Titel: | Capitän Noble's Chronograph und Gasdruckmesser. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXX., S. 338 |
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LXXX.
Capitän Noble's
Chronograph und Gasdruckmesser.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Noble's Chronograph und Gasdruckmesser.
Die der jüngsten Vergangenheit angehörende Erfindung der Schiffspanzer zwang die
Artillerie, eine ihrer wesentlichsten Aufgaben künftighin in der möglichsten
Steigerung der lebendigen oder Durchschlagskraft ihrer Geschosse zu suchen, um des
unbequemen Gegners Herr zu werden und die vermeintliche Unverwundbarkeit der
eisenbewehrten Schiffskolosse mit Grund und Erfolg anfechten zu können. Das
Nächstliegende Mittel, um die artilleristische Wirkung zu erhöhen, bot sich
unstreitig in der Vergrößerung der Kaliber und in der Steigerung der Ladungen, das
wirksamste aber in der Einführung gezogener Geschütze, namentlich gezogener
Hinterlader, dar. Ein rein empirisches Vorschreiten auf diesem Wege und ein
gewissermaßen planloses Umhertasten, wie man es in früheren Zeiten wohl gewohnt
gewesen war, würde vielleicht auch dießmal zu vorübergehenden Erfolgen, aber
keinenfalls zu entscheidendem und dauerndem Siege geführt haben. Denn der von Jahr
zu Jahr wachsenden Stärke und Widerstandsfähigkeit der Panzerungen gegenüber, wie
sie nur durch die neuesten reißenden Fortschritte auf dem Gebiete der Eisentechnik
ermöglicht wurden, konnte es schließlich nicht ausbleiben, daß auch die Artillerie
sehr bald an der äußersten Grenze ihrer Wirksamkeit anlangte, wenn es nicht gelang,
die Construction und Einrichtung ihrer Geschütze, Geschosse und Ladungen so zu
combiniren, daß mit einem möglichst geringen Aufwande von
Mitteln eine möglichst große Arbeit geleistet würde, oder mit anderen
Worten: daß man ein Maximum von Geschwindigkeit, also auch von
lebendiger Kraft des Geschosses
Die Formel für „lebendige Kraft“ lautet bekanntlich: K = (P . v²)/2g, worin
das Gewicht des Geschosses, v seine
Geschwindigkeit und g die beschleunigende Kraft
der Schwere bedeuten.
mit einem Minimum von Gasspannung, oder von Anstrengung des
Rohres erhielt. In dieser Beziehung scheinen, nach den Ergebnissen der
bisherigen Versuche, vorzugsweise die Zusammensetzung, Dichtigkeit und Körnergröße
des Pulvers, die Länge und Einrichtung der Seele, die Größe des Verbrennungsraumes,
das Gewicht des Geschosses und die Art der Geschoßführung von besonderem Werthe zu
seyn. Um nun die relative Größe und ballistische Bedeutung dieser verschiedenartigen Einflüsse mit
einiger Sicherheit feststellen zu können, ist es vor Allem erforderlich, die
Geschwindigkeit des Geschosses sowohl in beliebigen Punkten seiner Flugbahn, als
auch an beliebigen Stellen der Seele zu messen und zugleich die verschiedenen
Spannungen der das Geschoß im Rohr vor sich hertreibenden Pulvergase zu
ermitteln.
Zum Messen der Geschoßgeschwindigkeiten, sowohl innerhalb, wie außerhalb der Seele,
bedient man sich der sogenannten Chronographen, von denen
mehrere sehr sinnreiche und zweckmäßige Constructionen existiren (z.B. von Navez, Le Boulengé, Noble u.a.m.), welche
sämmtlich mit Hülfe des galvanischen Stromes arbeiten.
Um ferner auch die Gasspannungen zu ermitteln, welche beim Schuß auf die
Seelenwandungen des Geschützrohres einwirken, dienen die sogenannten Gasdruckmesser (von Rodman,
Uchatius, Noble u.a.), welche aber vorläufig noch alle an dem principiellen
Fehler leiden, daß sie nicht die absolute Größe des Gasdruckes in Atmosphären
angeben, sondern nur eine relative Messung desselben vornehmen, und daß sie auch zum
Theil nicht die jedesmalige höchste Spannung, sondern
vielmehr die Summe aller Spannungen ausdrücken.
Mit diesen so überaus wichtigen Fragen der „inneren“ Ballistik
hat sich unter anderen auch die englische Artillerie seit einiger Zeit sehr
eingehend und gründlich beschäftigt. Schon im Mai 1869 trat auf Befehl des
englischen Kriegsministeriums eine besondere Kommission zusammen, welche über
folgende Gegenstände praktische Ermittelungen anstellen sollte.
