Titel: | Morell's bewegliches Dampf- und Segel-Dock. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. XLVIII., S. 205 |
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XLVIII.
Morell's bewegliches Dampf- und Segel-Dock.
Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
Morell's bewegliches Dampf- und
Segel-Dock.
Der in Neapel erscheinenden Zeitschrift: „L'Esposizione internazionale marittima, giornale illustrato“ (vom 12. Juli 1871), entnehmen wir den nachfolgenden
Artikel.
„Die Ausdehnung der Dampfschifffahrt, der beinahe durchgehende Gebrauch
des Eisens zur Construction der Schiffe, sowie die Anwendung der Schraube als Propeller,
haben die Schiffsconstructeure gezwungen Mittel und Wege zu suchen, um die
Reparaturen der Schiffe und die Reinigung ihrer Böden in kürzester und
billigster Weise herstellen zu können. Am besten erfüllten bisher die Trockendocks diese Bedingungen, aber sie bieten
mehrere bedeutende Schwierigkeiten:
1) ist ihre Construction sehr kostspielig;
2) können ihre Dimensionen, einmal festgestellt, nicht mehr geändert werden. Sie
sind entweder zu klein für die großen Schiffe der Gegenwart, oder im Falle
ausreichender Größe, zu ungeeignet für kleine Schiffe, bei denen sie durch die
alsdann nothwendigen Einrichtungen Zeit- und Geldverlust verursachen.
Die Slips (Vorrichtungen zum Aufschleppen der Schiffe)
entstanden, um diesen Uebelständen zu begegnen, ohne gleichwohl das Gewünschte
zu erreichen, indem in seltenen Fällen die Lage der Häfen einer derartigen
Anlage günstig ist.
Alle diese Umstände führten zur Construction der schwimmenden Docks. Dieselben wurden in den letzten Jahren mit Erfolg
gebaut, und in beträchtlichen Dimensionen, ohne indessen den Vortheil zu bieten,
in ihrer Form und ihren Dimensionen geändert werden zu können.
Die obige Betrachtung veranlaßte den Ingenieur B. Morell in Bern (Schweiz), zur Ueberwindung
dieser Schwierigkeiten ein bewegliches Dock zu
construiren.
Dasselbe besteht aus zwei Dampffahrzeugen eigenthümlicher Construction; diese
sind mit Hülfe von starken eisernen Trägern mit einander verbunden, welche sich
durch einen Mechanismus je nach der Breite der aufzunehmenden und von ihnen zu
tragenden Schiffe verstellen, eventuell ganz einziehen lassen, wenn der Apparat
in See gehen soll.
Das bewegliche Dock bietet daher folgende Vortheile:
1) Beträchtlich geringere Kosten gegenüber den anderen Systemen.
2) Veränderlichkeit sowohl in Betreff der Eintauchung als auch gemäß der Breite
und Länge des aufzunehmenden Schiffes, ohne eine andere Grenze als die der
Tragfähigkeit der beiden vereinten Fahrzeuge.
3) Größere Schnelligkeit im Heben gegenüber den anderen Systemen, vermöge der
Anwendung comprimirter Luft zum Austreiben des Wassers, welches zur Senkung des
Apparates eingelassen werden mußte.
4) Seetüchtigkeit des Apparates. – Derselbe kann durch Dampf und Segel
unter der Landesflagge sich selbstständig bewegen, um sich in irgend einen
fremden Hafen, unter Gerichtsbarkeit des eigenen Landes, zu begeben, mit
Vermeidung aller Schwierigkeiten betreffs der Placirung. Er kann daher in allen
denjenigen Häfen namentlich verwendet werden, deren Rhede das Einschleppen
der Schiffe nicht zuläßt. – Das bewegliche Dock kann ferner als
Kohlenmagazin dienen, oder eine Reparaturwerkstätte aufnehmen, deren Personal
einen Theil der Besatzung bildet. Es kann vermöge seiner Seetüchtigkeit die
Schiffe von allen Distancen aufnehmen und zum Hafen führen, sie zur Einfahrt in
den Hafen auf anderen Tiefgang bringen, oder das Löschen ihrer Ladung
erleichtern. Es kann im gegebenen Moment benutzt werden, um versenkte Schiffe zu
heben, oder im Kriege zur Rettung der vom Feinde beschädigten Schiffe
beizutragen.
Mit einem Gangspill versehen, ist das bewegliche Dock im Stande, auf horizontaler Bahn diejenigen Schiffe an Land zu
bringen, welche eine Reparatur von längerer Dauer erfordern.
