Grau und Gelb. Von glatten
Flächen wie Glas kommt die Oberfläche des Cementes glatt und polirt. Am härtesten
und schönsten wird der Cement, wenn man ihn nach dem Anziehen nicht unter Wasser
legt, sondern nur feucht mit Wasser vollgesaugt erhält, auf eine feuchte Unterlage
legt und von oben bedeckt. Je nach den Umständen, voll denen weiter unten die Rede
ist, erreicht der Cement seine höchste Härte schon nach 3 Tagen, meist erst nach 14
Tagen bis 3 Wochen. Noch länger im Wasser erhalten, fängt die Oberfläche an zu einer
schleimig anzufühlenden Schichte aufzuweichen, was von der Löslichkeit des Cementes
in Wasser herrührt. Zuweilen fangen Cemente an, nachdem sie schon eine beträchtliche
Härte erreicht haben, zu quellen, sich mächtig auszudehnen und wieder rückwärts in
eine leichtzerreibliche Masse zu verwandeln, wovon ebenfalls später Näheres.
Während der Erhärtung erleidet der Cement jederzeit eine starke Zunahme des Gewichtes
in Folge chemischer Bindung von Wasser, mit welcher die Erhärtung Hand in Hand vorschreitet. Ein Theil
des Wassers erscheint fester gebunden, so daß er nur bei der Glühhitze entweicht,
ein Theil lockerer und geht schon diesseits 250° C. weg; jener wird weit
rascher, dieser langsamer aufgenommen. Eine geglühte Mischung von 2 At. Gyps mit 3
At. gebranntem Kalk, in fünf verschiedene Proben getheilt, erfuhr folgende
Gewichtsvermehrung im Wasser:
nach 12
Stunden
–
2 Tagen
–
4 Tagen
–
10 Tagen
–
25 Tagen
15,0
–
17,0
–
20,0
–
23,2
–
24,2 Proc.
Oben ist eine Reihe von Versuchen mit 11 verschiedenen Gemischen aus Kalk und Gyps
erwähnt; auch mit diesen wurden die Erhärtungsversuche angestellt. Die geglühten und
zerriebenen Mischungen waren mit Wasser zu Brei angemacht, in Papierkästchen
gegossen, nach 18 Stunden wo sie vollkommen angezogen hatten, aus dem Papier
genommen und 4 Wochen unter Wasser gelegt. Nach dieser Frist verwendete man sie zur
analytischen Bestimmung des aufgenommenen Wassers, nachdem man zuvor die ganze
Oberfläche durch Schaben entfernt hatte. Folgendes sind die Ergebnisse, wobei die
Zahlen der Columnen A die Gewichtstheile gebrannten Kalk
bedeuten auf 100 Gew. Th. gebrannten Gyps in der Mischung; ferner die Zahlen der
Columnen B die vom Cement während der Erhärtung
aufgenommene Quantität Wasser in Procenten des erhärteten Cementes:
A
B
A
B
5
16,96 10
19,88 25
21,20 35
29,69 45
33,49 55
29,56
65
32,65
75
30,04
85
32,32
100
29,92
125
31,81
Der Betrag des aufgenommenen Wassers nimmt anfangs mit dem Kalkgehalt der Mischung
zu, steigt aber von der vierten Mischung (35 Kalk auf 100 Gew. Th. Gyps) wo er den
Höhepunkt erreicht, nicht mehr. Dabei sind Unregelmäßigkeiten bemerklich, insofern
der Wassergehalt einigemal zurückgeht. Endlich ist der Wassergehalt bei allen
Mischungen von der vierten bis elften bedeutend größer, als die Summe des Wassers
welches die Gemengtheile, nämlich der schwefelsaure Kalk (2 Atome) und der Aetzkalk
(1 Atom) unter gewöhnlichen Umständen binden. Dieser berechnete Wassergehalt bewegt
sich nämlich zwischen 21,1 und 22,8 Proc. für die Mischungen von Nr. 4 bis Nr. 11. Für die beiden
ersten Mischungen bleibt der gefundene Wassergehalt hinter dem berechneten zurück
und erreicht ihn erst bei der dritten.