1) Ueber die Höhe und die Gesetze des Gasdruckes in gezogenen und glatten
Geschützröhren verschiedenen Kalibers bei Anwendung verschiedener in- und
ausländischer Pulversorten.
2) Ueber den Einfluß welchen die Entzündung der Pulverladung an verschiedenen Stellen
auf die Wirkung ausübt.
3) Ueber den Einfluß der Seelenlänge des Geschützes auf die Anfangsgeschwindigkeit
des Geschosses.
4) Ueber die Verwendbarkeit der Schießbaumwolle zu den Ladungen der Gewehre und der
Geschütze kleinen Kalibers.
5) Ueber die Leistungen der Schießbaumwolle und anderer explosibler Stoffe als
Sprengladungen für Hohlgeschosse.
Zu diesen Untersuchungen, so weit dabei die Ermittelung der Zeiträume in Betrachtung
kam, welcher das Geschoß zur Zurücklegung gewisser Strecken im Rohr bedurfte,
bediente man sich vorzugsweise des von Capitän Andrew Noble erfundenen Chronographen (chronoscope).
Die Einrichtung dieses Instrumentes beruht in der Hauptsache auf dem Princip, mittelst elektrischer
Strömungen auf Flächen, welche mit großer, aber gleichförmiger Winkelgeschwindigkeit
rotiren, den Augenblick worin das Geschoß bestimmte Stellen im Rohr erreicht, mit
größtmöglicher Genauigkeit zu verzeichnen.
Das Instrument (Fig.
1–3) besteht aus zwei gesonderten Theilen, deren einer dazu dient, die
erforderliche Umdrehungsgeschwindigkeit auf mechanischem Wege hervorzubringen und
sie in stets gleichmäßigem Zustande zu erhalten, während der andere Theil den
elektrischen Registrirapparat bildet. Zu dem ersteren gehören mehrere dünne,
kreisrunde Metallscheiben (A, A in Fig. 1) von 36 Zoll
Peripherie, welche mit Zwischenräumen auf einer horizontalen Welle S angebracht sind; um letztere in sehr rasche Rotation
zu versetzen, dient ein schweres Fallgewicht B, das aber
nicht direct, sondern durch Vermittelung von vier Stirnrad-Vorgelegen an der
Welle S angreift. Das Wiederaufwinden des Gewichtes wird
durch die mit einer Ratsche verbundene Handspeiche H
besorgt. Da aber die Arbeitsleistung des Fallgewichtes allein immerhin nicht genügen
würde, um die erforderliche Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheiben anders als mit
einem unverhältnißmäßig großen Zeitaufwands zu erzielen, so hat man seine Wirkung
durch eine auf die dritte Vorgelegewelle aufgeschobene Kurbel C unterstützt, welche die beabsichtigte Geschwindigkeit eben so rasch wie
leicht zu erreichen gestattet. Das Uhrwerk D, welches an
der Welle E nach Belieben ein- und ausgeschaltet
werden kann, gibt die auf eine gewisse Zahl von Umdrehungen verwendete Zeit bis zu
einer Genauigkeit von 1/10 Secunde an. In der Regel laufen die Scheiben mit einer
Winkelgeschwindigkeit von 1000 englischen Zollen an der Peripherie, so daß jeder in
dieser Linie und mit dieser Geschwindigkeit zurückgelegte Zoll dem tausendsten Theil
einer Secunde entspricht; da ferner der Nonius V den
Zoll wieder in Tausendtheile zerlegt, so erhält man an der Peripherie der Scheiben
die graphische Darstellung von Milliontheilen einer Secunde. Selbstverständlich
würde aber schon eine geringe Abweichung in der Winkelgeschwindigkeit sehr
bedeutende Unterschiede in den Angaben der Registrirvorrichtung zur Folge haben;
deßhalb wird bei jedem einzelnen Versuch die Gleichförmigkeit der Rotation durch
drei Beobachtungen festgestellt, deren eine man unmittelbar vor, die zweite während
und die dritte unmittelbar nach dem Versuche anstellt; das arithmetische Mittel aus
den Ergebnissen dieser drei Beobachtungen gilt dann als die durchschnittliche
Geschwindigkeit der Scheiben. Die Versuchscommission war der Ansicht, daß es nur
einer geringen Uebung bedürfe, um die Maschine so in Gang zu bringen, daß entweder
gar keine oder doch nur eine äußerst geringe Zu- und Abnahme der Rotation
eintrete. Bei den ersten Versuchen der Kommission scheint die
Geschwindigkeit-Uebersetzung so angeordnet gewesen zu seyn, daß jedes
folgende Vorgelege die Zahl der Umdrehungen des vorhergehenden verfünffachte; wenn
somit das Rad F (Fig. 3) in einer gewissen
Zeit eine Umdrehung machte, so liefen in demselben Zeitraume die nächsten beiden
großen Räder je fünf, bez. 5 . 5 = 25 Mal und die Scheiben 25 . 5 = 125 Mal um. Man
legte bei den Versuchen gewöhnlich die Zeit für fünf Umdrehungen des F-Rades zu Grunde und verfuhr dann wie folgt: War
die verlangte Winkelgeschwindigkeit erreicht, so wurde das Uhrwerk an der Welle E (Fig 1) eingeschaltet und die Zeit vermerkt, welche
das F-Rad brauchte, um 5 Umdrehungen zu machen
(d.h. also die Zeit, in der die Scheiben A 625 Mal
umliefen). Dann beobachtete man, nachdem das Rad F noch
eine Umdrehung mit ausgeschaltetem Uhrwerk gemacht hatte, abermals die Zeit für 5
Umdrehungen und feuerte während dieser Beobachtung zugleich das Geschütz ab.