Vermöge dieser Vortheile der Schnelligkeit, Beweglichkeit und Kostenersparniß der
genannten Construction können sich die Dockungskosten derart vermindern, daß die
Schiffe der Handelsmarine ihre Bodenreinigungen häufiger vornehmen lassen, und
einen Ertrag in Aussicht stellen würden, welcher das Anlage-Capital in
wenigen Jahren wieder erstatten dürfte.“
Wir können nicht umhin, obigem Artikel einige Bemerkungen betreffs der etwas
sanguinisch erscheinenden Hoffnungen hinzuzufügen, welche der Erfinder auf die
Vorzüglichkeit des genannten Apparates gründet.
Abgesehen von der Frage, ob es wirklich so wünschenswerth ist, ein selbstständig sich
bewegendes Dock zu besitzen,Die amerikanischen Docks haben häufig eine annähernde Schiffsform, sowohl um
den Transport durch Schleppen zu erleichtern, als um den Wellenschlag im
Hafen selbst mehr zu brechen. – Das schwimmende eiserne Dock der
kaiserlichen Marine in Kiel wurde im Sommer d. I. ohne Schwierigkeit aus
Swinemünde durch den Panzer „Kronprinz“ und zwei andere
kleinere Schiffe übergeführt. ob ferner die Kosten eines Docks der besprochenen Art nicht mindestens
doppelt so theuer kommen, als die für ein entsprechend großes Dock der gewöhnlichen
Art, – erscheint es etwas bedenklich, ein zu reparirendes oder zu
untersuchendes Schiff auf Träger zu stellen, welche gegen einander nicht absolut
unbeweglich sind. Man stelle sich die Inconvenienzen vor, welche eine nur geringe
Verschiebung der Träger zum Longitudinalplan des darauf ruhenden Schiffes
hervorbringen muß, und welche unbedingt entsteht, sobald durch den Wellenschlag das
eine Fahrzeug auch nur 1/4 Meter sich vorausschiebt. Noch bedenklicher erscheint die
Abstützung des zu dockenden Fahrzeuges von den tragenden Schiffen aus, wie sie die
beigegebene Zeichnung Fig. 13 darstellt. Die
geringste Bewegung des einen, seitlich oder vertical gerichtet, muß entweder
schädliche Pressungen auf das zu tragende Fahrzeug ausüben, oder die Unterlage lockern. Das
Alles sind Inconvenienzen, welche schon der Wellenschlag eines Hafens
hervorzubringen vermag. Wie sieht es nun erst mit der Brauchbarkeit auf See aus?
Wird die Construction derart ausführbar seyn, daß die Träger bei einem Heben des
einen Theiles, auch nur um 1 Meter, fest bleiben ohne dem anderen Theil bedenklichen
Schaden zuzufügen? Oder sollen die Träger so fest, so stark seyn, daß trotz ihrer
Verschiebbarkeit das Ganze ein unbeugsames System bildet? Es gewinnt den Anschein,
als ob bei einigem Seegang das zusammengesetzte Dock durch sich selbst mehr in
Gefahr kommt, als selbst ein beschädigtes Schiff, welchem es zu Hülfe eilt. Kann
aber das Dock in zusammengesetztem Zustande den Seegang nicht ertragen, so fällt
eben dieser Theil der Brauchbarkeit zusammen, und es ist mindestens eben so gut oder
eben so schlecht, wie ein gewöhnliches, festes Dock.
Was schließlich die Aufnahme von kleineren und größeren Schiffen betrifft, so mag es
Manchem ein Vortheil erscheinen, das Dock den verschiedenen Dimensionen derselben
anpassen zu können. Dieser Vortheil kann entweder in einer Ersparniß an
auszuwerfendem Wasser, oder aber in Erleichterung des Feststellens des aufgenommenen
Schiffes liegen. Bei offenen, schwimmenden Docks ist die Menge des auszuwerfenden
Wassers abhängig von dem Tiefgang des zu dockenden Schiffes, nimmt folglich mit den
Dimensionen desselben ab. Die Kosten hierfür würden also dem entsprechend sinken.
Sie sind aber verschwindend gegen die Dockungskosten überhaupt, indem ein kleines
Schiff, im Dock befindlich, dasselbe ebenso gut für andere Schiffe unbenutzbar
macht, als ein großes. Außerdem verhält sich für die Menge des auszuwerfenden
Wassers das bewegliche Dock genau so, wie jedes andere schwimmende, so daß die
Verstellbarkeit nur den Zweck haben kann bei der Abstützung eines aufgenommenen
kleinen Schiffes Erleichterungen zu schaffen. Ob diese derart sind, daß sie die
Complication des beweglichen Systemes aufwiegen, müßte die Praxis erst beweisen.
H.