Jene Unregelmäßigkeiten im Wassergehalt der Proben waren nicht die einzigen; auch im
Verhalten bezüglich der Härte zeigten sich Unregelmäßigkeiten. Die Mischung mit 45
Kalk, unmittelbar nach dem Anziehen die härteste, war nachträglich erweicht und
gequollen, ebenso, und zwar stark, alle anderen mit höherem Kalkgehalt; die Proben
mit wenig Kalk waren besser erhärtet, als die mit dem bis dahin als dem besten
erkannten Kalkversatze. Es stand daher zu vermuthen, daß diese Unregelmäßigkeiten in
Ungleichheiten der Behandlung, zunächst im Betrag des angewandten Wassers beruhten,
welcher Betrag allerdings dem Zufall überlassen war.
In einer zweiten, sonst gleichwertigen Versuchsreihe brachte man die Cementproben mit
gleichen festbestimmten Wassermengen zusammen: je 12 Grm. Cement wurden mit 5
Kubikcentimeter Wasser angemacht, in ein Papierkästchen gegossen, nach 18 Stunden
als Täfelchen herausgenommen und in ein Glas mit je 120 K. C. Wasser zum Erhärten
gelegt. Die Mischung mit 45 Kalk auf 100 Gyps gab den dünnsten Brei und zog am
langsamsten an. Man erhielt folgende Werthe für die Menge des gebundenen Wassers
(die Columnen haben gleiche Bedeutung wie bei der vorigen Tabelle):
A B
A B
5 14,16
10 17,10
25 19,00
35,2
24,15
41,2
39,59
45 39,33
55
38,26
65
28,04
75
28,19
85
34,05
100
31,09
125
31,79
Bei dieser Tabelle ist die bereits beschriebene Mischung von 41,2 Kalk auf 100 Gyps
(d. i. gleiche Atome) hinzugekommen; sie vereinigt mit der größten Leichtflüssigkeit
auch die höchste Wasseraufnahme und im Allgemeinen auch die größte
Erhärtungsfähigkeit. Wie in der Menge des aufgenommenen Wassers, waren bei dieser
Versuchsreihe auch die übrigen Unregelmäßigkeiten wieder zum Vorschein gekommen,
trotz der in allen Fällen völlig gleichen Menge des angewendeten Wassers zum
Anmachen und zur weiteren Behandlung. Dieß gilt namentlich von den auffallenden Abweichungen der
verschiedenen Mischungen im Erhärten: die mit weniger Kalk, nämlich 5 – 35
Gew. Th. auf 100 Gyps, erhärteten regelmäßig; die sonst sehr festwerdende Mischung
von gleichen Atomen hatte sich wie bei der ersten Versuchsreihe verhalten, nämlich
anfangs normal, dann umschlagend in Aufweichung; mit noch mehr zunehmendem
Kalkgehalt (65 und 75 Proc. des Gypses) erhärteten die Mischungen wieder regelmäßig,
während die mit dem höchsten Kalkgehalt (85 bis 100 Proc. des Gypses) wieder
vollständig erweichten.
Man hatte hier mit einem Einfluß zu thun, welcher offenbar nicht allein in der
ungleichen Menge des angewendeten Wassers, aber ebenso wenig in etwaigen
Abweichungen der Glühhitze bei der Darstellung gesucht werden konnte; auch nicht in
der Glühtemperatur, weil Proben derselben Darstellung und derselben Schmelze, z.B.
die Mischung aus gleichen Atomen, das einemal regelmäßig erhärteten, das anderemal
nicht. Welcher Art dieser dritte Einfluß seyn möchte, darüber gab eine mit der
zweiten Versuchsreihe gemachte, bis dahin noch nicht erwähnte Beobachtung einen sehr
deutlichen Wink. Alle zwölf Mischungen waren in genau gleich große Papierkapseln und
zwar zu Tafeln ausgegossen von durchaus 4,5 Centimeter Länge nach dem Anziehen.