Schließlich wurde, nachdem das F-Rad wiederum
einmal leer umgelaufen war, die für fünf Umdrehungen erforderliche Zeit zum dritten
Mal beobachtet und dann die Maschine angehalten. Angenommen, man habe bei Beginn des
Versuches an der Uhr 44,6 Secunden abgelesen, nach den ersten fünf Umdrehungen 9,2,
nach den zweiten fünf 33,8 und zuletzt 58,4 Secunden, so ist leicht zu ersehen, daß
die Differenzen dieser Zahlen unter sich gleich sind, nämlich stets 24,6 betragen,
und daß die Maschine sonach mit gleichmäßiger Geschwindigkeit arbeitete. Eine so
beträchtliche Geschwindigkeit im Verein mit einem so hohen Grade von
Gleichförmigkeit ließ sich natürlich nur durch eine außerordentlich genaue
Ausführung sämmtlicher Theile des Mechanismus erreichen.
Die Anordnung des elektrischen Registrirapparates ist folgende: Die Peripherien der
metallenen Scheiben A sind mit Streifen von weißem
Papier bedeckt und mit einem der Secundärdrähte G eines
Inductionsapparates in Verbindung gebracht (Fig. 1). Der andere
Secundärdraht H, den man sorgfältig isolirt hat, wird
mit dem Entlader I verbunden, welcher der Peripherie der
zugehörigen Scheibe in geringem Abstande gegenüber angebracht ist. So oft nun ein
Funke von dem Entlader auf die Scheibe überspringt, wird in dem die letztere
umgebenden Papierstreifen immer ein kleines Loch erzeugt, und zwar immer an der
Stelle der Scheibe, welche sich bei dem Ueberspringen des Funkens dem Entlader
gerade gegenüber befand. Da aber der Ort dieses Loches im Papier seiner
außerordentlichen Kleinheit wegen sehr schwer zu finden seyn würde, so schwärzt man
den Streifen vorher mit Lampenruß; dadurch wird die Lage des Loches sogleich
sichtbar, indem der Ruß an der betreffenden Stelle durch den elektrischen Funken
fortgebrannt wird und von dem darunter liegenden Papier ein deutlich wahrnehmbares
weißes Pünktchen zum Vorschein kommt. Die Art und Weise, wie die Primärdrähte des
Induktionsapparates mit der Seele des Geschützes so in Verbindung gebracht werden,
daß das Geschoß, sobald es eine bestimmte Stelle im Rohr erreicht, den Primärstrom
unterbricht und damit dem Secundärstrom einen Funken entlockt, ist in der Zeichnung
eines Längen- und eines Querschnittes der Rohrseele dargestellt, welche das
Geschoß A zu durchlaufen hat. In die Wandung des
Geschützes wird eine Hohlschraube K (Fig. 1) eingeschraubt,
welche an ihrem inneren Ende ein nur wenig in die Seele hineinragendes Messer trägt.
