Titel: | HenryBessemer's Construction schwerer Geschütze. |
Fundstelle: | Band 202, Jahrgang 1871, Nr. LXXXI., S. 350 |
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LXXXI.
HenryBessemer's Construction schwerer Geschütze.
Nach Engineering, September 1871, S.
173.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Bessemer's Construction schwerer Geschütze.
Henry Bessemer hat sich in letzterer Zeit mit dem Probleme
beschäftigt, Geschosse von so großen Gewichten wie sie bisher nicht zur Anwendung
gebracht werden könnten, mit verhältnißmäßig leichten Geschützrohren zu combiniren,
was erreicht werden soll, indem die ballistische Wirkung der Pulverladung verstärkt,
ihre Einwirkung auf die Rohrwandungen aber abgeschwächt wird. Bei Rohren von
entsprechender Länge glaubt der Erfinder diesen Zweck durch eine Reihe
zusammenhängender oder wiederholter Explosionen bewirken zu können, welche eine
verhältnißmäßig geringe aber durchaus gleichmäßige Pressung auf das im Rohre
vorschreitende Geschoß ausüben; er hofft, daß dadurch die Geschoßgewichte künftig
nach Tonnen, statt nach Pfunden berechnet und daher auch bei geringeren
Geschoß-Anfangsgeschwindigkeiten eisengepanzerte Schiffe oder Forts zerstört
werden können.
Während in dem bisherigen Rohrsysteme mit sehr starken Rohrwänden die Pulverladung
anfangs etwa 60000 Pfd. Druck pro Quadratzoll auf deren
Seelenwände ausübt und dieser Druck, nachdem das Geschoß etwa 10 Fuß im Rohre
vorgeschritten ist, sich auf circa 15000 Pfd. pro Quadratzoll verringert, schlägt nämlich Bessemer vor, an Stelle dieses heftigen und ungleichen
Stoßes eine gleichmäßige Triebkraft von circa 3000 Pfd.
pro Quadratzoll bei etwa 50 Fuß langen Rohren zu
setzen, um eine der früheren gleiche Wirkung bei verminderter Rohranstrengung zu
erzielen.
Von den zur Versinnlichung dieser Idee beigegebenen Zeichnungen stellt Fig. 32 die
Seitenansicht, Fig.
33 den Längendurchschnitt und Fig. 34 einen Querschnitt
des Rohres dar. Dasselbe soll aus mit Stahlringen gepanzerten schmiedeeisernen
Röhren zusammengesetzt werden, welche ihre Verbindung unter sich durch Verbolzung
ihrer umgebogenen Ränder mit einander erhalten. Als Rohrverschluß dient eine in das
hintere Rohrende eingeschrobene Schwanzschraube mit vorgesetzter Liderung aus Kupfer
(oder einem sonstigen geeigneten Metall), und die Handhabung dieses Verschlusses
soll durch eine mit Hebel versehene Stange g (Fig. 33)
geschehen, die, vermittelst eines Krahnes getragen, an ihrem hinteren Ende ein
Gegengewicht i hat, welches mit Handhabe zur Umdrehung
des Verschlußstückes um seine Längenachse versehen ist.
Zur Hervorbringung eines continuirlichen Gasdruckes auf das Geschoß, wird ein
cylindrischer Ladungscylinder von Stahl lose in das Rohr eingesetzt, in welchen,
parallel zu seiner Längenachse, 20 bis 100 (je nach dem Kaliber) cylindrische
Ladungskammern von 2 bis 5 Zoll Durchmesser eingebohrt wurden; jede dieser letzteren
enthält eine Reihe von allmählich immer stärker werdenden Pulverladungen, welche
durch Diaphragmen, Mehlpulverschichten etc. von einander getrennt, durch centrale
Zündungsleitungen mit einander verbunden sind, daher nur nach und nach zur Explosion
kommen können. Diese Anordnung ist durch Fig. 33 im Längenschnitt
und durch Fig.
35 im Querdurchschnitt versinnlicht. – Die Entzündung der obersten
Ladungsschichten geschieht durch ein in besonderer Höhlung o (Fig.
33) central angebrachtes Zündhütchen, welches durch einen in der
Verschlußstange g liegenden Schlagstift l (Fig. 33) zur Explosion
gebracht werden kann.
Der beabsichtigte continuirliche Gasdruck auf das Geschoß läßt sich nach Bessemer aber auch in der Weise herstellen, daß die
einzelnen Pulverzellen des Verschlußstückes in gewöhnlicher Art mit Pulver gefüllt
und dann durch Elektricität nur nach und nach in dem Maaße entzündet werden als das
Geschoß im Rohre vorschreitet.Um denselben Zweck zu erreichen, hat früher (wie auch im Engineer, October 1871, S. 329 bemerkt wird) Lyman den Vorschlag gemacht, daß eine Reihe von
Pulverladungen – nach der beigegebenen Figur 40 –
vermittelst besonderer Pulverkammern seitlich in die Rohrwandung eingesetzt
wird, welche dann nach Maaßgabe des durch Abfeuern der ersten Ladung im
Rohre vorschreitenden Geschosses allmählich entzündet werden sollen. (Man
setze die Beschreibung des Lyman'schen
Beschleunigungskammern-Geschützes im polytechn. Journal, 1868, Bd.
CLXXXVIII S. 112.)Anm. des Referenten. Dieß soll durch die Leitungsdrähte galvanischer Batterien bewerkstelligt
werden, deren Paare isolirt in die Ladungszellen und in die Rohrwandung des
Geschützes v, v, v (Fig. 36) eingeführt
werden, wobei sie aus letzterer nach Innen hin so weit vorstehen, daß das im Rohre
vorschreitende Geschoß sie berühren und dadurch den unterbrochenen Strom der
betreffenden galvanischen Batterie in beiden Leitungsdrähten wieder herstellen muß,
wodurch an den Drahtspitzen der entsprechenden Pulverkammer der elektrische Funke
überspringt und die betreffende Zellen-Pulverladung entzündet.
Die zu verwendenden Geschosse sind entweder Rundgeschosse mit nach dem Kaliber
abgeflachter cylindrischer Gürtelzone (wie in Fig. 33 dargestellt),
oder Langgeschosse (s. Fig. 36–39) mit
innerer Pulverladung B (Fig. 36) und mit spiralen
Gasausströmungs-Oeffnungen, um diese Projectile durch die Wirkung der beim
Schusse entstehenden Pulvergasströme (Fig. 38) zur Rotation um
ihre Längenachse zu zwingen.