Diese Dimension hatte sich im vierwöchentlichen Aufenthalt unter Wasser in mehreren
Proben sehr beträchtlich verändert. Mit Schluß der Versuche maßen nämlich die Proben
aus 100 Gew. Th. Gyps mit:
5
–
10
–
25
–
35
–
45
–
55
–
65
–
75
–
85
–
––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
4,5
–
4,5
–
4,8
–
5,5
–
7,0
–
6,3
–
5,2
–
5,2
–
6,0
–
100 – 125 Gew. Th. Kalk.
–––––––––––––––––––––––
6,0 – 5,7 Centimet. Länge.
Diese Längenbestimmungen erweisen handgreiflich, daß bei den unter Wasser normal
erhärteten Proben keine oder eine nur unmerkliche Aenderung, sie erweisen ferner daß
bei den übrigen nicht normal erhärteten Proben eine Ausdehnung und zwar eine um so
bedeutendere Ausdehnung stattgefunden hatte, je stärker sie zuletzt erweicht waren.
Selbstverständlich hat diese Ausdehnung sich nicht bloß auf die (hier zufällig
allein gemessene) Länge, sondern auf alle drei Dimensionen erstreckt.
Diese Ausdehnung entspricht einer Volumvermehrung, einer Aufquellung, welche mit
Erweichung der Masse Hand in Hand geht. Der dritte und zwar sehr entscheidende
Einfluß auf die Erhärtung unter Wasser konnte demnach nur der Grad der
Zerkleinerung, das Korn der zum Zweck des Anmachens zerriebenen Masse seyn; die
weiteren nachstehenden Versuche mit der bis zum völligen Fluß erhitzten Mischung von
gleichen Atomen Gyps und Kalk stellen diesen wichtigen Punkt außer jedem Zweifel.
Vorerst waren einige
allgemeinere Ermittelungen über diese Masse zu machen. Ihr specifisches GewichtWie bei der folgenden tabellarischen Zusammenstellung (wegen der Löslichkeit
der Bestandtheile in Wasser) mittelst Alkohol von 0,78608 spec. Gew.
bestimmt. – Bei der Bestimmung des spec. Gew. einschließlich der
Poren sind die erhärteten, regelmäßig zugeschnittenen Proben in Stanniol
eingehüllt gewesen, um das Verdrängen der Luft zu verhindern, eine sehr
bequem und sicher ausführbare Operation. vor dem Glühen betrug 3,135, nach dem Schmelzen 3,317. Feingerieben, mit dem
20fachen Gewicht Wasser übergossen, in einem verschlossenen Cylinder mehrmals
täglich umgeschüttelt, um das Abbinden zu verhindern und sie im aufgeschlämmten
Zustande zu erhalten, hatte die Masse ihre körnige Beschaffenheit gänzlich verloren
und sich in einen zarten flockigen Schlamm verwandelt, dessen Volum das der anfangs
körnigen Masse um mehr als das Doppelte übertraf. Der zarte Schlamm hatte im Mittel
von zwei Versuchen 38,88 Proc. Wasser gebunden. Ein Theil der Substanz hatte sich in
dem Wasser aufgelöst; 100 K. C. der gesättigten Lösung gaben:
a)
0,3450
schwefels. Baryt
und
0,1640 Grm.