Letzteres ist in dieser Stellung durch den Primärdraht festgehalten, der an der
einen Seite in die Schraube eintritt, durch ein Loch im Messer geht und auf der
anderen Seite der Schraube wieder austritt. Die beiden Enden dieses Drahtes werden
mit den zu dem Instrument führenden Hauptdrähten verbunden, sobald die Schrauben
oder Stöpsel in die Rohrwandungen eingeschraubt sind. Bei dem Abfeuern des Schusses
drückt das Geschoß das Messer zurück, schneidet damit den Primärdraht durch und
verursacht so das augenblickliche Ueberspringen eines Funkens von dem Entlader auf
die rotirende Scheibe, was durch das auf dem Papier zurückbleibende weiße Pünktchen
zur Erscheinung gebracht wird. Um der bei Vorderladern besonders nahe liegenden
Möglichkeit vorzubeugen, daß schon die neben und über dem Geschoß entweichenden
Pulvergase das Messer vorzeitig, d.h. bevor das Geschoß es erreicht hat,
zurückdrücken könnten, wird es in seiner Lage durch einen besonderen
Sicherheit-Vorstecker festgehalten, welchen der Druck des Geschosses
gleichzeitig mit dem Primärdraht durchschneidet.
Die Art des Ablesens der Beobachtungen ist folgende: Nachdem ein Versuch gemacht und
die Funkenreihe auf den rotirenden Scheiben aufgefunden worden ist, stellt man die
Marke auf Scheibe Nr. 1 mit Hülfe einer Mikrometerschraube der Spitze des
zugehörigen Entladers gerade gegenüber, befestigt alsdann den Nonius V an dem Ende der Welle S
und stellt ihn auf Null. Mit den übrigen Scheiben verfährt man in durchaus analoger
Weise.
Es liegt indeß auf der Hand, daß die Resultate welche derartige Messungen so überaus
kleiner Zeittheilchen zu liefern vermögen, mit großem Argwohn gegen ihre
Zuverlässigkeit aufzunehmen seyn würden, wenn man keine Mittel zur Controlle der
Angaben des Apparates besäße. Eine für die Construction des letzteren vorzugsweise
maaßgebende Rücksicht bestand deßhalb darin, entsprechende Vorkehrungen zu treffen,
welche die Richtigkeit seiner Messungen jederzeit unschwer zu prüfen gestatteten. Zu
diesem Behuf ist das Ganze derartig eingerichtet, daß immer eine Scheibe, ein Entlader und ein
Inductionsapparat gewissermaßen ein Meßinstrument für sich bilden, das den Ort des
überspringenden Funkens verzeichnet, sobald der Primärdraht durchgeschnitten wird;
es müssen also die Funkenspuren auf sämmtlichen Scheiben offenbar in einer geraden
Linie liegen, wenn das Durchschneiden aller Primärdrähte genau in einem und
demselben Augenblick stattfindet, während andererseits die Abweichungen von der
geraden Linie, oder mit anderen Worten von einem absolut gleichzeitigen
Ueberspringen der Funken, die in der Construction des Instrumentes beruhenden
Fehlerquellen andeuten. Man hatte in dieser Beziehung große Schwierigkeiten zu
überwinden, namentlich um ein gleichzeitiges Durchschneiden der Primärdrähte zu
erzielen. Das einzige Mittel, welches sich als völlig zufriedenstellend bewährte,
lief darauf hinaus, sämmtliche Drähte an einem kleinen Rahmen nahe der Mündung des
Rohres zu befestigen und mit Geschossen zu feuern, die vorn gerade abgeschnitten
sind, so daß sie ein gleichzeitiges Zerschneiden der Drähte und somit auch eine
wirkliche Kontrolle des Instrumentes gestatten. Die seitens der Versuchscommission
mitgetheilten Ergebnisse zeigen jedenfalls eine außerordentliche Gleichmäßigkeit in
den Messungen und beweisen, daß Capitän A. Noble's
Chronograph als Geschwindigkeitsmesser ein sehr wirksames und empfindliches
Instrument ist. Freilich stimmen die von Sachkundigen über dasselbe gefällten
Urtheile nicht vollständig und in allen Beziehungen überein. Unter Anderem macht man
dem Instrumente beispielshalber zum Vorwurf, daß die Art des Zerschneidens der
Drähte durch das Geschoß keineswegs als vollkommen gelten dürfe, sondern
unzweifelhaft zu verhältnißmäßig recht bedeutenden Fehlern führen müsse. Es ist
nämlich der Kraftaufwand welchen das Geschoß zum Zurückdrücken der Messer bedarf,
ein so beträchtlicher und der Anprall des Geschosses so heftig, daß in der
cylindrischen Mantelfläche des letzteren häufig tiefe Längseinschnitte entstehen,
welche offenbar auch die Geschoßgeschwindigkeit entsprechend verringern müssen und
in Folge dessen die Ursachen großer Unregelmäßigkeiten werden können.
Ebenso ist auch das Verfahren, welches die Zahl der Umdrehungen der rotirenden
Scheiben feststellen soll, nichts weniger als tadelfrei. Denn das zählende Uhrwerk
wird durch den Apparat selbst sowohl in Gang gesetzt, als auch wieder angehalten;
dieß, sowie die vielfachen Uebertragungen der Bewegung durch Zahnradvorgelege
begünstigen die Schärfe der Messungen gleichfalls nicht.
