Titel: | Neuer Indicator zu dynamometrischen Untersuchungen der Dampfmaschinen, von Deprez. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXIII., S. 315 |
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LXXIII.
Neuer Indicator zu dynamometrischen
Untersuchungen der Dampfmaschinen, von Deprez.
Deprez's Indicator für Dampfmaschinen.
In der Pariser Akademie der Wissenschaften legte Combes
folgenden Bericht von Deprez
Comptes rendus, t. LXXIII p. 654; September 1871. vor:
„Watt hat im Beginn dieses Jahrhunderts ein – allgemein unter dem
Namen Watt'scher Indicator bekanntes –
Instrument ersonnen, welches den Zweck hat, durch die Elasticität einer Feder
die Dampfspannung im Arbeitscylinder für jede Kolbenstellung zu bestimmen.
Dieser Apparat liefert sehr befriedigende Resultate bei Anwendung auf langsam
laufende Maschinen; sobald jedoch die Geschwindigkeit 60 bis 70 Umdrehungen pro Minute erreicht, wird die Curve welche die
Dampfspannungen darstellt, entstellt und die erhaltenen Diagramme verlieren
ihren Werth. Ich unterbreite der Prüfung der Akademie ein Instrument, welches
von diesen Uebelständen frei ist und auf folgendem Principe beruht.
Nehmen wir an, es werde in einem gewöhnlichen Indicator der Feder eine
Anfangsspannung von beispielsweise 1 Kilogramm ertheilt und es sey die
Kolbenstange des Indicators mit einer Knagge versehen, welche derselben nur
gestattet, zwischen sehr engen Grenzen zu oscilliren. Sobald die Dampfspannung
auf den Kolben um ein Minimum 1 Kilogramm überschreitet, wird der Kolben gehoben
werden und die Knagge gegen die obere Arretirung stoßen. Es wird sich hieraus
ein Diagramm ergeben, welches sich zusammensetzt aus zwei geraden parallelen und
durch ein Element der Curve verbundenen Linien. Der Vereinigungspunkt dieses Elementes und
der unteren geraden Linie wird genau derjenigen Kolbenstellung der Maschine
entsprechen, bei welcher die Dampfspannung 1 Kilogramm pro Quadratcentimeter betrug (wenn die Kolbenfläche des Indicators zu
1 Quadratcentimeter angenommen ist).
Die Kolbenstange wird nun so lange gegen die obere Arretirung gestützt bleiben,
als die Dampfspannung mehr wie 1 Kilogrm. pro
Quadratcentimeter beträgt. Während der Expansionsperiode wird aber ein Moment
eintreten, in welchem die Dampfspannung unter diese Grenze sinkt. Es wird dann
die Kolbenstange die obere Arretirung verlassen und gegen die untere Arretirung
stoßen, woraus ein zweites Element der Curve hervorgehen wird, welches genau
jene Kolbenstellung erkennen lassen wird, in welcher der Dampfdruck 1 Kilogrm.
erreicht.
Wenn man die gleiche Operation wiederholt und gleichzeitig der Feder eine
Spannung von 2, 3 Kilogrm. u.s.f. gibt, so wird man eine Reihe von Punkten
erhalten, deren Vereinigung hinreichen wird, um die Expansions- und
Compressionscurve zu verzeichnen.
Es sind mit einem Indicator älterer Construction, welcher nach den eben
erläuterten Principien von Paul Garnier hergestellt
und umgebaut war, eine Reihe von Diagrammen aufgenommen worden. Ihre
Vergleichung mit denjenigen welche man mit den gegenwärtig gebräuchlichen
Instrumenten erhält, läßt erkennen, daß sie den letzteren bei Weitem überlegen
sind.
Die beiden einzigen Einwendungen, welche man gegen ihre Einrichtung erheben kann,
sind:
1) Daß ein solches Diagramm nicht die Vorgänge vereinigt darstellen kann, welche
bei einem Kolbenhube stattfinden, es sey denn daß
eine Reihe vollkommen identischer Umdrehungen erzielt werden kann. Denn um ein
Diagramm abzunehmen, muß die Maschine etwa 10 Umdrehungen machen. Uebrigens hat
mich die Erfahrung überzeugt – wie auch die Continuität der erhaltenen
Diagramme es zeigt, – daß man die Vorgänge im Arbeitscylinder während der
kurzen zu 10 Umdrehungen erforderlichen Zeit als identische ansehen darf. Ein
weiterer Beweis hierfür ergibt sich daraus, daß ich in vielen Fällen den Stift
des Instrumentes während 3 oder 4 aufeinander folgenden Umdrehungen wiederholt
arbeiten lassen konnte, ohne daß die Reinheit des Diagrammes irgendwie alterirt
worden wäre.
2) Daß der Dampfdruck nur in dem Momente der Federspannung vollständig gleich ist
(abgesehen von den Reibungen, welche in Rechnung gezogen werden können und sehr
klein sind), in welchem das Curvenelement sich von der geraden Linie abhebt, und
daß dieser Punkt nicht leicht zu fixiren ist. Um diesem Uebelstande zu
begegnen, muß einerseits die Trägheit der bewegten Masse im Verhältniß zur
Fläche des Indicatorkolbens klein seyn und andererseits muß der Stift scharfe
und feine Linien ziehen. In Wirklichkeit ist die Möglichkeit eines Fehlers
gering und läßt sich vollständig durch eine Einrichtung beseitigen, bei welcher
der Stift aufhört zu zeichnen, sobald die Kolbenstange sich von der betreffenden
Arretirung entfernt.
Ich habe gleichzeitig ein anderes auf gleichem Principe basirtes Instrument
combinirt, welches die Bestimmung hat, die Veränderlichkeit einer während sehr
kurzer Zeiträume wirkenden Kraft zu ermitteln, wie die Spannung der Pulvergase
in Feuerwaffen. Es besteht dasselbe im Wesentlichen aus einer Reihe von Kolben,
welche durch Federn mit fixirter Intensität gespannt sind. Der Moment, in
welchem jeder dieser Kolben sich in Bewegung setzt, läßt die, diesem Zeitpunkte
entsprechende Spannung bestimmen.“
Soweit der Bericht, den wir wohl der Beachtung für werth halten, wenn auch für die
neueren (englischen) Constructionen des Watt'schen
Indicators der diesem Instrumente thatsächlich anhängende Uebelstand –
Einfluß der lebendigen Kraft der bewegten Theile auf die Curven – fast völlig
beseitigt ist, so daß für dieselben nur in geringem Maaße gültig seyn kann, was oben
bezüglich ihrer Anwendung bei schnell laufenden Maschinen gesagt ist. Es möchte sich
immerhin für genaue dynamometrische und theoretische Untersuchungen empfehlen, von
dem Deprez'schen Principe zur Kontrolle der mit dem Watt'schen Indicator gefundenen Diagramme, Gebrauch zu
machen. C. Linde. (Bayerisches Industrie- und
Gewerbeblatt, 1871 S. 274.)