Aetzkalk
b)
0,3475
„ „
„
0,1670 „
„
entsprechend 0,1189 Schwefelsäure und 0,1655 Kalk im Mittel,
oder 1 At. Schwefelsäure auf 1,996 At. Kalk; das Verhältniß der geschmolzenen
Mischung ist also unverändert in die Lösung übergegangen. – Mit dieser
geschmolzenen Mischung aus gleichen Atomen Gyps und Aetzkalk (welche wie die meisten
anderen Mischungen nach den bis dahin mitgetheilten Erfahrungen oft steinhart
geworden, zuweilen unter Wasser erweichte) sind nun die Versuche in Bezug auf den
Einfluß des Kornes angestellt.
Ein Theil wurde im Mörser nur gröblich zerrieben, etwa wie mittelfeiner Sand, ein
anderer Theil noch feiner aber zu einem immer noch körnigen Pulver, ein dritter
Antheil völlig mehlfein. Von jeder Probe sind dann 10 Gramme mit drei verschiedenen
Mengen Wasser angemacht (nämlich mit 2,5 – 4 und 6 K. C.) und nach dem
Abbinden in verschlossenen Gefäßen zum Erhärten jede mit 150 K. C. Wasser übergossen
worden. Nach 16 Stunden hatten alle Proben abgebunden und könnten als Täfelchen aus
den Papierkapseln genommen, gemessen und dann in das Wasser gelegt werden, wo sie
einen Monat verblieben. Nach Ablaust dieser Zeit nahm man sie heraus, bestimmte das
aufgenommene chemisch gebundene Wasser, die spec. Gewichte, und verglich die Härte
welche sie angenommen. Die gewonnenen Werthe in übersichtlicher Zusammenstellung
sind folgende:
Textabbildung Bd. 202, S. 73
Korn; Wasser zum anmachen, Kub.
Centim.; Länge der Tafeln, Centimeter; Grad der Erhärtung; Chemisch gebundenes
Wasser, Proc.; Specifisches Gewicht; ausschließlich; einschließlich; der Poren;
Grob; sehr hart; Mittelfein; noch gut erhärtet; etwas erhärtet; noch schwächer
erhärtet; Mittelfein; ganz weich
–––––
* Die anfängliche Länge der Täfelchen nach dem Abbinden und vor dem Einlegen in
Wasser war durchweg 4,3 Centimeter.
In diesen Zahlen liegt Zweierlei vollkommen klar: nämlich daß unter sonst gleichen
Umständen die Erhärtung abhängig ist zunächst von der Menge des Wassers beim
Anmachen; dann und in weit höherem Grade von dem Korn der zerriebenen Masse. Wirken
feinstes Korn der Masse und höchster Wasserzusatz zusammen, so folgt gänzliche
Erweichung mit stärkster Aufquellung. Bei dem nächst gröberen, also mittleren Korn
unter Mitwirkung von vielem Anmachwasser, erfolgt einige Verminderung der Härte,
keine Erweichung, der Einfluß der Menge des Anmachwassers ist schon mehr beschränkt;
bei wenig Anmachwasser gibt dieses mittlere Korn schon normale Härte. Beim groben
Korn verschwindet der Einfluß der Menge des Wassers beim Anmachen ganz, es ist
überall gleiche Härte. – Wird eine derartige Masse, wie dieß jeder Gypsgießer
vom gewöhnlichen Gyps weiß, mit viel Wasser angemacht, so entsteht ein sehr poröser,
wird sie mit wenig Wasser angemacht, ein dichter und viel festerer Guß. Nach dem
Abbinden, wo die Theilchen nur eben angefangen haben aneinander zu haften, saugt der
lockere Guß beim Einlegen in Wasser natürlich mehr Wasser ein als der dichte und die
Hydratbildung wird, da das Wasser andererseits bei der Feinheit des Kornes auf eine
große Oberfläche wirkt, mit Nachdruck und großer Vollständigkeit von statten gehen.
