Titel: | Ueber die Spaltung des Kohlenoxydes unter dem vereinigten Einflusse von metallischem Eisen und Eisenoxyd; von L. Gruner. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XXXVI., S. 160 |
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XXXVI.
Ueber die Spaltung des Kohlenoxydes unter dem
vereinigten Einflusse von metallischem Eisen und Eisenoxyd; von L. Gruner.
Gruner, über die Spaltung des Kohlenoxydes unter dem vereinigten
Einflusse von metallischem Eisen und Eisenoxyd.
Die reducirende Wirkung des Kohlenoxydes auf Eisenerze ist seit langer Zeit bekannt;
auch weiß man durch die Untersuchungen von Stammer
(polytechn. Journal, 1851, Bd. CXX S. 428) u.a., daß metallisches Eisen bei
Rothglühhitze durch Kohlenoxyd carbonisirt werden kann. Das Verhalten dieses Gases
ist aber ein ganz anderes unterhalb der Rothglühhitze, bei 300 bis 400° C.
Schon Lowthian Bell hat Untersuchungen nach dieser
Richtung angestellt. Indem er ein sauerstoffhaltiges Eisenerz der Einwirkung von
Hohofengasen bei 300 bis 400° aussetzte, bemerkte er nach Verlauf von einigen
Stunden nicht nur eine theilweise Reduction desselben, sondern er beobachtete auch
die Abscheidung von flockigem Kohlenstoffe, dessen Menge
20 bis 35 Proc. des Erzes betrug. Dasselbe Resultat erhielt man bei Anwendung von
reinem Kohlenoxyd bei der obengenannten Temperatur, während bei Rothglühhitze weder
aus reinem Kohlenoxyd, noch aus Hohofengasen Kohlenstoff abgeschieden wurde. Bell hat auch eine Erklärung dieser Erscheinung zu geben
versucht, und zwar neigt er der Ansicht zu, daß das Eisenoxyd durch das Kohlenoxyd
zuvörderst auf eine niedrigere Oxydationsstufe zurückgeführt werde, und daß diese
sich dann auf Kosten von Kohlenoxyd wieder höher oxydire, wobei Kohle abgeschieden
werde.
Ueber die Versuche welche der Verf. zur näheren Aufklärung dieses Gegenstandes
angestellt hat, theilt er zunächst nur so viel mit, daß er verschiedene eisenhaltige
Mineralien, sowie dünnen Eisendraht successive der Einwirkung von Kohlenoxyd und von
einem Gemenge aus Kohlenoxyd mit Stickstoff und Kohlensäure ausgesetzt und dann die
erhaltenen Producte analysirt habe. Die Resultate seiner Untersuchungen sind
folgende:
1) Wenn man Kohlenoxyd bei 300 bis 400° über ein Eisenerz leitet, so wird
dieses oberflächlich reducirt. Sobald dann an einem Theile der Oberfläche Eisen frei
gemacht ist, bekommt das Erz Risse nach allen Richtungen, bläht sich auf und bedeckt
sich mit pulverförmigem Kohlenstoff.
2) In dem Maaße, wie die Reduction ihrem Ende zuschreitet, wird der kohlige Absatz
geringer; er würde wahrscheinlich in dem Moment ganz aufhören, in welchem das
Eisenoxyd vollständig reducirt ist, wenn diese Reduction sich unter den Versuchsbedingungen
überhaupt vollenden könnte. Jedenfalls würde hierzu eine sehr lange Zeit
erforderlich seyn.
3) Wenn man Kohlenoxyd bei der angegebenen Temperatur über metallisches Eisen leitet,
so bedeckt sich dasselbe gleichfalls mit pulverförmigem Kohlenstoff, sobald die
reducirende Wirkung des Kohlenoxydes theilweise gemäßigt wird, sey es durch die
Gegenwart einer geringen Menge von Kohlensäure, sey es durch irgend eine
Sauerstoffquelle, welche einen kleinen Theil des Kohlenoxydes selbst in Kohlensäure
umwandeln kann.
4) Trockenes und reines Kohlenoxyd scheidet im Gegentheil auf metallisches Eisen um
so weniger Kohlenstoff ab, je freier letzteres von jeder Beimengung von Oxyd ist, so
daß die Reaction bei 300 bis 400° wahrscheinlich = 0 wäre, wenn der Versuch
mit von Oxyd absolut freiem Eisen angestellt werden könnte.