Die nachstehende Tabelle liefert ein beliebig herausgegriffenes Beispiel von den
Leistungen des Noble'schen Chronographen und von den
schädlichen Einflüssen der ihm noch anhaftenden principiellen Mängel:
Zeit zwischen zwei Unterbrechungen
Nr. desSchusses
1. – 2.
2. – 3.
3. – 4.
4. – 5.
12345
0,0003780,0003670,0003700,0003750,000369
0,0007920,0007320,0007250,0007480,000738
0,0005100,0005130,0005040,0004960,000525
0,000000–0,0010480,0010440,001065
Aus diesen Messungen wurden folgende Geschwindigkeiten des Geschosses berechnet
(engl. Fuße):
1
2
3
4
5
Mittel
384,1 396,1 392,2 386,3 392,3 390,2
724,1 712,8 720,2 697,8 708,0 712,6
1010,7 996,8 1013,8 1030,5 973,0 1004,9
– – 1123,5 1127,7 1105,0 1118,7
Wie man sieht, ergeben sich auf dem Raum zwischen der 3. und 4. Unterbrechung für den
4. und 5. Schuß schon Unterschiede von 57,5 Fuß engl. in der Geschwindigkeit des
Geschosses, – ein Resultat welches für die unbedingte Zuverlässigkeit der
betreffenden Messungen eben kein allzu glänzendes Zeugniß ablegen dürfte.
Während der Chronograph die Zeiten registrirt, welche das Geschoß bedarf, um
bestimmte Strecken in der Seele des Rohres zurückzulegen, arbeiten gleichzeitig auch
die Gasdruckmesser, um zu verzeichnen welcher Aufwand an Kraft, d.h. an Spannung der treibenden Pulvergase, oder an Anstrengung des
feuernden Rohres erforderlich war, um die erzielte Arbeitsleistung, d.h. die erreichte Geschwindigkeit und lebendige Kraft
des verfeuerten Geschosses zu gewinnen.
Die englische Versuchscommission bediente sich zu letzterem Behuf außer dem bekannten
Rodman'schen ApparatEin stählerner Meißel mit parabolisch gekrümmter Schneide wird durch den
Druck der Pulvergase gegen eine kupferne Platte gepreßt; für die gemessene
Länge des auf diese Weise in der Platte entstandenen Einschnittes gibt eine
aus weitläufigen Versuchsreihen hergeleitete Tabelle den zugehörigen
Gasdruck in Atmosphären an. auch vorzugsweise des Noble'schen Gasdruckmessers (crusher
gauge). Dieses Instrument (Fig. 4, 5 und 6) besteht aus einer
stählernen Hohlschraube, deren untere weitere Oeffnung mit einem beweglichen
Schraubenverschluß versehen ist, so daß man in die Kammer C,
D, E, F nach Bedarf kleine kupferne Cylinder (B)
einsetzen kann. Die eine Grundfläche dieser Cylinder liegt auf dem Amboß A auf, während auf die andere der bewegliche, durch die
Feder i fest gegen den Cylinder gedrückte Kolben C wirkt; eine kleine Uhrfeder (Fig. 7) besorgt die
Centrirung des Cylinders in der Kammer. Die sonstigen Einrichtungen haben lediglich
den Zweck, ein etwaiges Einströmen der Pulvergase in die Kammer zu verhindern. Der
Kopf des Kolbens ist gereifelt (Fig. 9), ebenso der Amboß
(Fig. 6),
während vier lange Durchbohrungen (Fig. 5 bei A, B) mit einem weiteren Canal in Verbindung stehen,
welcher den oberen Theil der Schraube in achsialer Richtung durchsetzt. Endlich ist
auch das untere Ende des Kolbens C mit einer
hermetischen Abdichtung versehen.