Nachdem in der ersten Zeit des Einlegens die Theilchen sich dadurch noch etwas mehr
verkitten, sind die Poren der Masse nach einiger Zeit nicht mehr hinreichend das
voluminösere, sich fort und fort bildende Hydrat aufzunehmen; es erfolgt Sprengung
der anfänglichen Verkittung, Quellen, Treiben, Erweichen. Diese sprengende und
treibende Kraft ist um so größer, als bei der Bildung des Hydrates eine große Menge
Wasser gebunden wird (41,16 Proc.) und dabei gar keine Zusammenziehung stattfindet,
denn das spec. Gewicht des Hydrates berechnet sich aus den Bestandtheilen,
vorausgesetzt daß keine Zusammenziehung stattfindet, auf 1,671 und ist in
Wirklichkeit 1,675; jeder Kubikcentimeter Cementmasse nimmt, nachdem er sich in
Hydrat verwandelt hat, 1,98 K. C. ein, also so gut wie den doppelten Raum. –
Je gröber das Korn der angemachten Masse und je geringer die Menge des dazu
verwendeten Wassers ist, desto weniger wird davon chemisch gebunden und um so größer
ist die Härte. Bei der ersten Probe der Tabelle sind z.B. nur 24,13 Proc. oder 3/5
von dem Wasser der letzten Probe gebunden. Nach dieser sehr bezeichnenden Thatsache
ist die Erhärtung zwar von der Aufnahme von Hydratwasser bedingt, aber sie steht in
keinem geraden Verhältniß mit der Menge desselben. Die Aufnahme des vollen Betrages
von Hydratwasser ist sogar entschieden nachtheilig. Bei dem groben Korn ist die
Oberfläche auf welche das Wasser einwirkt verhältnißmäßig klein, das Wasser gelangt
nicht mehr zu den innersten Theilen der Körner, die Hydratbildung erstreckt sich nur
auf die Außentheile, sie genügt nur die Körner zusammenzukitten und indem sie in den
Zwischenräumen der Körner nicht so massenhaft stattfindet, gibt sie keinen Anlaß zum
Treiben und Sprengen. – Merkwürdig genug ist bei den Proben aus grob
zerriebener Masse das spec. Gew. (2,899) merklich größer gefunden als das aus den
Bestandtheilen berechnete (2,127); es tritt also in diesen eine Verdichtung ein, und
ist um so weniger Grund zum Treiben und Quellen.
Einige damit verwandte Erscheinungen dienen zur weiteren Aufklärung der Sachlage.
Eine Probe der obigen mehlfeinen Masse, nach dem Anmachen und Abbinden in Wasser
gelegt, aber nur so lange daß das Quellen noch nicht angefangen hatte Platz zu
greifen, nämlich drei Tage, war äußerst homogen, völlig fest und enthielt 19,48
Proc. Wasser. Dieselbe mehlfeine etwas angefeuchtete Masse, in einen starken
kegelförmigen Messingring (Kapellenform) eingeschlagen und nach dem anderen Tag 6
Wochen lang damit in Wasser gelegt, hatte keine Spur von Treiben gezeigt und ein
steinfestes, sehr homogenes, völlig dichtes Gefüge erlangt. Die Wasseraufnahme
betrug im Mittel von zwei Versuchen 16,59 Proc. bei einem spec. Gew. von 3,116. Zwei
Glasröhren von etwa 8
Centimet. Länge bei 6 Millimet. Weite und 1 Millimet. Wandstärke wurden mit steifem
Brei aus der gepulverten obigen Masse und Wasser angefüllt, die eine mit gröblich
zerriebener, die andere mit mehlfeiner Masse. Nach der Abbindezeit senkte man beide
oben und unten offene Röhren unter Wasser: die mit grob zerriebener Masse hatte sich
nach 14 Tagen unverändert erhalten, die mit mehlfeiner Masse war am 4ten Tag in
mehrere 2 bis 6 Millimet. breite, regelmäßige Längsstreifen gesprengt. Also in jenem
Fall kein erheblicher, in diesem Fall ein bedeutender äußerst gleichmäßiger Druck in
der Richtung des Radius. In beiden Röhren hatte die Masse steinharte glatte
Stängelchen gebildet, die gröbere Masse conglomeratartige, die feinere ganz homogene
spiegelglatte vom schönsten Ansehen. Man kann also auch aus der feinsten Masse die
dichtesten Güsse erhalten, wenn man ihr den Raum zum Aufquellen mechanisch streitig
macht und damit der Hydratbildung quantitativ eine bestimmte Schranke setzt. Man
erhält ebenso harte Massen, wenn man die Hydratbildung unterbricht, sobald sie bis
zu dieser Schranke fortgeschritten ist. Die so theilweise hydratisirten, aber
gänzlich versteinerten Massen erhalten sich an der Luft und erhärten weiter durch
Anziehen von Kohlensäure.