5) Der pulverförmige Kohlenstoff, welcher sich auf die Erze während der Reduction
oder auf das metallische Eisen unter der genannten Bedingung absetzt, ist eisenhaltig; er ist eine wirkliche Verbindung von
Kohlenstoff mit Eisen, welche 5 bis 7 Proc. metallisches Eisen enthält, und besitzt
mehr den Charakter des amorphen Graphites, so daß er dem natürlichen Graphit, in
welchem ja auch schon längst die Gegenwart von Eisen nachgewiesen ist, analog
erscheint. Außerdem schließt dieser eisenhaltige Kohlenstoff immer noch eine geringe
Menge von oxydirtem, größtentheils magnetischem Eisen ein, dessen Rolle bei der
Reduction, welche den kohligen Absatz bedingt, wesentlich zu seyn scheint.
6) Die Kohlensäure wirkt immer oxydirend auf das Eisen. Bei 300 bis 400° ist
diese Wirkung wenig intensiv. Es bildet sich nur eine geringe Menge von Eisenoxyd,
Eisenoxydoxydul und Eisenoxydul, und hierbei zeigt sich niemals ein Absatz von
Kohlenstoff.
7) Die Bildung des eisenhaltigen Kohlenstoffes ist das Resultat einer Spaltung des
Kohlenoxydes; 2CO setzen sich schließlich in CO² und C um; aber diese
Reaction findet niemals direct statt. Damit sie eintrete ist die gleichzeitige
Gegenwart von metallischem Eisen und von Eisenoxydul nöthig; das Eisen fixirt den
Kohlenstoff, das Eisenoxydul hält momentan den Sauerstoff zurück. Allein diese
vorübergehende Reoxydation des Oxyduls, welche der schließlichen Reduction entgegen
wirkt, kann nur stattfinden wenn die reducirende Wirkung des Kohlenoxydes theilweise
durch Kohlensäure gemäßigt wird. Dieß ist die conditio sine
qua non zur Bildung der Kohlenstoff-Abscheidung. Folgende
Gleichungen drücken diese doppelte Reaction aus: 3FeO + CO = Fe³O⁴ + C
und Fe³O⁴ + CO = 3FeO + CO² u.s.f., vorausgesetzt daß die
Wirkung des Kohlenoxydes
immer durch Beimengung einer gewissen Menge von Kohlensäure gemäßigt ist. Mit einem
Worte: reines Kohlenoxyd wird durch von Oxyd absolut freies Eisen nicht gespalten.
Ebenso liefert Kohlensäure, wenn sie für sich allein auf Eisen wirkt, keine
eisenhaltige Kohle.
8) Spatheisenstein oder Eisenoxydul wird unter dem Einflusse von Kohlensäure rasch in
magnetisches Eisenoxyd umgewandelt, wobei sich keine Kohle abscheidet, während unter
denselben Umständen durch Kohlenoxyd rasch reichliche Mengen eisenhaltiger Kohle
abgesetzt werden.
9) Wenn man bei denjenigen Versuchen, welche zu einer Abscheidung von eisenhaltiger
Kohle führen, die Temperatur bis zur lebhaften Rothglühhitze steigert, so hört die
Abscheidung von Kohle sofort auf; ja, die bis dahin gebildete Kohle verbrennt von
Neuem, wenn noch eine gewisse Menge nicht reducirtes Eisenoxyd vorhanden ist.
10) Was die Theorie des Hohofenprocesses betrifft, so folgt aus diesen Versuchen, daß
in den oberen Schichten der Ofenbeschickung ein Absatz von Kohle stattfinden muß,
und daß diese durch ihre innige Mischung mit Eisenoxyd in den mittleren Schichten
die vollständige Reduction der Erze und der Kohlensäure sehr erleichtern wird. In
allen Fällen wird die abgeschiedene Kohle von Neuem verbrannt werden, ehe sie in die
Schmelzzone gelangt.Wir verweisen auf die Bemerkungen von Schinz über
Reduction und Kohlung des Eisens im Hohofen durch reducirende Gase, in
diesem Journal Bd. CCI S. 330
(zweites Augustheft 1871).A. d. Red.
11) In Bezug auf die Bildung des natürlichen Graphites
könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht gewisse eisenhaltige Graphite durch die
Einwirkung von aus den Tiefen der Erde aufgestiegenem Kohlenoxyd auf Eisenerz
entstanden seyn mögen. (Comptes rendus, t. LXXIII p. 28, Juli 1871; chemisches Centralblatt Nr. 33.)