Dieser Gasdruckmesser arbeitet folgendermaßen: Wenn der Schuß abgefeuert wird, wirken
die Pulvergase auf die untere Fläche des Kolbens und pressen somit den
Kupfercylinder gegen den Amboß. Das Maaß der Zusammendrückung, welche der Cylinder
in Folge dessen erleidet, soll nun einen Ausdruck für die stattgehabte
Maximalspannung der Gase ergeben. Bei dem gezogenen 8 zölligen Vorderlader stellte
sich eine Grundfläche der Kupfercylinder von 1/12 Quadratzoll und eine Druckfläche
des Kolbens von 1/6 Quadratzoll engl. am vortheilhaftesten heraus. Um auf
praktischem Wege festzustellen, wie viel Druck erforderlich ist, damit
Kupfercylinder von der für den Gasdruckmesser gebräuchlichen Beschaffenheit und
Gestalt sich bis auf ein bestimmtes Maaß zusammendrücken lassen, wurde mit einer
Zerdrückmaschine eine Reihe von Versuchen ausgeführt; in den tabellarisch geordneten
Resultaten derselben erhielt man einen geeigneten Maaßstab, um aus der mittelst des
Gasdruckmessers erzielten Größe der Zusammendrückung direct den Gasdruck zu
bestimmen, welcher an der Stelle der Seele, wo die Hohlschraube mit dem Apparat
eingeschraubt war, stattgefunden hatte.
Die Versuchscommission fand übrigens, daß der Noble'sche
Gasdruckmesser viel zuverlässigere Resultate liefere, als der Rodman'sche, und zwar aus folgenden Gründen: Größe und Gestalt der Rodman'schen Kupferplatten und Messer machen es
unvermeidlich, sie an dem oberen Ende der Hohlschraube,
also an der Außenfläche des Rohres, anzubringen; die
Pulvergase haben deßhalb zwischen der Seele des Geschützes und dem Apparat noch
einen nicht unbeträchtlichen, mit der Zunahme des Kalibers überdieß noch wachsenden
Raum zurückzulegen und müssen somit eine ziemlich bedeutende lebendige Kraft
erlangen (namentlich bei rasch zusammenbrennenden Pulversorten), bevor sie das
Instrument erreichen; dieser Ueberschuß an Kraft aber überträgt sich natürlich auch
auf den Gasdruckmesser und letzterer mißt folglich einen entsprechend höheren Druck, als er in der
Rohrseele überhaupt vorhanden war. Dieser Umstand trat sehr deutlich zu Tage, als
man einen Kupfercylinder in den Rodman'schen Apparat
einsetzte und ihn dann hinsichtlich seiner Zusammendrückung mit einem ähnlichen
Cylinder verglich, der sich im Noble'schen Instrument
befunden hatte. Letzterer war von 0,5 auf 0,285 Zoll engl. zusammengedrückt worden,
während die Größe der Fläche, auf welche die Gase wirkten, 0,167 Quadratzoll betrug;
diesen Verhältnissen entsprach ein Druck von 22,5 Tonnen (22838 Kilogrm.) pro Quadratzoll. Andererseits hatte der an der
Außenfläche des Rohres angebracht gewesene Cylinder eine Zusammendrückung von 0,5
auf 0,25 Zoll erfahren, während die Gase nur auf eine Fläche von 0,11 Quadratzoll
wirkten; die Spannung betrug daher in diesem Fall 40 Tonnen (40600 Kilogrm.) pro Quadratzoll. Bei dem Noble'schen Instrument können derartige Hindernisse einer richtigen
Messung des Gasdruckes gar nicht vorkommen, weil der geringe Durchmesser der
arbeitenden Theile des Apparates sie immer unmittelbar an der Seele anzubringen
gestattet. Ein fernerer Vortheil dieser kleineren Abmessungen besteht darin, daß
sich viel leichter eine möglichst gleichmäßige Beschaffenheit der dem Druck zu
unterwerfenden Metallstückchen erreichen läßt, weil von den Noble'schen Cylindern eine erheblich größere Anzahl, als von den Rodman'schen Platten, aus einer und derselben Sorte
Kupfer hergestellt werden kann.
Das Geschütz, dessen sich die Versuchscommission zu ihren. Ermittelungen über
Gasspannung und Geschoßgeschwindigkeit bediente, war ein schmiedeeiserner, 8
zölliger Woolwich-Vorderlader von 6,5 Tonnen (6598 Kilogrm.) Gewicht und 126
Zoll engl. Seelenlänge; die Abbildung (Fig. 1) gibt den
Längenschnitt dieser Kanone. Am hintersten Theil der Seele, an der sogenannten
„Kammer,“ waren die Rohrwandungen mit drei, durch massive
Schrauben verschließbaren Durchbohrungen (A, B, C)
versehen, welche nach Belieben entweder den Rodman'schen
oder den Noble'schen Gasdruckmesser einzusetzen
gestatteten. Vierzehn andere, in verschiedenen Zwischenräumen angebrachte und beim
Nichtgebrauch ebenfalls durch massive Schrauben verschließbare Durchbohrungen
dienten zur Aufnahme der für den Chronographen bestimmten Messer zum Zerschneiden
der Drähte. Bei jeder Beobachtung wurden sechs Messer in Gebrauch genommen und zwar
bediente man sich dazu immer abwechselnd der vorderen und hinteren Durchbohrungen.