Ein und derselbe chemische Proceß der Bindung von Wasser kann sonach, je nach
Ausdehnung und Richtung die man ihm gibt, zur Erhärtung der betreffenden Massen oder
zum Gegentheil führen.
4) Praktische
Gesichtspunkte.
Aus dem dargelegten Verhalten des Cementes aus Gyps und Kalk und seinen Eigenschaften
folgen die Regeln für seine praktische Darstellung und Anwendung. Zunächst empfehlen
sich Mischungen von beiläufig gleichen Atomen beider Bestandtheile, innigste
gleichförmigste Mischung, Erhitzen der Mischung bis zur Weißgluth d.h. beginnendem
oder völligem Fluß. Ob man am zweckmäßigsten gebrannten, gelöschten oder rohen Kalk
anwendet, hängt von Proben im Großen, sowie von der geschäftlichen Calculation ab.
Ebenso die Wahl der Ofenconstruction. In dieser Beziehung ist zu bemerken, daß die
zu glühende Mischung, in Ziegeln oder Knollen geformt, unmittelbar in den Brennstoff
eingelegt und durchgesetzt werden kann; nur wären dabei die Mischungsverhältnisse
und Temperaturen zu wählen, bei denen sie nicht in Fluß sondern nur zur Sinterung
kommt. Statt Gyps kann gut verwitterter Rückstand vom Auslaugen der Soda sehr wohl
verwendet werden, wie ein besonderer Versuch gezeigt hat. – Ferner wäre der
Grad der Zerkleinerung der geglühten Masse durch Proben mit verschiedenen
Siebnummern festzustellen; am entsprechendsten dürfte ein noch gelind sandig anzufühlendes Korn mit
Beimischung von einem gewissen Betrag mehlfeiner Masse seyn. – Beim Anmachen
ist ein Ueberschuß von Wasser zu vermeiden. Beim Erhärten durch Einlegen der
abgebundenen Masse in Wasser ist der rechte Zeitpunkt festzuhalten, ein Verbleiben
im Wasser über das Maaß der vollen Härte immer nachtheilig. Wo es irgend angeht,
wird man besser fahren die Erhärtung nicht durch Eintauchen sondern nur durch
längeres Feuchterhalten zu bewerkstelligen. Der Cement von Gyps und Kalk ist für
eigentliche Wasserbauten, da wo er von Wasser bespült wird, weniger an seinem Platz,
wohl aber wo man nur mit Feuchtigkeit zu thun hat.
Vorzügliche Dienste dürfte dieser Cement als Stuck
leisten, wobei ihm sein ansprechender Ton, sein schönes Korn, seine große
Festigkeit, Politurfähigkeit, namentlich auch seine Fähigkeit zur Seite steht, alle
Farbenzusätze zu vertragen, soweit seine alkalische Reaction nicht im Wege steht.
Güsse von gewöhnlichem Gyps, ohne Zweifel auch Mörtelverputz, lassen sich sehr gut
mit diesem Cement in dünnen Ueberzügen (etwa 2 Millimet.) gleichsam furnüren. Der
Ueberzug wird in diesem Fall besonders hart, haftet fest und blättert niemals
ab.