Die Geschosse waren gußeiserne Cylinder von 15 Zoll engl. Länge, 7,995 Zoll
Durchmesser und 81,63 Kilogrm. Gewicht.
Von den verschiedenen Pulversorten, welche man bei diesen Versuchen einer eingehenden
Prüfung unterwarf, sind vorzugsweise zu nennen:
1) englisches grobkörniges Pulver für gezogene Geschütze (large grained rifle powder);
2) englisches Cylinder-Pulver (pellet powder);
3) englisches Kiesel-Pulver (pebble powder),
und
4) russisches prismatisches Pulver.
Außer diesen Sorten wurde noch geprüft: Spandauer (preußisches) und Ritter'sches prismatisches Pulver; gewöhnliches engliches
grobkörniges; belgisches grobkörniges; zwei Sorten spanisches; zwei Sorten
französisches Marine-Pulver; amerikanisches; mehrere Proben grobkörniges und
Cylinder-Pulver aus der Fabrik von Curtis und Harvey, und endlich englisches „A
3“-Pulver, welches in den Jahren 1860–62 in Waltham Abbey
fabricirt worden war.
Das englische „grobkörnige Pulver für gezogene
Geschütze“ (l. g.
r. p.) besteht aus 76,43 Theilen Salpeter, 8,81 Schwefel und 14,76 Kohle.
Die Körner sind eckig und mit einer Graphit-Politur versehen. Ihre Größe ist
so bemessen, daß sie auf einem Siebe von 8 Maschen pro
Zoll liegen bleiben, dagegen durch ein Sieb von 4 Maschen pro Zoll hindurchfallen. Durchschnittlich gehen 13000 Körner auf ein Pfund
engl. (0,454 Kilogrm.). Diese Pulversorte wurde in England auf Wunsch Sir William
Armstrong's für dessen gezogene Hinterlader kleineren Kalibers bereits im Jahre 1860 eingeführt. Sie
brennt ungemein schnell zusammen und ist sehr offensiv, d.h. sie gestattet,
namentlich aus Vorderladern von verhältnißmäßig geringer Seelenlänge, wie es
beispielshalber die englischen Woolwich-Rohre sind, bedeutende
Anfangsgeschwindigkeiten des Geschosses zu erreichen, entwickelt dafür aber auf der
anderen Seite auch sehr hohe Gasspannungen und ist deßhalb für die Haltbarkeit und
Dauer der Rohre durchaus nicht ungefährlich.
Das Korn des Cylinder-Pulvers (pellet powder) ist ein flacher Cylinder, dessen
eine Grundfläche in der Mitte eine Aushöhlung in Gestalt eines abgestumpften Kegels
hat. Sein Durchmesser beträgt 3/4, seine Höhe 1/2 und die Tiefe der Aushöhlung 1/4
Zoll engl.; das specifische Gewicht ist gleich 1,65 bis 1,7. Es brennt langsamer
zusammen, als das l. g. r. p., und ist daher weniger
offensiv, zugleich aber auch in kurzen Vorderladern weniger ergiebig an
Geschoßgeschwindigkeit, als jenes. Es wurde in England auf Vorschlag der
Pulver-Commission und des Ordnance Select
Committe im Jahre 1867 angenommen, nachdem mehrere schwere Geschütze durch
das l. g. r. p. zerstört worden waren; man pflegte es
aber ausschließlich zu Ladungen von 60 Pfund und mehr zu verwenden.
Das Kiesel-Pulver (pebble powder) hat seinen Namen von der Aehnlichkeit der Körnerform mit gewöhnlichen
Kieselsteinen erhalten. Es ist chemisch ebenso zusammengesetzt wie das grobkörnige
Pulver für gezogene Geschütze und unterscheidet sich von diesem nur durch die Größe
und Dichtigkeit der Körner. Man stellt es dar, indem man den auf die erforderliche
Dichtigkeit gepreßten Pulverkuchen in Brocken zerkleint, welche durch ein Sieb von
3/8 Zoll Maschenweite noch hindurch gehen, aber auf einem Siebe mit halbzölligen
Maschen liegen bleiben. Diese Brocken werden dann in einer Rollirtrommel mit einem
geringen Zusatz von pulverisirtem Graphit rollirt, bis sie das Aussehen von
schwarzen Kieseln mit mehr oder weniger polirter Oberfläche erhalten. Die
Darstellung des Kiesel-Pulvers war anfangs ziemlich kostspielig, weil man bei
dem Körnen des Pulverkuchens immer einen unverhältnißmäßig großen Abgang an zu
kleinen Stücken und Mehl erhielt; auch machte man dem Pulver die große
Unregelmäßigkeit in der Gestalt seiner Körner zum Vorwurf. In beiden Beziehungen
soll man jedoch in der Pulverfabrik von Waltham Abbey neuerdings zu wesentlichen
Verbesserungen gelangt seyn, welche ein ebenso gleichförmiges wie wohlfeiles Pulver
zu fabriciren gestatten.
Das prismatische Pulver wurde zuerst in Amerika
angefertigt und eine Beschreibung seiner ursprünglichen Darstellungsweise ist in Rodman's Schrift: „Experiments on metals for cannon, 1861“ enthalten. Für
Rußland liefert es die bedeutende Pulverfabrik von Okta bei Petersburg. Es hat
durchaus dieselben Bestandtheile wie andere Pulversorten: 75 Proc. Salpeter, 15
Kohle und 10 Schwefel; auch wird bei dem Kleinen, Mengen, Pressen und Körnen ganz in
der gewöhnlichen Weise verfahren. Aber aus den erhaltenen Körnern von 1/13 bis 1/8
Zoll Durchmesser preßt man schließlich unter hydraulischem Druck Prismen, deren
Grundflächen regelmäßige Sechsecke sind und die sieben cylindrische, zur Achse des
Prisma's parallele Canäle enthalten (Fig. 11 und 12). Höhe des
Prisma's: 1 Zoll; Seite des Sechseckes: 0,8 Zoll; lichte Weite der Canäle: 0,2 Zoll;
Abstand von Mitte zu Mitte der Canäle: 0,4 Zoll. Specifisches Gewicht: 1,66.
Wassergehalt: 7 Procent. Pressung: 2150 Pfund pro
Quadratzoll. Wenn die Prismen aus der Presse kommen, sind sie ungemein hart,
enthalten aber noch so viel Wasser, daß sie einem künstlichen Trockenproceß
unterworfen werden müssen. Dieß geschieht in einem mit heißer Luft geheizten
Trockenhause, worin die Prismen 14 Tage hindurch einer Wärme von mehr als 90°
Fahr. (32° C.) ausgesetzt bleiben, bis sich ihr Feuchtigkeitsgehalt von 7 auf
1 Procent verringert hat. Alsdann wickelt man immer je sechs mit ihren Grundflächen
auf einander gesetzte Prismen in Papier und legt sie in Schachteln, welche ebenfalls mit
Papier ausgekleidet sind. Die Kartuschen werden aus lauter einzelnen, unmittelbar
neben und über einander liegenden Prismen so aufgebaut, daß die Canäle parallel der
Achse der Kartusche liegen und förmliche, durch sämmtliche Prismenschichten
hindurchgehende Röhren bilden.
Die Resultate, welche die hier beschriebenen vier Pulversorten bei den mehrerwähnten
Versuchen unter dem Chronographen und Gasdruckmesser lieferten, sind ihrem
wesentlichen Kern nach in der nachstehenden Zusammenstellung niedergelegt.
Pulversorte
LadungPfd. engl.
Geschoßgeschwindigkeitan der Mündung,Fuß
engl.
HöchsterGasdruck,Tonnen
Grobkörniges Pulver für gezogene
Geschütze
30
1324
29,8
Cylinder-Pulver
30
1338
17,4
Kiesel-Pulver
35
1374
15,4
Russisches prismatisches Pulver
32
1366
20,5
Nach diesen Ergebnissen würde unstreitig das Kiesel-Pulver das beste und das
grobkörnige das schlechteste für die dem Versuche zu Grunde
liegenden Verhältnisse seyn, denn ersteres gab bei der geringsten Gasspannung
die größte Anfangsgeschwindigkeit, letzteres dagegen bei der größten Gasspannung
die geringste Anfangsgeschwindigkeit. Daraus folgt nun aber durchaus noch
nicht, daß das Kiesel-Pulver seinen Concurrenten unter allen Umständen
vorzuziehen bleibt, beispielshalber daß es auch für gezogene Hinterlader dem prismatischen Pulver überlegen
ist, welches Preußen und Rußland, die hauptsächlichsten Vertreter des
Hinterladungs-Systemes, für die schweren Geschütze ihrer Marine- und
Küsten-Artillerie ausschließlich angenommen haben, und das sich ebenso durch
die Energie seiner Wirkung im Verein mit einer verhältnißmäßig niedrigen
Gasspannung, wie auch durch die Gleichmäßigkeit seiner Kraftäußerung und den dadurch
mit bedingten günstigen Einfluß auf die Trefffähigkeit sehr vortheilhaft
empfiehlt.
(– ε)